L 14 R 775/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 19/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 775/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bewusstseinsnahe psychogene Dämmerzustände mit einer Häufigkeit von ca. 14 Anfällen im Jahr begründen weder eine quantitative Leistungseinschränkung noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 5. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1962 in der Türkei geborene Klägerin ist im August 1973 in das Bundesgebiet zugezogen. Sie hat keine Berufsausbildung abgeschlossen. Die Klägerin war - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, Schwangerschaft/Kindererziehung bzw. geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung - von Oktober 1980 bis Februar 1986, August 1992 bis Juni 1993 und von März 2000 bis Dezember 2001 als Arbeiterin in einer Motorenfabrik, Stepperin, Näherin sowie zuletzt als Küchen-/Putzhilfe in einem Altenheim versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem hat die Klägerin nur noch kurzfristig ver- sicherungsfreie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt. Vom 14.11.2002 bis 12.12.2002 nahm die Klägerin an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation teil, aus der sie vollschichtig leistungsfähig für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeits- markt entlassen wurde.

Mit Antrag vom 29. Oktober 2003 begehrte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur Begründung wurde auf einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinarztes Dr. S. verwiesen, in dem dieser unter Beifügung weiterer medizinischer Unterlagen auf depressive Verstimmungen, eine Dorsalgie und Syndrome an der Hals- und Brustwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall verwies.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Internisten Dr. R. vom 18. November 2003 ein. Dieser stellte einen generalisierten Muskel-, Sehnen- und Gelenkschmerz, aufbrauchs- bedingte Halswirbelsäulenbeschwerden bei Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen- bereich Th1/C7 links, ein hyperreagibles Bronchialsystem, einen kleinen Nabelbruch, einen Fersensporn links stärker als rechts, Übergewicht sowie einen Herzklappenfehler ohne hämodynamische Auswirkungen fest. Die Klägerin sei trotz dieser Gesundheits- störungen noch in der Lage, vollschichtig Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit angefochtenem Bescheid vom 2. Dezember 2003 ab.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie leide unter Schmerzen an beiden Schultern und an den Fingergelenken beider Hände. Darüber hinaus verwies sie auf Gefühlsstörungen im linken Fuß, einen Fersensporn, psychische Erschöpfungszustände, Depressionen und Schlaflosigkeit. Der Widerspruch wurde nach Beiziehung weiterer Befundberichte der Dres. H. und S. sowie eines sozialmedizinischen Gutachtens des MDK in Bayern und Einholung einer sozialärztlichen Stellungnahme hierzu zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2004).

In dem darauf folgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) mit dem Aktenzeichen S 13 RJ 448/04 hat die Klägerin zur Begründung ihrer Klage auf eine Atemwegserkrankung, eine Minderbelastbarkeit des Herzens bei vorliegendem Herz- klappenfehler mit großer Atemnot und Druckgefühl sowie massiven Erschöpfungs- zuständen, Schädigungen der Wirbelsäule in allen Etagen, einen beidseitigen Fersen- sporn sowie den operierten Nabelbruch verwiesen. Das SG hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. S., des Neurologen und Psychiaters Dr. D., der Internisten Dr. N. und Dr. W. und des Orthopäden Dr. S. eingeholt sowie die Schwerbehindertenakten beim Versorgungsamt A. beigezogen. Es hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zunächst Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. P. vom 12. Januar 2005.

Dr. P. stellt bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:
- mittelgradige Aufbrauchserscheinungen der Halswirbelsäule mit deutlichen
radiologischen Veränderungen (Bandscheibenvorfällen in verschiedenen Etagen,
Einengung der Nervenaustrittskanäle bis TH1) mit begleitenden Muskelverspannungen
- Verdacht auf Mittelnervenkompressionssyndrom im Bereich der rechten Hand
- Aufbraucherscheinungen der Brust- und Lendenwirbelsäule bei Fehlstatik
- deutliche Adipositas (Muskelschwäche insbesondere der Bauchmuskulatur nach Operation)
- Fersensporn links
- chronische obstruktive Bronchitis
- Mitralklappenverkalkung (mit Hinweisen auf Tricuspidalinsuffizienz Grad I-II)
- Zustand nach Nabelhernien-Operation.

Die Klägerin sei noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Wechselbedingungen zu verrichten. Nicht mehr möglich seien das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten unter widrigen Witterungs- bedingungen, Schicht- und Akkordtätigkeiten sowie einseitige Zwangshaltungen. Be- schränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.

Die Klägerin übersandte daraufhin Befundberichte des Bundeswehrkrankenhauses B-Stadt vom 21. Januar 2005 und der Radiologin O., in denen über eine Struma nodosa und eine operative Versorgung der rezidivierenden Nabelhernie berichtet wurde.

In der mündlichen Verhandlung am 26. April 2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach einem für die Klägerin erforderlichen Notarzteinsatz wurde die mündliche Verhandlung vertagt. Der Reha- bilitationsantrag wurde mit Bescheid vom 6. Mai 2005 abgelehnt. Daraufhin übersandte die Klägerin weitere Befundberichte der Internisten Dr. B., Dr. K., Dr. S. sowie des Allgemeinarztes Dr. S., in denen auf eine chronische Bronchitis mit Obstruktion bei häufigen und schweren Asthmaanfällen sowie Atemnot und geringe Belastbarkeit der Klägerin verwiesen wurde. Mit dem Einverständnis der Beteiligten wurde das Verfahren mit Beschluss vom 13. Juni 2005 zum Ruhen gebracht.

Auf Antrag der Klägerin vom 9. Januar 2006 wurde das Verfahren unter dem Az. S 13 R 19/06 fortgeführt. Es wurden Befundberichte des Facharztes für physikalische und rehabilitative Medizin H., des Allgemeinmediziners Dr. S., der A.Klinik O. über eine stationäre psychotherapeutische Behandlung vom 29. November 2005 bis 1. Dezember 2005 sowie Berichte der Kreisspitalstiftung W.- klinik A-Stadt vom 10. November 2005 und 13. März 2006 übermittelt. In den Befundberichten wurde insbesondere von einer Somatisierungsstörung, einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode mit somatischem Syndrom, einem kombinierten Mitralvitium, einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des Atmungssystems und rezidivierenden Hyperventilationen mit immer wieder auftretenden Bewusstlosigkeiten und Atemnotzuständen berichtet.

Das SG hat sodann gemäß § 106 SGG ein nervenärztliches Gutachten von Dr. A. vom 13. April 2006 eingeholt. Im Rahmen der Untersuchung berichtete die Klägerin, seit etwa 10 Jahren leide sie unter einem Asthma bronchiale. Es komme wiederholt zu Anfällen von Atemnot mit Erstickungsgefühl und Angst. Während dieser Zustände sei sie oft auch abwesend. Man könne wohl mit ihr sprechen, sie wisse danach aber nichts davon. Im letzten Jahr seien solche Zustände 14 mal aufgetreten. Dr. A. stellt in seinem Gutachten vom 13. April 2006 fest, bei der Klägerin liege ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle mit Verdacht auf vertebragene Wurzelreiz- symptomatik, ein leichtes Karpaltunnel-Syndrom rechts, eine Migräne, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (psychogene Komponente der Atemnotanfälle und der Schmerzsymptomatik), ein Fersensporn links, ein hyperreagibles Bronchialsystem, Übergewicht, Herzklappenfehler ohne hämodynamische Auswirkungen und ein Zustand nach Nabelhernienoperation vor. Die Klägerin sei noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten im häufigen Wechsel der Körperhaltung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Unzumutbar seien körperliche Zwangshaltungen, mittelschwere Hebe- und Tragearbeiten, häufiges Bücken, Treppen- und Leiternsteigen, Einwirkungen von Zugluft, Kälte und Nässe, Arbeiten unter Zeitdruck oder unter besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit oder an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

Die Klägerin hat daraufhin einen Befundbericht der Kreisspitalstiftung W. (D.Klinik A-Stadt) sowie einen Befundbericht des Internisten Dr. K. übermittelt, in denen erneut von Atemnotanfällen berichtet wird.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Oktober 2006 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. A. abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten zu verrichten. Damit komme weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung in Betracht.

Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Berufung wird geltend gemacht, aufgrund des medizinischen Gesamtbildes ergebe sich, dass die Klägerin nicht arbeitsfähig sei. Es wurde auf ein Wirbelsäulensyndrom, ein hyperreagibles Bronchialsystem, Migräne, sowie wiederkehrend auftretende Atemnotanfälle hingewiesen und ein weiterer Befundbericht von Dr. S. vorgelegt, in dem dieser erklärt, er halte die Klägerin für arbeitsunfähig.

Der Senat hat Befundberichte der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. V., des llgemeinmediziners Dr. S., der Internisten K. und Dr. K. sowie des Orthopäden Dr. D. beigezogen.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2007 beantragte die Klägerin die Einholung eines Gut- achtens gemäß § 109 SGG von Professor Dr. K. auf den Fachgebieten der Kardiologie, Lungenheilkunde und Allergologie, mit Schreiben vom 15.10.2007 die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. L ... Sie zahlte jedoch weder den angeforderten Vorschuss ein noch übersandte sie die Formblatt-Erklärung über die Verpflichtung zur Kostenübernahme.

Vom 13. Februar 2007 bis 17. Februar 2007 (vorzeitiger Abbruch) nahm die Klägerin an einer von der Beklagten mit Bescheid vom 27. November 2006 bewilligten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Klinik Bad R. (Zentrum für Rehabilitation Pneumologie und Orthopädie) teil. Im Entlassungsbericht sind folgende Diagnosen verzeichnet:
1. rezidivierender katatoner Stupor
2. Intrinsic Asthma bronchiale
3. kombiniertes Mitralklappenvitium
4. somatoforme Schmerzstörung bei Zustand nach zweimaliger Nabelherniotomie
2003/2004
5 Struma nodosa
6 chronisches Wirbelsäulensyndrom
7. Adipositas.
Die Klinik berichtete, die Klägerin sei zweimal kollabiert bzw. in einen katatonen Stupor verfallen. Auslöser sei sicherlich kein Asthmaanfall gewesen, da normale Funktionswerte bestanden hätten. Auch hätten keine Hyperventilation und keine Hinweise für ein epileptisches Geschehen oder eine VCD vorgelegen. Die Klägerin könne langfristig sicherlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten, allerdings ohne Exposition gegen Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen und ohne Stress- belastung. Vor einer etwaigen Arbeitsaufnahme sei aber wegen der häufig rezidivierenden katatonen Stupor-Anfällen eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Therapie dringend erforderlich. Die Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde mit derzeit unter 3 Stunden täglich angegeben.

Von Seiten der Klägerin wurde ferner ein Befundbericht der Universitäts- und Reha- bilitationskliniken B-Stadt (R.) über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 14. bis 15. März 2007 vorgelegt. Hier wurde von der Klägerin über seit 2000 auftretenden Episoden (zum Teil mehrfach täglich) berichtet, bei denen die Klägerin zunächst eine Engegefühl in der Brust verspüre, das dann in den Hals aufsteige. Von da an wisse die Klägerin nichts mehr. Der Ehemann berichtete von einem Zustand mit generalisierter Verkrampfung, Faustschluss (immer rechts), vertiefter Atmung und offenen, nach oben verdrehten Augen für bis zu 30 Minuten. Eine antikonvulsive Behandlung sei einmal durchgeführt worden. Im Rahmen eines Video-EEG-Monitorings wurden zwei Episoden aufgezeichnet. Das EEG war während dieser zwei Episoden sowie auch im übrigen unauffällig. Die Klinik ging deshalb und aufgrund der Semiologie vom Vorliegen einer dissoziativen Störung mit nicht-epileptischen Anfällen aus.

Die Beklagte hat hierzu geäußert, auffällig sei, dass die Klägerin wenig Leidensdruck durch die auftretenden Störungen habe. Angebotene Behandlungsmaßnahmen seien bisher stets ausgeschlagen worden. Erhebliche psychische Funktionseinschränkungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Auch der von Dr. A. erhobene Tagesablauf ergebe keinerlei Hinweise auf eine erhebliche Desorganisation der Alltagstruktur durch eine schwere chronische seelische Behinderung. Auch das zweimalige Auftreten einer abnormen Erlebnisreaktion mit psychogenem Stupor führe nicht zu der Annahme eines überdauernd quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögens.

Der Senat hat daraufhin gemäß § 106 SGG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. C. eingeholt. Dr. C. stellt in seinem Gutachten vom 14. Mai 2009 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
2. somatoforme Störung des vegetativen Nervensystems (Hyperinflationstetanien)
3. dissotiative Störung (psychogene Dämmerzustände)
4. Karpaltunnel-Syndrom leichter Ausprägung
5. Rentenbegehren.

Die Klägerin sei seit November 2003 noch in der Lage, vollschichtig mit den arbeits- üblichen Unterbrechungen leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten möglichst wechselweise im Stehen, Gehen und Sitzen, in geschlossenen Räumen, bei Ausschluss von Kälte und Nässe auch im Freien, zu verrichten. Nicht mehr möglich seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten unter Zeitdruck (Fließband-, Akkordarbeit) und Nachtschichttätigkeiten. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeits- stätte bestünden nicht. Ein Kfz könne die Klägerin aufgrund der Bewusstseinsstörungen jedoch nicht steuern. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin auf eine andere Tätigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin könne unter Anspannung aller verfügbaren Mittel des Willens ihre seelischen Probleme aus eigener Kraft, zumindest jedoch unter ärztlicher Mithilfe, überwinden. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

Die Beteiligten haben zu dem Gutachten nicht Stellung genommen.

In der mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom
5. Oktober 2006 und des Bescheids der Beklagten vom 2. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2004 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegen- stand der mündlichen Verhandlung waren.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI zu. Ein Anspruch wegen Rente wegen teilweiser Erwerbs- minderung bei Berufsunfähigkeit scheidet von vornherein aus, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Der Senat konnte entscheiden, obwohl für die Klägerin niemand in der mündlichen Ver- handlung erschienen ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war zum Termin ordnungsgemäß geladen. Er wurde in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann und hat sich mit einer Entscheidung in Abwesenheit einverstanden erklärt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem erkennenden Senat ist die Klägerin noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den sie verwiesen werden kann, vollschichtig zumindest leichte Arbeiten zu verrichten. Sämtliche Gerichts- sachverständigen konnten keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin feststellen.

Im Vordergrund stehen bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet. Bei der Untersuchung durch Dr. C. befand sich die Klägerin in einem guten Allgemeinzustand. Der Gang war ungestört und harmonisch. Nervenwurzeldehnungszeichen waren nicht provozierbar. Der Finger-Boden-Abstand betrug 37 cm, reduzierte sich allerdings in Langsitz-Position auf 20 cm. Die Unter- suchung von Kopf und Hirnnerven ergab keine Auffälligkeiten bis auf den Umstand, dass die Kopfbeweglichkeit nach der Demonstration der Klägerin praktisch aufgehoben war. Bei der Überprüfung der Motorik ergaben sich seitengleiche Eigenreflexe an Armen, Beinen und Bauchdecke. Zwar demonstrierte die Klägerin an den Händen, in geringerem Umfang auch an den Füßen, eine hochgradige Paresesymptomatik. Dies steht jedoch nicht im Einklang damit, dass nach den Feststellungen von Dr. C. der Muskeltonus allseits locker und die Muskeltrophik ungestört war. Auch die Alltagsaktivitäten der Klägerin (die Klägerin versorgt nach ihren eigenen Angaben den Haushalt mit Mann und Tochter, liest, kauft ein, pflegt einen Freundeskreis, mit dem häufige Kontakte bestehen, fährt Fahrrad) sind mit einer derartig ausgeprägten Paresesymptomatik nicht vereinbar. Der Senat geht daher insoweit in Übereinstimmung mit Dr. C. von einer demonstrativen Verhaltensweise der Klägerin aus. Sensibilität und Koordination waren bei der Überprüfung durch Dr. C. weitgehend ungestört. Beim EEG ergab sich ein Normal- befund, bei EMG/NLG traten keine pathologischen Spontanaktivitäten auf.

Auch der psychische und psychopathologische Befund erbrachte keine wesentlichen Auffälligkeiten. So fanden sich bei der Klägerin keinerlei Hinweise auf eine depressive Störung. Die Klägerin befand sich während der Untersuchung in einer stets aus- geglichenen Grundstimmung. Anhaltspunkte für eine Herabsetzung der affektiven Schwingungsfähigkeit oder des Antriebs konnte der erfahrene Gerichtssachverständige Dr. C. nicht feststellen. Die Klägerin war bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Icherlebensstörungen traten nicht auf. Gedächtnisleistungen und Merkfähigkeit waren gut ausgeprägt, die Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit waren nicht wesentlich herabgesetzt. Die kognitiven Leistungen waren nur im Hinblick auf eine ausgeprägte Dyskalkulie sowie eine leichte Störung des Abstraktionsvermögens vermindert.

Eine tragfähige Begründung für eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergibt sich auch nicht aus der somatoformen Schmerzstörung nach zwei- facher Bauchhernienoperation. Nach den Feststellungen von Dr. C. sind die beschrie-benen Beschwerden ("Klägerin muss sich dauernd den Bauch festhalten, da sie andernfalls das Gefühl hat, dass er aufplatzt") mit den vorgenommenen Bauch- hernienoperationen nicht erklärbar. Auch erfordern sie keine regelmäßige Schmerz- mitteleinnahme; Schmerzmedikamente sind der Klägerin nicht verordnet.

Das Karpaltunnel-Syndrom rechts hat nur eine leichte Ausprägung und führt nicht zu einer nennenswerten Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Das bei der Klägerin vorliegende Rentenbegehren führt ebenfalls nicht zu einer Einschränkung des quanti- tativen Leistungsvermögens. Auch psychisch bedingte Störungen können zu einer Er- werbsminderung führen, wenn sie durch Willensentschluss des Betroffenen nicht mehr zu beheben sind. Zu prüfen ist, ob der Versicherte die seelischen Hemmungen entweder aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden kann (vgl. BSG, Urteil vom
12. September 1990, B 5 RJ 88/89, in Juris). Eine von der Klägerin nicht überwindbare Rentenneurose liegt nach den Feststellungen von Dr. C. jedoch nicht vor.

Der Senat stimmt auch mit Dr. C. und Dr. A. darin überein, dass durch die von der Klägerin geschilderten Bewusstseinsstörungen sowie der zum Teil auch seelisch bedingten Atemstörungen auf keinen Fall eine Einschränkung des quantitativen
Leistungsvermögens bedingt wird. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Fähigkeit eines Versicherten, der unter einem Anfallsleiden leidet, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben, ausgeschlossen sein, wenn die Anfälle sehr häufig auftreten und mit längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten verbunden sind (vgl. BSG SozR 3-2200
§ 1247 Nr. 14). Häufige auftretende Anfälle liegen bei der Klägerin jedoch nicht vor. Ein epileptisches Leiden besteht nicht. Die Einschätzung der Klinik Bad R., die Klägerin sei nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig, da sie dort zweimal kollabiert sei, entbehrt jeder Begründung. Dr. C. hat überzeugend nachgewiesen, dass schon die Annahme der Klinik Bad R., die Klägerin leide unter einem katatonen Stupor, nicht zutreffend ist. Bei ihr treten vielmehr bewusstseinsnahe psychogene Dämmerzustände (früher: hysterische Störung) auf, die durch einen massiven sekundären Krankheitsgewinn (Zuwendung des Ehemanns, Rentenverfahren) gekennzeichnet sind. Auch der Senat hält es für auffällig, dass die Klägerin sich insoweit keiner konsequenten Therapie unterzieht; eine im Jahr 2007 begonnene Psychotherapie wurde von ihr abgebrochen. Bei circa 14 Anfällen im Jahr (so die Angabe der Klägerin gegenüber Dr. A.) kann auch keine Rede von einer großen Anfallshäufigkeit sein. Bei dieser Zahl von "Anfällen" ist nicht begründbar, warum die Klägerin auf absehbare Zeit nur noch in der Lage (gewesen) sein sollte, unter 3 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Gegenüber Dr. C. konnte die Klägerin schon nicht einmal mehr genau erklären, wie oft solche Anfälle in letzter Zeit aufgetreten sind. Nur den letzten Anfall konnte sie zeitlich mit einem Krankenhausaufenthalt in Verbindung bringen, in dessen Rahmen die Bauch- wandhernie zum dritten Mal operiert werden sollte. Zu dem Zeitpunkt des vorletzten Anfalls konnte sie - bei ungestörter Gedächtnisfunktion! - bereits keine Angaben mehr machen. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die psychisch bedingten Bewusst- seinsstörungen nach den Feststellungen von Dr. C. für diese zumindest unter ärztlicher Mithilfe überwindbar wären. Sie können damit nicht epileptischen Anfällen, die die Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts waren, gleichgestellt werden. Auch unter Berücksichtigung der anderweitig zu Tage getretenen Tendenz der Klägerin zu demonstrativem Verhalten ist der Senat davon überzeugt, dass aus den Bewusstseins- und Atemstörungen der Klägerin keine quantitativen Leistungseinschränkungen folgen.

Auch durch die Gesundheitsstörungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet wird ein Rentenanspruch der Klägerin nicht begründet. Im Vordergrund stehen hier die Auf- braucherscheinungen an der Wirbelsäule in allen 3 Etagen. Dr. P. hatte insoweit bereits in seinem Gutachten vom 12. Januar 2005 überzeugend ausgeführt, dass mangels neurologischer Ausfälle bei unauffälliger Motorik und Sensibilität eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin nicht zu begründen ist. Insoweit hat sich nach den Feststellungen von Dr. C. keine wesentliche Änderung ergeben. Der Fersen-sporn schließt nach den Feststellungen von Dr. P. nur dauernd stehende oder gehende Tätigkeiten aus.

Im übrigen liegen keine rentenrelevanten Gesundheitsstörungen vor. Die Kläger leidet zwar seit langem an einer bronchialen Hyperreagibilität. Die Lungenfunktion der Klägerin ist aber ausweislich der Untersuchung durch Dr. R. vom 18. November 2003, bestätigt durch den Befundbericht des Internisten und Lungenfacharztes Dr. K. vom 31. Mai 2006 weiterhin unauffällig. Auch ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik Bad R. hat sich bei der Klägerin keine Obstruktion oder Restriktion feststellen lassen. Das Mitralvitium ist nach Aussage des behandelnden Kardiologen Dr. N. hämodynamisch unbedeutend.

Der Senat ist daher in Übereinstimmung mit allen Gerichtssachverständigen davon überzeugt, dass die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Die Klägerin kann auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden; es liegt weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 75, 81, 90, 90, 104, 117, 136) zur Folge hätten, dass eine konkrete Verweisungstätig-
keit zu benennen ist. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung ist insbesondere auch nicht in den Bewusstseinsstörungen der Klägerin zu sehen. Das BSG hat eine Benennungspflicht bei Versicherten bejaht, die regelmäßig unter einmal in der Woche auftretenden Fieberanfällen leiden (BSG SozR 3-1100 § 1247 Nr. 14). Eine derart hohe Anfallshäufigkeit liegt nach Überzeugung des Senats bei der Klägerin jedoch nicht vor. Im Übrigen gilt auch insoweit das oben zu den Bewusstseinsstörungen Gesagte.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Begehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved