Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 4412/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 518/09 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Aussetzung der Vollstreckung, wenn entstehender Nachteil nicht durch die Beklagte glaubhaft gemacht wird.
Der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.04.2009 - S 3 R 4412/08 - auszusetzen, wird abgelehnt.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht Nürnberg hat die Beklagte am 29.04.2009 verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 eine Witwenrente zu gewähren. Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Voraussetzungen des § 46 Abs 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen vor. Die Vermutung, dass bei kurzer Ehedauer die Heirat der Versorgung des überlebenden Ehegatten diene, sei vom Kläger nicht widerlegt worden.
Zudem hat die Beklagte beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des SG auszusetzen. Es bestehe die Gefahr, dass aufgrund der vorläufigen Urteilsausführung zu Unrecht gezahlte Leistungen nicht zurückgefordert werden könnten. Zwar enthalte der Ausführungsbescheid einen Rückforderungsvorbehalt, dadurch sei jedoch nicht sichergestellt, dass die vorläufigen Leistungen auch tatsächlich zurückerstattet würden, wenn das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg hätte. Gegebenenfalls stünde auch eine besondere Härte einer Rückforderung entgegen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akte S 3 R 4412/08 Bezug genommen.
II.
Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 199 Abs 1 SGG liegt vor.
Die Berufung der Beklagten hat hinsichtlich der Beträge, die für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils bezahlt werden sollen, keine aufschiebende Wirkung (§ 154 Abs 2 SGG). Die Beklagte ist daher verpflichtet, die sogenannte Urteilsrente anzuweisen, die aber wieder zu erstatten ist, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage § 199 Rdnr 8), wobei der in § 154 Abs 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).
Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine im Ergebnis rechtswidrig gezahlte Urteilsrente vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden dürfe, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher "Härtefall" bestehen (vgl BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).
Vorliegend sind die Aussichten des Hauptsacheverfahrens zugunsten der Beklagten allenfalls als offen anzusehen. Es ist daher zu prüfen, ob ein Nachteil im oben genannten Sinn von der Beklagten glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist nicht der Fall. Die Beklagte hat lediglich auf eine eventuell entfallende Rückforderungsmöglichkeit bei Vorliegen eines Härtefalls hingewiesen. Sie hat jedoch keinerlei Angaben dazu gemacht, weshalb eine Erstattungsmöglichkeit des Klägers ausgeschlossen sein solle. Hierzu sind u.a. die gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers glaubhaft darzutun. Daran fehlt es bereits.
Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachteils im oben genannten Sinn ist das Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Vollstreckungsgläubigers nicht zu überprüfen.
Von einem Ausnahmefall ist nicht auszugehen, der Antrag ist abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht Nürnberg hat die Beklagte am 29.04.2009 verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 eine Witwenrente zu gewähren. Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Voraussetzungen des § 46 Abs 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen vor. Die Vermutung, dass bei kurzer Ehedauer die Heirat der Versorgung des überlebenden Ehegatten diene, sei vom Kläger nicht widerlegt worden.
Zudem hat die Beklagte beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des SG auszusetzen. Es bestehe die Gefahr, dass aufgrund der vorläufigen Urteilsausführung zu Unrecht gezahlte Leistungen nicht zurückgefordert werden könnten. Zwar enthalte der Ausführungsbescheid einen Rückforderungsvorbehalt, dadurch sei jedoch nicht sichergestellt, dass die vorläufigen Leistungen auch tatsächlich zurückerstattet würden, wenn das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg hätte. Gegebenenfalls stünde auch eine besondere Härte einer Rückforderung entgegen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akte S 3 R 4412/08 Bezug genommen.
II.
Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 199 Abs 1 SGG liegt vor.
Die Berufung der Beklagten hat hinsichtlich der Beträge, die für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils bezahlt werden sollen, keine aufschiebende Wirkung (§ 154 Abs 2 SGG). Die Beklagte ist daher verpflichtet, die sogenannte Urteilsrente anzuweisen, die aber wieder zu erstatten ist, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage § 199 Rdnr 8), wobei der in § 154 Abs 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).
Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine im Ergebnis rechtswidrig gezahlte Urteilsrente vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden dürfe, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher "Härtefall" bestehen (vgl BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).
Vorliegend sind die Aussichten des Hauptsacheverfahrens zugunsten der Beklagten allenfalls als offen anzusehen. Es ist daher zu prüfen, ob ein Nachteil im oben genannten Sinn von der Beklagten glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist nicht der Fall. Die Beklagte hat lediglich auf eine eventuell entfallende Rückforderungsmöglichkeit bei Vorliegen eines Härtefalls hingewiesen. Sie hat jedoch keinerlei Angaben dazu gemacht, weshalb eine Erstattungsmöglichkeit des Klägers ausgeschlossen sein solle. Hierzu sind u.a. die gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers glaubhaft darzutun. Daran fehlt es bereits.
Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachteils im oben genannten Sinn ist das Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Vollstreckungsgläubigers nicht zu überprüfen.
Von einem Ausnahmefall ist nicht auszugehen, der Antrag ist abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG).
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