L 8 AL 200/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 248/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 200/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Höhe des Arbeitslosengeldes, Bemessungsentgelt, Urlaubsabgeltung
1. Zweifel, ob eine Urlaubsabgeltung im Bemessungszeitraum erzielt ist, werden durch die Fiktion des § 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III ausgeräumt.
2. Gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1SGB III bleiben Arbeitsentgelte außer Betracht, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält, dazu gehört eine Urlaubsabgeltung.
3. Die Einbeziehung der Urlaubsabgeltung in das Bemessungsentgelt würde zu einem ungerechtfertigten Vorteil gegenüber an-deren Arbeitnehmern erlangen, die ihren Urlaub einbringen und keinen Abgeltungsanspruch haben.
4. Arbeitsleistungen auf Kosten der Gesundheit müssen sozialversicherungsrechtlich nicht belohnt werden.
5. Die Urlaubsabgeltung ist nicht die eine Einmalzahlung zu behandeln.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Höhe (Faktor Bemessungsentgelt) des der Klägerin ab 10.01.2006 zustehenden Arbeitslosengeldes streitig.
Die 1946 geborene Klägerin war vom 01.09.1992 bis 30.11.2005 als Bauzeichnerin in einem Ingenieur-Büro beschäftigt. Ihr Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 29.06.2005. Zum 01.12.2005 meldete die Klägerin sich arbeitslos und beantragte gleichzeitig Arbeitslosengeld.
Nach der Arbeitsbescheinigung vom 30.08.2005 erzielte die Klägerin ab Dezember 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von 31624,47 Euro, monatlich von 2.200,00 Euro, davon im November 2005 Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 5.224,47 Euro (anteiliges 13. Gehalt: 2.108,37 Euro, Urlaubsabgeltung: 3.116,13 Euro für 28 Tage aus dem Jahr 2005).
Mit Bescheid vom 22.09.2005 versagte die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld bis zum 11.01.2006, da der Anspruch gemäß § 143 Abs. 2 SGB III ruhe. Mit Bescheid vom 09.01.2006 wurde die Zahlung des Alg noch ab 12.01.2006 für eine Zahlungsdauer von 960 Tagen angeordnet (täglicher Leistungssatz 29,45 Euro, tägliches Bemessungsentgelt 78,11 Euro). Auf Widerspruch wurde mit Bescheid vom 11.01.2006 der Ruhenszeitraum nur bis zum 09.01.2006 (täglicher Leistungssatz 29,50 Euro) festgestellt. Mit Widerspruch vom 18.01.2006 verlangte die Klägerin die Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes von täglich 87,84 Euro, akzeptierte aber den Leistungsbeginn ab 10.01.2006. Zur Begründung wurde ausgeführt, die gezahlte Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.116,13 Euro sei der Berechnung des Bemessungsentgelts hinzuzufügen. Denn auch dafür habe die Klägerin Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2006). Wegen der Teilabhilfe hat die Beklagte jedoch Kosten von 603,20 Euro erstattet.
Am 23.02.2006 hat die Klägerin unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zusätzlich vorgebracht, dass es sich bei einer Urlaubsabgeltung um Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 SGB IV handele. Anders als eine Abfindung werde eine Urlaubsabgeltung nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt. Sie sei eine gesetzlich angeordnete Folge im Falle der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Schließlich spreche auch die in § 143 SGB III angeordnete Rechtsfolge des Ruhens des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum des Erhalts von Urlaubsabgeltungen dafür, diese in die Berechnung des Bemessungsentgeltes und damit das Arbeitslosengeld mit aufzunehmen. Für die Dauer der Urlaubsabgeltung erhalte die Klägerin kein Arbeitslosengeld, so dass sie durch die Nichtberücksichtigung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nochmals belastet werde.
Durch Urteil vom 09. Juli 2008 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III habe eine Urlaubsabgeltung außer Betracht zu bleiben. Im Interesse des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit sei eine Abgeltung des Urlaubs während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebe es Ausnahmen. Andernfalls, bei einer Mitberücksichtigung eines für eine Zeit nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlten Arbeitsentgeltes bei der Festlegung des Bemessungsentgeltes, müsste konsequenterweise auch der Zeitrahmen, in dem das Entgelt erzielt wurde, entsprechend erweitert werden, womit sich dann rechnerisch das Bemessungsentgelt auch nicht erhöhen würde.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2008 sowie der Bescheide 09.11.2005 und 11.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2006 zu verurteilen, Arbeitslosengeld ab 10.01.2006 nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 87,85 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden sei, was sich eindeutig aus § 7 Abs. 4 BUrIG ergebe, auf dessen Grundlage die Urlaubsabgeltung gezahlt werde. Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses sei nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift die Abgeltung des Urlaubs ausgeschlossen (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl.; § 102 Rn 99). Wäre das Arbeitsverhältnis also nicht beendet worden, wäre keine Urlaubsabgeltung gezahlt worden. Die Ansicht, dass die Urlaubsabgeltung nicht in einem unmittelbaren kausalen Bedingungszusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe, sei unzutreffend. So weit sich die Klägervertreterin auf die KommentarsteIle Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, 131, Rn 6 berufen habe, sei anzumerken, dass an dieser Stelle zwar festgestellt werde, dass es sich bei der Urlaubsabgeltung um Arbeitsentgelt handele; in Rn 15 werde jedoch zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der Urlaubsabgeltung um solches Arbeitsentgelt handele, das gemäß § 131 Abs. 2 Nr. SGB III außer Betracht bleibe.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist im Sinne von § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Die mit der Leistungsklage bezweckte Mehrleistung von knapp 4,00 Euro täglich ist nicht geringfügig (BE: 87,85 Euro statt 78,11 Euro), die Leistungsdauer von 960 Tagen geht auch weit über 12 Monate (10.01.2006 bis 08.09.2008).
Gegenüber der Entscheidung des SG ist noch der Gegenstand des Verfahrens klarzustellen. Dieser umfasst alle von der Beklagten erlassenen Bescheide über den Anspruch auf Arbeitslosengeld. So wurde zwar der erste Leistungsbescheid zunächst angefochten, weil er ein zu umfangreiches Ruhen der Leistung angeordnet hat; gleichzeitig wurde damit aber auch die höchstmögliche Leistung begehrt. Damit sind auch alle Folgebescheide, die ihnen nach Ansicht der Klägerin ein falsches Bemessungsentgelt (78,11 Euro statt 87,85 Euro) zugrunde gelegt haben, mit angefochten. Damit sind Gegenstand die Bescheide vom 09.11.2005 und vom 11.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006. Eine Klarstellung des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung ist aber nicht erforderlich, weil das SG lediglich "die Klage" abgewiesen hat.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG erging im Ergebnis zu Recht.

