L 9 AL 223/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AL 1068/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 223/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 29.04.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 15.12.1995 bis zum 12.01.1997 und vom 04.03.1997 bis zum 03.03.1998 sowie die Erstattung der in diesen Zeiträumen durch die Beklagte bewilligten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 18.639,49 EUR.
Der 1946 geborene Kläger hat den Beruf eines Maschinenbauers erlernt. Nach seiner Haftentlassung am 14.08.1995 bezog er Alg vom 21.08.1995 bis zum 18.02.1996 und anschließend bis zum 12.01.1997 Alhi. Bis zum 24.02.1997 nahm er an einer berufsbildenden Maßnahme teil, bezog Unterhaltsgeld vom 13.01.1997 bis 24.02.1997 und erhielt dann ab dem 04.03.1997 bis zum 03.03.1998 wiederum Alhi.
Im Alg-Antrag vom 31.08.1995 (Arbeitslosmeldung vom 21.08.1995) gab er an, er wohne in der G.Straße in H. und unterschrieb folgende Erklärung: "Ich versichere, dass die vorstehend gemachten Angaben zutreffen. Mir ist bekannt, dass ich dem Arbeitsamt sofort alle Veränderungen anzuzeigen habe, die gegenüber den in diesem Antrag angegebenen Verhältnissen eintreten. Das Merkblatt für Arbeitslose ("Ihre Recht - Ihre Pflichten"), in dem auf die Mitteilungspflichten im Einzelnen hingewiesen ist, habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen."
Ab dem 21.08.1995 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann mit Bescheid vom 11.09.1995 Alg und zahlte dieses bis zum 18.02.1996.
Auch in dem Antrag auf Alhi vom 24.01.1996 gab der Kläger an, in H. zu wohnen. In der im Antrag unterschriebenen Erklärung versicherte er, seine Angaben würden zutreffen, die ausführlichen Hinweise habe er beachtet, Änderungen werde er anzeigen, das Merkblatt "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" habe er erhalten und Kenntnis genommen. Im Zusatzblatt zur Bedürftigkeitsprüfung versicherte er, kein Bargeld und kein Bankguthaben zu besitzen. Ab dem 19.02.1996 bewilligte die Beklagte daher im Anschluss an das Alg wieder Alhi. Auch im Fortzahlungsantrag vom 3. August 1996 teilte der Kläger mit, er wohne in H., habe die Ausfüllhinweise beachtet, seine Angaben würden zutreffen und er habe das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und davon Kenntnis genommen. So bewilligte die Beklagte Alhi weiter bis 23.09.1996.
Am 30. September 1996 ging bei der Beklagten telefonisch eine anonyme Anzeige ein. Der Kläger wohne seit Dezember 1995 in der H.Straße in P ... Sein Vermieter sei dort Herr P ... Dieser könne bestätigen, dass sich der Kläger dort überwiegend aufhalte. Die vom Kläger angegebene Wohnung in H. sei die Wohnung seiner Schwester. In der daraufhin von der Beklagten anberaumten Vorsprache am 31. Oktober 1996 erklärte der Kläger, er habe zwei Wohnsitze, den Hauptwohnsitz in H. und am Wochenende sei er in M ... Da die Beklagte zu dem Ergebnis kam, das Gegenteil könne nicht bewiesen werden, zahlte sie Alhi weiter bis zum 10.01.1997. Als am 04.03.1997 eine weitere Arbeitslosmeldung erfolgte, bewilligte sie auf den am 06.03.1997 gestellten Antrag hin weiter Alhi ab dem 4. März 1997.
In einem Telefonat vom 16. Dezember 1997 teilte eine Frau P. der Beklagten mit, der Kläger habe eine Erbschaft gemacht und wohne bei seiner Freundin in der CSFR. Am 17.02.1998 erhielt die Beklagte eine weitere anonyme Anzeige, der Kläger habe seit zwei Jahren seinen Wohnsitz in die CSFR verlegt und hole monatlich zweimal seine Post ab. Im Rahmen der durch die Beklagte daraufhin durchgeführten Ermittlungen teilte das Einwohnermeldeamt H. (Stellungnahme vom 18.02.1998) mit, der Kläger sei seit dem 15.08.1996 bis 17.07.1997 mit Nebenwohnsitz in M., H.Straße gemeldet gewesen. Er dürfte sich wohl nur selten in H. aufhalten, denn es sei bereits ein Postzusteller vorstellig geworden, nachdem er den Kläger wiederholt nicht erreichen konnte und der Briefkasten ständig überquoll. Die von der Beklagten befragte Vermieterin des Klägers, Frau P., erklärte, der Kläger sei in der Regel Freitags erschienen und Dienstags wieder weggefahren. Er habe sich mit einer Frau S. in M. getroffen. Bei dem ersten Gespräch habe er angedeutet, längerfristig in der Wohnung bleiben zu wollen, daher habe man einen Mietvertrag auf die Dauer von fünf Jahren geschlossen. Wegen des Todes der Schwester des Klägers sei der Mietvertrag aber vorzeitig aufgelöst worden.

Im weiteren Alhi-Fortzahlungsantrag vom 01.03.1998 verneinte der Kläger im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung den Besitz von Bargeld und Bankguthaben. Er habe ein selbst bewohntes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von 100 qm.
Im Rahmen der weiteren Ermittlungen erklärte ein Postzusteller (Erklärung vom 03.03.1998), seit Dezember 1997 gebe es ein Postfach für den Kläger in A. und seit Dezember 1997 werde die Post an das Postamt A. weitergeleitet, wo sie der Kläger abhole. Eine weiter befragte Postzustellerin erklärte, bis vor dem Tod der Schwester des Klägers sei der Briefkasten geleert, ab Ende April 1997 sei der Briefkasten ständig voll gewesen, ab Dezember 1997 gebe es ein Postfach in A ... Das mit Schreiben vom 22.05.1998 durch die Beklagte eingeleitete Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft T. wurde durch die Behörde ohne die Einleitung eines Strafverfahrens beendet. Im Rahmen der Ermittlungen waren Frau S., A. G., A. P. und der Kläger selbst vernommen worden. Im vorgelegten Mietvertrag für die Zeit vom 23.10.1995 bis zum 15.12.2000 war als Mietzins ein gestaffelter Mietzins vereinbart, beginnend mit monatlich 500,- DM und sich steigernd bis zum Dezember 2000 auf 600,- DM monatlich.
Nach Anhörung (Anhörungsschreiben vom 15.07.1998) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.07.1998 den Antrag auf Zahlung von Alhi ab dem 04.03.1998 ab. Der Kläger sei seit 15.12.1995 nicht mehr erreichbar gewesen. Auf seinen Widerspruch wurde er aufgefordert, weitere Unterlagen hinsichtlich seiner Bedürftigkeit vorzulegen und mit Bescheid vom 01.10.1998 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg und Alhi für die Zeit vom 15.12.1995 bis 12.01.1997 und vom 04.03.1997 bis 03.03.1998 auf. Sie verpflichtete den Kläger einschließlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge die erhaltenen Leistungen in Höhe von insgesamt 18.639,49 EUR zurückzuzahlen. Aufgrund seiner Ortsabwesenheit habe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden. Auch dagegen legte der Kläger am 14.10.1998 Widerspruch ein. Die Postfachadresse habe er sich zugelegt, weil Jugendliche Post aus seinem Briefkasten in H. entwendet hätten. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen der Beklagten teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, im Jahr 1991 habe der Kläger an einen Herrn G. 90.000,- DM in bar und 10.000,- DM in Pfandbriefen verliehen. Der Kläger selbst habe insoweit mit geliehenem Geld gearbeitet. Kapital und Zinsen habe er an seine Geldgeber zurückführen müssen.
Am 12. März 1999 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Fortzahlung von Alhi. Weitere Prüfungen des Außendienstes der Beklagten ergaben, dass am 28.05.1999 der Briefkasten in H. ungeleert gewesen und der Kläger nicht angetroffen worden sei. Trotz Meldeaufforderung sei der Kläger einer zum 05.05.1999 und auch zum 10.05.1999 angekündigten Vorladung nicht nachgekommen. In einem weiteren Antrag auf Alhi vom 05.07.1999 aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 02.07.1999 gab der Kläger als Wohnsitz die G.Straße in H. an. Er habe weder Bargeld noch Bankguthaben aber ein bebautes selbst bewohntes Grundstück, jedoch keine Mieteinnahmen. Trotzdem erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 21.06.1999, der Kläger sei Mitberechtigter eines Kontos einer Schweizer Kreditanstalt. Das dort liegende Geld gehöre aber einer anderen Person. Am 03.08.1998 sprach der Kläger wegen der Alhi bei der Beklagten erneut vor. Es wurde vereinbart, er werde verständigt, sobald der Beklagten die Akten wieder vorlägen. Ab dem 20.08.1999 befand sich er dann wieder in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
Mit Bescheid vom 24.09.1999 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alhi ab dem 12.03.1999 ab. Trotz Aufforderung habe der Kläger angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt, damit seiner Mitwirkungspflicht nicht entsprochen. Die gleiche Begründung enthielt der weitere Bescheid vom 24.09.1999, mit dem die Beklagte den Antrag auf Alhi ab dem 02.07.1999 ablehnte. Gegen beide Bescheide wurde am 05.10.1999 Widerspruch eingelegt. Im Widerspruchsverfahren gab der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigte an, die Eigentümerin des in der Schweiz deponierten Geldes sei Frau L. K. aus S ... Anfragen der Beklagten bei der Schweizer Bankgesellschaft blieben jedoch ohne Erfolg, da die Beklagte Vollmachten von L. K. im Original mit Beglaubigung der Unterschrift durch eine bekannte Bank oder Urkundsperson nicht beibringen konnte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2000 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.10.1998 betreffend die Rücknahme und Erstattung zurück. In dem Haus in H. habe die Schwester des Klägers gewohnt, sie sei auch die Eigentümerin gewesen. Ab dem 15.12.1995 habe der Kläger eine Wohnung in M. angemietet und sich unregelmäßig in M. aufgehalten. Auch habe er sich im streitigen Zeitraum häufig bei seiner Freundin in der Tschechischen Republik aufgehalten. Nach dem Tod seiner Schwester sei er nur sporadisch in H. gewesen. Dies sei durch den ungeleerten Briefkasten und die Aussagen von Postzustellern bestätigt, genauso wie durch die Ermittlungen der Außendienstbeamten. Ab dem 15.12.1995 habe die Wohnung in H. nur als Briefkastenanschrift gedient.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid ebenfalls datiert vom 13.07.2000 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 24.09.1999 betreffend die Versagung von Alhi wegen fehlender Mitwirkung ab 12.03.1999 und 02.07.1999 zurück.
Mit der gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.07.2000 betreffend die Rücknahme und Erstattung zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, während der Kontrollbesuche der Beklagten sei er möglicherweise beim Arzt gewesen, die Wohnung in M. habe lediglich der Wochenendbeziehung mit Frau S. gedient, er sei zwar nicht der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes P., Außenstelle M., aber dem Arbeitsamt in M. zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Auch habe er die erhaltenen Leistungen bestimmungsgemäß verbraucht. Obwohl die Beklagte schon am 30.09.1996 mehrere Anzeigen bekommen habe, er wohne nicht in H., habe sie trotzdem in Kenntnis dieser Umstände Leistungen bewilligt und bezahlt.
Nach Einholung einer Auskunft durch Dr. S., den die Schwester des Klägers behandelnden Arzt, der eine Anwesenheit des Klägers bei der Hausbesuchen nicht bestätigen konnte, und nach der Vernehmung der Zeugin P., hat das SG die Klage mit Urteil vom 29.04.2005 abgewiesen. Ab dem 15.12.1995 sei der Kläger für die Beklagte nicht mehr erreichbar gewesen. Zudem sei er nicht mehr bedürftig. Er habe einen Betrag von 90.000,- DM auf ein Konto in der Schweiz eingezahlt, den er bei seiner Scheidung am 02.08.1994 erhalten habe.
Mit der dagegen erhobenen Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) macht der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, aus der Tatsache, dass die Schwester des Klägers von Dezember 1995 bis wohl Mai 1997 die monatliche Miete in M. bezahlt habe, lasse sich nicht schließen, der Kläger habe nicht in ihrem Haus in H. wohnen können. Der Kläger habe das Darlehen an den Kiesunternehmer A. G. selbst geliehen, nach Rückzahlung diesen Betrag und die Zinsen an seinen Geldgeber zurückgeführt, die Darlehensgeberin sei Frau S. gewesen. Die Aussage der Vermieterin Frau P. sei nicht maßgebend und die Bestätigung des Hausarztes Dr. S. schließe nicht aus, dass der Kläger in der Wohnung seiner Schwester gewohnt habe. In ihrer Berufungserwiderung verweist die Beklagte auf ihre Ermittlungen und auf die vorgenommenen Befragungen. Das Vorbringen des Klägers werde nicht durch Tatsachen belegt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. April 2005 sowie den Bescheid vom 1. Oktober 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.

Streitgegenstand ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 15.12.1995 bis 12.01.1997 sowie vom 04.03.1997 bis 03.03.1998 und die Erstattung der in diesen Zeiträumen gezahlten Leistungen der Beklagten einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 36.453,71 DM (18.639,49 Euro) durch den Bescheid der Beklagten vom 01.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2000.

Die Beklagte konnte den Bewilligungsbescheid vom 11.09.1995, mit dem sie dem Kläger für die Zeit vom 21.08.1995 bis zum 18.02.1996 Arbeitslosengeld bewilligte, für die Zeit ab dem 15.12.1995 gemäß § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch III (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch X (SGB X) - also für die Vergangenheit - aufheben (siehe unten 1.)

Auch konnte sie die Bescheide vom 12.02.1996, 01.07.1996, 27.08.1996 und vom 18.04.1997, mit denen dem Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 19.02.1996 bis zum 12.01.1997 und für die Zeit vom 04.03.1997 bis zum 03.03.1998 bewilligt wurde, gemäß § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. 45 Abs. 1, 3 Satz 3 Nr. 2 SGB X - also ebenfalls für die Vergangenheit - aufheben (siehe unten 2.)

1. Nach § 330 Abs. 3 SGB III ist bei Vorliegen der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach § 48 SGB X Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. § 60 Abs. 1 Nr.2 Sozialgesetzbuch I (SGB I) bestimmt, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen.

Eine Änderung in den Verhältnissen, die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Kläger erheblich waren, trat ein, als der Kläger nicht mehr in H. wohnte, sondern eine Wohnung in M. anmietete. Der Kläger hat diese Änderung der Beklagten zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt.

Nach § 100 Abs. 1 des bis 31.12.97 in Kraft befindlichen Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) setzt ein Anspruch auf Alg voraus, dass der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist (§ 103 Abs. 1 Nr. 3 AFG). Näheres hierzu ist in der zu § 103 Abs. 5 AFG ergangenen Aufenthalts-Anordnung vom 03.10.79 in der Fassung der 3. Änderungsanordnung zur Aufenthalts-Anordnung vom 24.03.93 geregelt. Nach § 1 Satz 1 der Anordnung muss das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können. Zwar steht es unter bestimmten Voraussetzungen der Erreichbarkeit und damit einem Leistungsanspruch nicht entgegen, wenn sich der Arbeitslose im oder außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamtes aufhält (§§ 2, 3 Aufenthalts-Anordnung). Dies gilt jedoch nicht, wenn der auswärtige Aufenthalt dem Arbeitsamt nicht rechtzeitig angezeigt wurde. Ein Anspruch auf Alhi setzt nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG in gleicher Weise wie beim Alg Verfügbarkeit voraus.

Mit Ablauf des 31.12.97 ist das AFG außer Kraft und gleichzeitig das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Kraft getreten. Die Erreichbarkeit für die Arbeitsvermittlung ist nun Voraussetzung für den Tatbestand der Arbeitslosigkeit, welcher vorliegen muss, damit ein Anspruch auf Alg oder Alhi besteht (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs.1 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3, 190 Abs. 1 Nr. 1, 198 Satz 2 Nr. 1 SGB III). An die Stelle der Aufenthalts-Anordnung ist seit 01.01.98 die Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.97 getreten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 dieser Anordnung hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Im Gegensatz zu der bis zum 31.12.97 gültigen Rechtslage ist es somit nunmehr nicht mehr erforderlich, dass der Arbeitslose zum Zeitpunkt des Eingangs der Briefpost erreichbar sein muss. Es genügt, wenn der Arbeitslose mindestens einmal täglich seinen Briefkasten kontrolliert.

Der Kläger hat ab dem Abschluss des Mietvertrages für die Wohnung "H. Str., M." am 15.12.1995 die Voraussetzungen der Verfügbarkeit bzw. Erreichbarkeit nach der Aufenthalts-Anordnung bzw. der EAO vom 23.10.97 nicht mehr erfüllt. Dies steht fest aufgrund der Ermittlungen der Beklagten, der Ergebnisse des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und der Beweisaufnahme durch das Sozialgericht. Damit ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten.

In allen seinen Leistungsanträgen hat der Kläger als Wohnsitz das Haus seiner Schwester, Frau J. H., in der G.str., H. angegeben. Er hat aber ab dem 15. Dezember 1995 einen Wohnungsmietvertrag mit einem Staffelmietzins beginnend mit 500,- DM monatlich für eine Einliegerwohnung in der H. Str., M. mit den dort wohnenden Eheleuten Dr. W. und A. P. abgeschlossen. Das Einwohnermeldeamt der Gemeinde H. hat gegenüber der Beklagten am 18.02.1998 bestätigt, der Kläger sei mit Hauptwohnsitz in H. und mit Nebenwohnsitz in M. gemeldet. In dem durch die Beklagte eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren hat die Zeugin S. erklärt, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung bei seiner Schwester in H. gewohnt hat. Weil er dort nicht bleiben konnte, wurde eine Wohnung in M. angemietet. Im Frühjahr 1997, als sie mit dem Kläger nicht mehr befreundet war, habe sie erfahren, dass der Kläger eine Freundin in Tschechien hatte. Die zuständigen Postzusteller erklärten, bis vor dem Tod der Schwester des Klägers am 05.07.1997 wurde der Briefkasten geleert, danach quoll der Briefkasten in H. aber über, bis der Kläger ab Dezember 1997 ein Postfach in A. einrichtete. Seine Einlassung, er habe sich nur an Wochenenden in M., sonst aber in H. aufgehalten, sind unglaubwürdig. Die Vermieterin des Klägers bestätigte, dass der Kläger die Wohnung in M. zweitweise mit Frau S. bewohnte. Sie gab an, sie hatte nicht den Eindruck, der Kläger habe die Wohnung nur am Wochenende genutzt. Er war manchmal da und manchmal nicht. Auch spricht die Lebenserfahrung dagegen, dass ein Leistungsempfänger, der über einen auf den Monat umgerechneten Leistungssatz von ca. 1.220,- DM Arbeitslosengeld und weniger Arbeitslosenhilfe verfügt, eine zusätzliche Zweitwohnung (Wochenendwohnung) für 580,- DM anmieten wird. Dem entspricht aber die Aussage von Frau S., die erklärte, der Kläger habe nicht in H. bleiben können. Aus den Ermittlungen der Beklagten und dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ergibt sich zudem, dass der Kläger offensichtlich in der CSFR mit Frau K. aus S. befreundet war, sich des Öfteren in der CSFR aufgehalten hat, dies jedoch der Beklagten nie mitgeteilt hat. Fest steht auch aufgrund der Einlassungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass Frau K. über das Konto in der Schweiz verfügungsberechtigt war.

Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die dem Arbeitsamt gegenüber angegebene Anschrift in H. ab dem Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung in M. (dem 15.12.95) nur mehr als Briefkastenanschrift diente. Tatsächlich war der Kläger entweder in M. oder im jetzt europäischen Ausland in der CSFR, jedenfalls unter der Anschrift in H. für das Arbeitsamt nicht erreichbar.

Aus dem Umstand, dass der Kläger die Anschrift in H. und nicht seinen tatsächlichen Aufenthaltsort, d.h. die Anschrift seiner eigenen Wohnung bzw. der Unterkunft, in der er sich tatsächlich aufhielt, mitgeteilt hat, folgt, dass die Beklagte den Kläger während des gesamten Aufhebungszeitraums nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO, d.h. "an seinem Wohnsitz unter der benannten Anschrift durch Briefpost", erreichen konnte. Abzustellen ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO auf die dem Arbeitsamt benannte Anschrift (Urteil des BSG vom 09.08.2001, NZS 2002, 215 ff.).

Für die Zeit der Geltung der Aufenthalts-Anordnung vom 03.10.79 in der Fassung der 3. Änderungsanordnung zur Aufenthalts-Anordnung vom 24.03.93 war unter den genannten Umständen der Kläger auch nicht "während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost" erreichbar. Er war damit nicht arbeitslos.

Das BSG hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 3. März 1993 (SozR 3-4100 § 103 Nr. 9) u. a. ausgeführt, auszugehen sei vom Zweck der "Residenzpflicht": Sie soll im Interesse der Versichertengemeinschaft die sofortige Vermittelbarkeit des Arbeitslosen jederzeit sicherstellen, um dem Vorrang der Vermittlung in Arbeit vor der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (§ 5 AFG) Geltung zu verschaffen. Der Arbeitslose soll nur dann Leistungen erhalten, wenn er ohne Verzug jede zumutbare Beschäftigung aufnehmen kann. Dazu muss er sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes aktuell, dies bedeutet für den Tag, für den er Arbeitslosengeld beansprucht, zur Verfügung halten, weil nur auf diese Weise eine sofortige Vermittlung in Arbeit möglich ist (BSGE 62, 166, 170 = SozR 4100 § 103 Nr.39; BSGE 66, 103, 105 = SozR 4100 § 103 Nr. 47).

An den Tagen, an denen der betreffende Arbeitslose nicht erreichbar im geschilderten Sinne ist, wird dieser Zweck verfehlt. Anders ist es nur, wenn das Arbeitsamt vor einer Abwesenheit feststellt, dass durch eine Ortsabwesenheit von bestimmter und begrenzter Dauer die Vermittlung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. §§ 3, 4 Aufenthalts-Anordnung; BSGE 58, 104, 107 = SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSGE 62, 166, 170 f = SozR 4100 § 103 Nr. 39).

Die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter wird aber auch beeinträchtigt, wenn Tage der Anwesenheit mit solchen der Abwesenheit wechseln und vorausschauend nicht feststeht, an welchen Tagen der Arbeitslose erreichbar ist und an welchen nicht. Steht fest, dass der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend ist, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit festliegen, wird das vornehmlich von Montag bis Freitag laufende Vermittlungsgeschäft der Arbeitsämter bzw. der Agentur für Arbeit bezüglich dieses Arbeitslosen jedoch in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt. In einem solchen Fall ist das Erfordernis, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und täglich für das Arbeitsamt erreichbar ist, für die ganze Zeit nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht daher nicht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich ein solcher Sachverhalt vor der Bewilligung von Arbeitslosengeld herausstellt oder, wie das hier der Fall ist, für die Vergangenheit (vgl. hierzu und zum Folgenden: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2005, Az. L 5 AL 1531/04, zitiert nach juris).

Zu beachten ist indes, dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände der Schluss auf eine durchgehende fehlende Verfügbarkeit des Arbeitslosen gerechtfertigt ist, z. B. bei jeweils mehrtägiger und zeitlich völlig unregelmäßiger Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen. Hinzu kommen muss, dass - z. B. infolge fehlender Meldung der Nichterreichbarkeit - für das zuständige Arbeitsamt nicht erkennbar ist, an welchen Wochentagen der betreffende Arbeitslose überhaupt erreichbar ist und deshalb auch keine organisatorische Vorsorge für evtl. Vermittlungsversuche getroffen werden kann. Wiederholte nicht gemeldete Reisen über weite Entfernungen, die mit längeren nicht exakt vorher feststehenden Reise-, Ankunfts- und Rückkehrzeiten verbunden sind, können z. B. diesen Umstand begründen. Denn in solchen Fällen ist durchgehend unsicher, ob der Arbeitslose überhaupt und wenn ja, unverzüglich wie es seine Pflicht wäre, auf eingeleitete Vermittlungsbemühungen reagieren könnte. Hiervon ist beim Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum auszugehen. Es mag dahingestellt sein, wann er genau in der CSFR war und wie lange. Fest steht aber, dass er sich zu verschiedenen Zeitpunkten nicht in H. aufgehalten hat, sondern in M. oder in der CSFR. Einen Aufenthalt in der CSFR hat er der Beklagten aber nie angezeigt. Liegen also wie im Fall des Klägers derartige besondere Umstände vor, kann von einer partiellen auf eine durchgehende Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen geschlossen und ohne weitere Ermittlungen davon solange ausgegangen werden, bis eine andere Sachlage festgestellt wird (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2005, a.a.O. unter Verweis auf BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 9). Diesen Überlegungen schließt sich der erkennende Senat an.

Bei der Änderung der Wohnanschrift bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts handelt es sich um eine leistungsrechtlich erhebliche Änderung in den Verhältnissen, welche nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dem Arbeitsamt unverzüglich anzuzeigen war. Ersichtlich ist dies aus dem "Merkblatt für Arbeitslose", dessen Empfang und Kenntnisnahme des Inhalts der Kläger wiederholt, und zwar erstmals am 31.08.95 unterschriftlich bestätigte. Er ist dennoch seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen. Ihm ist insoweit zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Die Beklagte hat daher zu Recht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m.

§ 330 Abs. 3 SGB III den Alg-Bewilligungsbescheid vom 11.09.95 ab 15.12.1995 aufgehoben.

Denn der Kläger erfüllt auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen. Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit war davon auszugehen, dass es entscheidend auf die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten ankommt (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273; vom 09.02.2006, SGb 2006, 307). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Ein Kennenmüssen ist erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt (BSG SozR 2200 § 1301 Nr. 7).Falsche Angaben im Sinne eines solchen grob fahrlässigen Unterlassens der für die Leistung maßgeblichen Mitteilung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts sind gegeben. Der Kläger hätte seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift bzw. des richtigen Wohnsitzes ohne weiteres erkennen können, ebenso, dass die Mitteilung, er halte sich nur am Wochenende in M. auf, nicht richtig war.

Insofern ist ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beurteilung der groben Fahrlässigkeit (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.02.2001, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45) festzustellen, dass der Kläger bezüglich seiner Pflichten und Obliegenheiten als Arbeitsloser von der Beklagten ordnungsgemäß belehrt worden ist. Er hat in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 31.08.1995 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose unterschriftlich bestätigt.
Er unterschrieb die Erklärung:
"Ich versichere, dass die vorstehend gemachten Angaben zutreffen. Mir ist bekannt, dass ich dem Arbeitsamt sofort alle Veränderungen anzuzeigen habe, die gegenüber den in diesem Antrag angegebenen Verhältnissen eintreten. Das Merkblatt für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten"), in dem auf die Mitteilungspflichten im Einzelnen hingewiesen ist, habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen."

Eine entsprechend Erklärung unterschrieb er auch in den folgenden Anträgen vom 03.08.1996, 04.03.1997 und auch wieder am 01.03.1998. Er hat den aufgehobenen Bewilligungsbescheid zur Kenntnis genommen und - wie zur vollen Überzeugung des Senats feststeht - auch verstanden. Entsprechendes gilt für das Merkblatt mit seinen umfassenden und leicht verständlichen Hinweisen zur Erreichbarkeit.
Der Kläger hätte daher seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift mit seinen intellektuellen Fähigkeiten - er ist Maschinenbauer- auch unter Berücksichtigung seiner besonderen sozialen Situation nach der Haftentlassung und der vorübergehenden Unterkunft bei seiner Schwester erkennen können. Zudem zeigt die Einlassung im Verwaltungsverfahren, er sei nur am Wochenende in M., dass er wusste, dass es auf die Verfügbarkeit und seine Erreichbarkeit ankam.

2. Die dem Bescheid vom 11.09.1995 nachfolgend ergangenen Alhi-Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 13.02.96, 01.07.96, 27.08.96, 20.08.96 und 18.04.97 waren von Anfang an rechtswidrig. Die Beklagte hätte sie nicht erlassen, wenn sie die wahren Umstände gekannt hätte. Rechtsgrundlage für die Rücknahme dieser Bescheide ist § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe war von Anfang an rechtswidrig, da wie oben ausgeführt, die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung ab der Anmietung der Wohnung im M. ab dem 15.12.1995 - also zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 27.02.1996, 01.07.1996, 27.08.1996 und vom 18.04.2004 - mangels Arbeitslosigkeit im Sinne der gesetzlichen Regelungen des SGB III nicht gegeben waren. Der Kläger war während des Aufhebungszeitraums nicht arbeitslos. Die Bewilligung war damit rechtswidrig.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zur Rücknahme für die Vergangenheit sind gegeben. Denn der Bewilligungsbescheid beruht auf Angaben, die der Kläger in grob fahrlässiger Weise in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Insoweit wird auf die oben erfolgten Ausführungen zur Mitteilung des Aufenthaltsorts in M. hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld Bezug genommen.

Im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist das grob fahrlässige Unterlassen einer für die Leistung maßgeblichen Mitteilung von Umständen dem aktiven Tun gleichzustellen (Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 45 Rn. 22 m.w.N.). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit war nach der o.g. Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, dass es entscheidend auf die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten ankommt (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Ein Kennenmüssen ist erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt. Der Kläger hat die aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 27.02.1996, 01.07.1996, 27.08.1996 und vom 18.04.2004 zur Kenntnis genommen und - wie zur vollen Überzeugung des Senats feststeht - auch verstanden. Entsprechendes gilt für das Merkblatt mit seinen umfassenden und leicht verständlichen Hinweisen zur Erreichbarkeit.

Der Kläger hätte daher seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift mit seinen intellektuellen Fähigkeiten auch unter Berücksichtigung seiner besonderen sozialen Situation nach der Haftentlassung und Unterkunft bei seiner Schwester erkennen können. Zudem zeigt auch hier die Einlassung im Verwaltungsverfahren, er sei nur am Wochenende in M., dass er wusste, dass es auf die Verfügbarkeit und seine Erreichbarkeit ankam.

3. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 bzw. 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 bzw. Abs. 3 SGB III sind erfüllt. Insbesondere sind die in § 45 SGB X (§ 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X) enthaltenen Fristen für die Rücknahme eingehalten. Die Beklagte hat zwar schon am 30.09.1996 Kenntnis davon erhalten, dass der Kläger seinen Aufenthaltsort in M. hat. Es handelte sich aber um eine anonyme Anzeige. Der Kläger hat in der auf diese Anzeige hin anberaumten Besprechung am 31.10.1996 angegeben, nur am Wochenende in M. bei seiner Freundin zu wohnen. Erst mit dem Anruf einer Frau P. vom 16.12.1997 und im Rahmen der Ermittlungen im Hinblick auf eine Erbschaft des Klägers unter dem Gesichtspunkt seiner Bedürftigkeit, stellte sich die mangelnde Verfügbarkeit des Klägers heraus. Nach Abschluss der Ermittlungen durch die Beklagte - der Senat legt hier die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft am 22.05.1998 zugrunde - erging der Rücknahme - und Erstattungsbescheid vom 01.10.1998, also innerhalb der Jahresfrist.

4. Soweit die Beklagte meint, sie hätte den Rücknahme - und Erstattungsbescheid auf eine fehlende Bedürftigkeit stützen können, ist dies irrelevant. Sie führt im Widerspruchsbescheid zwar aus, sie hätte die Rücknahme abweichend vom angefochtenen Bescheid neben der fehlenden Erreichbarkeit des Klägers auch auf dessen fehlende Bedürftigkeit stützen können. Die fehlende Bedürftigkeit des Klägers ist aber nicht nachgewiesen. Dies wird auch durch die Bescheide der Beklagten vom 24.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2000 belegt, mit denen sie einen Antrag des Klägers auf Arbeitslosenhilfe wegen mangelnder Mitwirkung bei der Klärung der Frage der Bedürftigkeit abgelehnt hat.

5. Da die entsprechende Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe rechtmäßig aufgehoben worden sind, sind die bereits erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Insgesamt ist daher die Berufung zurückzuweisen.

Aufgrund des Unterliegens des Klägers in beiden Rechtszügen war die Beklagte nicht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten zu verpflichten, § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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