L 19 R 523/08 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 312/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 523/08 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.03.2008
- S 8 R 312/07 - wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Mit Urteil vom 27.03.2008 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren. Die gerichtliche Sachverständige sehe eine berechtigte Aussicht auf eine Besserung hierdurch. Allerdings könne keine sichere Aussage über die Dauer der vorhandenen Einschränkungen gemacht werden.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Beratungsärztliche Dienst sehe es als unwahrscheinlich an, dass der Kläger noch ein konkurrenzfähiges Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt erreichen werde. Eine wesentliche Besserung durch eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei unwahrscheinlich.
Zudem hat die Beklagte beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des SG auszusetzen. Der Kläger erleide durch ein Abwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache keine Nachteile. Hingegen sei eine Kostenerstattung durch den Kläger bei Durchführung eines medizinischen Rehabilitationsverfahrens und anschließendem Obsiegen der Beklagten im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht gewährleistet. Auch sei sie für die Erbringung einer Rehabilitationsleistung örtlich nicht zuständig.
Der Kläger hat telefonisch mitgeteilt, dass er sich zurzeit in einer Maßnahme der für ihn zuständigen ARGE befinde und deswegen kein Interesse an einer Vollstreckung aus dem Urteil des SG habe.

II.
Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 199 Abs 1 SGG liegt vor.

Die Berufung der Beklagten hat hinsichtlich der Beträge, die für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils bezahlt werden sollen, keine aufschiebende Wirkung (§ 154 Abs 2 SGG). Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Maßnahme zu bewilligen. Die Kosten hierfür sind aber vom Kläger ggfs wieder zu erstatten, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.

Der Aussetzungsantrag ist auch begründet. Die Vollstreckung aus dem Urteil des SG ist bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz auszusetzen.

Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage § 199 Rdnr 8), wobei der in § 154 Abs 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu tragenden Kosten haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).

Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).

Vorliegend sind die Erfolgsaussichten der Berufung als deutlich anzusehen. Dies ergibt sich bereits aus der fraglichen örtlichen Zuständigkeit der Beklagten. Diese ist zwar nicht deswegen örtlich unzuständig für die Ausführung des Urteils, weil der Kläger nach Antragstellung nach A-Stadt umgezogen ist (vgl. hierzu
§ 128 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VI-). Vielmehr ist die örtliche Zuständigkeit u.a. allein deswegen fraglich, weil der Kläger schon bei Antragstellung als Adresse A-Stadt angegeben hat. Zudem erscheint es als fraglich, ob eine Rehabilitationsmaßnahme zu einer wesentlichen Besserung der Erwerbsfähigkeit führen kann. Nachdem der Kläger auch mitgeteilt hat, sich derzeit in einer Maßnahme der für ihn zuständigen ARGE zu befinden und deswegen kein Interesse an einer Vollstreckung aus dem Urteil des SG zu haben, ist im Rahmen der vorzunehmenden Interessen- und Folgenabwägung vom Vorliegen eines Ausnahmefalles auszugehen.

Somit ist dem Antrag der Beklagten stattzugeben und die Vollstreckung aus dem Urteil bis zur Entscheidung im Berufungsverfahren auszusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved