L 15 B 794/08 VG PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 15/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 B 794/08 VG PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 08.09.2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.08.2008 - S 30 VG 15/08 - wird zurückgewiesen.



Gründe:


I.

Die 1947 geborene Klägerin und hiesige Beschwerdeführerin begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin auf Grund der Vorfälle vom 06.07.2003 und 09.05.2005 Anspruch auf Versorgungsleistungen hat.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Frau Rechtsanwältin M. L. vom 13.06.2008 ist mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.08.2008 abgelehnt worden. Die Klägerin habe durch tätliche Angriffe am 06.07.2003 und 09.05.2005 Verletzungen erlitten. Das Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Erlangung einer Versorgung nach dem OEG wegen eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 30 sei erfolglos geblieben. Der Ablehnungsbescheid vom 17.05.2006 habe eine Entschädigung für das erste Trauma wegen Unbilligkeit und für das zweite Trauma wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin abgelehnt. Mit Teilabhilfebescheid vom 28.03.2007 habe der Beklagte die geltend gemachten schädigenden Ereignisse als im Prinzip anspruchsbegründend anerkannt. Mit weiterem Bescheid vom 05.09.2007 habe es der Beklagte jedoch abgelehnt, eine Versorgung wegen des Angriffs vom 06.07.2003 mangels feststellbarer gesundheitlicher Dauerfolgen zu bewilligen. Der Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008 habe diese Entscheidung auf Grund von eingehenden Ermittlungen und Begutachtungen mit dem Ergebnis bestätigt, dass die Klägerin zwar unter erheblichen gesundheitlichen Problemen (mindestens einer chronischen depressiven Störung und einer Schmerzerkrankung) leide, von denen aber die Folgen des Traumas nur nachrangige Bedeutung hätten. Mit der Klage strebe die Klägerin weiterhin eine Versorgungsrente an, welche jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung von § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) habe. Körperliche Dauerfolgen seien außer einem prothetisch versorgten Zahnverlust nicht feststellbar. Psychisch sei die Klägerin durch ein breites und chronifiziertes Leidensbild, das für Migrantinnen ihres Alters nicht ganz untypisch sei, erheblich belastet. Dass die Beeinträchtigung durch die vor nunmehr fast fünf Jahren erlittenen Schläge demgegenüber immer noch ein solches Gewicht hätten, dass nach einer Fachbegutachtung ein GdS von 25 oder mehr anzuerkennen wäre, könne nicht erwartet werden, auch wenn sich die Zuordnung zwischen erlittenem Trauma und jetziger emotionaler Situation bei der Klägerin vermutlich mental verfestigt habe.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 08.09.2008 ging am selben Tag beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Die Beschwerdebegründung erfolge in einem gesonderten Schriftsatz.

Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs- und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten und hiesigen Beschwerdegegners sowie die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen. Nachdem aus den Unterlagen des Sozialgerichts München nicht hervorging, dass den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin bereits Akteneinsicht gewährt worden ist, stellte das BayLSG den Bevollmächtigten der Klägerin die OEG-Akten des Beklagten und hiesigen Beschwerdegegners mit Schreiben vom 01.10.2008 zur Verfügung.

Entsprechend den Nachrichten des BayLSG vom 03.11.2008 und 19.01.2009 erfolgte zwischenzeitlich eine Rückgabe der übermittelten Akten, ohne dass jedoch bislang eine Beschwerdebegründung einging. Der Antragsgegner stellte wie bereits erwähnt die Schwerbehinderten-Akten mit Nachricht vom 03.03.2009 ergänzend zur Verfügung.

II.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig (§§ 73a, 172 ff. SGG i.V.m. § 127 Abs.2 ZPO), jedoch nicht begründet.

Unabhängig von der fehlenden Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse besteht vorliegend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO, wie dies das Sozialgericht München mit Beschluss vom 04.08.2008 - S 30 VG 15/08 - zutreffend ausgeführt hat. Dies gilt hinsichtlich beider Vorfälle vom 06.07.2003 und 09.05.2005. Im Einzelnen:

Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich des Vorfalles vom 06.07.2003 vorgetragen, dass sie im Wohnheim von der Toilette wieder in ihr Zimmer zurück gehen wollte, als ihr ein Mitbewohner ohne Grund mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Diesbezüglich hat der Beklagte und hiesige Beschwerdegegner mit Bescheid vom 05.09.2007 ausgeführt, dass als Folge der Gewalttat vom 06.07.2003 mit Wirkung ab 01.07.2005 (Antragsmonat) keine Schädigungsfolge mehr anerkannt werden könne. Nach dem Ergebnis der versorgungsärztlichen Auswertung der eingeholten Befundberichte würden ab diesem Zeitpunkt keine Gesundheitsstörungen mehr vorliegen, die ursächlich auf die Gewalttat vom 06.07.2003 zurückzuführen seien. Sowohl die Zunahme der zerebrovaskulären Hirnveränderungen, wodurch Schwindel auftrete, der zu Stürzen führe, als auch die somatoforme Schmerzstörung mit Schmerzen in allen Gelenken könnten nicht auf die Gewalttat vom 06.07.2003 ursächlich zurückgeführt werden. Unter den somatoformen Schmerzstörungen habe die Klägerin bereits vor der Gewalttat gelitten. Eine wesentliche Verschlimmerung diesbezüglich liege durch die Gewalttat vom 06.07.2003 nicht vor. Eine im Vordergrund stehende seelische Reaktion auf die Gewalttat 2003 lasse sich aus den Befundberichten nicht erkennen. Die in dem Befundbericht der Nothilfeversorgung des Krankenhauses A-Stadt N. genannte "Prellung Gesicht durch Gewalteinwirkung von außen" sei zum Zeitpunkt der Antragstellung längst abgeklungen. Ein Schädel-Hirn-Trauma habe nicht stattgefunden.

Nach Überprüfung der beigezogenen Akten ist den vorstehenden Ausführungen des Beklagten mit Bescheid vom 05.09.2007 vollinhaltlich zuzustimmen. Denn Dr.A. K. hat bereits mit fachärztlichem Attest zur Vorlage beim Arbeitsamt vom 24.09.2001 auf die bei der Beschwerdeführerin bestehende chronische Erschöpfungsdepression samt chronischem HWS- und LWS-Syndrom hingewiesen. Die Patientin sei durch die Betreuung des an einer Psychose erkrankten Sohnes nervlich sehr belastet, müsse viele Schwierigkeiten bewältigen und sich immer um ihn kümmern. Es kämen körperliche Beschwerden dazu, auf Grund von Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule, ständigen Kopfschmerzen, Schlafstörungen und innerer Unruche mit vielen Sorgen. Aus diesem Grund sei sie weder nervlich noch körperlich voll belastbar, sodass nur leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne Schichtarbeit und ohne nervlichen Stress in Frage kämen. Die Arbeitsamtsärztin Dr.S. ist im Rahmen ihrer Untersuchung vom 31.10.2001 zu dem nämlichen Ergebnis gekommen. Es handele sich um eine (damals) 54-jährige übergewichtige Frau mit verminderter seelischer und körperlicher Belastbarkeit. Im Vordergrund stünden verschleißbedingte Kniegelenksbeschwerden beidseits sowie Verschleißerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und vor allem der linken Schulter. Zudem liege ein depressiver Erschöpfungszustand sowie ein schwer einstellbarer Bluthochdruck vor. Aus arbeitsamtsärztlicher Sicht sei die Beschwerdeführerin für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft nicht mehr ausreichend leistungsfähig.

Dementsprechend hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 15.05.2008 überzeugend darauf hingewiesen, dass die bei der Beschwerdeführerin bestehende "seelische Störung mit Somatisierung, depressive Verstimmungen, Kopfschmerz, histrionische Persönlichkeitsstörung" nach den Vorschriften des Schwerbehindertenrechts (nunmehr: SGB IX) mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei, ein GdS nach dem OEG ab dem Antragsmonat Juli 2005 jedoch nicht mehr bestehe. Der 15. Senat des BayLSG pflichtet den Ausführungen des Beschwerdegegners mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008 vollinhaltlich bei, dass es durch die Gewalttat vom 06.07.2003 zwar zu vorübergehenden Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen sein könne, diese jedoch bei Antragstellung im Juli 2005 bereits wieder abgeklungen seien. Weiterhin geht es zu Lasten der Beschwerdeführerin, dass diese die Anfrage des Beschwerdegegners vom 09.04.2008, bei welchem Zahnarzt sie vor und nach der Gewalttat in Behandlung gestanden habe, nicht beantwortet habe, sodass der Nachweis über eine Schädigung der Zähne im Rahmen der Tätlichkeit vom 06.07.2003 nicht habe erbracht werden können.

Hinsichtlich des Vorfalles vom 09.05.2005 hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass sie unterwegs zu A. gewesen sei, als sie eine Freundin getroffen habe, die ihr ein paar Kleidungsstücke schenkte und dann wieder gegangen sei. Als sie sich die Kleidungsstücke angesehen habe, sei ein Mann mit einem Fahrrad gekommen, sei abgestiegen und habe ihr vorgeworfen, die Kleidungsstücke geklaut zu haben. Als sie das verneint habe, habe er sie einmal mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Diesbezüglich hat der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 28.03.2007 ausgeführt, durch die Nachholung der Mitwirkung konnten die Ermittlungen bezüglich der geltend gemachten Gewalttat vom 09.05.2005 abschließend durchgeführt werden. Ein Tatbestand im Sinne des OEG habe jedoch nicht nachgewiesen werden können. Man schließe zwar nicht aus, dass sich der Vorgang so abgespielt habe, wie ihn die Beschwerdeführerin geschildert habe, bewiesen im Rechtssinne sei dieser aber nicht. Der Zeuge W. habe die Verletzungshandlung nach eigener Aussage selbst nicht gesehen. Lasse sich der Sachverhalt nicht aufklären, so gehe dies nach dem Grund der objektiven Beweislast zu Lasten des Antragstellers. Der Antrag hinsichtlich der Gewalttat vom 09.05.2005 sei daher abzulehnen.

Aus der Sicht des BayLSG sind vorstehende Ausführungen des Beschwerdegegners zu bestätigen. Denn der Zeuge D. W. hat am 11.07.2006 schriftlich kurz bestätigt, dass er den Vorfall selbst nicht beobachtet habe, er könne aber bezeugen, dass der von der Dame beschuldigte Mann die Dame mehrfach rassistisch beleidigt habe. Sollten sich die Ausführungen des Zeugen D. W. auf den ersten Vorfall vom 06.07.2003 beziehen, sind sie wegen der diesbezüglichen Folgen der Gewalttat ebenso wenig hilfreich, wie wenn sie sich auf den zweiten Vorfall vom 09.05.2005 beziehen sollten.

Nach alledem ist festzustellen, dass das Sozialgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Frau Rechtsanwältin M. L. mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO zutreffend mit Beschluss vom 04.08.2008 - S 30 VG 15/08 - abgelehnt hat.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§ 177, 183 SGG i.V.m. § 127 Abs.4 ZPO).
Rechtskraft
Aus
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