L 17 U 35/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 93/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 35/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Anfechtung der Erklärung einer Klagerücknahme.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten der Sache nach um die Versorgung mit orthopädischen Schuhen wegen anerkannter Unfallfolgen sowie um das Andauern von Behandlungsbedürftigkeit wegen eines am 10.11.1993 erlittenen Unfalls.

Einen dementsprechenden Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2001 ab, da unfallbedingt Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nach einem in einem früheren sozialgerichtlichen Verfahren erstellten Gutachten nur bis 30.04.1994 vorgelegen habe. Der hiergegen vom Kläger erhobene Rechtsbehelf wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2001 als unbegründet zurückgewiesen, da keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht worden seien, die zu einer anderen Auffassung der Sach- und Rechtslage führen würden. Die hiergegen mit Schriftsatz vom 15.01.2002 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene und mit Eingang am 17.01.2002 rechtshängig gewordenen Klage hat der Bevollmächtigte des Klägers mit dessen Einverständnis ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des SG vom 21.03.2002 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 04.04.2003 hat der Kläger die Anfechtung dieser Rücknahme erklärt. Zur Begründung gab er mit Schreiben vom 14.05.2003 im Wesentlichen an, dass er bezüglich der Klagerücknahme sowohl von der Beklagten als auch von seinem Bevollmächtigten arglistig getäuscht worden sei.

Mit Urteil vom 23.11.2004 hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klage vom 17.01.2002 (das Datum "17.02.2002" stellt einen offensichtlichen Schreibfehler dar) zurückgenommen sei. Die Anfechtung der Klagerücknahme sei unbegründet, da sich aus dem Vortrag des Klägers nicht ergebe, dass die Klagerücknahme durch unlautere Handlungen des Gerichtes oder von Beteiligten zustande gekommen sei. Nicht vorgetragen werde, dass das Verhandlungsprotokoll gefälscht sei oder der Kläger zur Abgabe einer Erklärung gezwungen worden sei. Der persönliche Irrtum des Klägers über den Inhalt der Klage oder über die Auswirkungen einer ausgesprochenen Rücknahme, die als Prozesshandlung Bestand haben müsse, könne aus Gründen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht erneut zu einer Wiederaufnahme eines Klageverfahrens führen, zumal der Kläger im Termin sachgerecht durch einen Rechtsanwalt vertreten und nach einer etwa halbstündigen Verhandlung die Klage im Einverständnis mit diesem zurückgenommen worden sei.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und erneut die Versorgung mit orthopädischen Schuhen bzw. die Feststellung des Andauerns von Behandlungsbedürftigkeit begehrt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit orthopädischen Schuhen zu versorgen bzw. das Andauern von Behandlungsbedürftigkeit wegen des Unfalls vom 10.11.1993 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2004 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (153 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Den Beteiligten wurden mit Schreiben vom 30.05.2008 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 151, 143 SGG zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert für eine auf Leistung gerichtete Berufung überschritten (§ 144 Abs 1 Nr 1 SGG).

In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet, denn der Rechtsstreit hat sich bereits durch die Zurücknahme der Klage vor dem SG erledigt. Der Anspruch des Klägers ist damit durch den Bescheid vom 26.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2001 bindend geregelt. Die Ablehnung der Versorgung des Klägers mit orthopädischen Schuhen bzw. die Ablehnung der Anerkennung von weiterer Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des am 10.11.1993 erlittenen Unfalls ist wirksam (§ 77 SGG).

Der Kläger hat die am 17.01.2002 erhobene Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.11.2004 zurückgenommen. Die Erklärung über die Klagerücknahme ist ordnungsgemäß protokolliert, vorgelesen und vom Kläger und seinem Bevollmächtigten genehmigt worden (vgl. § 122 SGG iVm §§ 159, 160, 162, 163 Zivilprozessordnung
-ZPO-). Damit hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs 1 Satz 2 SGG) mit der Folge des Eintritts der Bindungswirkung (§ 77 SGG).

Als bedingungsfeindliche Prozesshandlung iS des § 102 SGG (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, 2008, Rdnr 10a vor § 60) kann die Klagerücknahme weder frei widerrufen noch wegen Willensmängeln nach §§ 119 ff Bürgerliches Gesetzbuch angefochten werden (aaO, Rdnr 12, 12a vor § 60, Rdnr 7c zu § 102).

Der Kläger bestreitet auch die Rücknahmeerklärung als solche nicht. Er beantragt vielmehr ein erneutes Klageverfahren, um mit orthopädischen Schuhen versorgt zu werden bzw. um feststellen zu lassen, dass wegen des Unfalls weiterhin Behandlungsbedürftigkeit vorliegt. Ein durch Klagerücknahme rechtskräftig beendetes Verfahren kann aber nur aufgrund prozessual bedeutsamer Fakten und entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden (vgl. §§ 179, 180 SGG iVm §§ 578 ff ZPO). Derartige Gründe, wie z.B. eine falsche uneidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, Gutachten, bei denen sich der Sachverständige einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtverletzung eines Richters oder das Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde, liegen nach Erkenntnis des Senats nicht vor. Daran fehlt es auch schon nach dem Vortrag des Klägers.

Das SG hat somit zu Recht festgestellt, dass die Klage vom 17.01.2002 zurückgenommen worden ist. Eine Entscheidung in der Sache war dem SG ebenso wie dem Senat verwehrt, weil in wirksame Regelungen der Verwaltung durch die Gerichte nicht eingegriffen werden darf. Zutreffend hat das SG damit die Erledigung des Rechtsstreites festgestellt.
Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved