L 10 AL 65/09 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 15/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 65/09 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein endgültiger Umzug des Arbeitslosen von Deutschland nach Griechenland führt zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, da der Arbeitslose damit den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht mehr zur Verfügung steht, § 119 Abs 5 SGB III.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom
18.02.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG).

Die 1961 geborene Klägerin bezog von der Beklagten ab 01.11.2007 Arbeitslosengeld (Alg). Den Erhalt des Merkblatts I für Arbeitslose bestätigte die Klägerin bei ihrem Antrag auf Alg durch ihre Unterschrift.

Am 10.01.2008 wurde die Klägerin über die Mitnahme eines Alg-Anspruchs ins Ausland belehrt. Am selben Tag beantragte die Klägerin die Bewilligung von Umzugskosten aufgrund der geplanten Arbeitsaufnahme in A-Straße. Mit Bescheid vom 28.03.2008 bewilligte die Beklagte die Erstattung von Umzugskosten. Zum 01.04.2008 meldete sich die Klägerin nach Griechenland ab.

Nach einer Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 02.07.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 01.04.2008 wegen der Ausreise der Klägerin auf. Mit weiterem Bescheid vom 20.08.2008 setzte die Beklagte eine Erstattung in Höhe von 1.539,60 EUR gegen die Klägerin nach § 50 SGB X fest, da die Klägerin Alg bis 31.05.2008 erhalten habe.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2008 zurück. Die Klägerin habe sich seit dem 01.04.2008 nicht mehr in Deutschland unter der bekannten Wohnadresse aufgehalten, somit habe sie den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit ab 01.04.2008 nicht mehr zur Verfügung gestanden, sie sei somit nicht arbeitslos iS des § 119 Abs 1 SGB III gewesen und habe keinen Anspruch auf Alg.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.01.2009 Klage zum SG erhoben. Mit der Klage ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt worden.

Mit Beschluss vom 18.02.2009 hat das SG den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass ein Anspruch der Klägerin auf Alg aufgrund ihrer Ausreise ab dem 01.04.2008 nach Griechenland gegen die Beklagte nicht mehr bestehe. Hinreichende Erfolgsaussichten für die Klage bestünden somit nicht.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.03.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der Beklagten spätestens am 10.04.2008 die Bescheinigung über die Anmeldung der Klägerin in A-Straße vorgelegen haben müsse, da diese der Beklagten durch das Umzugsunternehmen zur Verfügung gestellt worden sei. Durch die Geltendmachung der Umzugskosten bei der Beklagten sei dieser der genaue Umzugstermin bekannt gewesen, trotzdem sei die Zahlung von Alg erfolgt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Nach § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhalten Beteiligte PKH, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 9.Aufl SGG, § 73a RdNr 1). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht notwendig, der Standpunkt der Klägerin muss zumindest objektiv vertretbar sein (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann § 114 ZPO RdNr 87).

Vorliegend sind hinreichende Erfolgsaussichten nicht gegeben.
Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - i.V.m § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetz zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der notwendigen summarischen Prüfung ab dem 01.04.2008 keinen Anspruch auf Alg mehr. Nach § 118 Abs 1 SGB III haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die u.a. arbeitslos sind. Zur Arbeitslosigkeit gehört gemäß § 119 Abs 1 Nr 3 SGB III, dass der Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht, also den Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, § 119 Abs 5 Nr 2 SGB III.

Die sich hiernach ergebenden Pflichten sind durch die Erreichbarkeitsanordnung - EAO - konkretisiert. Nach § 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Agentur zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich (1.) Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, (2.) die Agentur für Arbeit aufzusuchen, (3.) mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und (4.) eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Nach § 1 Abs 2 EAO hat der Arbeitslose deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktage an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Nach § 2 EAO kann sich der Arbeitslose vorübergehend auch von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt entfernen, wenn (1.) er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer der Abwesenheit mitgeteilt hat, (2.) er auch an seinem vorübergehenden Aufenthaltsort die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 erfüllen kann und (3.) er sich im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält. Zum Nahbereich gehören alle Orte in der Umgebung des Arbeitsamts, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen war die Klägerin ab 01.04.2008 wegen des dauerhaften Umzugs nach Griechenland den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht mehr zur Verfügung gestanden, damit hat die Klägerin ab diesem Zeitpunkt auch keinen Anspruch auf Alg. Um die Aufrechterhaltung des Anspruchs für 3 Monate gemäß Art 69 EWG-VO 1408/71 hat sie sich trotz Belehrung nicht bemüht.

Die Klägerin wusste auch, dass aufgrund des Umzugs ins Ausland der Anspruch auf Alg gegenüber der Beklagten in Wegfall kam, ein eventuelles Nichtwissen der Klägerin wäre grob fahrlässig. Die Klägerin hat den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblatts I für Arbeitslose bei ihrer Arbeitslosmeldung am 24.10.2007 durch ihre Unterschrift bestätigt. Damit musste der Klägerin auch bei Anwendung eines subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs (vgl. insoweit Schütze in von Wulffen SGB X 6.Aufl § 48 RdNr 28 mwN) klar sein, dass ihr Verhalten zum Wegfall des Arbeitslosengeldanspruchs führte. Die Klägerin hat auch nie eine positive Kenntnis vom Wegfall des Arbeitslosengeldanspruchs bestritten, vielmehr lediglich vorgetragen, sie habe der Beklagten die erforderlichen Fakten und Unterlagen bereits vorher zukommen lassen.

Ob sie der Beklagten diese Auskünfte hat zukommen lassen oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit aber bedeutungslos. Eine Kenntnis der Beklagten ist nur für den Lauf der Jahresfrist nach §§ 48 Abs. 4 i.V.m. 45 Abs. 4 S. 2 SGB X beachtlich, diese Frist ist aber jedenfalls eingehalten. Zudem hat die Beklagte gemäß § 330 Abs. 3 SGB III auch in atypischen Fällen der Aufhebung von Verwaltungsakten kein Ermessen auszuüben, hat also etwaiges Mitverschulden nicht zu berücksichtigen.

Die Erstattung überbezahlter Leistungen in Höhe von 1.539,60 EUR ergibt sich aus § 50 SGB X. Gründe, die gegen die Richtigkeit der Höhe der Rückforderung sprechen, trägt die Klägerin nicht vor und sind auch dem Senat nicht ersichtlich.

Die Beschwerde ist damit unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved