Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AS 765/06
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 400/08 AS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zu den Voruassetzungen von Ordnungsgeld gegen einen nicht zum Erörterungstermin erschienen Kläger, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war und einer hinreichenden Entscheidung.
2. Kostenentscheidung bei erfolgreicher Beschwerde.
2. Kostenentscheidung bei erfolgreicher Beschwerde.
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts
Nürnberg vom 1. April 2008 aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat der Beschwerdeführerin die außergerichtlichen
Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) verlangte die Bf die Übernahme ihrer Mietschulden in Höhe von 2.166,18 EUR von der Arge Stadt A-Stadt nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Die Klage begründete sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Das SG lud die Bf zum Erörterungstermin auf den 14. März 2008 und ordnete ihr persönliches Erscheinen an. Die Ladung, in der auf die Folgen nicht entschuldigten Fernbleibens hingewiesen worden war, wurde der Bf am 29. Februar 2008 zugestellt. Das Schriftstück wurde, da die Bf nicht angetroffen wurde, in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt. Am 3. März 2008 kündigte die Bf in einem Telefongespräch mit dem SG an, sie werde die Klage zurücknehmen. Sie wurde darauf hingewiesen, dass sie zum Termin erscheinen müsse, falls die Klage nicht zuvor schriftlich zurückgenommen werde.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14. März 2008 erschien die Bf nicht. Mit Schreiben vom 18. März 2008 kündigte das SG an, es werde Ordnungsgeld verhängen. Der Bf werde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 26. März 2008 eingeräumt. Die Bf antwortete darauf nicht.
Mit Beschluss vom 1. April 2008 setzte das SG Ordnungsgeld in Höhe von 300,- EUR gegen die Bf fest. Das persönliche Erscheinen der Klägerin sei zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig. Der Beschluss wurde mit Postzustellungsurkunde vom 5. April 2008 zugestellt. Einen erneuten Termin zur Erörterung des Sachverhalts beraumte das SG auf den 9. Mai 2008 an.
Mit Schreiben vom 2. April 2008, eingegangen beim SG am 28. April 2008, erklärte die Bf, sie nehme die Klage zurück; den Termin vom 14. März 2008 habe sie aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen können. Sie verwies auf das beigefügte Attest des Dr. S. vom 15. April 2008. Darin wird eine schizophrene Psychose mit rezidivierenden Angstzuständen bescheinigt; die Bf habe sich zeitweise, so im März 2008, nicht getraut, das Haus zu verlassen. Dass sie sich nicht um ihre formellen Pflichten habe kümmern können, lasse sich aus der Erkrankung erklären und werde bestätigt.
Das SG legte das Schreiben der Klägerin als Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss über die Verhängung von Ordnungsgeld vom 1. April 2008 aufzuheben.
II.
Die zulässige und ordnungsgemäße (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses des SG vom 1. April 2008.
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Diese Anordnung begründete der Vorsitzende der 20. Kammer des SG damit, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere für die Frage des Zustandekommens und der Tilgung der Mietschulden, sei eine Erörterung erforderlich. Durch das Nichterscheinen werde der Fortgang des Verfahrens verzögert. Eine Ermessensentscheidung ist damit erkennbar. Das persönliche Erscheinen der Klägerin konnte angeordnet werden. Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass diese in der Ladung auf die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens, nämlich auf Auferlegung von Ordnungsgeld bis zu 1.000,- EUR hingewiesen wurde. Unbestritten war sie im Termin vom 14. März 2008 nicht erschienen.
Die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 111 SGG i.V.m. § 141 Abs.3 ZPO, der auf die Vorschriften der Zeugenvernehmung verweist, lagen damit vor. Nach § 380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld aufzuerlegen.
§ 381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig, d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft.
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Auf den hier zu entscheidenden Fall bezogen ist festzustellen, dass die Bf vor dem Termin lediglich eine mögliche Klagerücknahme angekündigt hatte, jedoch ihr evtl. geplantes Fernbleiben vom Termin nicht vorab entschuldigt hatte. Jedoch hält der Senat ihr Vorbringen im Schreiben vom 2. April 2008 für eine hinreichende Entschuldigung. Aus dem von ihr zur Glaubhaftmachung beigefügten ärztlichen Attest des Dr. S. vom 15. April 2008 geht hervor, dass die Klägerin seit längerem an einer psychischen Erkrankung leidet. Die Auswirkungen dieser Erkrankung sind der Gestalt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, das Haus zu verlassen und/oder ihren Pflichten nachzukommen. Für den Senat besteht keine Veranlassung an der Glaubwürdigkeit dieses Attestes zur zweifeln. Er sieht damit belegt, dass die Bf im März 2008, also zur Zeit der anberaumten Erörterung des Sachverhalts vor dem SG, nicht in der Lage war, sich in einer Weise zu verhalten, die von einem Bürger üblicherweise erwartet werden kann.
Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass der Ordnungsgeldbeschluss vom 1. April 2008 aufzuheben ist, weil die Bf ihr Nichterscheinen nachträglich hinreichend entschuldigt hat.
Da die Bf zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Es bedurfte jedoch einer Kostenerstattungsentscheidung, da die Beschwerde erfolgreich war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733) und nicht der entgegen stehenden Rechtsprechung einer Reihe Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2005 - 2 WF 191/05) an.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Nürnberg vom 1. April 2008 aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat der Beschwerdeführerin die außergerichtlichen
Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) verlangte die Bf die Übernahme ihrer Mietschulden in Höhe von 2.166,18 EUR von der Arge Stadt A-Stadt nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Die Klage begründete sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Das SG lud die Bf zum Erörterungstermin auf den 14. März 2008 und ordnete ihr persönliches Erscheinen an. Die Ladung, in der auf die Folgen nicht entschuldigten Fernbleibens hingewiesen worden war, wurde der Bf am 29. Februar 2008 zugestellt. Das Schriftstück wurde, da die Bf nicht angetroffen wurde, in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt. Am 3. März 2008 kündigte die Bf in einem Telefongespräch mit dem SG an, sie werde die Klage zurücknehmen. Sie wurde darauf hingewiesen, dass sie zum Termin erscheinen müsse, falls die Klage nicht zuvor schriftlich zurückgenommen werde.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14. März 2008 erschien die Bf nicht. Mit Schreiben vom 18. März 2008 kündigte das SG an, es werde Ordnungsgeld verhängen. Der Bf werde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 26. März 2008 eingeräumt. Die Bf antwortete darauf nicht.
Mit Beschluss vom 1. April 2008 setzte das SG Ordnungsgeld in Höhe von 300,- EUR gegen die Bf fest. Das persönliche Erscheinen der Klägerin sei zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig. Der Beschluss wurde mit Postzustellungsurkunde vom 5. April 2008 zugestellt. Einen erneuten Termin zur Erörterung des Sachverhalts beraumte das SG auf den 9. Mai 2008 an.
Mit Schreiben vom 2. April 2008, eingegangen beim SG am 28. April 2008, erklärte die Bf, sie nehme die Klage zurück; den Termin vom 14. März 2008 habe sie aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen können. Sie verwies auf das beigefügte Attest des Dr. S. vom 15. April 2008. Darin wird eine schizophrene Psychose mit rezidivierenden Angstzuständen bescheinigt; die Bf habe sich zeitweise, so im März 2008, nicht getraut, das Haus zu verlassen. Dass sie sich nicht um ihre formellen Pflichten habe kümmern können, lasse sich aus der Erkrankung erklären und werde bestätigt.
Das SG legte das Schreiben der Klägerin als Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss über die Verhängung von Ordnungsgeld vom 1. April 2008 aufzuheben.
II.
Die zulässige und ordnungsgemäße (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses des SG vom 1. April 2008.
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Diese Anordnung begründete der Vorsitzende der 20. Kammer des SG damit, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere für die Frage des Zustandekommens und der Tilgung der Mietschulden, sei eine Erörterung erforderlich. Durch das Nichterscheinen werde der Fortgang des Verfahrens verzögert. Eine Ermessensentscheidung ist damit erkennbar. Das persönliche Erscheinen der Klägerin konnte angeordnet werden. Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass diese in der Ladung auf die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens, nämlich auf Auferlegung von Ordnungsgeld bis zu 1.000,- EUR hingewiesen wurde. Unbestritten war sie im Termin vom 14. März 2008 nicht erschienen.
Die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 111 SGG i.V.m. § 141 Abs.3 ZPO, der auf die Vorschriften der Zeugenvernehmung verweist, lagen damit vor. Nach § 380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld aufzuerlegen.
§ 381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig, d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft.
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Auf den hier zu entscheidenden Fall bezogen ist festzustellen, dass die Bf vor dem Termin lediglich eine mögliche Klagerücknahme angekündigt hatte, jedoch ihr evtl. geplantes Fernbleiben vom Termin nicht vorab entschuldigt hatte. Jedoch hält der Senat ihr Vorbringen im Schreiben vom 2. April 2008 für eine hinreichende Entschuldigung. Aus dem von ihr zur Glaubhaftmachung beigefügten ärztlichen Attest des Dr. S. vom 15. April 2008 geht hervor, dass die Klägerin seit längerem an einer psychischen Erkrankung leidet. Die Auswirkungen dieser Erkrankung sind der Gestalt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, das Haus zu verlassen und/oder ihren Pflichten nachzukommen. Für den Senat besteht keine Veranlassung an der Glaubwürdigkeit dieses Attestes zur zweifeln. Er sieht damit belegt, dass die Bf im März 2008, also zur Zeit der anberaumten Erörterung des Sachverhalts vor dem SG, nicht in der Lage war, sich in einer Weise zu verhalten, die von einem Bürger üblicherweise erwartet werden kann.
Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass der Ordnungsgeldbeschluss vom 1. April 2008 aufzuheben ist, weil die Bf ihr Nichterscheinen nachträglich hinreichend entschuldigt hat.
Da die Bf zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Es bedurfte jedoch einer Kostenerstattungsentscheidung, da die Beschwerde erfolgreich war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733) und nicht der entgegen stehenden Rechtsprechung einer Reihe Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2005 - 2 WF 191/05) an.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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