L 9 AL 122/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 841/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 122/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach Erhebung eines ersten Klageverfahrens steht einem zweiten Klageverfahren gegen Bescheide, die nach § 96 SGG Gegenstand des ersten Klageverfahrens geworden sind, nach rechtskräftiger Entscheidung in diesem ersten Klageverfahren die Rechtskraft dieser Entscheidung entegen, führt also zur Unzulässigkeit der zweiten Klage.
Diese sogenannte materielle Rechtskraft (innere Rechtskraft) dieser Entscheidung bedeutet, dass die Entscheidung für das Gericht und die Beteiligten in der sache grundsätzlich bindend ist. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Sie soll den Streut zwischen den Beteiligten endgültig beilegen, denn der Streit über denselben Streitgegenstand soll nicht wiederholt werden.
Wenn über einen Streitgegenstand durch das Gericht rechtskräftig entschieden ist, sind weitere Rechtsstreitigkeiten über die gleiche Frage wegen der dann gegebenen sogenannten "materiellen Rechtskraft" dieser Entscheidung grundsätzlich nicht mehr möglich.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:



Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine höheres Arbeitslosengeld (Alg) bzw. höhere Arbeitslosenhilfe(Alhi) zu zahlen und ihrem Ehemann einen Lohnkostenzuschuss.

Die 1948 geborene Klägerin war u.a. als Sekretärin beschäftigt. Später bezog sie Alg vom 1.3.1993 bis 27.12.1994 (Bemessungsentgelt von wöchentlich 1.160,- DM).

Im Anschluss daran war sie nach den Angaben einer Arbeitsbescheinigung im Maklerunternehmen ihres Ehemanns in M ... beschäftigt, ab 1.1.1995 als Kundendienst-Mitarbeiterin, ab 1.7.1995 als Geschäftsführerin. Für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.1995 weist die Arbeitsbescheinigung ein Arbeitsentgelt von 45.000,- DM aus, ferner ein 13. Monatsgehalt von 7.500,- DM und einen "Abstandurlaub" von 10.000,- DM.

Nach ihren Angaben bezog die Klägerin vom 3.1.1996 bis 2.7.1996 Alg, vom 3.7.1996 bis 8.1.2001 Alhi. Die ab 1.1.2001 bewilligte Alhi betrug wöchentlich 177,80 DM (Bemessungsentgelt von 430,- DM). Schon seit dem 01.04.1996 legte die Beklagte dem Alg und später der Alhi ein Bemessungsentgelt zu Grunde, das unter demjenigen lag, das sie der Alg-Zahlung für den Zeitraum vom 01.03.1993 bis zum 27.12.1994 zu Grunde gelegt hatte.

Gegen verschiedene der jeweiligen Bewilligungsbescheide für den Leistungsbezug ab dem 3.1.1996 ging die Klägerin mit Widersprüchen, Klagen und Berufungen vor, so gegen den Bescheid vom 18.1.1996 und den Bescheid vom 22.4 1996 mit Widerspruch, gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.11.1996 mit Klage und auch Untätigkeitsklage und gegen die Entscheidungen des Sozialgerichts (SG) Magdeburg vom 17.2.1996 ( Az.: S 14 AL 433/96) und 27.3.1997 (Az.: S 14 AL 552/96) mit einer Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Sachsen - Anhalt. Das LSG Sachsen - Anhalt wies mit Urteil vom 17.2.1998 (Az.: L 2 AL 5/97 und L 2 AL 41/97) die Berufung der Klägerin zurück. Die Klägerin habe höchstens ein Entgelt von 2.000,00 DM und nicht von 7.500,00 DM erzielen können. Dementsprechend habe die Beklagte das Alg bzw. Alhi richtig berechnet.

