Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 234/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 356/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist eine ungekündigte freiwillige Krankenversicherung irrtümlich über Jahre hinweg als Pflichtversicherung gemeldet gewesen, berührt das die fallbestehende freiwillige Versicherung nicht und löst auch keine besonderen Aufklärungspflichten aus.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. Juli 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger an die Beklagte freiwillige Beiträge für die Zeit vom 01.06.2001 bis 28.02.2005 zu entrichten hat.
Der Kläger ist Arzt. Er war bis 31.05.2001 bei der Beklagten freiwillig versichert. Die LVA Westfalen hat mit Bescheid vom 25.05.2005 der L. Verwaltungs GmbH mitgeteilt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.10.2001 bis 31.01.2003 als alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Alleingesellschafter/Geschäftsführer für das Unternehmen tätig war und in diesem Zusammenhang zur Sozialversicherung angemeldet war. Die Einzugsstelle habe eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung noch nicht vorgenommen. Der Kläger sei in diesem Anstellungsverhältnis nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen. Die Beklagte wurde von diesem Bescheid in Kenntnis gesetzt. Am 02.08.2005 unterzeichnete der Kläger einen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft nach vorangegangener Versicherung bei der BKK für Heilberufe zum 01.06.2001. Die Beklagte hat daraufhin der L. GmbH und Co. KG mitgeteilt, die Mitgliedschaft des Klägers werde rückwirkend in eine freiwillige umgewandelt. Es sollten Korrekturnachweise eingereicht werden. Die zuviel gezahlten Beiträge würden umgehend zurückerstattet. Der Arbeitnehmeranteil des Klägers werde auf das freiwillige Beitragskonto umgebucht. Mit Bescheid vom 29.12.2005 wurde dann dem Kläger mitgeteilt, er sei nachträglich als freiwilliges Mitglied eingestuft. Er habe Beiträge in Höhe von 16.448,69 Euro zu bezahlen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2006 zurückgewiesen.
Am 30.06.2006 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X ein. Am 07.07.2006 überwies der Kläger die geforderte Summe an die Beklagte.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 07.08.2006 deutete die Beklagte den Überprüfungsantrag in einen Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes um, den sie für zulässig, aber nicht begründet hielt. Der Kläger habe die freiwillige Mitgliedschaft am 02.08.2005 ab 01.08.2001 beantragt, diesem Antrag sei entsprochen worden. Deshalb seien Beiträge zu bezahlen. Hiergegen wurde am 01.09.2006 Widerspruch eingelegt, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, der Kläger sei zunächst als versicherungspflichtiger abhängig Beschäftigter gesetzlich kranken- und pflegeversichert gewesen. Es sei nicht zutreffend, dass die rückwirkende Durchführung einer freiwilligen Mitgliedschaft beantragt worden sei. Der Antrag sei irrtümlich erfolgt. Das Formular sei auch nicht vollständig vom Kläger ausgefüllt worden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2007 zurückgewiesen. Der originäre Beendigungsgrund der seit 01.10.1999 bestehenden freiwilligen Mitgliedschaft, der Eintritt einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft, sei durch die Feststellungen der LVA (rückwirkende Stornierung der versicherungspflichtigen Mitgliedschaft), entfallen. Damit bestehe die freiwillige Mitgliedschaft über den 31.05.2001 hinaus bis zur Wirksamkeit der Kündigung am 28.02.2005 fort.
Hiergegen richtet sich die am 24.05.2007 beim Sozialgericht Nürnberg eingegangene Klage, zu deren Begründung vorgetragen wird, der Kläger habe keinen Antrag auf die rückwirkende Durchführung einer freiwilligen Mitgliedschaft gestellt.
Das Sozialgericht hat am 24.07.2007 die Beklagte verurteilt, die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben. Für den Kläger sei für die Zeit vom 01.06.2001 bis 28.02.2005 kein freiwilliges Mitgliedschaftsverhältnis bei der Beklagten durchzuführen. Der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2006 sei deshalb gemäß § 44 SGB X aufzuheben. Die freiwillige Mitgliedschaft sei wegen der ab 01.06.2001 durchgeführten vorrangigen Pflichtmitgliedschaft zum 31.05.2001 beendet gewesen. Ob diese zu Recht durchgeführt wurde oder nicht, sei unerheblich. Eine freiwillige Mitgliedschaft sei auch nicht durch einen Antrag des Klägers begründet worden. Es könne dahinstehen, welche Angaben der Kläger auf dem Antragsformular selbst gemacht habe. Sollte den Ausführungen des Klägers zu folgen sein, wollte er bereits keine freiwillige Mitgliedschaft begründen. Käme diesem Umstand keine Bedeutung zu, wäre er jedenfalls nicht an seine Antragstellung gebunden. Dies ergebe sich aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, weil die Beklagte eine Betreuungspflicht verletzt habe. Die Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger nicht über die Alternativen zur Antragstellung vom 02.08.2005 und über die Folgen der Antragstellung aufgeklärt und beraten worden sei. Der Beklagten sei es daher nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Antragstellung zu berufen. Die Beklagte treffe die Verpflichtung, den Bescheid vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2006 gemäß § 44 SGB X aufzuheben. Der Bescheid vom 07.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 sei vom Gericht aufzuheben, da mit ihm zu Unrecht der Erlass eines Zugunstenbescheides gemäß § 44 SGB X von der Beklagten abgelehnt wurde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 24.08.2007 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Sie führt aus, letztlich sei Gegenstand des Rechtsstreits die errechnete Beitragsnachforderung. Gemäß § 191 SGB V, bestehe die freiwillige Mitgliedschaft über den 31.05.2001 hinaus, da sie erst zum 28.02.2005 gekündigt wurde. Zum anderen wird auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers vom 02.08.2005 hingewiesen. Die Argumentation des Sozialgerichts Nürnberg sei auch insofern fehlerhaft, als es davon ausgehe, die freiwillige Mitgliedschaft sei gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum 31.05.2001 beendet worden. Die fälschlich angenommene Pflichtmitgliedschaft aufgrund der Beschäftigung des Klägers ab 01.06.2001 habe die freiwillige Mitgliedschaft nicht beendet. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme nicht zum Tragen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt die Beklagte,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sei von der zuständigen Einzugsstelle ab 01.06.2001 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter geführt worden. Die Beklagte habe ab dem 01.06.2001 für den Kläger eine Pflichtversicherung tatsächlich durchgeführt. Die rückwirkende Umwandlung der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige selbständige Mitgliedschaft sei vom Kläger nicht beantragt worden. Das entsprechende Formular sei nicht nur von ihm ausgefüllt worden. Im Übrigen sei das Sozialgericht zutreffend von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung nach § 140 SGG bedarf, ist zulässig und begründet. Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten wurde nicht vor dem 28.02.2005 beendet. Gemäß § 191 SGB V endet die freiwillige Mitgliedschaft mit 1. dem Tod des Mitglieds, 2. Beginn einer Pflichtmitgliedschaft oder 3. dem Wirksamwerden der Kündigung. Die Kündigung wurde erst am 28.02.2005 wirksam, zum 01.06.2001 war keine Pflichtmitgliedschaft des Klägers entstanden.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts, dass die Beklagte eine Betreuungspflicht verletzt habe und dem Kläger deshalb ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zusteht, nicht an. Voraussetzung dieses Anspruchs ist die Pflichtverletzung eines Leistungsträgers, die zu einem (rechtlichen) Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen (insbesondere Anwartschaften, Ansprüchen, Leistungen) geführt hat, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind und insbesondere dem betroffenen Bürger zu Gute kommen soll. Der Anspruch geht auf Herstellung des Zustandes, der eingetreten wäre, wenn die Verwaltung sich nicht rechtswidrig verhalten hätte (Seewald, Kasskomm Rn. 30 zu Vorbemerkungen vor §§ 38 bis 47). Grundsätzlich kann jedes rechtswidrige Verhalten des Leistungsträgers einen Herstellungsanspruch auslösen. Die Rechtsprechung lässt bestimmte typische Pflichtverletzungen und somit Fallgruppen erkennen, wozu insbesondere die fehlerhafte Beratung oder Auskunft führen kann (Kasskomm a.a.O.). Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung bereits ausführlich erörtert, hat die Beklagte keine Betreuungspflicht oder Beratungspflicht verletzt. Nach § 14 SGB I hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch (SGB). Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Der Kläger hat der Beklagten keine Möglichkeit gegeben, ihn bezüglich seiner Versicherung zu beraten. Er hat sich zu Beginn der von ihm behaupteten Pflichtmitgliedschaft nicht an die Beklagte gewendet. Ein Betreuungs- und Beratungsbedarf konnte deshalb für die Beklagte nicht ersichtlich sein, kausal für die fehlende Beratung war der fehlende Kontakt des Klägers mit der Beklagten. Denn wenn während einer ungekündigten freiwilligen Krankenversicherung irrtümlich eine Pflichtversicherung gemeldet war, berührt dies die fortbestehende freiwillige Versicherung nicht und löst auch keine besonderen Aufklärungspflichten aus. Es bleibt unklar, wozu die Beklagte zu welchem Zeitpunkt welchen Rat hätte erteilen können.
Es besteht dann auch keine Notwendigkeit, rückwirkend die freiwillige Mitgliedschaft zu beantragen. Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, unter welchen Umständen und mit welcher Motivation der am 02.08.2005 unterschriebene Antrag des Klägers auf freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten ab 01.10.2001 gestellt wurde.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger an die Beklagte freiwillige Beiträge für die Zeit vom 01.06.2001 bis 28.02.2005 zu entrichten hat.
Der Kläger ist Arzt. Er war bis 31.05.2001 bei der Beklagten freiwillig versichert. Die LVA Westfalen hat mit Bescheid vom 25.05.2005 der L. Verwaltungs GmbH mitgeteilt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.10.2001 bis 31.01.2003 als alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Alleingesellschafter/Geschäftsführer für das Unternehmen tätig war und in diesem Zusammenhang zur Sozialversicherung angemeldet war. Die Einzugsstelle habe eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung noch nicht vorgenommen. Der Kläger sei in diesem Anstellungsverhältnis nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen. Die Beklagte wurde von diesem Bescheid in Kenntnis gesetzt. Am 02.08.2005 unterzeichnete der Kläger einen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft nach vorangegangener Versicherung bei der BKK für Heilberufe zum 01.06.2001. Die Beklagte hat daraufhin der L. GmbH und Co. KG mitgeteilt, die Mitgliedschaft des Klägers werde rückwirkend in eine freiwillige umgewandelt. Es sollten Korrekturnachweise eingereicht werden. Die zuviel gezahlten Beiträge würden umgehend zurückerstattet. Der Arbeitnehmeranteil des Klägers werde auf das freiwillige Beitragskonto umgebucht. Mit Bescheid vom 29.12.2005 wurde dann dem Kläger mitgeteilt, er sei nachträglich als freiwilliges Mitglied eingestuft. Er habe Beiträge in Höhe von 16.448,69 Euro zu bezahlen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2006 zurückgewiesen.
Am 30.06.2006 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X ein. Am 07.07.2006 überwies der Kläger die geforderte Summe an die Beklagte.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 07.08.2006 deutete die Beklagte den Überprüfungsantrag in einen Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes um, den sie für zulässig, aber nicht begründet hielt. Der Kläger habe die freiwillige Mitgliedschaft am 02.08.2005 ab 01.08.2001 beantragt, diesem Antrag sei entsprochen worden. Deshalb seien Beiträge zu bezahlen. Hiergegen wurde am 01.09.2006 Widerspruch eingelegt, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, der Kläger sei zunächst als versicherungspflichtiger abhängig Beschäftigter gesetzlich kranken- und pflegeversichert gewesen. Es sei nicht zutreffend, dass die rückwirkende Durchführung einer freiwilligen Mitgliedschaft beantragt worden sei. Der Antrag sei irrtümlich erfolgt. Das Formular sei auch nicht vollständig vom Kläger ausgefüllt worden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2007 zurückgewiesen. Der originäre Beendigungsgrund der seit 01.10.1999 bestehenden freiwilligen Mitgliedschaft, der Eintritt einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft, sei durch die Feststellungen der LVA (rückwirkende Stornierung der versicherungspflichtigen Mitgliedschaft), entfallen. Damit bestehe die freiwillige Mitgliedschaft über den 31.05.2001 hinaus bis zur Wirksamkeit der Kündigung am 28.02.2005 fort.
Hiergegen richtet sich die am 24.05.2007 beim Sozialgericht Nürnberg eingegangene Klage, zu deren Begründung vorgetragen wird, der Kläger habe keinen Antrag auf die rückwirkende Durchführung einer freiwilligen Mitgliedschaft gestellt.
Das Sozialgericht hat am 24.07.2007 die Beklagte verurteilt, die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben. Für den Kläger sei für die Zeit vom 01.06.2001 bis 28.02.2005 kein freiwilliges Mitgliedschaftsverhältnis bei der Beklagten durchzuführen. Der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2006 sei deshalb gemäß § 44 SGB X aufzuheben. Die freiwillige Mitgliedschaft sei wegen der ab 01.06.2001 durchgeführten vorrangigen Pflichtmitgliedschaft zum 31.05.2001 beendet gewesen. Ob diese zu Recht durchgeführt wurde oder nicht, sei unerheblich. Eine freiwillige Mitgliedschaft sei auch nicht durch einen Antrag des Klägers begründet worden. Es könne dahinstehen, welche Angaben der Kläger auf dem Antragsformular selbst gemacht habe. Sollte den Ausführungen des Klägers zu folgen sein, wollte er bereits keine freiwillige Mitgliedschaft begründen. Käme diesem Umstand keine Bedeutung zu, wäre er jedenfalls nicht an seine Antragstellung gebunden. Dies ergebe sich aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, weil die Beklagte eine Betreuungspflicht verletzt habe. Die Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger nicht über die Alternativen zur Antragstellung vom 02.08.2005 und über die Folgen der Antragstellung aufgeklärt und beraten worden sei. Der Beklagten sei es daher nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Antragstellung zu berufen. Die Beklagte treffe die Verpflichtung, den Bescheid vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2006 gemäß § 44 SGB X aufzuheben. Der Bescheid vom 07.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 sei vom Gericht aufzuheben, da mit ihm zu Unrecht der Erlass eines Zugunstenbescheides gemäß § 44 SGB X von der Beklagten abgelehnt wurde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 24.08.2007 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Sie führt aus, letztlich sei Gegenstand des Rechtsstreits die errechnete Beitragsnachforderung. Gemäß § 191 SGB V, bestehe die freiwillige Mitgliedschaft über den 31.05.2001 hinaus, da sie erst zum 28.02.2005 gekündigt wurde. Zum anderen wird auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers vom 02.08.2005 hingewiesen. Die Argumentation des Sozialgerichts Nürnberg sei auch insofern fehlerhaft, als es davon ausgehe, die freiwillige Mitgliedschaft sei gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum 31.05.2001 beendet worden. Die fälschlich angenommene Pflichtmitgliedschaft aufgrund der Beschäftigung des Klägers ab 01.06.2001 habe die freiwillige Mitgliedschaft nicht beendet. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme nicht zum Tragen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt die Beklagte,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sei von der zuständigen Einzugsstelle ab 01.06.2001 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter geführt worden. Die Beklagte habe ab dem 01.06.2001 für den Kläger eine Pflichtversicherung tatsächlich durchgeführt. Die rückwirkende Umwandlung der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige selbständige Mitgliedschaft sei vom Kläger nicht beantragt worden. Das entsprechende Formular sei nicht nur von ihm ausgefüllt worden. Im Übrigen sei das Sozialgericht zutreffend von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung nach § 140 SGG bedarf, ist zulässig und begründet. Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten wurde nicht vor dem 28.02.2005 beendet. Gemäß § 191 SGB V endet die freiwillige Mitgliedschaft mit 1. dem Tod des Mitglieds, 2. Beginn einer Pflichtmitgliedschaft oder 3. dem Wirksamwerden der Kündigung. Die Kündigung wurde erst am 28.02.2005 wirksam, zum 01.06.2001 war keine Pflichtmitgliedschaft des Klägers entstanden.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts, dass die Beklagte eine Betreuungspflicht verletzt habe und dem Kläger deshalb ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zusteht, nicht an. Voraussetzung dieses Anspruchs ist die Pflichtverletzung eines Leistungsträgers, die zu einem (rechtlichen) Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen (insbesondere Anwartschaften, Ansprüchen, Leistungen) geführt hat, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind und insbesondere dem betroffenen Bürger zu Gute kommen soll. Der Anspruch geht auf Herstellung des Zustandes, der eingetreten wäre, wenn die Verwaltung sich nicht rechtswidrig verhalten hätte (Seewald, Kasskomm Rn. 30 zu Vorbemerkungen vor §§ 38 bis 47). Grundsätzlich kann jedes rechtswidrige Verhalten des Leistungsträgers einen Herstellungsanspruch auslösen. Die Rechtsprechung lässt bestimmte typische Pflichtverletzungen und somit Fallgruppen erkennen, wozu insbesondere die fehlerhafte Beratung oder Auskunft führen kann (Kasskomm a.a.O.). Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung bereits ausführlich erörtert, hat die Beklagte keine Betreuungspflicht oder Beratungspflicht verletzt. Nach § 14 SGB I hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch (SGB). Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Der Kläger hat der Beklagten keine Möglichkeit gegeben, ihn bezüglich seiner Versicherung zu beraten. Er hat sich zu Beginn der von ihm behaupteten Pflichtmitgliedschaft nicht an die Beklagte gewendet. Ein Betreuungs- und Beratungsbedarf konnte deshalb für die Beklagte nicht ersichtlich sein, kausal für die fehlende Beratung war der fehlende Kontakt des Klägers mit der Beklagten. Denn wenn während einer ungekündigten freiwilligen Krankenversicherung irrtümlich eine Pflichtversicherung gemeldet war, berührt dies die fortbestehende freiwillige Versicherung nicht und löst auch keine besonderen Aufklärungspflichten aus. Es bleibt unklar, wozu die Beklagte zu welchem Zeitpunkt welchen Rat hätte erteilen können.
Es besteht dann auch keine Notwendigkeit, rückwirkend die freiwillige Mitgliedschaft zu beantragen. Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, unter welchen Umständen und mit welcher Motivation der am 02.08.2005 unterschriebene Antrag des Klägers auf freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten ab 01.10.2001 gestellt wurde.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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