L 18 R 435/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 365/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 R 435/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur sozialmedizinischen Beurteilung des Leistungsvermögens eines Klägers, der unter einer pathologischen Spielsucht und einer schweren seelischen Abartigkeit leidet.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 12.04.2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab Oktober 2004 streitig.

Der 1964 geborene Kläger diente von 1983 bis 1988 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr; hier kam es im Januar 1987 zu einer Wehrdienstbeschädigung durch eine Unterschenkelluxationsfraktur. Auf Grund der Wehrdienstbeschädigung bestand eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 v.H. bis zum 31.07.1987. Am 20.05.1988 wurde der Kläger unehrenhaft und vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen, da er Ende Juli 1987 und Ende September 1987 Banküberfälle verübt hatte, um sich Kapital für die Befriedigung seiner Spielsucht zu verschaffen. Hierfür verbüßte er eine mehrjährige Haftstrafe bis 1992, wobei er in der Haftzeit eine Ausbildung zum Schreiner abschloss. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.05.1993 (Az: S 10 V 2/90 bzw.
S 10 V 69/90) besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) sowie auf Versorgungsbezüge nach § 80 SVG. Von 1996 bis 2001 war der Kläger - teilweise selbstständig - als Berufskraftfahrer tätig. Im Juli 2003 verurteilte ihn das Landgericht S. wegen Betrugs und Computerbetrugs in 96 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten; zudem wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da der Kläger an einer pathologischen Spielsucht leide und eine schwere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 Strafgesetzgesetzbuch (StGB) vorliege. Der Kläger befindet sich nunmehr in der R.-Klinik für Forensische Medizin in M ...

Am 06.10.2004 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Erwerbsminderungsrente, den die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2005 ablehnte. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da beim Kläger in der Zeit vom 06.10.1999 bis 05.10.2004 nur ein Jahr und neun Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 05.05.2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2005 zurück. Die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit habe am 10.06.2001 geendet. Somit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch weiterhin nicht erfüllt.

Hiergegen hat der Kläger am 11.07.2005 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Er sei auch über den 11.06.2001 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Zudem sei er durch die Wehrdienstbeschädigung im Jahr 1987 in seiner Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt, sodass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe. Spätestens ab März 2003 lägen gesundheitliche Einschränkungen in rentenberechtigendem Ausmaß vor.

Auf Veranlassung des SG hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.10.2006 mitgeteilt, dass der Kläger letztmals bei einem Leistungsfall im März 2003 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbminderungsrente erfülle. Nach Einholung ärztlicher Unterlagen hat das SG die Ärztin für Psychiatrie und Öffentliches Gesundheitswesen Dr.B. mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens nach Aktenlage beauftragt, die in ihrem Gutachten vom 30.12.2006 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der genannten Gesundheitsstörungen täglich nur noch eine unter dreistündige Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich sei. Durch die schwere gemischte Persönlichkeitsstörung seien zentrale Anteile der Persönlichkeit, d.h. der Willens- und der Motivationsstruktur sowie die Stressresistenz wesentlich beeinträchtigt. Die quantitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit habe jedenfalls bereits im März 2003 vorgelegen. Die schwere Persönlichkeitsstörung sei schon seit den 80er Jahren dokumentiert und habe sich zunehmend verstärkt. Hierzu hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.02.2007 unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr.S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten vom 14.02.2007 geäußert.

Mit Urteil vom 12.04.2007 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 verurteilt, beim Kläger den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer mit dem 01.03.2003 festzustellen und dem Kläger die entsprechenden Leistungen in gesetzlicher Höhe ab Oktober 2004 zu gewähren. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger nach dem überzeugenden Gutachten der gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr.B. nur noch für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Umfang von unter drei Stunden täglich zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einsatzfähig, sofern die von der Gutachterin beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen beachtet würden. Dabei verkenne das SG nicht, dass der Kläger bis 2001 Leistungen von wirtschaftlichem Wert durch Arbeit erbracht habe. Fr. Dr.B. habe in ihrem schlüssigen und überzeugenden Gutachten vom 30.12.2006 jedoch dargelegt, dass sich die Persönlichkeitsstörung des Klägers zunehmend verstärkt auf seine Erwerbsfähigkeit ausgewirkt habe. Mit Fr. Dr.B. gehe das SG davon aus, dass jedenfalls im März 2003 die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers auf psychiatrischem Gebiet ein rentenberechtigendes Ausmaß erreicht hätten. Zum Zeitpunkt März 2003 erfülle der Kläger nach Auskunft der Beklagten auch noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht - Zweigstelle Schweinfurt - am 05.06.2007 eingegangene Berufung der Beklagten. Dem Gutachten von Fr. Dr.B. könne nicht gefolgt werden. Der Versicherte sei nicht aktuell körperlich untersucht worden. Fr. Dr.B. gehe in ihrem Gutachten davon aus, dass die Persönlichkeitsstörung bereits seit den 80er Jahre bestehe. Hierzu sei auszuführen, dass der Versicherte trotz der Persönlichkeitsstörung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) eine Ausbildung gemacht habe und von 1992 bis 2001 erwerbstätig gewesen sei. Fr. Dr.B. führe in dem Gutachten aus, dass durch die schwere gemischte Persönlichkeitsstörung zentrale Anteile der Persönlichkeit des Klägers, d.h. die Willens- und Motivationsstruktur sowie die Stressresistenz wesentlich beeinträchtigt seien. Auch unter Aufbietung einer zumutbaren Willensanstrengung sei der Versicherte nicht mehr in der Lage, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu erbringen. Dem widersprächen die Ausführungen im Bericht des Krankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 20.12.2004. Hieraus ergäben sich nach wie vor ernst zu nehmende Hinweise auf eine deutliche willentliche Beeinflussung und Steuerung des Verhaltens des Versicherten. So habe sich das Verhalten des Klägers in therapeutischen Situationen deutlich diskrepant zu seinem Freizeitverhalten gezeigt. Dies widerspreche eindeutig der Einschätzung im Gutachten der Fr. Dr.B ...

Zur Berufserwiderung trägt der Kläger insbesondere vor, dass es keineswegs den Ausführungen der Gutachterin, auf dem Boden der gemischten Persönlichkeitsstörung habe sich zunächst eine Spielleidenschaft entwickelt, die sich ebenfalls immer weiter verstärkt und letztendlich zur Spielsucht geführt habe, widerspreche, dass er in der JVA - trotz Persönlichkeitsstörung - eine Ausbildung gemacht habe und bis 2001 erwerbstätig gewesen sei. Die Beklagte vergesse, dass die Bewertung seiner Person hinsichtlich einer zumutbaren Tätigkeit nicht nur durch die Persönlichkeitsstörung, sondern auch durch die Spielsucht, aber auch durch körperliche Leiden (Zustand nach Tibiakopffraktur, seit 2005 diskrete Gonarthrose rechts, Analsphinkterinsuffizienz) bestimmt würden. Falsch sei auch die Behauptung, die Ausführungen im Bericht des Krankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 20.12.2004 widersprächen dem Ergebnis des Gutachtens. Dort werde ausgeführt: " ... zeigt sich kompromisslos, stur, rechthaberisch und rücksichtslos. Sein Auftreten gegenüber Mitpatienten und Mitarbeitern ist von Dominanz geprägt, er spricht mit lauter Stimme ... wird dabei nicht selten vorwurfsvoll und beleidigend ...". Der Stellungnahme des Krankenhauses W. sei auch in keinster Weise zu entnehmen, dass sein Verhalten in therapeutischen Situationen deutlich diskrepant zu seinem Freizeitverhalten sei.

Der Senat hat die ärztlichen Unterlagen des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin A-Stadt beigezogen. Anschließend hat im Autrag des Senats der Chefarzt der R.-Klinik für Forensische Psychiatrie, A-Stadt, Dr.C., in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 13.10.2008 die Auffassung vertreten, dass der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten weniger als drei Stunden täglich in wechselnder Stellung und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne, wobei eine Toilette ständig erreichbar sein müsse. Aufgrund der schweren Persönlichkeitsstörung und der Spielsucht seien zentrale Anteile der Persönlichkeit, wie Willens- und Motivationsstruktur, nervliche Belastbarkeit und Stresstoleranz erheblich beeinträchtigt. Nach der bisherigen Biographie und dem bisherigen Verlauf müsse davon ausgegangen werden, dass die beim Kläger bestehenden psychischen Störungen auch bei zumutbarer Willenanspannung aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe nicht zu überwinden seien. Dieser Zustand bestehe mindestens seit März 2003.

Hierauf erwidert die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Fr. Dr.S. vom 05.11.2008, dass im Bericht des Krankenhauses W. von 2004 ernst zu nehmende Hinweise auf eine deutliche willentliche Beeinflussung und Steuerung des Verhaltens des Probanden vorlägen, sodass die kategorische Feststellung des Dr.C., "dieser Zustand" bestehe mindestens seit März 2003, nicht nachzuvollziehen sei. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung, auch einer schweren, impliziere nicht kategorisch das Vorliegen von zeitlichen Leistungseinschränkungen. Vielmehr müsse der sozialmedizinisch tätige Psychiater für seine Leistungsbeurteilung angesichts der bestehenden und in der aktuellen Literatur nachzulesenden Kriterien versuchen, plausibel zu machen, dass die Folgen dieser Persönlichkeitsstörung auch zu Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens und der Partizipation im familiären und sozialen Leben führten. Auf dieser Grundlage müsse er dann konsequent darlegen, dass tatsächlich willentlich nicht überwindbare Funktionsbeeinträchtigungen rentenrelevanten Ausmaßes bestünden. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Kläger noch im Jahr 2004 über sechsstündig leistungsfähig gewesen sei. In Anbetracht der Tatsache, dass bei der komplexen Sachlage in den letzten Jahren keine körperliche Untersuchung bzw. direkte Exploration des Versicherten erfolgt sei, werde ein aktuelle Begutachtung mit persönlicher Untersuchung des Klägers zur Klärung der Frage seines Leistungsvermögens für angezeigt gehalten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 12.04.2007 aufzuheben und die
Klage gegen den Bescheid vom 20.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchs-
bescheides vom 29.06.2005 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom
12.04.2007 zurückzuweisen.

Dass eine Besserung des Gesundheitszustandes in sozialmedizinischer Hinsicht nicht eingetreten und wohl auch nicht absehbar sei, zeige schon die Tatsache, dass zwischen den beiden Gutachten ein Zeitraum von fast zwei Jahren liege. Soweit die Beklagte behaupte, in der aktuellen Literatur sei nachzulesen, dass der sozialmedizinisch tätige Psychiater auch Stellung nehmen müsse zu den Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens sowie im familiären und sozialen Leben, beziehe sich dies offensichtlich auf die eigene, von der Beklagten herausgegebene Literatur (z.B. "Leitlinien für die sozialmedizinische Beurteilung von Menschen mit psychischen Störungen" herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung).

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 verurteilt, beim Kläger den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer mit dem 1.3.2003 festzustellen und dem Kläger die entsprechenden Leistungen in gesetzlicher Höhe ab Oktober 2004 zu gewähren. Denn der Kläger ist spätestens seit März 2003 voll erwerbsgemindert iS des § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI (idF ab 01.01.2001) und hat auch zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, § 43 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F ...

Gemäß § 43 Abs.2 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-
beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
Zu dieser Überzeugung gelangte der Senat im Anschluss an die Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der schlüssigen und überzeugenden gutachterlichen Ausführungen des gemäß § 106 SGG im Berufungsverfahren gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.C., der die in den Akten enthaltenen ärztlichen Befunde und Vorgutachten in seinem Aktenlagegutachten vom 13.10.2008 sorgfältig ausgewertet hat und in Übereinstimmung mit der im Klageverfahren gemäß § 106 SGG gehörten Ärztin für Psychiatrie und Öffentliches Gesundheitswesen Dr. B. zu einer nachvollziehbaren und überzeugenden sozialmedizinischen Beurteilung gelangt ist.

Danach liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vor:
F 63.0 Pathologisches Glücksspiel.
F 62.8 Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit impulsiven Anteilen.
M 17.9 R Gonarthrose rechts.
K 62.8 Analsphinkterinsuffizienz nach mehrfachen Hämorrhoidaloperationen.

Zwar ist es dem Kläger nach erfolgreichem Hauptschulabschluss gelungen, auch eine Lehre erfolgreich abzuschließen. Jedoch war bereits seit den 80iger Jahren sein ganzes Leben auf seine Spielleidenschaft ausgerichtet. Die Persönlichkeitsstörung des Klägers hat - worauf Dr. C. ebenso wie die vom SG gehörte Sachverständige Dr. B. zutreffend hinweisen - mit fortschreitendem Lebensalter nicht nur zu massiven subjektiven Leiden, sondern auch zur Schädigung Zweiter und Dritter geführt. Damit ist eine deutliche Einschränkung der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit einhergegangen. Ganz massiv hat sich das Ausmaß der Störung während der Maßregeltherapie im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie W. im Zeitraum vom 16.07.2003 bis 15.12.2004 und im Anschluss daran in der R.-Klinik, , gezeigt. Durch die Schwere und sich in ihrem Ausprägungsgrad zunehmend auswirkende Persönlichkeitsstörung sind beim Kläger wesentliche Funktionsbereiche, wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie das Beziehungsverhalten wesentlich beeinträchtigt worden. Aufgrund der schweren Persönlichkeitsstörung und der Spielsucht sind zentrale Anteile der Persönlichkeit, wie Willens- und Motivationsstruktur, nervliche Belastbarkeit und Stresstoleranz erheblich eingeschränkt. Zutreffend sind die ärztlichen Sachverständigen
Dr.C. und Dr. B. deshalb auch zu der Beurteilung gelangt, dass aufgrund der bisherigen Biographie und des bisherigen Verlaufs davon ausgegangen werden muss, dass die beim Kläger bestehenden psychischen Störungen auch bei zumutbarer Willensanstrengung aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe nicht von ihm überwunden werden können.

In Übereinstimmung mit der Beurteilung der Fr. Dr. B. geht auch Dr. C. zu Recht davon aus, dass dieser Zustand mindestens seit März 2003 besteht und es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Die Persönlichkeitsstörung besteht während des gesamten Lebens des Klägers. Zusammenfassend kommt Dr.C. zu der schlüssigen und nachvollziehbaren sozialmedizinischen Beurteilung, dass der Kläger nur noch in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Arbeiten weniger als drei Stunden täglich in wechselnder Stellung im Freien und in geschlossenen Räumen auszuüben, wobei eine Toilette ständig erreichbar sein muss. Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützapparats, wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltungen oder häufiges Steigen sind zu vermeiden.

Zwar ist der Beklagten grundsätzlich darin zuzustimmen, dass - wie in der Stellungnahme der Fr. Dr. S. vom 5.11.2008 ausgeführt wird - das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung nicht kategorisch das Vorliegen von zeitlichen Leistungseinschränkungen impliziert und plausibel gemacht werden muss, dass die Folgen dieser Persönlichkeitsstörung auch zu Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens und der Partizipation im familiären und sozialen Leben führen. Dabei verkennt die Beklagte jedoch, dass es sich hier nicht nur um eine schwere Persönlichkeitsstörung handelt, sondern diese ein wesentlicher Kausalitätsfaktor für die Entstehung der Spielsucht war und beide Störungen sich im Laufe der Jahre gegenseitig verstärkt und letztlich in Teilen auch bedingt haben. Im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits 1988 aus der Bundeswehr vorzeitig unehrenhaft entlassen wurde, weil er zwei Banküberfälle im Juli und September 1987 begangen hatte und er deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, er im Juli 2003 vom Landgericht S. wegen Betrugs und Computerbetrugs in 96 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde und zudem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, da er an einer pathologischen Spielsucht leidet und bei ihm eine schwere seelische Abartigkeit iS der §§ 20, 21 StGB vorliegt, ist der Vorwurf der Beklagten, im Aktenlagegutachten des Dr.C. fehle die Feststellung, dass die Folgen dieser Persönlichkeitsstörung auch zu Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens und der Partizipation im familiären und sozialen Leben geführt hätten,
nicht nachvollziehbar. Auch derzeit ist der Kläger noch im untergebracht.

Soweit die Beklagte einwendet, es sei eine körperliche Untersuchung des Klägers zur Beurteilung seines Leistungsvermögens erforderlich, sieht der Senat angesichts des in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkts des Leistungsfalls, der eindeutigen Befundlage und lückenlos dokumentierten Krankheitsgeschichte sowie der von Dr.C. eindeutig getroffenen Feststellung, der beim Kläger vorliegende Zustand bestehe während seines gesamten Lebens, keine Veranlassung.

Der Kläger hat im März 2003 auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, § 43 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F ...

Gemäß § 99 Abs.1 Satz 2 SGB VI ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Oktober 2004 zu leisten, denn der Kläger hat die Erwerbsminderungsrente später als bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (hier: März 2003), beantragt.

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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