L 9 AL 308/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 73/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 308/04
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Ermittlungsgrundsatz im Verwaltungsverfahren und sozialgerichtlichen Verfahren erfordert nicht, nach Tatsachen zu forschen, für deren Existenz die Umstände des Einzelfalles keine ausreichenden Anhaltspunkte bieten.
2. zur Beweiswürdigung und objektiven Beweislast
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts München vom 29. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld und der Sozialversicherungsbeiträge im Leistungsfall J. vom 1. Januar 1999 bis 14. Januar 2001.

Der 1937 geborene Versicherte Wilfried J. (J.) hatte bei der Klägerin vom 1. August 1962 bis 31. Dezember 1998 als Vertriebsingenieur gearbeitet. Er bezog ein außertarifliches Gehalt von zuletzt 9.820,00 DM und war mit einer Frist von sieben Monaten zum Monatsende kündbar. Seit 1. August 2001 erhält J. Altersrente von der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).

Die Klägerin kündigte ihm am 9 April 1998 zum 31. Dezember 1998 aus betriebsbedingten Gründen, der Betriebsrat erhob hiergegen keinen Widerspruch. J. gab in der Stellungnahme vom 25. November 1998 an, die Klägerin habe aus betriebsbedingten Gründen gekündigt (technische Probleme, gesundheitliche Probleme). Nach ihren Angaben erhielt J. vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 1999 einen Übergangszuschuss von monatlich 9.601,00 DM, ab 1. Januar 1999 ein monatliches Ruhegeld von 1.401,00 DM und eine Abfindung von 35.664,00 DM (Auszahlung in monatlichen Teilbeträgen von 5.944,00 DM von Juli bis Dezember 1999).

Am 18. November 1998 meldete J. sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Die Beklagte bewilligte J. Arbeitslosengeld ab 1. Januar 1999 von 695,52 DM, ab 1. Januar 2000 von 720,23 DM und ab 1. Januar 2001 in Höhe von 760,67 DM wöchentlich.

Nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Privatdozenten Dr. L. (Arzt für Neurochirurgie) vom 27. Juni 1999 war J. arbeitsunfähig vom 21. Juni 1999 bis 15. Juli 1999. Auf Anfrage des Arbeitsamts Rastatt teilte J. mit, er habe - abgesehen von dieser Zeit der Arbeitsunfähigkeit - in den letzten zwei Jahren seiner Beschäftigung keine krankheitsbedingten Fehlzeiten gehabt, gesundheitliche Gründe seien nicht maßgeblich für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewesen und hätten einer Weiterbeschäftigung nicht entgegengestanden. Er sei ansonsten im angefragten Zeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen; eine medizinische Rehabilitation nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses habe nicht stattgefunden. Nach Anhörung machte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 eine Berechtigung zur sozial gerechtfertigten Kündigung geltend; J. sei den Anforderungen des Arbeitsplatzes im vertrieblichen Außendienst nicht mehr gewachsen gewesen, der ständige Wechsel der Produkte, bedingt durch die Innovation, und die ständig neuen Anforderungen durch neue DV-Verfahren "wären" von J. nur mit erheblichem Aufwand an Schulung und Training zu bewältigen gewesen; hinzugekommen sei der lange Anfahrtsweg. Eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitplatz oder Versetzung an einen anderen Standort sei nicht möglich gewesen.

Die Beklagte forderte mit Bescheid vom 3. November 1999 von der Klägerin die Erstattung des Arbeitslosengeldes und der entsprechenden Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 31.625,06 DM für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 1999. Im Abrechnungszeitraum seien für 22 Leistungstage keine Erstattungsbeträge geltend gemacht worden.

Die Klägerin und ihr Bevollmächtigter legten gegen diesen Bescheid am 11. November 1999 und 26. November 1999 Widerspruch ein, ohne ihn zu begründen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 1999 das Arbeitslosengeld und die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 31.625,06 DM zu erstatten. Leitlinie für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach komme eine Beendigungskündigung als äußerstes Mittel immer erst dann in Betracht, wenn alle nach den jeweiligen Umständen angemessenen milderen Mittel erschöpft sind, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch andere Maßnahmen vermieden werden kann. J. sei 36 Jahre im Betrieb beschäftigt gewesen. Es sei nicht zu erkennen, weshalb die Kündigung eines Arbeitnehmers, der solange im Betrieb war und kurz vor Erreichen des Rentenalters stand, als einziges Mittel in Betracht kam.