Hinsichtlich der Ermittlung der wegen der Leistung notwendigen Tatsachen und der Rechtsanwendung durch die Beklagte hat der Senat keine Bedenken. Er stützt sich dazu auf die zutreffenden Feststellungen in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sowie dem erstinstanzlichen Urteil.

Im Übrigen ist der Senat der Überzeugung, dass das Bemessungs- und Leistungsentgelt richtig ermittelt worden ist.

Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld richtet sich bereits nach den Vorschriften über die Höhe des Arbeitslosengeldes, wie sie durch Art. 2 (Ziff. 71 Änderungen des SGB III) des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2848) gefasst worden sind.

Gemäß § 130 SGB III (Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Abzustellen ist also auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Demnach liegt in der Sache der Klägerin die Zeit des abgegoltenen Urlaubs außerhalb des Bemessungsrahmens, welcher am 30.11.2005 endete und am 01.12.2004 begonnen hatte. Diese Vorschrift gilt ab 1. Januar 2005 (Art. 124 Abs. 3 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen; auch § 434j Abs. 5 SGB III wendet das alte Recht nur mehr auf Ansprüche an, die vor dem 01.01.2005 entstanden sind - mit Ausnahme bei § 133 Abs. 1 ).

Bemessungsentgelt (§ 131 Abs. 1 SGB III in der o. g. Fassung) ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind. Bestehende Zweifel, ob die Urlaubsabgeltung im Bemessungszeitraum erzielt ist, werden durch die Fiktion (§ 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III; gelten als erzielt) ausgeräumt, weil die Urlaubsabgeltung zugeflossen ist. Gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1SGB III bleiben aber Arbeitsentgelte außer Betracht, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält.

In diesem Sinne bleibt die der Klägerin zugeflossene Urlaubsabgeltung von 3.116,13 Euro für 28 Tage aus dem Jahr 2005 bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes außer Betracht. Vielmehr ist das von der Beklagten festgestellte Bemessungsentgelt von 78,11 Euro richtig, das sich aus dem gesamten in der Arbeitsbescheinigung mitgeteilten Bruttoarbeitsentgelt ohne die Urlaubsabgeltung (28508,34 Euro) ergibt, welches durch die Anzahl von Tagen eines Jahres (365) zu teilen war.

Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat in Auslegung von § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III gestützt auf die höchstrichterliche Rechtsprechung und überwiegende Kommentarliteratur. Schon in seiner Entscheidung vom 12.11.2008 (Az.: L 8 AL 250/07) hat der erkennende Senat im Anschluss an das Urteil des BSG vom 20.02.2002 (Aktenzeichen: B 11 AL 71/01 R - SozR 3-4300 § 184 Nr 1, S 2) ausgeführt, dass es sich bei dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung um einen Anspruch handelt, der dem Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht. Ein Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch "wegen" Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die wesentliche Bedingung für den Anspruch ist oder - anders formuliert - der Anspruch dem Arbeitnehmer sonst nicht zustehen würde. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung ergeben sich in der Regel - aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Danach ist der Urlaub abzugelten, wenn er "wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann". Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wandelt sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um; denn der Zweck des Urlaubs, die Befreiung von der Arbeitspflicht, ist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich geworden (vgl. u.a. BAG AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG = NZA 1985, 156; Dörner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., 250 BUrlG § 7 Rz 90). Die Abgeltung des Urlaubs kann also nur verlangt werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist; ist das Arbeitsverhältnis nicht beendet, hat der Arbeitnehmer den Anspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht (vgl. Dörner aaO Rz 85; Küttner/Bauer, Personalbuch 2001, Stichwort Urlaubsabgeltung, A.1; vgl. Auch BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 24 S 172). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist also wesentliche Bedingung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus § 184 SGB III. Dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Anspruch auf Insolvenzgeld für eine Urlaubsabgeltung auch nach § 184 I Nr 1 SGB III ausgeschlossen werden sollte, lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nachvollziehen. Hierauf hat das BSG (Urteil vom 20. 2. 2002 - B 11 AL 71/01 R) zutreffend hingewiesen. In der Begründung zum Entwurf des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes wurde zum späteren § 184 SGB III ausgeführt, die Vorschrift entspreche "weitgehend §§ 141b I 3, 141c Satz1", schließe jedoch den Anspruch auf Insolvenzgeld für die Urlaubsabgeltung und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus (BT-Drucks 13/4941 S 188). § 141c Satz 1 AFG entsprach § 184 I Nr 2 und 3 SGB III; § 141b I 3 AFG bezog sich - wie nunmehr die zweite Alternative des § 184 I Nr 1 SGB III - auf Ansprüche "für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses" und sollte entgegen vorausgehender Rechtsprechung des BSG (SozR 4100 § 141b Nr 47 und 48) den Anspruch auf Konkursausfallgeld für Lohnfortzahlung auf die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränken (BT-Drucks 12/5502 S 36; Voelzke aaO Rz 17, 18; Estelmann aaO Rz 40). Neu im Vergleich zum früheren Recht ist somit einerseits die erste Alternative des § 184 I Nr 1 SGB III (Ansprüche "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses") und andererseits der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf den Ausschluss der Urlaubsabgeltung; dies spricht für die Absicht des Gesetzgebers, den Anspruch auf Insolvenzgeld für eine Urlaubsabgeltung nach § 184 I Nr 1 SGB III, erste Alternative, auszuschließen.

Bei einem anderen Ergebnis würde die Klägerin einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern erlangen, die ihren Urlaub einbringen und keine Abgeltung erlangen. Sie würde im Falle der Arbeitslosigkeit diesen gegenüber dann so gestellt, wie wenn sie statt 14 Monatsgehältern für 15 Monate Entgelt erzielt hätte. Dieses Ergebnis wollte der Gesetzgeber durch die Klarstellung in § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III vermeiden. Eine Gleichstellung mit Arbeitnehmern, die ohne eine Urlaubsabgeltung ein Entgelt von 31624,47 Euro erzielen, ist nicht gerechtfertigt. Sicherlich arbeitet ein Arbeitnehmer, wie hier die Klägerin, insoweit in gewisser Weise auf Kosten der Gesundheit. Dies findet aber auch in anderen Rechtsgebieten nicht die Billigung durch den Gesetzgeber. So wird etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung ein derart gestaltetes Arbeitsentgelt gemäß § 96a SGB VI auf deren Leistung angerechnet und kann zu deren völligem Entfall führen. Zudem ist bei der Klägerin ohnehin eine Arbeitskarenz nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten.

Mit einem anderen Ergebnis hätte § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III auch keinen vernünftigen Regelungsgegenstand mehr. Denn hätte der Gesetzgeber diese Regelung allein wegen der anderen in Betracht kommenden Zahlungen bei Arbeitsbeendigung, den Abfindungen, schaffen wollen, hätte er dies sprachlich eindeutig zum Ausdruck bringen können, etwa wie in § 141a Abs. 1 SGB III mit dem Terminus Entlassungsentschädigung. Eine Belohnung für ein an sich unerwünschtes Verhalten (Nichteinbringen vom Urlaub) kann auch nicht Zweck einer entsprechenden Auslegung von § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III sein.

Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Klägerin, dass die Verbeitragung der Urlaubsabgeltung (§§ 342 SGB III, 23 Abs 2 SGB IV) als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zwingend zu einer Berücksichtigung beim Bemessungsentgelt führen muss. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, eine völlige Individualadäquanz bei den Leistungen zu garantieren. Beim Schutz der Eigentumsgarantie in Art 14 Abs 1 GG sind nicht die verschiedenen Einzelelemente einer Anwartschaft, sondern nur das Gesamtergebnis geschützt (zuletzt Urteil des BSG zu Rentenanwartschaften vom 13.11.2008, B 13 R 13/08 R; BVerfGE 58, 81, 109; BVerfGE 117, 272, 293; BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, Juris RdNr 33).

Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 53, 257 (292); 58, 81 (109 f.); 72, 9 (22)). § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III hält sich im Rahmen einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld unterliegt dem Eigentumsschutz (so schon BVerfG vom 15.07.1987 für die Regelungen des AFG). Dem Gesetzgeber kommt grundsätzlich eine weite Gestaltungsmöglichkeit zu. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Gleiches gilt auch für den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Daher schließt Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Befugnis des Gesetzgebers ein, Ansprüche auf Arbeitslosengeld zu beschränken. Sofern die Beschränkung einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Ansprüche umzugestalten (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (vgl.
BVerfGE 14, 263 (278); 58, 300 (338); 70, 191 (200); 72, 66 (77 f.)). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss dabei die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und notwendig sein; sie darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten und muß ihm zumutbar sein (vgl. BVerfG vom 10.02.1987, Randnummer 39; BVerfGE 21, 150 (155); 58, 137 (148) m.w.N.).

