L 11 AS 242/09 B ER RG

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1006/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 242/09 B ER RG
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. In eine Entscheidung muss nicht auf jegliches Beteiligtenvorbringen und jeden denkbaren Gesichtspunkt eingegangen werden, wenn sich aus dem Beschluss zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für nicht entscheidungserheblich gehalten wurde (vgl. BSG 12. Senat vom 23.12.2008 Az: B 12 KR 2/08 C). Bei einem solchen Unterlassen liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG, der eine Anhörungsrüge nach § 178a SGG begründen könnte, nicht vor.
2. Neben einer Anhörungsrüge nach § 178a SGG bleibt eine Gegenvorstellung des Klägers möglich (vgl. BSG 13. Senat vom 28.07.2005 Az: B 13 RJ 178/05 B)
Die Anhörungsrüge sowie die Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 25.03.2009 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Der Antragsteller (ASt) wendet sich gegen einen Beschluss des Senats vom 25.03.2009 im Beschwerdeverfahren L 11 AS 31/09 B ER.
Mit diesem Beschluss wurde die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 16.12.2008 Ziff. I und III zurückgewiesen.
Streitig zwischen den Beteiligten war die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -SGB II- ab 01.12.2008.
Am 03.11.2008 hatte der ASt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt, was die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 03.11.2008 ablehnte.
Am 20.11.2008 hat der ASt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung beantragt, die Ag zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 01.12.2008 zu verpflichten, was das SG mit Beschluss vom 16.12.2008 ablehnte.
Hiergegen hat der ASt am 15.01.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Mit Bescheid vom 12.01.2009 hat die Ag dem ASt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 15.01.2009 bis 31.07.2009 bewilligt. Mit Schreiben vom 15.01.2009 und 20.01.2009 hat der ASt mitgeteilt, er sei nunmehr gezwungen gewesen, sein nicht verwertbares Vermögen auf dem Sparkonto zu dezimieren, da es aufgrund des Herausfallens aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Beitragserhebung gekommen sei. Darüber hinaus seien weitere Kosten wegen eines Kühlschranks und der Lebensführung angefallen.
Mit Beschluss vom 25.03.2009 hat der Senat die Beschwerde gegen den Beschluss des SG in Ziffer I und III zurückgewiesen. Die Beschwerde erweise sich insoweit als unzulässig, soweit damit Leistungen ab dem 15.01.2009 geltend gemacht würden, da mit Bescheid vom 12.01.2009 die Ag dem ASt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt habe. Für den Zeitraum vom 01.12.2008 bis 14.01.2008 ergab sich nach Auffassung des Senats kein Anordnungsgrund, da vorläufige Leistungen für Leistungsansprüche, die abgelaufene Zeiträume betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig seien, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Hier seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die ein Abweichen geboten erscheinen ließen. Eine Dezimierung des Schonvermögens und ein fehlender Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsschutz für die Vergangenheit reichten für die Bejahung eines Anordnungsgrundes nicht. Dem ASt sei es zumutbar, für diesen Zeitraum, soweit er dies begehre, gerichtliche Klärung durch ein Klageverfahren herbeizuführen.
Hiergegen hat der ASt am 15.04.2009 Anhörungsrüge sowie Gegenvorstellung erhoben. Er habe form- und fristgemäß am 19.02.2009 Klage zum SG erhoben. Damit bestünde durchaus noch Raum für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, da der Widerspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig sei. Der Vortrag in den Schriftsätzen vom 15.01.2009 und 20.01.2009 sei nicht ausreichend gewürdigt, da durch die Vorgehensweise der Ag eine zwangsweise Verwertung des Schonvermögens eine in die Zukunft hineinwirkende Verminderung desselben verursache, wozu der ASt laut Gesetzeslage aber nicht verpflichtet gewesen sei. Durch die Leistungsverweigerung in der Vergangenheit und die hierdurch erfolgte zwangsweise Dezimierung des Schonvermögens auf den Girokonten seien dem ASt noch bis zum heutigen Tage wirkende gegenwärtige, schwere, irreparable und unzumutbare Nachteile entstanden, denn sein Schonvermögen auf dem Girokonto und auf dem Sparbuch wäre bei Leistungsgewährung heute größer.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die gerichtlichen Akten Bezug genommen.

II.
Die Anhörungsrüge des ASt ist nach § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere ist sie innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnisnahme des Beschlusses und damit fristgerecht erhoben worden, § 178a Abs 2 Satz 1 SGG. Ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des BayLSG vom 25.03.2009 ist nicht gegeben, § 178a Abs 1 Nr 1 SGG.
Der ASt behauptet, er habe form- und fristgemäß am 19.02.2009 Klage zum SG erhoben, damit bestünde noch Raum für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, da der Widerspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei. Der Senat habe die Schriftsätze vom 15.01. und 20.01.2009 nicht ausreichend gewürdigt, da die durch die Vorgehensweise der Ag veranlasste Verwertung des Schonvermögens eine in die Zukunft hineinwirkende Verminderung desselben verursacht habe. Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen, die an die Erhebung einer Anhörungsrüge zu stellen sind (vgl. zum Darlegungserfordernis als Zulässigkeitsvoraussetzung: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 178a Rdnr 6a).