Die Klägerin hat hiergegen am 14. Januar 2000 beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben. Die Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung sei nach Maßgabe den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97) verfassungswidrig; sie müsse einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zugeführt werden. Die Beklagte habe ihre Ermittlungspflicht bezüglich der Erkrankungen von J. verletzt. Dass J. angeblich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sei aus statistischen Gründen unwahrscheinlich. Das Vorgehen der Beklagten sei insgesamt rechtswidrig; sie habe das Gebot der zeitnahen Entscheidung nicht beachtet, die Anhörungen seien fehlerhaft, ebenso wie die Befragungen des Arbeitnehmers.

Die Beklagte hat demgegenüber auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen, wonach die Anspruchsgrundlage für die Erstattung verfassungsrechtlichen Bedenken nicht unterliegt. Die von der Klägerin genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beträfen eine andere Norm. Es habe aufgrund der Auskunft von J. auch kein Anlass für weitere Ermittlungen bestanden.

Auf Anfrage der Beklagten hat J. mit Schreiben vom 9. April 2000 mitgeteilt, dass nach der Bandscheibenoperation eine gesundheitliche Veränderung nicht eingetreten sei. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 2000 zu einer weiteren Erstattungspflicht angehört und mit Bescheid vom 17. Mai 2000 von der Klägerin die Erstattung des Arbeitslosengelds und der Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 41.346,74 DM für die Zeit vom 1. August 1999 bis 31. März 2000 gefordert.

Nach einer weiteren Anhörung von J. - er hat mit Schreiben vom 16. Februar 2001 wieder eine Veränderung seines Gesundheitszustandes verneint -, hat die Beklagte auch nach Anhörung der Klägerin am 26. März 2001 mit Bescheid vom 30. April 2001 die Erstattung des Arbeitslosengeldes, der Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 50.148,90 DM für die Zeit vom 1. April 2000 bis 14. Januar 2001 gefordert.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 31. März 2003 die Aufhebung des Bescheids vom 3. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2000 beantragt, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2004 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der Erstattungspflicht seien erfüllt. Die gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände seien nicht gegeben. J. sei innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 720 Kalendertage bei der Klägerin in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Das Arbeitsverhältnis sei nicht vor Vollendung des 56. Lebensjahres des J. beendet worden. J. habe im Erstattungszeitraum keinen Anspruch auf die gesetzlich genannten Sozialleistungen beziehungsweise Rente wegen Berufsunfähigkeit gehabt. Aufgrund der Auskünfte des J. seien keine Hinweise vorhanden gewesen, dass er im Erstattungszeitraum anstelle des Arbeitslosengeldes Anspruch auf Krankengeld, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit gehabt hätte. Mangels entsprechender Anhaltspunkte bestehe keine Verpflichtung, nach Tatsachen zu forschen. Gründe für eine sozial gerechtfertigte Kündigung seien nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen worden. Nach dem im Betrieb der Klägerin geltenden Kündigungsschutz für Jubilare dürfe Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie). Überdies sei zweifelhaft, ob nicht doch ein Aufhebungsvertrag vorliege.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 10. August 2004, mit der sie unter Bezugnahme auf ihr früheres Vorbringen geltend macht, die Beklagte bzw. das SG hätten weitere Ermittlungen bezüglich der Erkrankungen von J. durchführen und insbesondere Stellungnahmen des behandelnden Arztes sowie ein Sachverständigengutachten einholen müssen; die Beklagte hätte außerdem eine Sperrzeit gegen J. feststellen müssen. Die Kündigung sei überdies sozial gerechtfertigt gewesen.

Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats noch mitgeteilt, dass J. vom 19. bis 22. März 1996 und am 18. November 1997 arbeitsunfähig gewesen ist (Schreiben vom 9. September 2005).

Die Beklagte hat entgegnet, sie trage nur dann die Feststellungslast, wenn sich trotz entsprechender Anhaltspunkte nicht feststellen lasse, ob ein Arbeitsloser im Erstattungszeitraum die Voraussetzungen für eine anderweitige Sozialleistung erfüllt habe. Eine Beweislastentscheidung komme nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine anderweitige Sozialleistungsberechtigung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nach eingehender und sorgfältiger Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht vorliegen.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 29. Juni 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2000 und die Bescheide vom 17. Mai 2000 und 30. April 2001 aufzuheben,
hilfsweise,
das Verfahren gemäß Art. 100 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 128 AFG vorzulegen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG); der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt über 500,00 Euro. Der Senat entscheidet im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist unbegründet; der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden.

Streitig sind im vorliegenden Fall der Bescheid vom 3. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2000 (Erstattung des Arbeitslosengeldes und der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 1999 in Höhe von 31.625,06 DM) sowie gemäß § 96 SGG, die nach Klageerhebung auf der gleichen Rechtsgrundlage des § 128 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ergangenen Erstattungsbescheide bezüglich der Rückforderung des Arbeitslosengeldes und der genannten Sozialversicherungsbeiträge für J. vom 17. Mai 2000 (Erstattung vom 1. August 1999 bis 31. März 2000 in Höhe von 41.346,74 DM) und vom 30. April 2001 (Erstattung vom 1. April 2000 bis 14. Januar 2001 in Höhe von 50.148,90 DM). Gemäß § 128 Abs. 4 AFG schließt die Erstattung des Arbeitslosengeldes auch die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ein.

Rechtsgrundlage für die Erstattung des Arbeitslosengeldes und der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ist im vorliegenden Fall § 128 Abs. 1, 4 AFG. Diese Vorschrift ist nach der Übergangsregelung § 242x Abs. 6 AFG weiterhin anzuwenden. Die entsprechende Regelung im geltenden Recht (§ 147a Sozialgesetzbuch III - SGB III) ist erst durch Gesetz vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 396) mit Wirkung vom 1. April 1999 eingefügt worden. Sie umfasst damit ab diesem Zeitpunkt alle Neufälle, jedoch gemäß § 431 Abs. 2 SGB III nicht diejenigen Fälle, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld vor dem 1. April 1999 entstanden ist oder vor dem 1. Februar 1999 das Arbeitsverhältnis gekündigt bzw. ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden ist. Durch diese Regelung sollen Arbeitgeber geschützt werden, die im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage das Beschäftigungsverhältnis aufgelöst haben. Damit unterfallen alle anderen Kündigungen und Aufhebungsverträge vor und nach dem 1. Februar 1999 grundsätzlich dem im Wesentlichen wortgleichen § 128 AFG, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld - wie hier - vor dem 1. April 1999 entstanden ist, d.h. die Anwartschaft bis zu diesem Zeitpunkt erfüllt, Arbeitslosigkeit eingetreten war und der Arbeitslose sich arbeitslos gemeldet hatte. § 128 AFG ist vor allem auf Personen anzuwenden, die vor dem 1. April 1997 durchgehend für 360 Tage beschäftigt waren und vor dem 7. April 1999 arbeitslos werden, sich bis zum 6. April 1998 arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen (§ 431 Abs. 1 SGB III in Verbindung mit § 242x Abs. 6 AFG; vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 21. November 2002, SGB 2003, 646 ff.; Brandt in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 14, Rdnr. 119; Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 431, Rdnr. 2;).

Auch wenn die Klägerin zuletzt im Berufungsverfahren ihre Argumentation in Bezug auf die Verfassungswidrigkeit des § 128 AFG nicht mehr aufrechterhält, hat sie jedoch ihren entsprechenden Hilfsantrag nicht zurückgenommen. Die hier beantragte Aussetzung und Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz kommt nicht in Betracht, weil der Senat § 128 AFG nicht für verfassungswidrig hält. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt mit dem Nichtannahmebeschluss vom 9. September 2005 (NZS 2006, 27 ff.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 156) entschieden, dass es daran festhält, dass in der Verpflichtung zur Erstattung des Leistungsaufwands der Bundesanstalt auf der Grundlage des § 128 AFG keine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte des Arbeitgebers liegt.

In der genannten früheren Entscheidung aus dem Jahr 1990 hat das Bundesverfassungsgericht - wie in anderen sozialrechtlichen Fallgestaltungen auch - dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit Berufsausübungsregelungen bei der Festlegung arbeits- oder sozialpolitischer Ziele eine weite Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Er darf Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit (hier Lenkungsfunktion zur Verhinderung von Frühpensionierungen) in den Vordergrund stellen. Noch größer ist seine Gestaltungsfreiheit, wenn die Regelungen - wie bei der vorliegenden Fallgestaltung - keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter haben. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in diesem Urteil entschieden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Fällen verletzt ist, in denen der Arbeitgeber zur Erstattung verpflichtet ist, obwohl der ausscheidende Arbeitnehmer eine andere Sozialleistung beanspruchen könne, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld (oder Arbeitslosenhilfe) ruhen oder entfallen lasse.

