Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 920/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 350/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei im Vordergrund stehender chronifizierter schwerer Depression, Panikstörung mit Agoraphobie und somatoformer Schmerzstörung.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2008 und unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2005 hinaus auf unbestimmte Zeit zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente über den 31. Dezember 2005 hinaus hat.
Die 1950 geborene Klägerin ist kroatische Staatsbürgerin. Sie erlernte keinen Beruf und arbeitete zuletzt von 1984 bis 1993 als Bestückerin und Montiererin. Die Beklagte hatte einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom
21. Mai 1999 mit Bescheid vom 22. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 abgelehnt. Das Sozialgericht München (Az.: S 27 RJ 94/00) hatte im hiergegen gerichteten Klageverfahren ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 7. November 2000 eingeholt. Es bestehe eine chronische Dysthymie leichten Grades mit Somatisierungstendenz und überlagernden tendenziellen Mechanismen, ein Zervikalsyndrom leichten Grades ohne akute Nervenwurzelreizzeichen, ein Lumbalsyndrom leichten Grades ohne Nervenwurzelreizzeichen sowie ein unklarer hirnorganischer Prozess mit Verdacht auf eine stattgehabte vorübergehende ischämische cerebrale Attacke. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch acht Stunden täglich ausgeübt werden. Die Beteiligten hatten am 27. April 2001 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der zur Beendigung des Rechtsstreites führte: Die Beklagte hatte eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation gewährt.
Einen erneuten Antrag auf Leistungen wegen Erwerbsminderung vom 15. November 2001 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 abgelehnt. Das Sozialgericht München (Az.: S 13 RJ 715/02) hatte ein Gutachten des Orthopäden Dr. F. vom 29. November 2002 sowie der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 4. März 2003 eingeholt.
Dr. F. hatte eine mäßige Spondylose der Brustwirbelsäule (BWS), geringe Osteopenie, eine partielle Bandscheibeneinengung L3-L4, eine Spondylose der Lendenwirbelsäule (LWS), einen Bandscheibenvorfall L4/5, einen Fersensporn beidseits bei Senkspreizfüßen und deutlicher Übergewichtigkeit sowie Purinstoffwechselstörung festgestellt. Mittelschwere körperliche Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden.
Dr. P. hatte demgegenüber die Ansicht vertreten, dass aufgrund einer weiteren Verschlechterung des komplexen psychisch/psychosomatischen Störungsbildes eine regelmäßige Leistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr erbracht werden könne. Im Vordergrund stehe dabei eine Symptomatik aus Agoraphobie mit Panikstörung, somatoformer Schmerzstörung, chronifizierter depressiver Anpassungsstörung und Medikamentenmissbrauch auf dem Boden einer neurotisch-depressiven Primärpersönlichkeit.
Die Beklagte hatte in einem gerichtlichen Vergleich vom 19. September 2003 das Vorliegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit Eintritt des Leistungsfalls am 30. Juni 2002 bis 31. Dezember 2005 anerkannt und ab 1. Januar 2003 Leistungen wegen verminderter voller Erwerbsfähigkeit gewährt.
Im Rahmen eines Antrags auf Weitergewährung holte die Beklagte ein Gutachten des Neurologen Dr. S. vom 12. Dezember 2005 ein. Dieser beschrieb insbesondere eine Persönlichkeitsstörung (histrionische Persönlichkeit), eine cervikales, thorakales und lumbo-sakrales Wurzelreizsyndrom bei nachgewiesenem kleinen Discusprolaps in Höhe LWK 4/5 mit Spinalstenose ohne hierdurch bedingte neurologische Defizite und ohne Hinweise auf einen aktiven Denervierungsprozess, eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion geringen Grades sowie einen Verdacht auf cerebrale Durchblutungsstörungen mit vasomotorischen Kopfschmerzen, Tinnitus und Vertigo. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten grundsätzlich noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.
Auch die Internistin F. gelangte in einem Gutachten vom 18. Januar 2006 zu einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Es bestehe auf internistischem Fachgebiet vor allem ein initiales metabolisches Syndrom, eine Leberverfettung (Steatosis hepatis), eine Hypertriglyzeridämie, eine Vermehrung der Harnsäure im Blut (Hyperuricämie) und seit 2003 eine medikamentenpflichtige arterielle Hypertonie.
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung mit Bescheid vom 23. Januar 2006 ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2006 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht München begehrte die Klägerin weiterhin Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2005 hinaus. Das Sozialgericht holte einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. H. vom 7. Juni 2006 ein. Der als Sachverständiger gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. gelangte in seinem Gutachten vom 24. November 2006 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten, die möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen durchgeführt werden, noch mindestens sechs Stunden verrichten könne. Es bestünden ein Mischsyndrom aus einer dysthymen Störung leichter Ausprägung und einer zum Teil phobisch geprägten Angststörung, eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit histrionischer und asthenischer Prägung, eine Somatisierungsstörung sowie ein degeneratives LWS-Syndrom ohne aktuellen Hinweis auf eine sensible oder motorische Defizitsymptomatik oder Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Dr. W. (M.-Institut für Psychiatrie), stellte in seinem Gutachten vom 15. Oktober 2007 eine chronische Depression, eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine Essstörung fest. Die chronische Depression sei als schwer einzustufen. Ferner bestehe der Verdacht auf eine Epilepsie. Aufgrund der ausgeprägten depressiven Symptomatik mit ausgeprägten Störungen von Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit sowie einer starken Antriebshemmung sei die Klägerin nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als drei Stunden täglich tätig zu sein. Dem Gutachten der Dr. P. sei zuzustimmen.
Die Beklagte legte Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes vor, die an einem vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin festhielten.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. Februar 2008 ab. Für die Bewertung des Leistungsvermögens sei entscheidend der Schweregrad der Depression der Klägerin. Die Kammer folge dem Gutachten des Dr. B ... Die von Prof. Dr. W. beschriebene schwere chronische Depression sei nicht nachzuweisen.
Zur Begründung der gegen das Urteil eingelegten Berufung hat sich die Klägerin vor allem auf das Gutachten der Dr. P. aus dem früheren sozialgerichtlichen Verfahren berufen. 1998 und 2001 seien zwei Heilverfahren erfolglos durchgeführt worden. Hiermit setze sich Dr. B. nicht auseinander. Das eingeschränkte Leistungsvermögen werde auch durch das Gutachten des Prof. Dr. W. bestätigt.
Der Senat hat ein psychiatrisches Gutachten der Dr. M. vom 8. Oktober 2008 eingeholt. Unter Einbezug eines testpsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psych. J. hat die Sachverständige eine chronifizierte schwergradige depressive Episode sowie eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine somatoforme Schmerzstörung, eine unklare links temporo-okzipitale Läsion, lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei radiologisch nachgewiesenem Bandscheibenprolaps L4/5 ohne sensomotorisches Defizit, einen Spannungskopfschmerz sowie einen Verdacht auf eine symptomatische Epilepsie diagnostiziert. Aufgrund des Antriebsverlustes, der im Zusammenhang mit der schwergradig ausgeprägten Depression verbunden sei, und dem Vermeidungsverhalten resultierend aus der Panikstörung bestünden bei der Klägerin erhebliche Einschränkungen der psychischen und nervlichen Belastbarkeit, der Funktionsfähigkeit im Alltagsleben, massive Einschränkungen des Aktionsradius und soziale Rückzugstendenzen. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten nur mehr weniger als drei Stunden ausgeübt werden. Dieser Zustand bestehe über den 31. Dezember 2005 hinaus und sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von Dauer.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2007 angeboten. Der Sozialmedizinische Dienst empfahl die Annahme des Leistungsfalls ab Begutachtung durch Dr. M. im Oktober 2008.
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2008 abgelehnt. Ferner hat der Senat einen Befundbericht der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. C., vom 23. Januar 2009 eingeholt.
Der Bevollmächtige der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2008 sowie den Bescheid vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 aufzu- heben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den 31. Dezember 2005 hin- aus Leistungen wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet. Ihr steht über den 31. Dezember 2005 hinaus auf Dauer eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3 SGB VI.
Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin vor. Dies gilt nicht nur für die sog. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Nummern 2 und 3, sondern auch für das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung nach Nummer 1. Es bestehen neben dem internistischen und orthopädischem Fachgebiet vor allem gesundheitliche Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Die Beklagte erkannte zuletzt das Vorliegen einer schweren chronische Depression, wie sie von Dr. M. festgestellt wurde, an. Die Sachverständige Dr. M. beschreibt, neben einer Panikstörung mit Agoraphobie und einer somatoformen Schmerzstörung, die chronifizierte schwergradige depressive Episode. Dadurch kommt es zu einer Agitiertheit und zu erheblicher Antriebsminderung. Durch die Angststörung wird dies verbunden mit einem erheblichen Vermeidungsverhalten. Zu berücksichtigen sind ferner chronische Schmerzen vor allem im Kopf- und Wirbelsäulenbereich. Es stellten sich erhebliche Einschränkungen der psychischen und nervlichen Belastbarkeit heraus, insbesondere in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lern- und Gedächtnisleistungen.
Das Gutachtensergebnis der Dr. M. basiert auf der testpsychologischen Zusatzbegutachtung, stützt sich jedoch auch auf die Anamnese, den dokumentierten Krankheitsverlauf sowie auf eigene Untersuchungen. Es deckt sich im Wesentlichen mit der Einschätzung des Prof. Dr. W ...
Umstritten ist zwischen den Beteiligten lediglich noch, ob bereits über den 31. Dezember 2005 hinaus eine schwere Depression mit entsprechender Leistungsbeeinträchtigung auf unter drei Stunden anzunehmen ist. Dies wird von Dr. M. sowie von Prof. Dr. W. bejaht, von Dr. B. und Dr. S. verneint. Allerdings ist ein über 10-jähriger Krankheitsverlauf dokumentiert, so dass von einer Chronifizierung der Depression und der Schmerzzustände auszugehen ist. Bereits im März 2003 beschrieb die damalige Gutachterin Dr. P. eine komplexe psychiatrische Symptomatik aus Agoraphobie mit Panikstörung, somatoformer Schmerzstörung, chronifizierter depressiver Anpassungsstörung und Medikamentenmissbrauch, so dass kein Leistungsvermögen mehr bestand. Sie wies darauf hin, dass unter den gegebenen Umständen die Behandlungsmöglichkeiten als ausgeschöpft zu betrachten sind. Im Gegensatz zu dem Befund der Universitäts-Nervenklinik A-Stadt vom Januar 2001 wurde eine deutliche Verschlechterung im Bereich der Affektivität und der Schwingungsfähigkeit beschrieben. Die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrationsvermögen, die Reaktionsfähigkeit, die Ausdauer sowie die geistige Beweglichkeit waren bereits damals erheblich vermindert. Die Sachverständige beurteilte die Möglichkeit einer Verbesserung sehr zurückhaltend.
Prof. Dr. W. ging von einer schweren depressiven Störung seit 1995 aus. Wie
Dr. M. beschreibt auch Prof. Dr. W., dass bereits im Rahmen der Nachuntersuchung durch Dr. S. ein schweres depressives Syndrom bestanden hat.