Die Rüge ist jedoch unbegründet, weil das rechtliche Gehör des ASt nicht verletzt worden ist.
Ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, ist zunächst nach den Maßstäben des Artikel 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) zu beurteilen, da unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör die Rüge eröffnen soll (vgl Leitherer aaO § 178a Rdnr 5). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (vgl Keller aaO § 62 Rdnr 2), sowie dass das Vorbringen der Beteiligten in die Erwägung des Gerichts einbezogen wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Rdnr 5).
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen war der Anspruch auf rechtliches Gehör des ASt gewahrt.
Insbesondere ist das Vorbringen des ASt beachtet worden, er sei zur zwangsweisen Verwertung seines Schonvermögens verpflichtet worden. Dieses Vorbringen hatte der ASt bereits in den Schriftsätzen vom 15.01. und 20.01.2009 zum Ausdruck gebracht. In den Gründen des Beschlusses des Senats vom 25.03.2009 wird das Schreiben des ASt vom 20.01.2009 ausdrücklich aufgeführt, im Schreiben vom 15.01.2009 finden sich im Wesentlichen inhaltsgleiche Ausführungen. Auf diese Ausführungen ist der Senat auch eingegangen. Nach Seite 5 des Beschlusses ist es ständige Rechtsprechung des Senats, dass vorläufige Leistungen für Leistungsansprüche die abgelaufene Zeiträume betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig sind, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Nach den Gründen des Beschlusses reicht eine Dezimierung des Schonvermögens und ein fehlender Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsschutz für die Vergangenheit für die Bejahung eines Anordnungsgrundes nicht. Nach dem Beschluss ist es dem ASt zumutbar, für diesen Zeitraum, soweit er dies begehrt, gerichtliche Klärung durch ein Klageverfahren herbeizuführen.
Lediglich ergänzend hierzu ist auszuführen, dass beim ASt - unter Berücksichtigung der genannten Schuldverpflichtungen - in jedem Fall ein Unterschreiten des Höchstbetrags des Schonvermögens eingetreten wäre. Die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2008 bis 14.01.2009 hätte die Lage des ASt - unter Berücksichtigung des Prüfungsumfangs des Beschwerdeverfahrens - nicht wesentlich verbessert.
Weitere konkretere Ausführungen hierzu waren nicht geboten. Es muss in der Entscheidung nicht auf jegliches Beteiligtenvorbringen und jeden denkbaren Gesichtspunkt eingegangen werden, weil sich aus dem Beschluss zweifelsfrei ergab, dass das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für nicht entscheidungserheblich gehalten wurde (vgl insoweit BSG 12.Senat vom 23.12.2008 Az: B 12 KR 2/08 C).
Die Tatsache, dass und ob der Kläger Klage zum SG erhoben hat, war nach dem Beschluss des Senats vom 25.03.2009 unbeachtlich. Nach Aktenlage war zum damaligen Zeitpunkt eine Klageerhebung nicht festzustellen. Nach den Gründen des Beschlusses kam es hierauf entscheidungserheblich auch nicht an. Lediglich ergänzend wurde in den Entscheidungsgründen aufgeführt, dass auch soweit der Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 bestandskräftig geworden sein sollte, grundsätzlich kein Raum mehr für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz besteht. Entscheidungserheblich für die Zurückweisung der Beschwerde war allerdings das fehlende Rechtsschutzbedürfnis für die Zeit ab Leistungsgewährung, sowie das Fehlen eines Anordnungsgrundes für den Zeitraum vom 01.12.2008 bis 14.01.2009 wegen zurückliegender Zeiträume.

Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 GG verbürgt keine Gewährleistung dafür, dass das Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten in dessen Sinne vom Gericht auch zustimmend zur Kenntnis genommen wird, der Kläger hat - lediglich - einen Anspruch auf die Möglichkeit der Äußerung und Würdigung durch das Gericht. (vgl BSG 12. Senat vom 23.12.2008, Az. B 12 KR 2/08 C).

Neben der Anhörungsrüge ist auch die Gegenvorstellung des Klägers statthaft. Die Erhebung von Gegenvorstellungen wegen der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder des Willkürverbots bleibt nach dem Willen des Gesetzgebers (BTDrucks 15/3706 S 14, Teil A II 4) neben der Anhörungsrüge grundsätzlich möglich (vgl. BSG 13.Senat, Beschluss vom 28.07.2005, Az: B 13 RJ 178/05 B).

Die Gegenvorstellung soll vorrangig die Möglichkeit eröffnen, einen an sich unanfechtbaren Beschluss zu ändern, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie sonst nur im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Verletzung entsprechender Positionen des ASt scheitert im übrigen bereits daran, dass - wie der ASt vorträgt - nunmehr in der Hauptsache Klage zum SG erhoben worden ist. Im Hauptsachverfahren werden die Einwendungen des ASt geprüft und beurteilt werden. Unter Berücksichtigung der Gründe des Beschlusses des Senats vom 25.03.2009 ist dem ASt ein Abwarten dieser Hauptsache zumutbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf eine entsprechende Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 178a Abs 4 Satz 3 SGG.
Rechtskraft
Aus
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