Durch Gesetz vom 21. Juni 1991 (BGBl. I 1306) wurde aber die damalige Fassung des § 128 AFG mit Wirkung vom 1. Juli 1991 aufgehoben. Nach Einführung des § 128 AFG durch Gesetz vom 18. Dezember 1992 mit Wirkung vom 1. Januar 1993 hat der Gesetzgeber, um der Forderung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 23. Januar 1990 (a.a.O.) Rechnung zu tragen, unter anderem geregelt, dass die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn z.B. Anspruch auf andere Sozialleistungen besteht oder wenn der Arbeitgeber sich arbeitsrechtlich in begründeter Weise von dem Arbeitnehmer getrennt hat, d.h. die Kündigung sozial gerechtfertigt war (vgl. § 128 Abs. 1 S. 2 1. Halbs., § 128 Abs. 1 S. 2 2. Halbs. Nr. 4 AFG). Den Befreiungstatbeständen über den Nichteintritt der Erstattungspflicht ist - im Gegensatz zu den negativen Tatbestandsvoraussetzungen der Erstattungspflicht in § 128 Abs. 1 S. 1 AFG - gemeinsam, dass in Fällen der Nichterweislichkeit einer Tatbestandsvoraussetzung die Folgen zu Lasten des Arbeitgebers gehen.

Die von der Klägerin hervorgehobene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (NJW 1999, 935 ff.) betrifft eine andere Rechtsgrundlage, nämlich § 128a AFG, sowie eine andere Fallgestaltung. Hier legt die gesetzliche Vorschrift dem Arbeitgeber die Kosten der Arbeitslosigkeit eines ehemaligen Arbeitnehmers auf, mit dem er ein Wettbewerbsverbot vereinbart hat, das generell geeignet ist, die Vermittlung in Arbeit zu erschweren. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung es mit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz für unvereinbar erklärt, dass der Arbeitgeber für die Dauer der Vereinbarung über die Unterlassung von Wettbewerb zusätzlich zur arbeitsrechtlichen

Entschädigung noch die gesamten Kosten der Arbeitslosigkeit seines früheren Arbeitnehmers ohne Rücksicht darauf zu tragen hat, ob die Arbeitslosigkeit durch eine Wettbewerbsvereinbarung verursacht worden ist.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, sind die Voraussetzungen der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 1 AFG erfüllt. Die Vorschrift verpflichtet Arbeitgeber, der Bundesagentur Arbeitslosengeld unter bestimmten Voraussetzungen zwei Jahre lang nach der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern zu erstatten. Damit soll der Übung von Unternehmen entgegengewirkt werden, Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung zur Verbesserung der betrieblichen Personalstruktur zu nutzen. Wegen dieser Missbrauchshinderungsfunktion hat die Vorschrift auch die Aufgabe, generell Kündigungen älterer Arbeitnehmer zu verhindern (Lenkungsfunktion) und die Rentenversicherung und Bundesagentur finanziell zu entlasten (Entlastungsfunktion). Nach dem Zweck der Vorschrift sollen Aufwendungen des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang nicht von der Arbeitslosenversicherung finanziert werden, sondern ausschließlich von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (Brandt in Niesel, AFG, 2. Aufl., § 128, Rdnr. 3 m.w.N.).

Der Arbeitslose J. hat innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 720 Kalendertage bei der Klägerin in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden und das 58. Lebensjahr vollendet.

Ein Befreiungstatbestand im Sinne des § 128 Abs. 1 S. 2 AFG ist nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 128 Abs. 1 S. 2 2. Halbs. Nr. 1a und b AFG liegen schon deswegen nicht vor, weil J. bei der Klägerin in einem längeren Arbeitsverhältnis, als dort genannt, gestanden hat. Da es sich bei der Klägerin nicht um einen Kleinbetrieb handelt, nicht J. (sondern die Klägerin) das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet hat sowie die Klägerin keine Angaben zur Personalverminderung von mehr als drei v.H., mindestens 10 v.H. bzw. mindestens 20 v.H. gemacht hat, sind auch die Befreiungstatbestände des § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 6 und 7 AFG nicht erfüllt.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf den Befreiungstatbestand eines Anspruchs des früheren Arbeitnehmers J. auf eine andere Sozialleistung (§ 128 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. AFG). Auch wenn diese Ausnahmeregelung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1990 (a.a.O.) verfassungskonform auszulegen ist, bedeutet dies nicht, dass die Ermittlungspflicht der Beklagten überspannt werden darf oder die Darlegungs- oder Feststellungslast im Falle der Nichterweislichkeit einer Tatbestandsvoraussetzung eines Befreiungstatbestands für den Arbeitgeber auf die Bundesagentur übergeht. Das Bundesverfassungsgericht hat hier (Urteil vom 23. Januar 1990, a.a.O.) festgestellt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebietet, die Erstattungspflicht nur dann eingreifen zu lassen, wenn den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit und damit für die Gewährung der zu erstattenden Leistungen (z.B. Arbeitslosengeld) trifft. Eine solche liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer, um dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis es geht, eine andere Sozialleistung beanspruchen kann, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen oder entfallen ließe.

Als die Erstattungspflicht wegen anderer Sozialleistungen ausschließender Tatbestand führt § 128 Abs. 1 AFG die in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr.2 bis 4 AFG genannten Leistungen sowie die Rente wegen Berufsunfähigkeit an. Danach lösen Arbeitnehmer bei ihrem Ausscheiden die Erstattungspflicht nicht aus, wenn sie u.a. die Voraussetzungen für Ansprüche auf Krankengeld (§ 44 Sozialgesetzbuch V), Versorgungs-Krankengeld (§ 16 Bundesversorgungsgesetz), Verletztengeld (§ 45 Sozialgesetzbuch VII), Übergangsgeld (§ 20 Sozialgesetzbuch VI), Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Altersrente oder Knappschaftsausgleichsleistung (§§ 43, 44, 35 ff., 239 Sozialgesetzbuch VI) erfüllen.

Die Beklagte hat hier die von J. mitgeteilte Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 21. Juni bis 15. Juli 1999 außer Betracht gelassen und in die Rückforderung nicht einbezogen, wie sich aus dem Berechnungsbogen zum Bescheid vom 3. November 1999 ergibt. Entgegen der Klägerin ist die Beklagte aber nicht zu weiteren Ermittlungen von Krankheits- bzw. Arbeitsunfähigkeitszeiten verpflichtet gewesen; eine derartige Ermittlungspflicht trifft auch nicht das Gericht. Sowohl für das Verwaltungsverfahren als auch für das gerichtliche Verfahren gilt zwar der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 Sozialgesetzbuch X - SGB X, § 103 SGG). § 20 SGB X korrespondiert mit § 103 SGG, er wird jedoch durch die §§ 21 bis 23 SGB X ergänzt. § 20 SGB X bedeutet nicht, dass jedes tatsächliche Vorbringen der Beteiligten bezweifelt werden müsse und nur dann zu Grunde gelegt werden dürfe, wenn es bewiesen sei. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Behörde auch nicht, alle notwendigen Sachverhaltsermittlungen selbst durchzuführen. Sie kann die zumutbare Mitwirkung des Beteiligten einfordern oder Ermittlungen auch im Wege der Amtshilfe durchführen lassen. Aufgrund der Mitwirkungspflicht hat der Antragsteller der Sozialleistung (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch I) alle für die Leistung erheblichen Tatsachen anzugeben. Die Behörde ist daher grundsätzlich nur dann verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu ermitteln, wenn die Angaben unvollständig und unklar sind. Die amtliche Sachaufklärungspflicht erstreckt sich nicht auf Tatsachen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten (Krasney in Kassler-Kommentar, Stand 2008, § 20 SGB X, Rdnr. 4, 6 m.w.N. der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG.).

Das BSG hat zum vorliegenden Fall der Erstattungspflicht des Arbeitgebers - was auch von der Klägerin nicht verkannt wird - mit den Urteilen vom 7. Mai 1998 (DBlR 4474, AFG/§ 128) und 21. September 2000 (BSGE 87, 132 ff.) unter Bezugnahme auf die frühere ständige höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden, dass die amtliche Sachaufklärungspflicht nicht erfordert, nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten. Es wird an der Rechtsprechung, wonach für die Feststellung der Voraussetzungen anderweitiger Sozialleistungsansprüche im Sinne des § 128 Abs. 1 S. 2 AFG der allgemeine Maßstab der Amtsermittlungspflicht gilt, auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten festgehalten (Fortführung von BSG vom 17. Dezember 1997, BSGE 81, 259). Überdies wäre eine Verletzung des Ermittlungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren nur erheblich, wenn sie zu einem anderen Verfahrensergebnis führen könnte (§ 42 S. 1 SGB X). Gegebenenfalls hätten die Tatsachengerichte (SG, LSG) nach § 103 SGG für weitere Sachaufklärung zu sorgen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass § 128 Abs. 8 AFG den Arbeitslosen zu einer Mitwirkungspflicht anhält und erst aufgrund hier bekannt gewordener Tatsachen unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles sich Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen ergeben können, wenn sie nicht vom Arbeitgeber gemacht werden (BSG vom 7. Mai 1998 a.a.O.).

D.h. hier, dass die Arbeitsämter und die Sozialgerichte den Sachverhalt zwar von Amts wegen zu erforschen haben. Dabei werden aber nicht alle denkbaren Nachforschungen angestellt, sondern in der Regel nur solche, die nach dem Sachverhalt und dem Vortrag der Beteiligten erforderlich sind. Insofern stehen sich Amtsermittlungsgrundsatz und Darlegungs- bzw. Nachweispflichten nicht streng abgegrenzt gegenüber. Die Ermittlungspflicht wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten beschränkt. Im Rahmen des Befreiungstatbestands-Anspruchs auf eine andere Sozialleistung haben die Arbeitsverwaltung und die Sozialgerichte von Amts wegen festzustellen, ob die Voraussetzungen für derartig genannte Leistungen oder eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gegeben sind. Um diese Feststellung durchzuführen, müssen aber vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber Hinweise gegeben werden, die auf einen solchen Leistungsanspruch hindeuten. Hierzu hatte der Arbeitgeber im Erstattungsverfahren aufgrund seiner Anhörung zur Erstattungspflicht (§ 24 SGB X) sowie später im Widerspruchs- und in den Streitverfahren Gelegenheit, entsprechende Tatsachen vorzutragen. Außerdem hat die Beklagte dem betroffenen Arbeitnehmer dreimal Gelegenheit zur Stellungnahme zu Erkrankungen und Ansprüchen auf Sozialleistungen gegeben. J. hat entsprechende Sozialleistungen bzw. Ansprüche verneint.

J. hat in den Stellungnahmen vom 24. August 1999, 9. April 2000 und 16. Februar 2001, also jeweils im engen zeitlichen Zusammenhang mit den angefochtenen Erstattungsbescheiden angegeben, dass er in den letzten zwei Jahren des Beschäftigungsverhältnisses kein Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder Verletztengeld bezogen hat, dass gesundheitliche Gründe für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht maßgeblich gewesen und auch betriebsärztliche Feststellungen wegen gesundheitlicher Beschwerden nicht erfolgt sind. Er hat zwar auf die Bandscheibenoperation hingewiesen, die Beklagte hat aber die entsprechende Arbeitsunfähigkeitzeit von der Erstattungspflicht ausgenommen. Nach seinen Angaben sind nach dieser Operation keine Veränderungen (z.B. gesundheitlicher Art) eingetreten. Somit hat weder für die Beklagte noch für das SG bzw. den Senat eine weitergehende Verpflichtung zur Ermittlung von Grundlagen für andere Sozialleistungen, insbesondere für einen Krankengeldanspruch (§ 44 SGB V), bestanden.

Der Klägerin kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie sich auf allgemeine statistische Aussagen über Erkrankungen älterer Arbeitnehmer beruft. Wie das BSG bereits mit Urteil vom 21. September 2000 (a.a.O.) klargestellt hat, sind allgemeine statistische Angaben als Erfahrungssätze über Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit älterer Menschen für die Sachaufklärung im Einzelfall unergiebig. Überdies müssen, falls derartige gesundheitliche Einschränkungen nachgewiesen sind, entsprechende Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit oder Berufsfähigkeit vorliegen, um die oben genannten Sozialleistungen zu begründen. Es ist auch nicht naheliegend, dass ein Arbeitsloser trotz der Belehrungen der Arbeitsverwaltung über seine Obliegenheiten den Eintritt schwerwiegender Erkrankungen und darauf beruhende Einschränkungen seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit nach Eintritt der Arbeitslosigkeit verschweigt.

Ein Anspruch auf Krankengeld z.B. erfordert unter anderem den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit im konkreten Fall, wobei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes für die Entscheidung über das Krankengeld lediglich die Bedeutung einer ärztlichen Stellungnahme hat, also die zuständige Krankenkasse noch nicht zur Leistung verpflichtet (ständige Rechtsprechung des BSG: Urteil vom 8. November 2005, USK 2005 - 39; Urteil vom 26.02.1992 USK 9281). Sie kann nämlich verpflichtet sein, die geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen zu lassen (§ 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).

Es besteht überdies kein Anlass für eine Umkehr der Darlegungs- bzw. Feststellungslast. Bei der Feststellung einzelner Tatsachen und des Gesamtergebnisses entscheiden die Behörden und die Sozialgerichte in freier Beweiswürdigung, die eine Folge des Untersuchungsgrundsatzes ist. Hierbei sind allgemeine Grundsätze des Beweisrechts zu beachten, so z.B. das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung, die Beachtung allgemeiner Denkgesetze und Erfahrungssätze und das Recht auf Gehör. Grundsätzlich ist für die Feststellung von Tatsachen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit zu fordern, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt. Ein Beweisnotstand kann es rechtfertigen, die Anforderungen an die Überzeugungsbildung entsprechend anzupassen (Krasney in Kasseler Kommentar, Stand 2008, § 20, SGB X, Rdnr. 10 m.w.N.). Weder das SGB X noch das SGG treffen jedoch Regelungen über eine subjektive Beweislastverteilung. Die Beteiligten an einem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren oder sozialgerichtlichen Prozess haben keine subjektive Beweisführungslast wie im Zivilprozess. Durch die Auferlegung der Darlegungs- und Nachweispflicht in § 128 Abs. 1 S. 2 AFG wird lediglich darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber - also hier die Klägerin - verstärkt an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken muss und im Falle der Nichterweislichkeit die Nachteile der betreffenden Tatsachen, für die ihm die Nachweispflicht obliegt, zu tragen hat. Unterlässt der Arbeitgeber entsprechende Darlegungen und werden Anhaltspunkte auch nicht vom Arbeitslosen vorgebracht, werden im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren keine weiteren Ermittlungen zu den Befreiungstatbeständen durchgeführt. In diesem Fall trägt der Arbeitgeber das Risiko der objektiven Beweislast. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass jeder die Tatsachen anzugeben hat, die für den Leistungsträger entscheidungserheblich sind und die in seiner Wissens- und Einflusssphäre liegen (Brand in Niesel, a.a.O., Rdnr. 76). Wie das BSG mit Urteil vom 21. September 2000 (a.a.O.) ausgeführt hat, ist auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1990 (a.a.O.) nicht zu entnehmen, dass die Voraussetzungen und der Umfang der Sachaufklärungspflicht aus verfassungsrechtlichen Gründen anders zu bestimmen sind. Es muss in diesem Zusammenhang nämlich auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu Gunsten des früheren Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Somit hat der Gesetzgeber mit der Regelung der Mitwirkungspflicht des früheren Arbeitnehmers und der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers einen sachgerechten Ausgleich kollidierender Privatinteressen vorgenommen.

Umstände, die zu einer Veränderung der objektiven Beweislast führen können, sind hier nicht gegeben. Die objektive Beweislast schließt sich erst an die abgeschlossene Beweisermittlung und Beweiswürdigung an. Dass der frühere Arbeitnehmer J. keine Angaben gemacht hat, die zu einer Befreiung von der Erstattungspflicht führen können, ist das Ergebnis der Beweiswürdigung der Beklagten und des SG. Daraus folgt aber noch nicht eine Umkehr der Beweislast. Ein Beweisnotstand liegt nicht vor.

Der Klägerin steht auch nicht der Befreiungstatbestand einer sozial gerechtfertigten Kündigung zur Seite (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG). Danach tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Es kommen personen- und verhaltensbedingte sowie betriebsbedingte Gründe infrage. Die Klägerin hat hier eine Überforderung des J. wegen der Innovationen der Datenverarbeitung sowie den erheblichen Aufwand für Schulung und Training angeführt.

