L 16 AS 210/08 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 545/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 210/08 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im
Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom15.04.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Zeit vom 01.01.2007 bis 31.03.2007. Die Beklagte hat für diesen Zeitraum die Leistungen um 30 % der Regelleistungen abgesenkt (streitiger Betrag 3 x 104,00 EUR = 312,00 EUR).

Der 1954 geborene Kläger erhält seit dem 01.01.2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Der Kläger schloss mit der Beklagten am 12.10.2006 eine Eingliederungsvereinbarung ab, mit der er sich verpflichtete eine außerbetriebliche Trainingsmaßnahme beim bfz "Aktivierung EDV" ab dem 13.10.2006 durchzuführen.

Am 18.10.2006 legte der Kläger eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 16.10. bis 27.10.2006 vor. Der Kläger wurde am 18.10.2006 durch die die Amtsärztin des Gesundheitsamtes beim Landratsamt D. untersucht. Diese stellte fest, dass der Kläger trotz seiner psychischen Störungen an der Trainingsmaßnahme teilnehmen könne.

Vom 30.10.2006 bis zum 09.11.2006 fehlte der Kläger unentschuldigt. Nach einem Hinweis der Beklagten, dass weitere Fehlzeiten zu einem Abbruch der Maßnahme führen würden, wurde diese, nachdem der Kläger bis zum 13.11.2006 an der Maßnahme nicht mehr teilnahm, abgebrochen.

Im Anhörungsverfahren zur Absenkung der Regelleistung nach § 31 SGB II, führte der Kläger aus dass er wegen seines Bandscheibenproblems nicht viel sitzen könne und von der schlechten Luft im Raum Kopfweh erhalte.

Mit Bescheid vom 19.12.2006 senkte die Beklagte das Arbeitslosengeld des Klägers für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.03.2007 um 30 % der Regelleistung ab, weil die eine Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit vorzeitig abgebrochen werden musste.

Der Klägerbevollmächtigte legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und erklärte, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei die Maßnahme zu absolvieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg machte der Klägerbevollmächtigte geltend, dass der Kläger wegen seiner massiven Gesundheitsprobleme und aufgrund seines Intellektes nicht in der Lage sei an dieser Maßnahme teilzunehmen bzw. sich EDV-Kenntnisse anzueignen. Daher sei diese Maßnahme absolut sinnlos gewesen. Der Klägerbevollmächtigte bot zu diesem Vortrag mit Schriftsatz vom 20.11.2007 Beweis durch Erstellung eines Sachverständigengutachtens an.

Die Beklagte erwiderte, dass aufgrund der durchgeführten ärztlichen Untersuchung keine gesundheitlichen Gründe festgestellt werden konnten, die dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme nicht erlaubten. Auch seien Gründe, die gemäß § 10 Abs. 1 und 2 SGB II gegen die Zumutbarkeit der Eingliederungsmaßnahme sprächen nicht erkennbar.

Mit Urteil vom 15.04.2008 wies das Sozialgericht, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, an der weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter teilnahmen, die Klage ab. Der Kläger habe den Sanktionstatbestand des § 31 Abs.1 Satz 1 Nr.1c SGB II erfüllt, da er eine ihm zumutbare Eingliederungsmaßnahme nicht fortgeführt habe. Das Sozialgericht führte zur Urteilsbegründung aus, dass durch das Gutachten des Gesundheitsamtes beim Landratsamt D. feststehen würde, dass die Maßnahme für den Kläger gesundheitlich geeignet sei. Die vorgetragene intellektuelle Beeinträchtigung des Klägers sei nicht nachvollziehbar und durch die bisherige Berufstätigkeit des Klägers widerlegt. Die Berufung ließ das Sozialgericht nicht zu.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er rügt das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das SG hätte im Zuge des Amtsermittlungsgrundsatzes ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen, das aufgrund der sich widersprechenden ärztlichen Feststellungen zwingend geboten gewesen wäre. Das Sozialgericht habe aber die medizinische Fragestellung ohne eigene medizinische Kenntnisse selbst entschieden.

Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichtes nicht erforderlich gewesen. Das Sozialgericht habe aufgrund der vorliegenden Beweismittel - ärztliches Gutachten des Landratsamtes D.-im Rahmen der freien Beweiswürdigung die Einholung weiterer Gutachten nicht für nötig gehalten.

II.
Die von dem Kläger frist- und formgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG (in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Die Berufung ist wegen Unterschreitens der 750.00 Euro-Grenze nicht zulässig. Der Kläger wendet sich gegen eine Absenkung der Leistungen nach dem
SGB II um 30 % für drei Monate in Höhe von insgesamt 312,00 Euro. Damit ist die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht. Auch ist die Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig, da eine Leistung für insgesamt drei Monate und damit nicht eine solche für mehr als 12 Monate begehrt wird.
Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist ausschließlich die Frage, ob ein Zulassungsgrund vorliegt, der nach § 144 Abs. 2 SGG die Zulassung der Berufung rechtfertigt, nicht aber die Frage, ob das Sozialgericht in der Sache richtig oder falsch entschieden hat.
Da keiner der in § 144 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf die Abweichung beruht oder
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Der Bevollmächtigte der Klägerin macht zum einen eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG geltend. Die Zulassung der Berufung wegen einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht kommt allerdings nur in Betracht, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, den das Sozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierzu muss der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellt oder, falls er vorher schriftsätzlich niedergelegt war, aufrecht erhalten sein (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 29.03.2007, Az.: B 9a VJ 5/06 B). Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht gestellt, so kann anschließend die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Verletzung der Amtsermittlungspflicht als Verfahrensfehler gestützt werden. Der Kläger hätte durch seinen Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung entsprechende Anträge auf weitere Aufklärung des Sachverhaltes stellen müssen, um dem Erstgericht vor Augen zu führen, dass sie den Sachverhalt von Amts wegen als nicht genügend aufgeklärt ansieht. Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers zwar mit Schriftsatz vom 20.11.2007 zum Beweis "der medizinischen Probleme des Klägers" die Einholung eines Sachverständigen Gutachtens beantragt bzw. dessen Vorlage zum Beweis angeboten hat, in der mündlichen Verhandlung selbst keine Beweisanträge gestellt wurden, da weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter an dieser teilnahmen, aber auch der gestellte Beweisantrag vor der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten wurde, ist ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht gegeben.
Zum anderen macht der Klägerbevollmächtigte einen weiteren Verfahrensmangel nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend, da das Sozialgericht die medizinische Fragestellung ohne eigene medizinische Kenntnisse selbst entschieden habe. Dies ist entgegen der Rüge des Prozessbevollmächtigten nicht zutreffend. Vielmehr hat das Sozialgericht sich auf das amtsärztliche Gutachten vom 18.10.2006 gestützt und dieses als ausreichend angesehen. Hierin liegt kein Verfahrensfehler, insbesondere hat das Sozialgericht nicht medizinische Sachkunde durch eigene ersetzt, sondern der Beurteilung, ob die Trainingsmaßnahme für den Kläger gesundheitlich zumutbar ist auf die Angaben der Amtsärztin gestützt und diese Angaben für ausreichend befunden.
Ob das Sozialgericht den Rechtsstreit richtig, namentlich die festgestellten Tatsachen richtig gewürdigt hat, ist dagegen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Die eventuelle sachliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs. 2 SGG keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Vielmehr soll es gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei Verfahren mit geringem Streitwert grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben. Da ein Verfahrensmangel der erstinstanzlichen Entscheidung nicht vorliegt, ist die Beschwerde des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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