L 18 R 645/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 693/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 R 645/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung eines auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Würzburg vom 16.06.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Der 1955 geborene Kläger stammt aus der Türkei. Er hat keinen Beruf erlernt. In der Bundesrepublik Deutschland war er von 1982 bis 1998 als Arbeiter in der Metallindustrie versicherungspflichtig beschäftigt und in der Folgezeit - unterbrochen durch eine selbstständige Tätigkeit im Jahr 2001 - arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos gemeldet.

Am 30.04.2003 stellte der Kläger Antrag auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 26.5.2003 - unter Berufung auf die Untersuchungsergebnisse der Fr. Dr.S. - Ärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin - vom 25.10.2002 und Fr. Dr.B. - Ärztin für Orthopädie, Sozial- und Betriebsmedizin - vom 12.11.2002 sowie des in der E. - Klinik am Park - in Bad L. im Zeitraum vom 08.01.2003 bis 15.02.2003 durchgeführten stationären Heilverfahrens ablehnte. Seine Erwerbsfähigkeit sei zwar durch eine depressive Störung mit Somatisierungstendenzen, ein Halswirbelsäulensyndrom mit Blockwirbel C2/3 und Sensibilitätsstörung, ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Osteochondrose und Spondylarthrose, eine Gonarthrose beidseits mit Innenmeniskusentfernung links, eine Coxa vara bei Coxarthrose, eine Beinverkürzung links von 1,5 cm bei 0-Beinstellung und Senk-Spreiz-Füßen beidseits, eine Hyperlipidämie und Übergewicht beeinträchtigt; mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne der Kläger jedoch noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben. Den hiergegen am 20.06.2003 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2003 zurück. Nach dem im Widerspruchsverfahren eingeholten schlüssigen Gutachten des Nervenarztes Dr.S. vom 04.09.2003, welches sich mit den Ausführungen im Entlassungsbericht der E. - Klinik am Park - vom 19.03.2003 decke, sei der Kläger noch in der Lage, leichte, kurzzeitig auch mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere psychische Belastung, wie z.B. Zeitdruck oder Nachtschicht, vollschichtig bzw. über 6 Stunden täglich zu verrichten. Angesichts dessen sei er auch nicht berufsunfähig, da er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seinem beruflichen Werdegang entsprechend auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne.

Hiergegen hat der Kläger am 31.10.2003 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Nach Beiziehung ärztlicher Behandlungsunterlagen haben im Auftrag des SG der Chefarzt der Neurologischen Klinik Bad O., Prof. Dr.L., am 24.03.2005 ein neurologisches und der Facharzt für Orthopädie, Dr.E., am 05.03.2005 ein orthopädisches Zusatzgutachten gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattet. Unter Beachtung und Verwertung der Untersuchungsergebnisse des Dr.E. hat Prof. Dr.L. die Auffassung vertreten, dass der Kläger noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichten könne.

Mit Urteil vom 16.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar könne der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metallarbeiter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Gleichwohl könne er keine Versichertenrente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Anspruch nehmen, da ihm die Ausübung anderer Arbeit zumutbar sei. Ausweislich der eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 08.12.2004 habe er in der ganz überwiegenden Zeit seines aktiven Erwerbslebens als "angelernter" Arbeiter in der Metallindustrie - bei einer Anlern- bzw. Einarbeitungszeit von 3 bis 4 Wochen - ungelernte Tätigkeiten verrichtet, nämlich Zierteile auf Lackiergestelle auf- und abgesteckt sowie deren Oberfläche optisch kontrolliert. Daher dürfe er zumutbar auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die der allgemeine Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle. Die Symptomatik des Klägers sei von einer ausgeprägten Somatisierungstendenz bei fehlendem organischem Korrelat geprägt. Wie Prof. Dr.L. in seinem Gutachten vom 24.03.2005 unter Beachtung und Verwertung der Untersuchungsergebnisse des Dr.E. vom 02.03.2005 schlüssig aus den erhobenen Befunden abgeleitet habe, sei der Kläger noch in der Lage, täglich mindestens sechsstündig leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperposition und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten.

Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 12.09.2005 eingegangene Berufung des Klägers. Unter Übersendung eines Attestes des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.G. vom 12.09.2005 trägt der Kläger vor, dass durch den Sachverständigen Prof. Dr.L. die Schwere seines depressiven Verstimmungszustandes unzutreffend beurteilt worden sei. Prof. Dr. L. stelle zwar die eigentliche Ursache der depressiven Beschwerden zutreffend fest, nämlich die Ermordung seiner Mutter in der Türkei im Jahr 1998. Auch ergebe sich diese Diagnose aus dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik Bad A. vom 11.10.1999, in welchem diagnostiziert worden sei "reaktive Depression nach Tod der Mutter 05/98 und anschließendem Suizidversuch". Die Einordnung, die Prof. L. entsprechend den Kriterien der ICD-10-Klassifikation in F 34.1 vornehme, könne seinem Gesundheitszustand nicht gerecht werden. Die Dysthymia nach Katalogziffer F 34.1 sei gekennzeichnet durch eine chronische, wenigstens über mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, welche weder schwer, noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Es könne keine Rede davon sein, dass er nur leichte depressive Episoden durchgemacht habe und sich in einer solchen befinde, welche weder schwer, noch anhaltend genug sei, um die Kriterien einer schweren mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung erfüllen zu können. Es sei davon auszugehen, dass sein gesundheitlicher Zustand den Kriterien des Katalogs F 33.- folgend zuzuordnen sei. Dr.G. habe zudem festgestellt, dass er seit Jahren an einer anhaltenden schweren depressiven Symptomatik mit somatoformen Beschwerden leide. Im Rahmen der Untersuchung vom 05.09.2005 habe sich ein schweres depressives Zustandsbild mit deutlich kognitiven Defiziten und praktisch aufgehobener affektiver Stimmungsfähigkeit ergeben. Aufgrund der bereits über mehrere Jahre bestehenden und auch aktuell weiterhin anhaltenden Symptomatik müsse davon ausgegangen werden, dass eine anfänglich bestehende depressive Episode inzwischen in eine Dysthymia übergegangen sei. Diese anhaltende depressive Störung sei therapeutisch schwer beeinflussbar. Gegenwärtig, wie auch mittelfristig, könne er keine ausreichende Fähigkeit zur Willensanspannung entwickeln, um das depressive Zustandsbild überwinden zu können. Angesichts der Feststellungen des Dr.G. könne die Feststellung des Prof. Dr.L., es sei seit den Untersuchungsergebnissen der E.-Klinik am Park/ Bad L. und des Dr.S. vom 19.03.2003 bzw. 04.09.2003 keine relevante Verschlechterung eingetreten, nicht zutreffend sein. Insbesondere sei auf das ärztliche Gutachten der Fr. Dr.S. vom 25.10.2002 hinzuweisen, die festgestellt habe, dass er bei fortbestehender seelischer Störung nicht in der Lage sein werde, eine mehr als stundenweise Tätigkeit aufzunehmen.

Der Senat hat Befundberichte des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.G. vom 02.12.2005, des Arztes für Allgemeinmedizin G. B. vom 06.12.2005 und des Chirurgen, Unfallchirurgen K.W. vom 06.12.2005 beigezogen.
Gemäß Beweisanordnung vom 28.12.2005 hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.E. aufgrund Untersuchung des Klägers vom 14.03.2006 am 06.04.2006 gemäß § 106 SGG ein Gutachten erstattet, in dem er zur sozialmedizinischen Beurteilung gelangt ist, dass dem Kläger noch leichte und mittelschwere bis schwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich für mehr als 6 Stunden zumutbar seien.

Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.06.2006 Stellung genommen und mit Schriftsatz vom 17.07.2006 das Attest des Dr.G. vom 30.06.2006 übersandt. Daraus ergebe sich, dass er weiterhin an einer schweren depressiven Symptomatik bzw. nur schwer zu beeinflussenden Dysthymia leide.

Auf den Antrag des Klägers vom 08.06.2006 hat danach Dr.G. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17.08.2007 ein Gutachten gemäß § 109 SGG erstattet und darin die Auffassung vertreten, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers i. einer weiteren Chronifizierung der Symptomatik in den letzten Jahren weiter verschlechtert habe. Aufgrund des depressiven Zustandsbilds mit erheblichen Einschränkungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit sowie des Reaktionsvermögens und der Umstellungsfähigkeit bestehe eine aufgehobene Leistungsfähigkeit. Der Kläger könne auch für weniger als 3 Stunden täglich nicht mehr arbeitsfähig sein.

Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.10.2007 - gestützt auf die sozialmedizinische Beurteilung ihres Ärztlichen Dienstes (Dr.S.) vom 17.10.2007 - Stellung genommen. Auf Nachfragen des Senats haben der ärztliche Sachverständige Dr.E. am 29.05.2008 und 26.03.2009 sowie Dr.G. am 06.04.2009 und 12.05.2009 ergänzend Stellung genommen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.06.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit), auf den Antrag vom 30.04.2003 zum frühest möglichen Zeitpunkt auf unbestimmte Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.06.2005 zurückzuweisen.

Zur Berufungserwiderung verweist die Beklagte auf die erstinstanzielle Urteilsbegründung und die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bzw. im Widerspruchsbescheid.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und die Schwerbehindertenakte des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) - Region Unterfranken - beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 16.06.2005 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2003 abgewiesen. Denn dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch idF ab 01.01.2001 (SGB VI n.F.) noch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 1 SGB VI n.F. bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs 1 iVm 240 SGB VI n.F. zu. Der Kläger ist nämlich weder voll noch teilweise - bei Berufsunfähigkeit - erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43 Abs 2 Satz 2, Abs 1 Satz 2 und 240 Abs 2 SGB VI n.F.

Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, Satz 2.

Gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, Satz 2.

Gemäß § 240 Abs 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
berufsunfähig
sind.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist, Satz 1. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können, Satz 2.

Gemäß § 43 Abs 3 SGB VI n.F. ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist, § 43 Abs 3 SGB VI n.F ... Dabei stützt sich der Senat auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, das sich aus der Würdigung der in den Akten enthaltenen Befunde und des im Klageverfahren eingeholten neurologischen Gutachtens des Chefarztes der Neurologischen Klinik Bad O., Prof. Dr.L., vom 24.03.2005 einschl. des orthopädischen Zusatzgutachtens von Dr.E. vom 05.03.2005 sowie des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Nervenarztes Dr.E. vom 27.03.2006 einschließlich ergänzender Stellungnahme vom 29.05.2008 ergibt. Das vom SG gefundene Beweisergebnis wird durch die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr.E. im Wesentlichen bestätigt.

In seinem Gutachten vom 27.03.2006 hat Dr.E. auf psychiatrischem Gebiet als Gesundheitsstörungen festgestellt:
Rezidivierende depressive Störung, z.Zt. leichte Episode (ICDF 33.0).
Somatisierungsstörung (ICDF 45.0). (70 f LSG I)
Auf neurologischem Fachgebiet fanden sich bei der Untersuchung des Klägers durch Dr.E. keine Gesundheitsstörungen.
Auf orthopädischem Fachgebiet liegt folgende Gesundheitsstörung vor:
Hüftgelenksarthrose.

Nach Übersiedlung des Klägers von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland war er zunächst in einer Schleiferei und in einer Schweißerei angestellt. Seit Anfang der 90er Jahre hat sich sein psychischer Zustand verschlechtert. Er war häufig depressiv gestimmt und wurde deshalb von 1993 bis 1999 von einem Nervenarzt in B-Stadt behandelt. 1998 wurde seine Mutter in der Türkei ermordet. Damals hat der Kläger einen Suizidversuch in Kombination von Schlaftabletten und Alkohol durchgeführt. Dann hat er sich zunehmend zurückgezogen.

Trotz der genannten Gesundheitsstörungen ist der Kläger noch in der Lage, leichte und mittelschwere bis schwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Zu vermeiden sind dabei Arbeiten in Zwangshaltungen, das Bewegen und Tragen von Lasten über 20 kg, Arbeiten unter Zeitdruck sowie Wechsel- und Nachtschicht. Es bestehen Beschränkungen hinsichtlich der Leistungsmotivation. Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Merk- und Konzentrationsfähigkeit jedoch - worauf Dr.E. zutreffend hinweist - nicht eingeschränkt, ebenso wenig das Verantwortungsbewusstsein und die Gewissenhaftigkeit. Die Selbstständigkeit des Denkens und Handelns sowie das Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögen sind ebenfalls nicht eingeschränkt. Ohne Einschränkung ist ferner die praktische Anstelligkeit bzw. die Anpassungsfähigkeit an den technischen Wandel.

Hingegen vermag der Senat den Ausführungen des im Berufungsverfahren gemäß
§ 109 SGG gehörten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.G. in seinem Gutachten vom 17.08.2007 nicht zu folgen. Dr.G. diagnostizierte eine Dysthymia (ICD 10: F 34.1) und ging beim Kläger von einer schweren depressiven Symptomatik aus, die bereits seit vielen Jahren trotz fachpsychiatrischer Behandlung unverändert fortbestehe. Eine Dysthymia sei in der Regel wesentlich schlechter therapeutisch beeinflussbar als eine rezidivierende depressive Störung und habe eine schlechtere Prognose. Von Erkrankungsbeginn an habe beim Kläger eine durchgehende Symptomatik mit Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, kognitiven Defiziten in Form von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Angst- und Panikattacken, innerer Unruhe, Grübeln und generalisierten Schmerzen bestanden. Zusammenfassend gelangte Dr.G. zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur noch für weniger als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei. Abgesehen davon, dass Beurteilungsmaßstab nicht die "Arbeitsfähigkeit" des Klägers im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern die Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist, hält der Senat die sozialmedizinische Beurteilung des Dr. G. für nicht schlüssig. Hiergegen wendet der gerichtliche Sachverständige Dr.E. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.05.2008 zu Recht ein, dass in den Vorgutachten keineswegs durchgängig von einer Dysthymie gesprochen worden ist. So kommen z.B. die Dres K./S./E. der Rheumaklinik Bad A. bezüglich der stationären Behandlung des Klägers vom 07.09.1999 bis 05.10.1999 zur Diagnose einer reaktiven Depression mit dem Rehabilitationsergebnis, dass der Kläger nach der Behandlung weniger depressiv gewirkt habe. Die Dres. B. und K. (Chefarzt Integration FB Psychosomatik) im Jahr 2003 kamen zu der Diagnose "depressive Störung mit Somatisierungstendenz" (ICDF 32.9), die gegenüber der "rezidivierenden depressiven Störung" noch eher eine schwächere Einstufung ist. Sie hielten eine Therapie von 20 bis 30 mg Citalopram für völlig ausreichend. Ebenso werden im Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung E-Stadt ( jetzt: Zentrum Bayern Familie und Soziales - ZBFS - Region Unterfranken ) vom 08.10.2003 eine depressive Verstimmung, Somatisationen und ein Schmerzsyndrom mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 eingestuft, was ebenfalls eher einer leichten Form der Depression entspricht. Auch bei der Untersuchung des Klägers durch Dr.E. gab er an, zweimal 20 mg Cipramil (Antidepressivum) einzunehmen. Dies entspricht eher einer leichten bis mittleren Dosierung. Bei einer schweren Depression im Sinne der geschilderten Dysthymie wäre im Übrigen eine Erweiterung des therapeutischen Spektrums z.B. durch ein Neuroleptikum, Lithium oder ergänzende Präparate sinnvoll. Darüber hinaus machen schwere Dysthymien wiederholte akut stationäre Aufnahmen in der Regel erforderlich, zu denen es nicht gekommen ist.

Soweit Dr.G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.05.2009 ausführt, die von Dr.E. gutachterliche Einschätzung, es bestehe eine "leichte depressive Episode", werde der Bedeutung der Gesundheitsstörung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht gerecht, fehlt hierfür eine schlüssige Begründung. Die von ihm beschriebenen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sind jedenfalls kein ausreichender Beleg hierfür. Konzentration und Gedächtnis waren bei der Untersuchung des Klägers durch Dr.E. ungestört. Der Antrieb wurde als normal beschrieben, affektiv leicht depressiv verstimmt. Das Denken war formal und inhaltlich geordnet, die Wahrnehmung ungestört. Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Kläger noch in der Lage ist, geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch der im Klageverfahren gehörte Sachverständige Prof. Dr.L. hat keine kognitiven Defizite in rentenberechtigendem Ausmaße beschrieben, sondern lediglich Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung ausgeschlossen.

Zusammenfassend sind dem Kläger noch leichte und mittelschwere bis schwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich zumutbar, wobei Arbeiten in Zwangshaltungen, Bewegen und Tragen von größeren Lasten über 20 kg, Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Wechsel- und Nachtschicht zu vermeiden sind.

Auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI n.F. iVm § 240 SGB VI n.F. kommt nicht in Betracht. Ausweislich der eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 08.12.2004 hatte die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiter in der Metallindustrie eine Anlernzeit von drei bis vier Wochen, d.h. der Kläger verrichtete nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema - ausgehend von dieser Tätigkeit als "bisheriger Beruf" im Sinne des § 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI n.F. - eine ungelernte Tätigkeit. Denn er hat weder einen Ausbildungsberuf erlernt noch eine qualifizierte Berufstätigkeit ausgeübt. Daher genießt der Kläger keinen Berufsschutz und ist auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, sofern diese seinen gesundheitlichen Kräften entsprechen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104). Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs 1 SGB VI n.F. iVm § 240 SGB VI n.F. scheidet somit aus.

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass der Senat dem Einwand des Klägers, die Untersuchung und Begutachtung könne sachgerecht nur durch einen türkisch sprechenden ärztlichen Sachverständigen erfolgen, nicht zu folgen vermag. Denn es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr.E. und Dr.G. mit dem Kläger Verständigungsschwierigkeiten gehabt hätten, die eine sachgerechte Untersuchung und Gutachtenserstellung unmöglich gemacht bzw. eingeschränkt hätten. Ausdrücklich hat Dr.G. hierzu mit Schriftsatz vom 06.04.2009 Stellung genommen und dem Senat mitgeteilt, dass bei der Exploration des Klägers am 17.08.2007 zwar kein Dolmetscher anwesend gewesen sei, die Kommunikation aber in deutscher Sprache erfolgt sei, wobei eine zur Begutachtung ausreichende Verständigung bestanden habe. Zwar hat Dr.E. auf eine entsprechende gerichtliche Nachfrage vom 21.01.2009 nicht geantwortet. Nachdem Dr.E. in seinem Gutachten vom 27.03.2006 jedoch keine Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kläger mitgeteilt bzw. beschrieben hat, sind keine begründeten Anhaltspunkte für die Auffassung ersichtlich, der Gutachter müsse die türkische Sprache sprechen, um sachgerecht die Untersuchung durchführen und das Gutachten erstatten zu können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Kläger gemäß § 43 Abs 3 SGB VI n.F. nicht erwerbsgemindert ist und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 16.06.2005 daher zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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