Auch wenn eine Krankheit unter Umständen ein personenbedingter Grund sein kann, ist jedoch festzustellen, dass die von der Klägerin gemeldeten wenigen Tage der Arbeitsunfähigkeit von J. in den Jahren 1996 und 1997 bzw. der pauschale Hinweis auf eine Überforderung nicht für eine personenbedingte Kündigung ausreichen. Betriebsbedingte Gründe sind Gründe, die auf dringenden betrieblichen Erfordernissen (z.B. Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen, Einführung neuer Technologien) beruhen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Die Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch andere betriebliche Maßnahmen nicht verhindert werden kann. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11. November 2004 (L 9 AL 355/02) - an diesem Verfahren war die Klägerin gleichfalls beteiligt - festgestellt hat, sind bei der zu prüfenden sozialen Rechtfertigung Betriebszugehörigkeit und Lebensalter des Arbeitnehmers die Hauptfaktoren, wobei der Betriebszugehörigkeit noch vor dem Lebensalter Priorität zukommt (Bundesarbeitsgericht vom 18. Oktober 1984, ZIP 1985, 953). Eine Kündigung ist nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Eine derartige Auswahl ist regelmäßig dann zu treffen, wenn nur ein Teil der Arbeitsplätze entfällt. Eine Ausnahme gilt, wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer bedingen und daher der sozialen Auswahl entgegenstehen. Die soziale Auswahl ist betriebsbezogen durchzuführen. Dabei sind alle Arbeitnehmer einzubeziehen, deren Aufgaben im Betrieb von den von Entlassung bedrohten Arbeitnehmern wahrgenommen werden könnten (horizontale Vergleichbarkeit, Brand in Niesel, a.a.O., Rdnr. 44 bis 47).

Es ist hier zu berücksichtigen, dass J. bei der Klägerin offensichtlich sein ganzes Arbeitsleben verbracht hat und im vorgerückten Lebensalter, wenige Jahre vor Erreichen des Lebensalters der Altersrente für langjährig Versicherte entlassen worden ist.

Klare Anhaltspunkte für eine Kündigung aus verhaltensbedingten bzw. betriebsbedingten Gründen hat die Klägerin im Übrigen nicht dargelegt. Hier gelten die oben gemachten Ausführungen zur Darlegungs- und Feststellungslast des Arbeitgebers entsprechend. Das BSG (11. Senat) geht bei dem Befreiungstatbestand der Gefährdung verbleibender Arbeitsplätze nach Durchführung des Personalabbaus sogar vom Beibringungsgrundsatz des Arbeitgebers aus und weicht insofern von der Ansicht des 7. Senats (Urteil vom 15. Juni 2000, BSGE 86, 187) ab, der hier am Amtsermittlungsgrundsatz festhält. Ob das Gericht im Falle des Befreiungstatbestandes der sozial gerechtfertigten Kündigung den Beibringungsgrundsatz anwendet, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn die Klägerin hat hier nicht substantiiert vorgetragen, weshalb es gerade der Kündigung des J. bedurfte und diese unvermeidlich war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Auch wenn sie eine Möglichkeit der Umsetzung von J. auf einen anderen Arbeitsplatz bzw. Versetzung an einen anderen Standort bestritten hat, hat sie nicht dargelegt, ob im Hinblick auf die lange Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter eine Änderungskündigung mit einer zumutbaren Herabgruppierung möglich gewesen wäre (og. Senatsurteil vom 11. November 2004).

Schließlich spricht im vorliegenden Fall auch nichts für einen Entfall der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 2 AFG, insbesondere nichts dafür, dass die Erstattung für die Klägerin eine unzumutbare Belastung bedeuten würde. Die gesetzliche Regelung lässt die Erstattungspflicht entfallen, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch sie der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Insoweit ist zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich. Die Klägerin hat auch hier die Anforderungen der einfachen Darlegungslast nicht erfüllt und es ergeben sich keine Anhaltspunkte aus dem bekannten Sachverhalt, dass durch die Erstattung die verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG mit der Folge einer Kostentragung durch die Klägerin nach den § 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil das neue Kostenrecht nur gilt, wenn das Verfahren ab Inkrafttreten (2. Januar 2002) rechtshängig geworden ist. Für vorher rechtshängige Verfahren gilt für alle Instanzen, auch wenn das Rechtsmittel erst nach dem 1. Januar 2002 eingelegt worden ist, noch § 183 SGG in der früheren Fassung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved