Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 1036/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 558/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 131/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum Vorliegen einer Erwerbs- oder einer Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht bei vor allem kardiologischen und psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen.
2. Zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bei tendenzieller Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen nach dem 1. Januar 2001.
3. Kurzpausen von unter 19 Minuten sind nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen anzusehen. Blutzuckermessung und ggf. eine erforderliche zusätzliche Nahrungsaufnahme können ohne weiteres im Rahmen des üblichen Arbeitsablauf erfolgen.
2. Zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bei tendenzieller Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen nach dem 1. Januar 2001.
3. Kurzpausen von unter 19 Minuten sind nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen anzusehen. Blutzuckermessung und ggf. eine erforderliche zusätzliche Nahrungsaufnahme können ohne weiteres im Rahmen des üblichen Arbeitsablauf erfolgen.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs-, Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.
Der 1965 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert. Er arbeitete nach eigenen Angaben seit 1981 als Küchenhelfer, Hilfsarbeiter und vom 5. April 1988 bis 4. April 1991 als Kraftfahrer sowie bis April 1995 als Druckereihelfer/Maschinenhelfer.
Am 16. November 2000 stellte er einen Antrag auf Altersrente wegen Vollendung des
60. Lebensjahres für Versicherte, die berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind. Die Beklagte legte dies als Antrag auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit aus. Sie holte ärztliche Befundberichte bei und ließ den Kläger durch die Internistin Dr. G. begutachten. Diese diagnostizierte in dem Gutachten vom 20. Dezember 2000 eine Zustand nach akutem Hinterwandinfarkt vom September 2000, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine essentielle arterielle Hypertonie, eine behandelte Fettstoffwechselstörung bei leichtem Übergewicht, eine chronische Gastritis, ein Wirbelsäulensyndrom, einen Zustand nach Meniskusoperation sowie eine Chondropathia patellae links. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Druckereihelfer könne nur mehr zweistündig bis unter halbschichtig, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch noch vollschichtig (acht Stunden) ausgeübt werden.
Mit Bescheid vom 2. Januar 2001 lehnte die Beklagte eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ab, da der Kläger mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben könne.
Während des Widerspruchsverfahrens führte die Beklagte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme durch, aus der der Kläger nach dem Entlassungsbericht vom 14. März 2001 arbeitsfähig entlassen wurde; eine psychotherapeutische Behandlung wurde angeraten. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2001 wies sie den Widerspruch zurück. Es seien weder die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit noch die einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung gegeben.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München. Aufgrund der zahlreichen Erkrankungen und Beschwerden sei er nicht mehr arbeitsfähig und außerstande, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Das Sozialgericht holte einen Befundbericht des Orthopäden Dr. W. vom 10. Juli 2001, der Allgemeinärztin Dr. M. vom 6. Juli 2001 sowie der Internistin Dr. G. vom 15. November 2001 ein. Der als Gutachter beauftragte Internist Dr. H. stellte in seinem Gutachten vom 18. Juni 2002 eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipoproteinämie, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine coronare Herzerkrankung mit Zustand nach inferiorem Myokardinfarkt September 2000 mit Zustand nach PTCA und Stentimplantation ohne Anhalt für eine Stentdysfunktion mit stabiler Angina pectoris bei guter linksventrikulärer Funktion und anhaltendem Nikotinkonsum, einen Zustand nach Gastritis (Juli 1998) ohne Anhalt für Rezidiv sowie einen Zustand nach endoskopischer Meniskusoperation links im Januar 1999 fest. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten jedoch noch acht Stunden täglich verrichtet werden.
Auf orthopädischem Fachgebiet holte das Sozialgericht ein Gutachten des Dr. W. vom 19. Oktober 2002 ein. Es bestehe ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom bei lumbosacraler Übergangsstörung mit wiederkehrenden Ruhe- und Belastungsbeschwerden der Lendenwirbelsäule (LWS). Wesentliche weitere Gesundheitsstörungen seien auf orthopädischem Fachgebiet nicht zu objektivieren. Leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden.
Dr. G. äußerte sich in einer als "rheumatologisches Gutachten" bezeichneten Äußerung vom 10. Januar 2003 (Privatgutachten), es bestünde ein inkomplettes Reiter-Syndrom mit rezidivierenden Iliosakralrthritiden bei Zustand nach Yersinieninfektion, ein sekundäres Fibromyalgiesyndrom, eine Diskusprotrusion L5/S1, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Fettstoffwechselstörung, eine koronare Herzerkrankung bei Zustand nach Hinterwandinfarkt, eine essentielle arterielle Hypertonie sowie eine depressive Erschöpfung mit Schlafstörungen. Es sei ein Grad der Erwerbsminderung von 100 % gegeben.
Dr. H. führte hierzu am 18. Februar 2003 ergänzend aus, aufgrund der guten Therapierbarkeit der Yersinieninfektion lasse sich hieraus keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers begründen. Auch ein Reitersyndrom begründe keine Einschränkungen der sozialmedizinischen Verwendungskriterien. Anhaltspunkte für eine depressive Erschöpfung oder Schlafstörungen hätten sich bei seiner Untersuchung nicht ergeben. Er hielt an seinem Gutachtensergebnis fest.
Die nunmehr gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Dr. G. bekräftigte in ihrem Gutachten vom 1. September 2003 das Ergebnis ihres Privatgutachtens. Es bestehe eine chronifizierte Spondyloarthropathie im Sinne eines inkompletten Reitersyndroms mit akuter Yersinieninfektion im Jahre 2001. Die akute Infektion sei abgeklungen. Dagegen habe die Spondyloarthropathie zu einer erheblichen Einschränkung der Funktion der Wirbelsäule und zu glaubhaften Beschwerden geführt. Auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien nur mehr unter drei Stunden mit Unterbrechungen möglich. Der Anmarschweg sei auf 300 m begrenzt. Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten schloss sich mit Stellungnahme vom 13. Januar 2004 dieser Einschätzung nicht an. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2004 führte Dr. G. aus, die Beklagte habe die Multimorbidität des Klägers nicht ausreichend gewürdigt.
Das Sozialgericht beauftragte gemäß § 106 SGG die Fachärztin für Innere Krankheiten und Rheumatologie, Dr. G., mit der Erstellung eines weiteren internistischen Gutachtens. Diese bestätigte die bisherigen Diagnosen. Ein Reiter-Syndrom schloss die Sachverständige aus. Sie betonte ferner, dass der Kläger einen deutlich depressiven Eindruck erweckt habe. Sie stellte deshalb auch ein depressives Syndrom mit Schlaf- und Somatisierungsstörung fest. Dennoch seien leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch acht Stunden täglich zumutbar. Die Wegefähigkeit sei gegeben.
Das Sozialgericht vertagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2004 und holte ein weiteres internistisch-rheumatologisches Gutachten des Prof. Dr. K. vom 25. Mai 2005 ein. Auf rheumatologischem Fachgebiet stellte dieser ein degeneratives Halswirbelsäulen-(HWS-)Syndrom mit nachgewiesenem Bandscheibenschaden C5/6 mit Schmerzsyndrom, ein degeneratives Brustwirbelsäulen-(BWS-)Syndrom mit Schmerzsyndrom, ein degeneratives LWS-Syndrom mit nachgewiesenem Bandscheibenschaden L5/S1 mit Schmerzsyndrom sowie einen Zustand nach Meniskopathie und arthroskopischer Menisektomie linkes Kniegelenk im Januar 1999 fest. Eine seronegative Spondylarthropathie, insbesondere im Sinne eines chronischen inkompletten Reitersyndroms, konnte er ausschließen. Die Diagnosen auf internistischem Fachgebiet bestätigte er. Ferner ging er von einer somatisierten Depression mit chronifiziertem muskuloskelettalem Schmerzsyndrom aus. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch acht Stunden verrichtet werden.
Der gemäß § 109 SGG beauftragte Dr. L. vertrat in dem psychosomatischen Fachgutachten vom 6. März 2007 die Ansicht, dass auf psychischem Fachgebiet eine unspezifische Somatisierungsstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, asthenischen und histrionischen Anteilen bestehe. Am 31. Oktober 2006 habe eine erneute Herzkatheteruntersuchung mit Intervention stattgefunden. Dies habe eine Verschlechterung der somatischen Gesundheitsstörungen bewirkt. Je nach kardialer Belastbarkeit sei der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankungen in seiner Belastbarkeit deutlich eingeschränkt. Leichte körperliche Tätigkeiten seien nur vier Stunden täglich mit einer Unterbrechung möglich. Eine entsprechende Tätigkeit sollte jedoch ausgeübt werden. Beschränkungen des Anmarschweges bestünden nicht.
Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten äußerte hierzu am 12. April 2007, eine tatsächliche Beeinträchtigung sei aufgrund dieses Gutachtens nicht erkennbar geworden. Die alleinige Feststellung einer psychischen Krankheit oder Persönlichkeit bedinge nicht die Feststellung einer Leistungsminderung.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 5. Juli 2007 ab. Es schloss sich den Einschätzungen des Dr. H., Dr. W., Dr. G. und Prof. Dr. K. an, so dass davon auszugehen sei, dass der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Das Gutachten der Dr. G. beziehe sich auch in der Leistungsbeurteilung im Wesentlichen auf die Diagnose eines Reiter-Syndroms, die aber inzwischen widerlegt sei. Dem Gutachten des Dr. L. sei nicht zu folgen, da der Kläger noch zahlreiche Aktivitäten wie auch die Betreuung eines dreijährigen Kindes ausübe. Dies lasse sich mit einer zeitlichen Einschränkung des allgemeinen Leistungsvermögens nicht in Verbindung bringen. Eine Berufsunfähigkeit scheide schließlich aus, da der zuletzt ausgeübte Beruf als Druckereihelfer dem ungelernten Bereich zuzuordnen sei. Auch eine Rente wegen teilweiser oder verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht scheide aus, weil der Kläger nach den eingeholten Gutachten noch mehr als sechs Stunden täglich arbeiten könne.
Zur Begründung der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat sich der Kläger vor allem auf das Gutachten des Dr. L. bezogen. Er hat auf seine somatischen und psychischen Beschwerden verwiesen. Ferner leide er zunehmend unter Herzrhythmusstörungen und unter einer Angina pectoris. Er hat hierzu verschiedene Arztberichte des Krankenhauses Agatharied vorgelegt.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom
14. Februar 2008 abgegeben, wonach sich aus den Unterlagen keine signifikanten Veränderungen zu dem im Urteil des Sozialgerichts festgestellten Leistungsvermögen ergebe.
Am 10. Juli 2008 wurde im Krankenhaus Agatharied eine weitere Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, die ein sehr gutes Langzeitergebnis in den Stentbereichen ergab. Der Senat hat ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. M., vom 11. November 2008 eingeholt. Diese hat eine Somatisierungsstörung, herzneurotische Ängste, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und histrionischen Anteilen, eine coronare Herzkrankheit mit Zustand nach Herzinfarkt im September 2000 mit Stentimplantation und erneuten Interventionen im November 2006 und Oktober 2007 mit gutem Langzeitergebnis, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, HWS-, BWS- und LWS-abhängige Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschäden ohne neurologische Funktionsausfälle sowie eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (Rentenneurose) diagnostiziert. Es sei seit den Vorgutachten eine tendenzielle leichte Verschlimmerung mit Vorliegen einer psychischen Störung in Form einer Somatisierungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung eingetreten. Die Verschlimmerung sei allmählich eingetreten und erstmals im Gutachten vom März 2007 beschrieben. Hieraus ergebe sich jedoch keine Rentenrelevanz. Das Ergebnis der sozialmedizinischen Bewertung in dem psychosomatischen Gutachten vom März 2007 sei nicht nachvollziehbar. Körperlich leichte Tätigkeiten könnten weniger als acht Stunden, jedoch noch mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Dieser Zustand bestehe seit Rentenantragstellung. Es bestehe keine begründete Aussicht, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit eintrete. Es bedürfe hierzu einer längeren psychotherapeutischen Behandlung. Weitere fachärztliche Gutachten seien nicht erforderlich.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
20. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab 16. November 2000 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet, weil diesem kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Da aufgrund der Antragstellung im November 2000 vorrangig die Entstehung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 1. Januar 2001 streitgegenständlich ist, ist insoweit das Recht in der Fassung vor dem an diesem Tag in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom
20. Dezember 2000 (a.F.) anzuwenden.
Berufsunfähig gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI a.F. sind Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB VI a.F. Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Erwerbsunfähig ist nicht, wer
1. eine selbstständige Tätigkeit ausübt oder
2. eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht
zu berücksichtigen.
Der Kläger erfüllt die gesundheitlichen Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung nicht. Insgesamt liegen vielseitige Gesundheitsbeeinträchtigungen vor, insbesondere auf internistischem, orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet. Allein aufgrund der internistischen und orthopädischen Beschwerden besteht jedoch noch vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zu diesem Ergebnis gelangt zunächst Dr. W. in dem vom Sozialgericht eingeholten orthopädischen Gutachten aus dem Jahre 2002. Schwerpunkt der orthopädischen Beschwerden war damals bereits ein chronisches LWS-Syndrom. Ferner besteht ein Zustand nach endoskopischer Meniskusoperation links vom Januar 1999. Der Gesundheitszustand hat sich in der Zwischenzeit zwar verschlechtert, da es aufgrund degenerativer Veränderungen und Bandscheibenschäden zu HWS-, BWS- und LWS-abhängigen Beschwerden gekommen ist. Betroffen sind insbesondere die Abschnitte C5/6 und L5/S1. Neurologische Funktionsausfälle bestehen jedoch nicht. Die orthopädischen Beschwerden stehen nach den vorliegenden Gutachten, insbesondere auch des Prof. Dr. K., insgesamt nicht im Vordergrund des Krankheitsbildes und führen nicht zu einer Reduzierung des Leistungsvermögens auf unter acht Stunden täglich.
Für die gesundheitliche Entwicklung des Klägers prägend war die coronare Herzkrankheit mit Zustand nach einem Hinterwandinfarkt vom September 2000 mit Zustand nach PTCA und Stentimplantation 2000. Im November 2006 und Oktober 2007 kam es zu erneuten Interventionen, die jedoch insgesamt ein gutes Langzeitergebnis brachten. Dies wird durch aktuelle Herzkatheteruntersuchungen bestätigt. Daneben besteht ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus. Nach den internistischen Gutachten des Dr. H., der Dr. G. sowie des Prof. Dr. K. ist das Leistungsvermögen auch insoweit nicht auf unter acht Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes abgesunken. Zutreffend folgte das Sozialgericht nicht dem Gutachten der Dr. G., die das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden abgesunken ansah und die Wegefähigkeit verneinte. Dieses Gutachten beruht bereits diagnostisch auf nicht zutreffenden Tatsachen und ist insgesamt nicht überzeugend. Die Sachverständige stellte insbesondere auf das Vorliegen einer chronifizierten Spondyloarthropathie im Sinne eines inkompletten Reiter-Syndroms nach akuter Yersinieninfektion im Jahre 2001 ab. Tatsächlich ergaben sich jedoch keine Hinweise auf eine Gelenkbeteiligung oder das Vorliegen entzündlich-rheumatischer Geschehen wie einer Urethritis, Arthritis und Konjunkivitis, die typisch für das Vorliegen eines Reiter-Syndroms sind. Radiologisch konnte eine Spondylitis nicht nachgewiesen werden. Prof. Dr. K. und Dr. G. konnten deshalb ein Reiter-Syndrom ausschließen.
Entscheidend ist jedoch für die Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens, dass zu den genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine psychische Erkrankung hinzugekommen ist. Zweifellos besteht zum einen aufgrund der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ein Schmerzsyndrom im Bereich der HWS, BWS und LWS. Während Dr. H. im Juni 2002 hierzu keine Diagnose angab, beschrieben Prof. Dr. K. in Zusammenhang mit dem Schmerzsyndrom eine depressive Grundstimmung des Klägers und diagnostizierte ein chronifiziertes Schmerzsyndrom auf dem Boden einer somatisierten Depression. Dr. G. stellte ebenfalls einen deutlich depressiven Eindruck fest. Auch sie diagnostizierte deshalb ein depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung, ergänzt um eine Schlafstörung.
Die vom Senat gehörte Sachverständige Dr. M. bestätigte im Ergebnis diese von den beiden internistischen Sachverständigen gestellten Diagnosen und ging von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Somatisierungsstörung, herzneurotischen Ängsten und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und histrionischen Anteilen aus. Einschneidend war für den Kläger der Herzinfarkt, der zu einem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit sowie zu einer narzisstischen Kränkung führte. Dabei ist die familiäre Belastung der Familie mit Herzerkrankungen, insbesondere der vom Kläger dramatisch erlebte Tod seines Vaters 1990, psychisch zu berücksichtigen. Hieraus erklären sich herzneurotische Ängste des Klägers, zumal die Herzerkrankung mit wiederholter Stentimplantation als ernstzunehmend einzustufen ist. Verbunden mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers kam es in der Folgezeit zu weiteren Somatisierungstendenzen und zu einer Zunahme der Ängste. Die Sachverständige berücksichtigte ausdrücklich auch ein ausgeprägtes Rentenbegehren des Klägers, bereits vor Auftreten des Herzinfarkts bestehende regressive Wünsche sowie die kulturellen Gepflogenheiten. Dies führte dazu, dass sie eine depressive Störung von Krankheitswert verneinte. Der Kläger wirkte nicht in belangvoller Weise depressiv und hatte Zukunftspläne.
Dennoch kam es nach Auftreten des Herzinfarktes zu psychischen Störungen mit psychosomatischen Manifestationen im Sinne einer Somatisierungsstörung und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Da das Krankheitsbild bislang unbehandelt blieb, kam es zu Chronifizierungstendenzen. Der Kläger ist in seiner psychischen, nervlichen und körperlichen Belastbarkeit leicht bis mäßiggradig eingeschränkt. Deshalb besteht nach Einschätzung der Sachverständigen ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten von sechs bis unter acht Stunden.
Der Senat folgt wie das Sozialgericht nicht dem Gutachten des Dr. L., der das Leistungsvermögen auf vier Stunden abgesunken ansah. Dr. M. weist darauf hin, dass der dort beschriebene Antriebsmangel und eine schmerzbedingte Schonhaltung weder anamnestisch noch gemäß den Befunden festgestellt werden konnten. Vielmehr betreut der Kläger teilweise sein drittes Kind und gab an, Haushaltsarbeiten zu übernehmen. Ferner fehlt es an einem feststellbaren Leidensdruck des Klägers, der bislang die empfohlenen Behandlungsmaßnahmen aus psychiatrischer Sicht in keiner Weise ausgeschöpft hat. Zutreffend führte das Sozialgericht ferner aus, dass nach dem Gutachten des Dr. L. eine schwerwiegende Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ersichtlich ist. Der Kläger übt zahlreiche Hobbies aus und hält soziale Kontakte zu mehreren anderen Familien. Der Senat teilt daher die Ansicht der Dr. M., dass die Leistungseinschätzung des Dr. L. nicht nachvollziehbar ist.
Dr. M. gab an, dass der von ihr beschriebene Gesundheitszustand des Klägers seit Rentenantragstellung besteht. Dennoch führte sie im Gutachten mehrfach aus, dass eine tendenziell leichte Verschlimmerung mit Vorliegen einer psychischen Störung in Form einer Somatisierungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung allmählich eingetreten ist. Die herzneurotischen Ängste nahmen im Laufe der Zeit ebenso zu wie Somatisierungstendenzen. Die Somatisierung wurde jedoch - entgegen der Ansicht der Dr. M. - nicht erstmals in dem psychosomatische Gutachten des Dr. L., sondern, wie dargelegt, bereits in den internistischen Vorgutachten der Dr. G. vom 21. Juni 2004 sowie des Prof. Dr. K. vom 25. Mai 2005 festgestellt.
Die beschriebene Somatisierungsstörung sowie ein depressives Erscheinungsbild sind erst im Gutachten der Dr. G. dokumentiert. Da der Herzinfarkt im September 2000 eingetreten ist und §§ 43, 44 SGB VI a.F. nur bis 31. Dezember 2000 galten, kann festgehalten werden, dass eine Reduzierung des Leistungsvermögens auf unter acht Stunden erst erheblich nach dem 31. Dezember 2000 eingetreten ist. Es liegt damit keine Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. vor. Da der Kläger keinen Ausbildungsberuf erlernte und zuletzt als Druckereihelfer - eine ungelernte Tätigkeit im Sinne des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas (vgl. z.B. SozR 2200 Nr. 140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO) - tätig war, scheidet auch eine Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. aus.
Mit Inkrafttreten der Änderung der §§ 43 f SGB VI a.F. ab 1. Januar 2001 haben sich auch die Voraussetzungen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geändert. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3 SGB VI.
Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI liegen bei dem Kläger nicht vor. Wie oben unter Bezugnahme vor allem auf das Gutachten der Dr. M. dargelegt, besteht ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden, so dass gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt.
Soweit der Kläger auf eine Vielzahl qualitativer Einschränkungen hinweist, schließen diese vorliegend ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht aus. Versicherte sind trotz vollschichtigen Leistungsvermögens dann als erwerbsgemindert anzusehen, wenn besondere gesundheitliche Einschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen, die eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich machen. Dies sind insbesondere die sogenannten Seltenheits- oder Katalogfälle, wie sie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat (vgl. BSG SozR 3-2200, § 1246 RVO Nr. 50). Bei Vorliegen der dort genannten Umstände ist davon auszugehen, dass einem Versicherten der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt verschlossen ist. Der Arbeitsmarkt ist dem Kläger aber auch unter diesen Gesichtspunkten nicht verschlossen. Zwar sind ihm vor allem Arbeiten verbunden mit Heben und Tragen schwerer Lasten sowie in Zwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, an rotierenden Maschinen und am Band, mit besonderen Anforderungen an die psychische und nervliche Belastbarkeit, unter besonderem Zeitdruck sowie in Nacht- und Wechselschicht nicht mehr zumutbar. Es besteht jedoch noch ein positives Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten abwechselnd im Gehen, Stehen oder Sitzen, in geschlossenen Räumen, gelegentlich im Freien. Zusätzliche Arbeitspausen sind nach Ansicht der Dr. M. nicht erforderlich. Allerdings sind nach den internistischen Gutachten der
Dr. G. und des Prof. Dr. K. zwei zusätzliche kurze Pausen von 10 bis 15 Minuten bzw. pro Halbschicht zwei zusätzliche Pausen von 10 bis 15 Minuten erforderlich, damit der Kläger eine Blutzuckermessung durchführen und entsprechende Zwischenmahlzeiten einnehmen kann. Beim Erfordernis zusätzlicher Pausen von zweimal 15 Minuten bestehen grundsätzlich ernste Zweifel, ob Arbeitsplätze vorhanden sind (s.a. KassKomm-Niesel, § 43 SGB VI Rdnr. 40), so dass die Benennung zumindest einer zugänglichen Verweisungstätigkeit erforderlich ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Hingegen sind Kurzpausen von unter 15 Minuten z.B. im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen anzusehen (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20. März 2007, Az.: L 11 R 684/06; BAG v. 30. März 1989, Az.: 6 AZR 326/86; BAG NZA 2001, 274). Die Blutzuckermessung und eine ggf. erforderliche zusätzliche Nahrungsaufnahme können ohne Weiteres im Rahmen des üblichen Arbeitsablaufs erfolgen. Vollschichtige Erwerbsfähigkeit ist damit nicht ausgeschlossen (so auch: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; LSG Hamburg, Urteil vom 9. Juli 2007, Az.: L 3 RA 14/03). Damit kommen noch ausreichend Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Betracht.
Die Wegefähigkeit ist nach den vorliegenden Gutachten - mit Ausnahme des auch insoweit nicht überzeugenden Gutachtens der Dr. G. - gegeben.
Damit ist nach Überzeugung des Senats von einem Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszugehen, so dass nach § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt.
Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI scheidet bereits deshalb aus, da der Kläger 1965 geboren ist und somit die Regelung gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht zur Anwendung kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs-, Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.
Der 1965 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert. Er arbeitete nach eigenen Angaben seit 1981 als Küchenhelfer, Hilfsarbeiter und vom 5. April 1988 bis 4. April 1991 als Kraftfahrer sowie bis April 1995 als Druckereihelfer/Maschinenhelfer.
Am 16. November 2000 stellte er einen Antrag auf Altersrente wegen Vollendung des
60. Lebensjahres für Versicherte, die berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind. Die Beklagte legte dies als Antrag auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit aus. Sie holte ärztliche Befundberichte bei und ließ den Kläger durch die Internistin Dr. G. begutachten. Diese diagnostizierte in dem Gutachten vom 20. Dezember 2000 eine Zustand nach akutem Hinterwandinfarkt vom September 2000, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine essentielle arterielle Hypertonie, eine behandelte Fettstoffwechselstörung bei leichtem Übergewicht, eine chronische Gastritis, ein Wirbelsäulensyndrom, einen Zustand nach Meniskusoperation sowie eine Chondropathia patellae links. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Druckereihelfer könne nur mehr zweistündig bis unter halbschichtig, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch noch vollschichtig (acht Stunden) ausgeübt werden.
Mit Bescheid vom 2. Januar 2001 lehnte die Beklagte eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ab, da der Kläger mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben könne.
Während des Widerspruchsverfahrens führte die Beklagte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme durch, aus der der Kläger nach dem Entlassungsbericht vom 14. März 2001 arbeitsfähig entlassen wurde; eine psychotherapeutische Behandlung wurde angeraten. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2001 wies sie den Widerspruch zurück. Es seien weder die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit noch die einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung gegeben.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München. Aufgrund der zahlreichen Erkrankungen und Beschwerden sei er nicht mehr arbeitsfähig und außerstande, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Das Sozialgericht holte einen Befundbericht des Orthopäden Dr. W. vom 10. Juli 2001, der Allgemeinärztin Dr. M. vom 6. Juli 2001 sowie der Internistin Dr. G. vom 15. November 2001 ein. Der als Gutachter beauftragte Internist Dr. H. stellte in seinem Gutachten vom 18. Juni 2002 eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipoproteinämie, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine coronare Herzerkrankung mit Zustand nach inferiorem Myokardinfarkt September 2000 mit Zustand nach PTCA und Stentimplantation ohne Anhalt für eine Stentdysfunktion mit stabiler Angina pectoris bei guter linksventrikulärer Funktion und anhaltendem Nikotinkonsum, einen Zustand nach Gastritis (Juli 1998) ohne Anhalt für Rezidiv sowie einen Zustand nach endoskopischer Meniskusoperation links im Januar 1999 fest. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten jedoch noch acht Stunden täglich verrichtet werden.
Auf orthopädischem Fachgebiet holte das Sozialgericht ein Gutachten des Dr. W. vom 19. Oktober 2002 ein. Es bestehe ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom bei lumbosacraler Übergangsstörung mit wiederkehrenden Ruhe- und Belastungsbeschwerden der Lendenwirbelsäule (LWS). Wesentliche weitere Gesundheitsstörungen seien auf orthopädischem Fachgebiet nicht zu objektivieren. Leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden.
Dr. G. äußerte sich in einer als "rheumatologisches Gutachten" bezeichneten Äußerung vom 10. Januar 2003 (Privatgutachten), es bestünde ein inkomplettes Reiter-Syndrom mit rezidivierenden Iliosakralrthritiden bei Zustand nach Yersinieninfektion, ein sekundäres Fibromyalgiesyndrom, eine Diskusprotrusion L5/S1, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Fettstoffwechselstörung, eine koronare Herzerkrankung bei Zustand nach Hinterwandinfarkt, eine essentielle arterielle Hypertonie sowie eine depressive Erschöpfung mit Schlafstörungen. Es sei ein Grad der Erwerbsminderung von 100 % gegeben.
Dr. H. führte hierzu am 18. Februar 2003 ergänzend aus, aufgrund der guten Therapierbarkeit der Yersinieninfektion lasse sich hieraus keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers begründen. Auch ein Reitersyndrom begründe keine Einschränkungen der sozialmedizinischen Verwendungskriterien. Anhaltspunkte für eine depressive Erschöpfung oder Schlafstörungen hätten sich bei seiner Untersuchung nicht ergeben. Er hielt an seinem Gutachtensergebnis fest.
Die nunmehr gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Dr. G. bekräftigte in ihrem Gutachten vom 1. September 2003 das Ergebnis ihres Privatgutachtens. Es bestehe eine chronifizierte Spondyloarthropathie im Sinne eines inkompletten Reitersyndroms mit akuter Yersinieninfektion im Jahre 2001. Die akute Infektion sei abgeklungen. Dagegen habe die Spondyloarthropathie zu einer erheblichen Einschränkung der Funktion der Wirbelsäule und zu glaubhaften Beschwerden geführt. Auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien nur mehr unter drei Stunden mit Unterbrechungen möglich. Der Anmarschweg sei auf 300 m begrenzt. Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten schloss sich mit Stellungnahme vom 13. Januar 2004 dieser Einschätzung nicht an. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2004 führte Dr. G. aus, die Beklagte habe die Multimorbidität des Klägers nicht ausreichend gewürdigt.
Das Sozialgericht beauftragte gemäß § 106 SGG die Fachärztin für Innere Krankheiten und Rheumatologie, Dr. G., mit der Erstellung eines weiteren internistischen Gutachtens. Diese bestätigte die bisherigen Diagnosen. Ein Reiter-Syndrom schloss die Sachverständige aus. Sie betonte ferner, dass der Kläger einen deutlich depressiven Eindruck erweckt habe. Sie stellte deshalb auch ein depressives Syndrom mit Schlaf- und Somatisierungsstörung fest. Dennoch seien leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch acht Stunden täglich zumutbar. Die Wegefähigkeit sei gegeben.
Das Sozialgericht vertagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2004 und holte ein weiteres internistisch-rheumatologisches Gutachten des Prof. Dr. K. vom 25. Mai 2005 ein. Auf rheumatologischem Fachgebiet stellte dieser ein degeneratives Halswirbelsäulen-(HWS-)Syndrom mit nachgewiesenem Bandscheibenschaden C5/6 mit Schmerzsyndrom, ein degeneratives Brustwirbelsäulen-(BWS-)Syndrom mit Schmerzsyndrom, ein degeneratives LWS-Syndrom mit nachgewiesenem Bandscheibenschaden L5/S1 mit Schmerzsyndrom sowie einen Zustand nach Meniskopathie und arthroskopischer Menisektomie linkes Kniegelenk im Januar 1999 fest. Eine seronegative Spondylarthropathie, insbesondere im Sinne eines chronischen inkompletten Reitersyndroms, konnte er ausschließen. Die Diagnosen auf internistischem Fachgebiet bestätigte er. Ferner ging er von einer somatisierten Depression mit chronifiziertem muskuloskelettalem Schmerzsyndrom aus. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch acht Stunden verrichtet werden.
Der gemäß § 109 SGG beauftragte Dr. L. vertrat in dem psychosomatischen Fachgutachten vom 6. März 2007 die Ansicht, dass auf psychischem Fachgebiet eine unspezifische Somatisierungsstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, asthenischen und histrionischen Anteilen bestehe. Am 31. Oktober 2006 habe eine erneute Herzkatheteruntersuchung mit Intervention stattgefunden. Dies habe eine Verschlechterung der somatischen Gesundheitsstörungen bewirkt. Je nach kardialer Belastbarkeit sei der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankungen in seiner Belastbarkeit deutlich eingeschränkt. Leichte körperliche Tätigkeiten seien nur vier Stunden täglich mit einer Unterbrechung möglich. Eine entsprechende Tätigkeit sollte jedoch ausgeübt werden. Beschränkungen des Anmarschweges bestünden nicht.
Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten äußerte hierzu am 12. April 2007, eine tatsächliche Beeinträchtigung sei aufgrund dieses Gutachtens nicht erkennbar geworden. Die alleinige Feststellung einer psychischen Krankheit oder Persönlichkeit bedinge nicht die Feststellung einer Leistungsminderung.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 5. Juli 2007 ab. Es schloss sich den Einschätzungen des Dr. H., Dr. W., Dr. G. und Prof. Dr. K. an, so dass davon auszugehen sei, dass der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Das Gutachten der Dr. G. beziehe sich auch in der Leistungsbeurteilung im Wesentlichen auf die Diagnose eines Reiter-Syndroms, die aber inzwischen widerlegt sei. Dem Gutachten des Dr. L. sei nicht zu folgen, da der Kläger noch zahlreiche Aktivitäten wie auch die Betreuung eines dreijährigen Kindes ausübe. Dies lasse sich mit einer zeitlichen Einschränkung des allgemeinen Leistungsvermögens nicht in Verbindung bringen. Eine Berufsunfähigkeit scheide schließlich aus, da der zuletzt ausgeübte Beruf als Druckereihelfer dem ungelernten Bereich zuzuordnen sei. Auch eine Rente wegen teilweiser oder verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht scheide aus, weil der Kläger nach den eingeholten Gutachten noch mehr als sechs Stunden täglich arbeiten könne.
Zur Begründung der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat sich der Kläger vor allem auf das Gutachten des Dr. L. bezogen. Er hat auf seine somatischen und psychischen Beschwerden verwiesen. Ferner leide er zunehmend unter Herzrhythmusstörungen und unter einer Angina pectoris. Er hat hierzu verschiedene Arztberichte des Krankenhauses Agatharied vorgelegt.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom
14. Februar 2008 abgegeben, wonach sich aus den Unterlagen keine signifikanten Veränderungen zu dem im Urteil des Sozialgerichts festgestellten Leistungsvermögen ergebe.
Am 10. Juli 2008 wurde im Krankenhaus Agatharied eine weitere Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, die ein sehr gutes Langzeitergebnis in den Stentbereichen ergab. Der Senat hat ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. M., vom 11. November 2008 eingeholt. Diese hat eine Somatisierungsstörung, herzneurotische Ängste, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und histrionischen Anteilen, eine coronare Herzkrankheit mit Zustand nach Herzinfarkt im September 2000 mit Stentimplantation und erneuten Interventionen im November 2006 und Oktober 2007 mit gutem Langzeitergebnis, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, HWS-, BWS- und LWS-abhängige Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschäden ohne neurologische Funktionsausfälle sowie eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (Rentenneurose) diagnostiziert. Es sei seit den Vorgutachten eine tendenzielle leichte Verschlimmerung mit Vorliegen einer psychischen Störung in Form einer Somatisierungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung eingetreten. Die Verschlimmerung sei allmählich eingetreten und erstmals im Gutachten vom März 2007 beschrieben. Hieraus ergebe sich jedoch keine Rentenrelevanz. Das Ergebnis der sozialmedizinischen Bewertung in dem psychosomatischen Gutachten vom März 2007 sei nicht nachvollziehbar. Körperlich leichte Tätigkeiten könnten weniger als acht Stunden, jedoch noch mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Dieser Zustand bestehe seit Rentenantragstellung. Es bestehe keine begründete Aussicht, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit eintrete. Es bedürfe hierzu einer längeren psychotherapeutischen Behandlung. Weitere fachärztliche Gutachten seien nicht erforderlich.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
20. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab 16. November 2000 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet, weil diesem kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Da aufgrund der Antragstellung im November 2000 vorrangig die Entstehung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 1. Januar 2001 streitgegenständlich ist, ist insoweit das Recht in der Fassung vor dem an diesem Tag in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom
20. Dezember 2000 (a.F.) anzuwenden.
Berufsunfähig gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI a.F. sind Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB VI a.F. Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Erwerbsunfähig ist nicht, wer
1. eine selbstständige Tätigkeit ausübt oder
2. eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht
zu berücksichtigen.
Der Kläger erfüllt die gesundheitlichen Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung nicht. Insgesamt liegen vielseitige Gesundheitsbeeinträchtigungen vor, insbesondere auf internistischem, orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet. Allein aufgrund der internistischen und orthopädischen Beschwerden besteht jedoch noch vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zu diesem Ergebnis gelangt zunächst Dr. W. in dem vom Sozialgericht eingeholten orthopädischen Gutachten aus dem Jahre 2002. Schwerpunkt der orthopädischen Beschwerden war damals bereits ein chronisches LWS-Syndrom. Ferner besteht ein Zustand nach endoskopischer Meniskusoperation links vom Januar 1999. Der Gesundheitszustand hat sich in der Zwischenzeit zwar verschlechtert, da es aufgrund degenerativer Veränderungen und Bandscheibenschäden zu HWS-, BWS- und LWS-abhängigen Beschwerden gekommen ist. Betroffen sind insbesondere die Abschnitte C5/6 und L5/S1. Neurologische Funktionsausfälle bestehen jedoch nicht. Die orthopädischen Beschwerden stehen nach den vorliegenden Gutachten, insbesondere auch des Prof. Dr. K., insgesamt nicht im Vordergrund des Krankheitsbildes und führen nicht zu einer Reduzierung des Leistungsvermögens auf unter acht Stunden täglich.
Für die gesundheitliche Entwicklung des Klägers prägend war die coronare Herzkrankheit mit Zustand nach einem Hinterwandinfarkt vom September 2000 mit Zustand nach PTCA und Stentimplantation 2000. Im November 2006 und Oktober 2007 kam es zu erneuten Interventionen, die jedoch insgesamt ein gutes Langzeitergebnis brachten. Dies wird durch aktuelle Herzkatheteruntersuchungen bestätigt. Daneben besteht ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus. Nach den internistischen Gutachten des Dr. H., der Dr. G. sowie des Prof. Dr. K. ist das Leistungsvermögen auch insoweit nicht auf unter acht Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes abgesunken. Zutreffend folgte das Sozialgericht nicht dem Gutachten der Dr. G., die das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden abgesunken ansah und die Wegefähigkeit verneinte. Dieses Gutachten beruht bereits diagnostisch auf nicht zutreffenden Tatsachen und ist insgesamt nicht überzeugend. Die Sachverständige stellte insbesondere auf das Vorliegen einer chronifizierten Spondyloarthropathie im Sinne eines inkompletten Reiter-Syndroms nach akuter Yersinieninfektion im Jahre 2001 ab. Tatsächlich ergaben sich jedoch keine Hinweise auf eine Gelenkbeteiligung oder das Vorliegen entzündlich-rheumatischer Geschehen wie einer Urethritis, Arthritis und Konjunkivitis, die typisch für das Vorliegen eines Reiter-Syndroms sind. Radiologisch konnte eine Spondylitis nicht nachgewiesen werden. Prof. Dr. K. und Dr. G. konnten deshalb ein Reiter-Syndrom ausschließen.
Entscheidend ist jedoch für die Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens, dass zu den genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine psychische Erkrankung hinzugekommen ist. Zweifellos besteht zum einen aufgrund der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ein Schmerzsyndrom im Bereich der HWS, BWS und LWS. Während Dr. H. im Juni 2002 hierzu keine Diagnose angab, beschrieben Prof. Dr. K. in Zusammenhang mit dem Schmerzsyndrom eine depressive Grundstimmung des Klägers und diagnostizierte ein chronifiziertes Schmerzsyndrom auf dem Boden einer somatisierten Depression. Dr. G. stellte ebenfalls einen deutlich depressiven Eindruck fest. Auch sie diagnostizierte deshalb ein depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung, ergänzt um eine Schlafstörung.
Die vom Senat gehörte Sachverständige Dr. M. bestätigte im Ergebnis diese von den beiden internistischen Sachverständigen gestellten Diagnosen und ging von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Somatisierungsstörung, herzneurotischen Ängsten und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und histrionischen Anteilen aus. Einschneidend war für den Kläger der Herzinfarkt, der zu einem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit sowie zu einer narzisstischen Kränkung führte. Dabei ist die familiäre Belastung der Familie mit Herzerkrankungen, insbesondere der vom Kläger dramatisch erlebte Tod seines Vaters 1990, psychisch zu berücksichtigen. Hieraus erklären sich herzneurotische Ängste des Klägers, zumal die Herzerkrankung mit wiederholter Stentimplantation als ernstzunehmend einzustufen ist. Verbunden mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers kam es in der Folgezeit zu weiteren Somatisierungstendenzen und zu einer Zunahme der Ängste. Die Sachverständige berücksichtigte ausdrücklich auch ein ausgeprägtes Rentenbegehren des Klägers, bereits vor Auftreten des Herzinfarkts bestehende regressive Wünsche sowie die kulturellen Gepflogenheiten. Dies führte dazu, dass sie eine depressive Störung von Krankheitswert verneinte. Der Kläger wirkte nicht in belangvoller Weise depressiv und hatte Zukunftspläne.
Dennoch kam es nach Auftreten des Herzinfarktes zu psychischen Störungen mit psychosomatischen Manifestationen im Sinne einer Somatisierungsstörung und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Da das Krankheitsbild bislang unbehandelt blieb, kam es zu Chronifizierungstendenzen. Der Kläger ist in seiner psychischen, nervlichen und körperlichen Belastbarkeit leicht bis mäßiggradig eingeschränkt. Deshalb besteht nach Einschätzung der Sachverständigen ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten von sechs bis unter acht Stunden.
Der Senat folgt wie das Sozialgericht nicht dem Gutachten des Dr. L., der das Leistungsvermögen auf vier Stunden abgesunken ansah. Dr. M. weist darauf hin, dass der dort beschriebene Antriebsmangel und eine schmerzbedingte Schonhaltung weder anamnestisch noch gemäß den Befunden festgestellt werden konnten. Vielmehr betreut der Kläger teilweise sein drittes Kind und gab an, Haushaltsarbeiten zu übernehmen. Ferner fehlt es an einem feststellbaren Leidensdruck des Klägers, der bislang die empfohlenen Behandlungsmaßnahmen aus psychiatrischer Sicht in keiner Weise ausgeschöpft hat. Zutreffend führte das Sozialgericht ferner aus, dass nach dem Gutachten des Dr. L. eine schwerwiegende Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ersichtlich ist. Der Kläger übt zahlreiche Hobbies aus und hält soziale Kontakte zu mehreren anderen Familien. Der Senat teilt daher die Ansicht der Dr. M., dass die Leistungseinschätzung des Dr. L. nicht nachvollziehbar ist.
Dr. M. gab an, dass der von ihr beschriebene Gesundheitszustand des Klägers seit Rentenantragstellung besteht. Dennoch führte sie im Gutachten mehrfach aus, dass eine tendenziell leichte Verschlimmerung mit Vorliegen einer psychischen Störung in Form einer Somatisierungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung allmählich eingetreten ist. Die herzneurotischen Ängste nahmen im Laufe der Zeit ebenso zu wie Somatisierungstendenzen. Die Somatisierung wurde jedoch - entgegen der Ansicht der Dr. M. - nicht erstmals in dem psychosomatische Gutachten des Dr. L., sondern, wie dargelegt, bereits in den internistischen Vorgutachten der Dr. G. vom 21. Juni 2004 sowie des Prof. Dr. K. vom 25. Mai 2005 festgestellt.
Die beschriebene Somatisierungsstörung sowie ein depressives Erscheinungsbild sind erst im Gutachten der Dr. G. dokumentiert. Da der Herzinfarkt im September 2000 eingetreten ist und §§ 43, 44 SGB VI a.F. nur bis 31. Dezember 2000 galten, kann festgehalten werden, dass eine Reduzierung des Leistungsvermögens auf unter acht Stunden erst erheblich nach dem 31. Dezember 2000 eingetreten ist. Es liegt damit keine Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. vor. Da der Kläger keinen Ausbildungsberuf erlernte und zuletzt als Druckereihelfer - eine ungelernte Tätigkeit im Sinne des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas (vgl. z.B. SozR 2200 Nr. 140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO) - tätig war, scheidet auch eine Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. aus.
Mit Inkrafttreten der Änderung der §§ 43 f SGB VI a.F. ab 1. Januar 2001 haben sich auch die Voraussetzungen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geändert. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3 SGB VI.
Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI liegen bei dem Kläger nicht vor. Wie oben unter Bezugnahme vor allem auf das Gutachten der Dr. M. dargelegt, besteht ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden, so dass gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt.
Soweit der Kläger auf eine Vielzahl qualitativer Einschränkungen hinweist, schließen diese vorliegend ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht aus. Versicherte sind trotz vollschichtigen Leistungsvermögens dann als erwerbsgemindert anzusehen, wenn besondere gesundheitliche Einschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen, die eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich machen. Dies sind insbesondere die sogenannten Seltenheits- oder Katalogfälle, wie sie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat (vgl. BSG SozR 3-2200, § 1246 RVO Nr. 50). Bei Vorliegen der dort genannten Umstände ist davon auszugehen, dass einem Versicherten der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt verschlossen ist. Der Arbeitsmarkt ist dem Kläger aber auch unter diesen Gesichtspunkten nicht verschlossen. Zwar sind ihm vor allem Arbeiten verbunden mit Heben und Tragen schwerer Lasten sowie in Zwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, an rotierenden Maschinen und am Band, mit besonderen Anforderungen an die psychische und nervliche Belastbarkeit, unter besonderem Zeitdruck sowie in Nacht- und Wechselschicht nicht mehr zumutbar. Es besteht jedoch noch ein positives Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten abwechselnd im Gehen, Stehen oder Sitzen, in geschlossenen Räumen, gelegentlich im Freien. Zusätzliche Arbeitspausen sind nach Ansicht der Dr. M. nicht erforderlich. Allerdings sind nach den internistischen Gutachten der
Dr. G. und des Prof. Dr. K. zwei zusätzliche kurze Pausen von 10 bis 15 Minuten bzw. pro Halbschicht zwei zusätzliche Pausen von 10 bis 15 Minuten erforderlich, damit der Kläger eine Blutzuckermessung durchführen und entsprechende Zwischenmahlzeiten einnehmen kann. Beim Erfordernis zusätzlicher Pausen von zweimal 15 Minuten bestehen grundsätzlich ernste Zweifel, ob Arbeitsplätze vorhanden sind (s.a. KassKomm-Niesel, § 43 SGB VI Rdnr. 40), so dass die Benennung zumindest einer zugänglichen Verweisungstätigkeit erforderlich ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Hingegen sind Kurzpausen von unter 15 Minuten z.B. im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen anzusehen (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20. März 2007, Az.: L 11 R 684/06; BAG v. 30. März 1989, Az.: 6 AZR 326/86; BAG NZA 2001, 274). Die Blutzuckermessung und eine ggf. erforderliche zusätzliche Nahrungsaufnahme können ohne Weiteres im Rahmen des üblichen Arbeitsablaufs erfolgen. Vollschichtige Erwerbsfähigkeit ist damit nicht ausgeschlossen (so auch: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; LSG Hamburg, Urteil vom 9. Juli 2007, Az.: L 3 RA 14/03). Damit kommen noch ausreichend Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Betracht.
Die Wegefähigkeit ist nach den vorliegenden Gutachten - mit Ausnahme des auch insoweit nicht überzeugenden Gutachtens der Dr. G. - gegeben.
Damit ist nach Überzeugung des Senats von einem Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszugehen, so dass nach § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt.
Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI scheidet bereits deshalb aus, da der Kläger 1965 geboren ist und somit die Regelung gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht zur Anwendung kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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