Bereits oben wurde dargelegt, aus welchen Gründen keine Gleichbehandlung der Urlaubsabgeltung mit sonstigen voll verbeitragtem Arbeitsentgelt erfolgen muss. Auch handelt es sich hier nicht um Einmalzahlungen. Bei diesen müssen alle Arbeitsentgeltbestandteile, die der Beitragspflicht unterworfen werden, einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 24.05.2000). Für diese gilt das Entgeltausfallprinzip im prospektiven Sinne bzw. das so genannte Referenzprinzip, so weit auf den Zeitraum vor dem Versicherungsfall abgestellt wird. Die Leistung der Urlaubsabgeltung wird nicht im Rahmen der Beschäftigung verdient, sondern ist eher eine Verschonung von Nachteilen, wenn der durch die Urlaubsgewährung verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann. Es handelt sich, wie mehrfach in der Literatur angeführt, um ein Surrogat.

§ 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III belastet den Arbeitslosen auch nicht übermäßig und in unzumutbarer Weise. Ihm entgeht dadurch lediglich eine Leistung im Umfang von etwa einem 30. seines gesamten Anspruchs, sofern wie hier, 13 Monatsgehälter gezahlt werden.

Dementsprechend werden weder in dem von der Klägerbevollmächtigen angeführten Kommentar (Niesel/Brand, 4. Auflage, zu § 131 Rdnr. 15) noch von Eicher/ Spellbrink (SGB III, Anm. 68 ff. zu § 131, Stand) entsprechende Bedenken geäußert. Demnach wird ein Anspruch auf Arbeitsentgelt dann von dem Anspruchsausschluss des § 131 Abs 2 SGB III erfasst, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Anspruch ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Hierauf habe die Rechtsprechung auch bei der Auslegung der inhaltsgleichen Formulierung in § 184 Abs 1 Nr. 1 SGB III (Anspruchsausschluss beim Insolvenzgeld) abgestellt und gefolgert, ein Arbeitnehmer habe dann einen Anspruch "wegen" Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die wesentliche Bedingung für den Anspruch sei oder
- anders formuliert - der Anspruch dem Arbeitnehmer nicht zustehen würde, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre. Zu den Arbeitsentgelten, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt würden, gehöre auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Entsprechend habe das BSG zu der inhaltsgleichen Regelung in § 184 Abs 1 Nr 1 SGB VI ausgeführt, nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur sei ein solcher ursächlicher Zusammenhang zu bejahen, da die Abgeltung des Urlaubs nur verlangt werden könne, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei also wesentliche Bedingung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung (BSG 20.2.2002 - B 11 AL 71/01 R - SozR 3-4300 § 184 Nr 1 mwN; vgl ausführlich Estelmann § 184 Rz 25 , 36 f, Stand 2/2000; aA Peters-Lange in GageI, SGB III, § 183 Rdnr 113, Stand 7/ 2004: Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs, der nur anlässlich der Beendigung erfüllt werde).

Die verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung von Urlaubsabgeltungen (Gagel/Peters - Lange, Randnummer 8 ff. zu § 184 SGB III) überzeugen nicht. So kann beispielsweise (vgl. a.a.O. Randnummer 9a) nicht aus § 141 Abs. 2 SGB III geschlossen werden, dass eine Urlaubsabgeltung nicht in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolge. Die eigenständige Regelung nach § 143 Abs. 2 SGB III ist vielmehr gefordert, weil gegenüber § 143 Abs. 1 SGB III das Arbeitsverhältnis für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs bereits beendet ist. Gerade auch das Argument (am angegebenen Ort Randnummer 9b), dass die Abgeltung des Urlaubs ein Surrogat für die erdienten Urlaubsansprüche darstelle, ist kein Argument für die Einbeziehung in das Bemessungsentgelt. Es ist eher das sachliche Unterscheidungskriterium, das eine Ungleichbehandlung mit verbeitragtem Arbeitsentgelt rechtfertigt.

Die Berufung hat also keinen Erfolg. Sie ist zurückzuweisen.

Demnach sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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