Entsprechend dem Urteil des LSG Sachsen - Anhalt vom 17.2.1999 bewilligte die Beklagte das Alg und die Alhi neu. Gegen die Ausführungsbescheide und Erstattungsbescheide der Beklagten jeweils vom 12.3.1998 legte die Klägerin Widerspruch ein, genauso gegen einen Leistungsnachweis vom 16.3.1998 und gegen eine Zahlungsaufforderung vom 17.3.1998. Gegen die von der Beklagten erlassenen Widerspruchsbescheide vom 3.11.1999, vom 12.11.1999, vom 22.6.1998 (Zahlungsaufforderung) und vom 22.6.1998 (Leistungsnachweis) erhob sie Klage (Rechtsstreit vor dem SG Magdeburg Az.: ). Sie machte wiederum geltend, Alg und Alhi seien zu gering berechnet. Eine Wiederaufnahmeklage zum LSG Sachsen - Anhalt die Höhe des Arbeitslosengeldes ab dem 3.1.1996 betreffend blieb, ohne Erfolg (Urteil des LSG Sachsen - Anhalt vom 28.3.2000 Az.: L 2 AL 55/99).

Auch die abschlägige Entscheidung der Beklagten über einen Überprüfungsantrag die Höhe des Leistungsbezuges ab dem 3.7.1997 betreffend (Bescheid vom 6.10.1999, Widerspruchsbescheid vom 27.10.1999) bestätigte das SG Magdeburg mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 19.12.2002 (Az.: S 14 AL 583/99). Die Überprüfungsanträge vom 18.5.2000 und vom 26.5.2000 betreffend Beginn und Höhe der Leistung ab 01/1996, verbeschied die Beklagte mit dem Bescheid vom 06.06.2000 und vom 14.6.2000 negativ. Gegen diese beiden mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehenen und am 9. und 15.6.2000 mit PZU zugestellten Bescheide hat die Klägerin keinen Widerspruch erhoben.

Nach dem Umzug nach München meldete sie sich arbeitslos und beantragte am 11.1.2001 beim dortigen Arbeitsamt Arbeitslosenhilfe.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 30.5.2001 und Ergänzungsschreiben vom 29.5.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alhi für die Zeit bis 22.3.2001 ab, da der Ehemann der Klägerin bis 22.3.2001 Krankengeld (Kg) von monatlich 3.218,40 DM beziehe und der daraus sich ergebende Anrechnungsbetrag in Höhe von 180,41 DM den Leistungssatz auf Alhi von 126,56 DM übersteige.

Mit Bescheid vom 7.6.2001 bewilligte die Beklagte Alhi ab 23.3.2001 bis zum 2.7.2002 (Bemessungsentgelt wöchentlich 430,- DM). Angerechnet wurde ein Betrag von wöchentlich 66,85 DM aus dem Alg-Bezug des Ehemanns, das dieser ab diesem Zeitpunkt erhielt. Nach Anrechnung des Einkommens ergab sich ein Zahlbetrag von wöchentlich 59,71 DM.

Mit dem am 13.6.2001 gegen die Bescheide vom 30.5.2001 und 7.6.2001 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin ein Bemessungsentgelt von 1160,- DM geltend, das bis 27.12.1994 berücksichtigt worden sei. Weiter habe die Beklagte den "Rücknahmeantrag" vom 26.5.2000 noch nicht verbeschieden. Dieser beziehe sich auf den Alg-Bescheid vom 18.1.1996/22.4.1996. Sie habe ein monatliches Arbeitsentgelt von 7.500,- DM mit weiteren Leistungen erzielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.8.2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7.6.2001 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, weil der Bescheid entgegen seiner Rechtsbehelfsbelehrung Gegenstand des beim SG Magdeburg anhängigen Klageverfahrens (Az.: ) geworden sei.

Mit der bei dem SG München erhobenen Klage vom 21.5.2001 hat die Klägerin wiederum eine Bescheidung ihres Leistungsantrags vom 11.1.2001/24.2.2001, die Gewährung von Alhi ab 11.1.2001 nach dem Bemessungsentgelt 1994 nebst Anpassungen und die Bescheidung des Rücknahmeantrags vom 26.5.2000 geltend gemacht.

In der Klageerwiderung hat die Beklagte auf die Bescheide vom 29.5.2001 und vom 7.6.2001 hingewiesen, in denen sie über den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Alhi ab 11.1.2001 nach dem Bemessungsentgelt 1994 nebst Anpassungen entschieden hatte.

Neben dem laufenden Klageverfahren vor dem SG Magdeburg und dem SG München hat die Klägerin am 8.10.2001 einen Überprüfungsantrag betreffend den Bescheid über die Bewilligung von Alhi vom 6.6.2001(Alhi ab dem 23.3.2001) gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 12.2.2002 und Widerspruchsbescheid 9.4.2002 zurückgewiesen hat. Die Alhi sei richtig berechnet und der Bescheid werde Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG Magdeburg (Az.: ).

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.8.2001 also (s.o.) wies die Beklagte den gegen den Bewilligungsbescheid vom 7.6.2001 eingelegten Widerspruch wegen der beim SG Magdeburg rechtshängigen streitigen Höhe der Alhi (Rechtstreit mit dem Az.: ) als unzulässig zurück. Der Bescheid vom 7.6.2001 sei entgegen der Rechtsmittelbelehrung Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG Magdeburg geworden.

In der weiteren Klageerwiderung hat die Beklagte die Abweisung der Klage vor dem SG München beantragt. Mit Bescheid vom 6.6.2000 sei der Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vom 25.6.2000 (gemeint war offensichtlich: 26.5.2000) verbeschieden worden. Das Kg des Ehemannes sei auf die Alhi der Klägerin anzurechnen. Die Berechnung sei ordnungsgemäß erfolgt. Hinsichtlich des gestellten Antrags der Firma M ... Immobilien D. H. A. auf Lohnkostenzuschuss (Antrag vom 20.12.1994, Bescheid vom 12.4.1995, Widerspruchsbescheid vom 14.7.1995) hat die Beklagte auf eine rechtskräftige Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt unter dem Az.: verwiesen.

Den Bewilligungsbescheid vom 22.10.2001, mit dem der Klägerin ab 19.9.2001 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 2.7.2002 Alhi in Höhe von wöchentlich 126,56 DM (Bemessungsentgelt: 430,- DM) ohne Anrechnung von Ehegatteneinkommen bewilligt wurde, hat die Beklagte ebenfalls zum Gegenstand des beim SG Magdeburg anhängigen Verfahrens gemacht. Gleiches gilt für die Folgebescheide, zum einen vom 08.01.2002 (Bewilligung von Alhi ab 1.1.2002), zum anderen den Bescheid vom 13.09.2002 (Bewilligung von Alhi ab 2.7.2002 und zum Dritten den Bescheid vom 18.01.2003, mit dem ab 1.1.2003 Alhi bewilligt wurde.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.8.2003 hat die Beklagte dann die Bewilligung von Alhi ab 15.12.2002 wegen fehlender Verfügbarkeit der Klägerin aufgehoben und die entsprechenden Leistungen zurückgefordert. Im Zeitpunkt der Aufhebung wohnte die Klägerin bereits im F.Ring in S ...

Das SG Magdeburg hat mit seinem nach Rechtskraftvermerk seit 15.2.2003 rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 20.12.2002 die unter dem Az.: S 14 AL 469/99 anhängige Klage abgewiesen. Der Änderungsbescheid vom 12.03.1998 bezüglich der Höhe des Alg sei weder nichtig noch rechtswidrig. Es sei das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen Anhalt (Az.: L 2 AL 5/97 und L 2 AL 41/97) umgesetzt worden. Ein Widerspruch gegen eine Zahlungsaufforderung sei unzulässig. Der Leistungsnachweis vom 16.3.1998 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Erstattungsbescheid vom 12.3.1998 sei rechtmäßig. Ebenso stehe der Klägerin ab dem 3.7.1997 kein höheres Alg zu. Das Verfahren hierüber sei mit Gerichtsbescheid des SG Magdeburg vom 19.12.2002 (Az.: S 14 AL 583/99) betreffend den Überprüfungsbescheid vom 06.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.1999 beendet.

Mit Urteil vom 22.2.2005 hat das SG München die Klage als unzulässig abgewiesen. Im Zeitpunkt der Klageerhebung am 29.5.2001 habe der Zulässigkeit der Klage vor dem SG München hinsichtlich der Höhe der zustehenden Alhi die bereits anhängige Klage vor dem SG Magdeburg unter dem Az.: entgegen gestanden. Die Frage der Herabsetzung des Bemessungsentgeltes auf wöchentlich 430,- DM sei Streitgegenstand dieses Verfahrens gewesen. Die Beklagte habe deshalb zu Recht sämtliche Bewilligungsbescheide nach dem Umzug der Klägerin nach München und der dortigen Beantragung von Alhi ab dem 11.1.2001 zum Gegenstand des am SG Magdeburg anhängigen Verfahrens gemacht. Wegen der Einheitlichkeit des Arbeitslosenhilfeanspruchs sei auch die Frage des Anrechnungsbetrages des Ehegatteneinkommens, der zeitweilig zum völligen Entfallen bzw. zur Kürzung des Arbeitslosenhilfeanspruchs ab 11.1.2001 führte, Streitgegenstand der Klage beim SG Magdeburg gewesen. Eine Sachentscheidung sei durch das dortige Sozialgericht am 20.12.2002 mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid getroffen (). Auch hinsichtlich des beantragten Lohnkostenzuschusses liege eine rechtskräftige Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt unter dem Az.: vor.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 9.4.2005 begehrt die Klägerin eine höhere Alhi für die Zeiträume vom 11.1.2001 bis 22.3.2001 sowie vom 23.3.2001 bis zum 2.7.2002, eine Verbescheidung eines am 8.10.2002 gestellten Überprüfungsantrags, die Zahlung von Alhi den letzten Zeitraum betreffend also die Zeit vom 23.3.2001 bis zum 2.7.2002 und wiederum ein höheres Alg für die Zeit ab dem 3.1.1996. Schließlich eine Neuverbescheidung des Antrags ihres Ehemanns auf Zahlung eines Lohnkostenzuschusses. Seit dem 1.1.2005 beziehe sie Alg II. Die Rechtshängigkeit des Streitstoffes in Magdeburg könne die Rechtshängigkeit in München nicht berühren. Die Entscheidung des SG Magdeburg (Az.: ) habe keine Relevanz.

In ihrer Berufungserwiderung verweist die Beklagte auf das erstinstanzliche Urteil. Es sei ihr nicht erklärlich, warum die Klägerin in dem seit März 1997 beim SG Magdeburg anhängigen Verfahren nichts vorgetragen habe. Die Klägerin habe wohl die Gerichtsbescheide des SG Magdeburg akzeptiert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.2.2005 sowie die Bescheide vom 30.5.2001 und 7.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2001 und den Bescheid vom 12.2.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.4.2002, den Bescheid vom 12.4.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.1995, die Bescheide vom 18.1.1996 und 22.4.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.1996 aufzuheben, ihr ein höheres Alg bzw. höhere Alhi zu zahlen und ihrem Ehemann einen Lohnkostenzuschuss.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des SG München, der Akten des SG Magdeburg und die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.

Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da die Klägerin ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen wurde und hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 126 SGG).

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 30.5.2001, in dem die Beklagte die Zahlung von Alhi vom 11.1.2001 bis 22.3.2001 abgelehnt hat, zudem der Bescheid vom 7.6.2001, in dem die Beklagte Alhi ab dem 23.3.2001 bis zum 2.7.2002 bewilligt hat, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2001. Streitgegenstand ist auch der Bescheid vom 12.2.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.4.2002 den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X betreffend, mit dem die Beklagte eine der Klägerin höhere zu zahlenden Alhi für die Zeit vom 23.3.2001 bis zum 2.7.2002 abgelehnt hat. Streitgegenstand ist weiter die Behauptung der Klägerin, der Bescheid vom 18.1.1996 - in dem ihr ab dem 3.1.1996 vorläufig Alg bewilligt wurde - und der Bescheid vom 22.4.1996 - in dem ihr ab dem 3.1.1996 endgültig Alg bewilligt wurde - beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.1996 verletzten sie in ihren Rechten. Streitgegenstand ist schließlich das Begehren der Klägerin, den Bescheid vom 12.4.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.7.1995 aufzuheben. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Antrag ihres Ehemanns auf Zahlung eines Lohnkostenzuschusses abgelehnt.

Nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und die Rechtsnachfolger soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. § 144 SGG regelt die sogenannte materielle Rechtskraft. Diese tritt ein, wenn die Entscheidung endgültig, d.h. formell rechtskräftig ist.

Formell rechtskräftig (§ 202 SGG in Verbindung mit § 705 Zivilprozessordnung ) sind unanfechtbare Entscheidungen. Der formellen Rechtskraft fähig sind Urteile, Gerichtsbescheide (§ 105 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 SGG) und Beschlüsse, die selbständig anfechtbar oder unanfechtbar sind (vgl.: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9.Auflage 2008, § 141, Rn. 2). Formelle Rechtskraft tritt ein mit Ablauf der Rechtsmittelfrist, wenn kein Rechtsmittel eingelegt worden ist oder mit Rechtskraft der über das Rechtsmittel ergehenden Entscheidung, wenn ein an sich statthaftes Rechtsmittel fristgemäß eingelegt worden ist und als unbegründet zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen worden ist (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn. 2 a). Gerichtsbescheide stehen einem rechtskräftigen Urteil gleich, wenn nicht fristgemäß ein Rechtsmittel eingelegt oder Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt ist (§ 105 Abs. 2 SGG).

Materielle Rechtskraft (innere Rechtskraft) bedeutet, dass die Entscheidung für das Gericht und die Beteiligten in der Sache grundsätzlich bindend ist. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Sie soll den Streit zwischen den Beteiligten endgültig beilegen, denn der Streit über denselben Streitgegenstand soll nicht wiederholt werden (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.). Der materiellen Rechtskraft fähig sind die Urteile, mit denen vorbehaltlos entschieden wird, ebenso wie Gerichtsbescheide und Beschlüsse, soweit sie eine selbständige und endgültige Entscheidung treffen.

Die Wirkungen der Rechtskraft sind von Amts wegen zu beachten. Sie sind neben der Präklusion und der Präjudizialität insbesondere die Unzulässigkeit neuer Klagen. Die Rechtskraft wirkt, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist und soweit im ersten Prozess entschieden wurde. Die Rechtskraft setzt also die Identität des Streitgegenstands voraus.

Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 95 Rn. 5 ff). Wesentlich ist, dass der Streitgegenstand durch den Antrag des Klägers umrissen wird (Dispositionsbefugnis). Außer durch den Klageantrag wird der Streitgegenstand durch den vorgetragenen oder von Amts wegen ermittelten Lebenssachverhalt umrissen (a.a.O). Streitgegenstand bei der Anfechtungsklage ist die Behauptung des Klägers, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig und enthalte einen Eingriff in seine Rechtssphäre. Streitgegenstand bei der Verpflichtungsklage ist die Behauptung des Klägers, Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts seien rechtswidrig und würden ihn in seinen Rechten verletzen. Bei der Leistungsklage ist der Streitgegenstand ein aus einem bestimmten Sachverhalt abgeleiteter Anspruch des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zu der begehrten Leistung.

Nach § 96 SGG in der Fassung des Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, (BGBl. I S. 444) wird nach der Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann zum Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Voraussetzung ist, dass wegen des ursprünglichen Verwaltungsakts Klage erhoben worden ist, also Rechtshängigkeit eingetreten ist ( § 94 SGG). Typisch nach § 96 SGG einzubeziehende Bescheide sind solche, durch die Leistungen neu festgestellt werden (Änderungsbescheide) oder entzogen werden (Aufhebungsbescheide) und Bescheide, mit denen die Behörde eine Rücknahme oder ein Tätigwerden nach § 44 SGB X ablehnt (vgl.: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 96 Rn. 4 b, 9 e). § 96 SGG gilt auch im Berufungsverfahren. Im Rechtsstreit um die Bemessung von Alg sind die Folgebescheide zur Leistungshöhe in der Regel über
§ 96 SGG einzubeziehen.

Soweit die Klägerin die Zahlung von Alhi ab dem 11.1.2001 nach dem Bemessungsentgelt 1994 sowie Anpassungen und Dynamisierungen unter Aufhebung des Bescheides vom 30.5.2001 und des Bescheides vom 7.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2001 geltend macht, ist die Berufung unbegründet. Der Berufung steht die Rechtskraft des Gerichtsbescheids des SG Magdeburg vom 20.12.2002 (Az.: ) entgegen.

Mit der zum SG Magdeburg erhobenen Klage vom 20.7.1998, eingegangen am
22.7.1998, hat sich die Klägerin zum 1. gegen den das Urteil des LSG Sachsen - Anhalt vom 17.2.1998 umsetzenden Änderungsbescheid vom 12.3.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.11.1999, zum 2. gegen den Leistungsnachweis vom 16.3.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.6.1998, zum 3. gegen die Zahlungsauforderung vom 17.3.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.6.1998 und zum 4. im Laufe des Klageverfahrens auch gegen den Überprüfungsbescheid vom 6.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.1999 gewandt.

Während der Rechtshängigkeit dieses Rechtsstreits sind der Bescheid vom 30.5.2001 und vom 7.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.8.2001 nach § 96 SGG Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden, genauso wie der Bescheid vom 12.2.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.4.2002 den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 8.10.2002 betreffend. Über diese Streitgegenstände hat das SG Magdeburg mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2002 rechtskräftig entschieden und über den Bescheid vom 6.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.1999 mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2002 (Az.: S 14 AL 583/99).

Soweit die Klägerin eine Verpflichtung der Beklagten zu einer Verbescheidung des Antrags auf Rücknahme der Bescheide vom 18.1.1996 und vom 22.4.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.1996 erwirken möchte, ist die Berufung ebenfalls unbegründet. Die Beklagte hat über den Antrag mit Bescheid vom 6.6.2000 und 14.6.2000 entschieden. Gegen beide Bescheide wurde kein Widerspruch eingelegt. Sie sind daher bestandskräftig.

Auch das Begehren der Klägerin, den Bescheid vom 12.4.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.7.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Lohnkostenzuschussantrag vom 20.12.1994 neu entscheiden führt nicht zum Erfolg. Zum einen hat hierüber das LSG Sachsen - Anhalt mit Urteil vom 28.3.2000 rechtskräftig
(Az.: ) entschieden und die erhobene Nichtigkeits- und Restitutionsklage nach § 179 Abs. 1 SGG wegen fehlender Wiederaufnahmegründe abgewiesen. Zum anderen ist zu beachten, dass das Urteil gegenüber dem Ehemann der Klägerin ergangen ist, denn er hatte am 20.12.1994 die Gewährung eines Lohnkostenzuschusses für die Beschäftigung seiner Ehefrau beantragt. Ungeachtet der Tatsache, dass über die materielle Frage des Bestehens eines Lohnkostenzuschusses rechtskräftig entschieden worden ist, fehlt der Klägerin das erforderliche Rechtschutzbedürfnis. Sie kommt nicht als Inhaberin des Anspruchs in Betracht und es kann daher auch nicht in ihre Rechte durch die Entscheidungen der Beklagte eingegriffen worden sein. Auch insoweit ist also die Berufung unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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