Soweit sich Dr. B. auf Verdeutlichungstendenzen der Klägerin beruft, wird diese Einschätzung von Dr. M. nicht geteilt. Auch Dr. B. beschrieb aber psychische Veränderungen der Klägerin als verlängerte Reaktion auf ihre damalige familiäre und soziale Situation. Wie Dr. M. stellte auch Dr. B. ein ausgeprägtes Hilflosigkeitserleben fest. Eine von der Beklagten vorgeschlagene testpsychologische Untersuchung sah Dr. B. als nicht indiziert an. Allerdings ergaben sich gerade auch aus den nachfolgenden Zusatzbegutachtungen im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. W. (neuropsychologische und psychologisches Zusatzgutachten) und Dr. M. (testpsychologisches Zusatzgutachten) deutliche Hinweise auf erhebliche Defizite der Klägerin vor allem im Bereich Aufmerksamkeit, Lernen/Ge-dächtnis und exekutive Funktionen. Dabei berücksichtigte auch Prof. Dr. W., dass eine Aggravation nicht ausgeschlossen werden kann.
Insgesamt stellt sich für den Senat das psychische Krankheitsbild als komplex und chronifiziert dar. Die Leistungsgewährung beruhte bis 31. Dezember 2005 auf dem Gutachten der Dr. P., die bereits von einer schweren chronischen Depression, Angstzuständen und somatoformen Schmerzstörung ausging. In den Folgegutachten des Prof. Dr. W. und der Dr. M. bestätigte sich nicht, dass eine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist bzw. wieder ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden erreicht wurde. Insoweit beurteilte bereits Dr. P. die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung eher skeptisch. Während vor allem Dr. B. auf die landsmännischen Besonderheiten und Verdeutlichungstendenzen hinwies und im Ergebnis von einer deutlichen Verbesserung mit vollschichtigem Leistungsvermögen ausging, lässt sich aufgrund der sozialen Anamnese, der - auch testpsychologischen - Untersuchungen und der Befunde zwar eine gewisse Verdeutlichungstendenz nicht ausschließen; dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin auch objektiv nicht gebessert hat und weiterhin u.a. von einer schweren Depression mit den beschriebenen Folgeerscheinungen auszugehen ist. Auch der behandelnde Allgemeinarzt Dr. H. bescheinigte im Juni 2006, dass der Gesundheitszustand unverändert war. Seit fast drei Jahren ist die Klägerin nun auch in psychotherapeutischer Behandlung, wobei sich keine Besserung ergeben hat. Entgegen der damaligen Beurteilung des Dr. B. sieht
Dr. M. damit die Behandlungsmöglichkeiten nun als ausgeschöpft an; die in Anspruch genommenen Therapiemaßnahmen zeugen ferner von einer Therapiemotivation und weisen auf einen entsprechenden Leidensdruck der Klägerin hin.
Auch die seit Januar 2007 behandelnde Fachärztin für Psychiatrie Dr. C. beschrieb in ihrem Befundbericht vom Januar 2009 schwere depressive Episoden und eine chronifizierte seelische Störung. Trotz hoher Medikation und regelmäßigen Sitzungen konnte keine wesentliche Besserung des Krankheitsbildes erzielt werden. Resultierend aus einer Panikstörung mit Agoraphobie besteht eine erhebliche Einschränkung der psychischen und körperlichen Belastbarkeit und der Funktionsfähigkeit im Alltagsleben. Die Ärztin bescheinigte massive Einschränkungen im Aktionsradius mit sozialen Rückzugstendenzen.
Der Senat gelangt daher zu der Überzeugung, dass das Leistungsvermögen auch über den 31. Dezember 2005 hinaus auf unter drei Stunden eingeschränkt war, so dass der Klägerin ein Anspruch auf die beantragte Rente zusteht.
Die zuzubilligende Rente wegen voller Erwerbsminderung ist nicht zu befristen. Zwar werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich auf Zeit geleistet. Wenn der Rentenanspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, wird die Rente jedoch unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI). Nach allen vorliegenden Gutachten handelt es sich um einen Dauerzustand; die Behandlungsmöglichkeiten sind insoweit als ausgeschöpft einzustufen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, zumal die Klägerin bislang schon ohne nennenswerten Erfolg in Behandlung ist. Die Klägerin ist nicht in der Lage, die verfestigte und chronifizierte psychiatrische Symptomatik willentlich zu überwinden.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung erfolgreich ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente über den 31. Dezember 2005 hinaus hat.
Die 1950 geborene Klägerin ist kroatische Staatsbürgerin. Sie erlernte keinen Beruf und arbeitete zuletzt von 1984 bis 1993 als Bestückerin und Montiererin. Die Beklagte hatte einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom
21. Mai 1999 mit Bescheid vom 22. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 abgelehnt. Das Sozialgericht München (Az.: S 27 RJ 94/00) hatte im hiergegen gerichteten Klageverfahren ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 7. November 2000 eingeholt. Es bestehe eine chronische Dysthymie leichten Grades mit Somatisierungstendenz und überlagernden tendenziellen Mechanismen, ein Zervikalsyndrom leichten Grades ohne akute Nervenwurzelreizzeichen, ein Lumbalsyndrom leichten Grades ohne Nervenwurzelreizzeichen sowie ein unklarer hirnorganischer Prozess mit Verdacht auf eine stattgehabte vorübergehende ischämische cerebrale Attacke. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch acht Stunden täglich ausgeübt werden. Die Beteiligten hatten am 27. April 2001 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der zur Beendigung des Rechtsstreites führte: Die Beklagte hatte eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation gewährt.
Einen erneuten Antrag auf Leistungen wegen Erwerbsminderung vom 15. November 2001 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 abgelehnt. Das Sozialgericht München (Az.: S 13 RJ 715/02) hatte ein Gutachten des Orthopäden Dr. F. vom 29. November 2002 sowie der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 4. März 2003 eingeholt.
Dr. F. hatte eine mäßige Spondylose der Brustwirbelsäule (BWS), geringe Osteopenie, eine partielle Bandscheibeneinengung L3-L4, eine Spondylose der Lendenwirbelsäule (LWS), einen Bandscheibenvorfall L4/5, einen Fersensporn beidseits bei Senkspreizfüßen und deutlicher Übergewichtigkeit sowie Purinstoffwechselstörung festgestellt. Mittelschwere körperliche Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden.
Dr. P. hatte demgegenüber die Ansicht vertreten, dass aufgrund einer weiteren Verschlechterung des komplexen psychisch/psychosomatischen Störungsbildes eine regelmäßige Leistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr erbracht werden könne. Im Vordergrund stehe dabei eine Symptomatik aus Agoraphobie mit Panikstörung, somatoformer Schmerzstörung, chronifizierter depressiver Anpassungsstörung und Medikamentenmissbrauch auf dem Boden einer neurotisch-depressiven Primärpersönlichkeit.
Die Beklagte hatte in einem gerichtlichen Vergleich vom 19. September 2003 das Vorliegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit Eintritt des Leistungsfalls am 30. Juni 2002 bis 31. Dezember 2005 anerkannt und ab 1. Januar 2003 Leistungen wegen verminderter voller Erwerbsfähigkeit gewährt.
Im Rahmen eines Antrags auf Weitergewährung holte die Beklagte ein Gutachten des Neurologen Dr. S. vom 12. Dezember 2005 ein. Dieser beschrieb insbesondere eine Persönlichkeitsstörung (histrionische Persönlichkeit), eine cervikales, thorakales und lumbo-sakrales Wurzelreizsyndrom bei nachgewiesenem kleinen Discusprolaps in Höhe LWK 4/5 mit Spinalstenose ohne hierdurch bedingte neurologische Defizite und ohne Hinweise auf einen aktiven Denervierungsprozess, eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion geringen Grades sowie einen Verdacht auf cerebrale Durchblutungsstörungen mit vasomotorischen Kopfschmerzen, Tinnitus und Vertigo. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten grundsätzlich noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.
Auch die Internistin F. gelangte in einem Gutachten vom 18. Januar 2006 zu einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Es bestehe auf internistischem Fachgebiet vor allem ein initiales metabolisches Syndrom, eine Leberverfettung (Steatosis hepatis), eine Hypertriglyzeridämie, eine Vermehrung der Harnsäure im Blut (Hyperuricämie) und seit 2003 eine medikamentenpflichtige arterielle Hypertonie.
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung mit Bescheid vom 23. Januar 2006 ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2006 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht München begehrte die Klägerin weiterhin Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2005 hinaus. Das Sozialgericht holte einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. H. vom 7. Juni 2006 ein. Der als Sachverständiger gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. gelangte in seinem Gutachten vom 24. November 2006 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten, die möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen durchgeführt werden, noch mindestens sechs Stunden verrichten könne. Es bestünden ein Mischsyndrom aus einer dysthymen Störung leichter Ausprägung und einer zum Teil phobisch geprägten Angststörung, eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit histrionischer und asthenischer Prägung, eine Somatisierungsstörung sowie ein degeneratives LWS-Syndrom ohne aktuellen Hinweis auf eine sensible oder motorische Defizitsymptomatik oder Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Dr. W. (M.-Institut für Psychiatrie), stellte in seinem Gutachten vom 15. Oktober 2007 eine chronische Depression, eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine Essstörung fest. Die chronische Depression sei als schwer einzustufen. Ferner bestehe der Verdacht auf eine Epilepsie. Aufgrund der ausgeprägten depressiven Symptomatik mit ausgeprägten Störungen von Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit sowie einer starken Antriebshemmung sei die Klägerin nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als drei Stunden täglich tätig zu sein. Dem Gutachten der Dr. P. sei zuzustimmen.
Die Beklagte legte Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes vor, die an einem vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin festhielten.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. Februar 2008 ab. Für die Bewertung des Leistungsvermögens sei entscheidend der Schweregrad der Depression der Klägerin. Die Kammer folge dem Gutachten des Dr. B ... Die von Prof. Dr. W. beschriebene schwere chronische Depression sei nicht nachzuweisen.
Zur Begründung der gegen das Urteil eingelegten Berufung hat sich die Klägerin vor allem auf das Gutachten der Dr. P. aus dem früheren sozialgerichtlichen Verfahren berufen. 1998 und 2001 seien zwei Heilverfahren erfolglos durchgeführt worden. Hiermit setze sich Dr. B. nicht auseinander. Das eingeschränkte Leistungsvermögen werde auch durch das Gutachten des Prof. Dr. W. bestätigt.
Der Senat hat ein psychiatrisches Gutachten der Dr. M. vom 8. Oktober 2008 eingeholt. Unter Einbezug eines testpsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psych. J. hat die Sachverständige eine chronifizierte schwergradige depressive Episode sowie eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine somatoforme Schmerzstörung, eine unklare links temporo-okzipitale Läsion, lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei radiologisch nachgewiesenem Bandscheibenprolaps L4/5 ohne sensomotorisches Defizit, einen Spannungskopfschmerz sowie einen Verdacht auf eine symptomatische Epilepsie diagnostiziert. Aufgrund des Antriebsverlustes, der im Zusammenhang mit der schwergradig ausgeprägten Depression verbunden sei, und dem Vermeidungsverhalten resultierend aus der Panikstörung bestünden bei der Klägerin erhebliche Einschränkungen der psychischen und nervlichen Belastbarkeit, der Funktionsfähigkeit im Alltagsleben, massive Einschränkungen des Aktionsradius und soziale Rückzugstendenzen. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten nur mehr weniger als drei Stunden ausgeübt werden. Dieser Zustand bestehe über den 31. Dezember 2005 hinaus und sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von Dauer.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2007 angeboten. Der Sozialmedizinische Dienst empfahl die Annahme des Leistungsfalls ab Begutachtung durch Dr. M. im Oktober 2008.
Die Klägerin hat das Vergleichsangebot mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2008 abgelehnt. Ferner hat der Senat einen Befundbericht der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. C., vom 23. Januar 2009 eingeholt.
Der Bevollmächtige der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2008 sowie den Bescheid vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 aufzu- heben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den 31. Dezember 2005 hin- aus Leistungen wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet. Ihr steht über den 31. Dezember 2005 hinaus auf Dauer eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3 SGB VI.
Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 SGB VI liegen bei der Klägerin vor. Dies gilt nicht nur für die sog. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Nummern 2 und 3, sondern auch für das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung nach Nummer 1. Es bestehen neben dem internistischen und orthopädischem Fachgebiet vor allem gesundheitliche Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Die Beklagte erkannte zuletzt das Vorliegen einer schweren chronische Depression, wie sie von Dr. M. festgestellt wurde, an. Die Sachverständige Dr. M. beschreibt, neben einer Panikstörung mit Agoraphobie und einer somatoformen Schmerzstörung, die chronifizierte schwergradige depressive Episode. Dadurch kommt es zu einer Agitiertheit und zu erheblicher Antriebsminderung. Durch die Angststörung wird dies verbunden mit einem erheblichen Vermeidungsverhalten. Zu berücksichtigen sind ferner chronische Schmerzen vor allem im Kopf- und Wirbelsäulenbereich. Es stellten sich erhebliche Einschränkungen der psychischen und nervlichen Belastbarkeit heraus, insbesondere in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lern- und Gedächtnisleistungen.
Das Gutachtensergebnis der Dr. M. basiert auf der testpsychologischen Zusatzbegutachtung, stützt sich jedoch auch auf die Anamnese, den dokumentierten Krankheitsverlauf sowie auf eigene Untersuchungen. Es deckt sich im Wesentlichen mit der Einschätzung des Prof. Dr. W ...
Umstritten ist zwischen den Beteiligten lediglich noch, ob bereits über den 31. Dezember 2005 hinaus eine schwere Depression mit entsprechender Leistungsbeeinträchtigung auf unter drei Stunden anzunehmen ist. Dies wird von Dr. M. sowie von Prof. Dr. W. bejaht, von Dr. B. und Dr. S. verneint. Allerdings ist ein über 10-jähriger Krankheitsverlauf dokumentiert, so dass von einer Chronifizierung der Depression und der Schmerzzustände auszugehen ist. Bereits im März 2003 beschrieb die damalige Gutachterin Dr. P. eine komplexe psychiatrische Symptomatik aus Agoraphobie mit Panikstörung, somatoformer Schmerzstörung, chronifizierter depressiver Anpassungsstörung und Medikamentenmissbrauch, so dass kein Leistungsvermögen mehr bestand. Sie wies darauf hin, dass unter den gegebenen Umständen die Behandlungsmöglichkeiten als ausgeschöpft zu betrachten sind. Im Gegensatz zu dem Befund der Universitäts-Nervenklinik A-Stadt vom Januar 2001 wurde eine deutliche Verschlechterung im Bereich der Affektivität und der Schwingungsfähigkeit beschrieben. Die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrationsvermögen, die Reaktionsfähigkeit, die Ausdauer sowie die geistige Beweglichkeit waren bereits damals erheblich vermindert. Die Sachverständige beurteilte die Möglichkeit einer Verbesserung sehr zurückhaltend.
Prof. Dr. W. ging von einer schweren depressiven Störung seit 1995 aus. Wie
Dr. M. beschreibt auch Prof. Dr. W., dass bereits im Rahmen der Nachuntersuchung durch Dr. S. ein schweres depressives Syndrom bestanden hat.
Soweit sich Dr. B. auf Verdeutlichungstendenzen der Klägerin beruft, wird diese Einschätzung von Dr. M. nicht geteilt. Auch Dr. B. beschrieb aber psychische Veränderungen der Klägerin als verlängerte Reaktion auf ihre damalige familiäre und soziale Situation. Wie Dr. M. stellte auch Dr. B. ein ausgeprägtes Hilflosigkeitserleben fest. Eine von der Beklagten vorgeschlagene testpsychologische Untersuchung sah Dr. B. als nicht indiziert an. Allerdings ergaben sich gerade auch aus den nachfolgenden Zusatzbegutachtungen im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. W. (neuropsychologische und psychologisches Zusatzgutachten) und Dr. M. (testpsychologisches Zusatzgutachten) deutliche Hinweise auf erhebliche Defizite der Klägerin vor allem im Bereich Aufmerksamkeit, Lernen/Ge-dächtnis und exekutive Funktionen. Dabei berücksichtigte auch Prof. Dr. W., dass eine Aggravation nicht ausgeschlossen werden kann.
Insgesamt stellt sich für den Senat das psychische Krankheitsbild als komplex und chronifiziert dar. Die Leistungsgewährung beruhte bis 31. Dezember 2005 auf dem Gutachten der Dr. P., die bereits von einer schweren chronischen Depression, Angstzuständen und somatoformen Schmerzstörung ausging. In den Folgegutachten des Prof. Dr. W. und der Dr. M. bestätigte sich nicht, dass eine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist bzw. wieder ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden erreicht wurde. Insoweit beurteilte bereits Dr. P. die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung eher skeptisch. Während vor allem Dr. B. auf die landsmännischen Besonderheiten und Verdeutlichungstendenzen hinwies und im Ergebnis von einer deutlichen Verbesserung mit vollschichtigem Leistungsvermögen ausging, lässt sich aufgrund der sozialen Anamnese, der - auch testpsychologischen - Untersuchungen und der Befunde zwar eine gewisse Verdeutlichungstendenz nicht ausschließen; dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin auch objektiv nicht gebessert hat und weiterhin u.a. von einer schweren Depression mit den beschriebenen Folgeerscheinungen auszugehen ist. Auch der behandelnde Allgemeinarzt Dr. H. bescheinigte im Juni 2006, dass der Gesundheitszustand unverändert war. Seit fast drei Jahren ist die Klägerin nun auch in psychotherapeutischer Behandlung, wobei sich keine Besserung ergeben hat. Entgegen der damaligen Beurteilung des Dr. B. sieht
Dr. M. damit die Behandlungsmöglichkeiten nun als ausgeschöpft an; die in Anspruch genommenen Therapiemaßnahmen zeugen ferner von einer Therapiemotivation und weisen auf einen entsprechenden Leidensdruck der Klägerin hin.
Auch die seit Januar 2007 behandelnde Fachärztin für Psychiatrie Dr. C. beschrieb in ihrem Befundbericht vom Januar 2009 schwere depressive Episoden und eine chronifizierte seelische Störung. Trotz hoher Medikation und regelmäßigen Sitzungen konnte keine wesentliche Besserung des Krankheitsbildes erzielt werden. Resultierend aus einer Panikstörung mit Agoraphobie besteht eine erhebliche Einschränkung der psychischen und körperlichen Belastbarkeit und der Funktionsfähigkeit im Alltagsleben. Die Ärztin bescheinigte massive Einschränkungen im Aktionsradius mit sozialen Rückzugstendenzen.
Der Senat gelangt daher zu der Überzeugung, dass das Leistungsvermögen auch über den 31. Dezember 2005 hinaus auf unter drei Stunden eingeschränkt war, so dass der Klägerin ein Anspruch auf die beantragte Rente zusteht.
Die zuzubilligende Rente wegen voller Erwerbsminderung ist nicht zu befristen. Zwar werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich auf Zeit geleistet. Wenn der Rentenanspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, wird die Rente jedoch unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI). Nach allen vorliegenden Gutachten handelt es sich um einen Dauerzustand; die Behandlungsmöglichkeiten sind insoweit als ausgeschöpft einzustufen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, zumal die Klägerin bislang schon ohne nennenswerten Erfolg in Behandlung ist. Die Klägerin ist nicht in der Lage, die verfestigte und chronifizierte psychiatrische Symptomatik willentlich zu überwinden.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung erfolgreich ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved