L 18 U 3/09 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 31/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 3/09 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Vollstreckungsfähigkeit eines Gestaltungsurteils.
I. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.10.2008 wird verworfen.
II. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten des Ver-fahrens zu erstatten.



Gründe:


I.

In dem Hauptsacheverfahren (L 17 U 467/08) streiten die Beteiligten um die Neufeststel-lung einer Verletztenrente.

Der Antragsgegner erlitt am 30.03.1995 einen Arbeitsunfall, den die Antragstellerin mit Gewährung einer Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH entschädigte. Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Würzburg berief sich der Antragsgegner auf ein privat eingeholtes neurootologisches Gutachten des Dr. S., B-Stadt, vom 12.02.2001. Nach dem hierauf abgegebenen Vergleichsangebot der Antragstellerin vom 03.09.2001 erklärte sich diese bereit, neben den bereits festgestellten Unfallfolgen auf dem chirurgischen Gebiet die von Dr. S. festgestellten Gleichgewichts- und Konzentrationsstörungen sowie Kopfschmerzen und Schwindelerscheinungen als Folgen des Unfalls vom 30.03.1995 anzuerkennen und ab 28.09.1996 eine Verletztenrente nach einer Gesamt-MdE von 60 vH zu gewähren. Das Vergleichsangebot nahm der Antragsgegner unter dem 04.10.2001 an. Am 14.12.2001 erging der Ausführungsbescheid der Antragstellerin. Mit Bescheid vom 22.06.2004 wurde die Verletztenrente zur Hälfte abgefunden.

Nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens des Neurologen Prof.Dr. S., A., vom 24.10.2006 setzte die Antragstellerin mit Bescheid vom 28.11.2006 und unter Hinweis auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch die MdE ab 01.12.2006 auf 30 vH herab. Ab diesem Zeitpunkt seien Rentenleistungen nicht mehr zu erbringen, da eine MdE von 30 vH mit dem Bescheid vom 22.06.2004 für einen Zeitraum von zehn Jahren abgefunden worden sei. Zur Begründung verwies die Antragstellerin auf das Gutachten des Prof.Dr. S ... Noch bestehende Beschwerden könnten nicht mehr dem Unfallereignis angelastet werden. Es sei insoweit eine wesentliche Besserung eingetreten. Aufgrund der Unfallfolgen auf dem chirurgischen Gebiet verbleibe eine MdE von 30 vH. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.01.2007).

Dagegen hat der Antragsgegner Klage erhoben. Das SG hat den Sachverständigen Prof.Dr. R. gehört (neurologisches Gutachten vom 09.04.2008). Im Ergebnis sei keine wesentliche Besserung der mit Vergleich vom 04.10.2001 anerkannten Unfallfolgen eingetreten.

Das SG hat mit Urteil vom 08.10.2008 den Bescheid vom 28.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2008 aufgehoben. Eine Besserung der Unfallfolgen sei nicht angetreten, da die im Wege des Vergleiches vom 04.10.2001 von der Antrags-gegnerin anerkannten Unfallfolgen zu Unrecht anerkannt worden seien. Das von Dr. S. erstellte neurootologische Gutachten vom 12.02.2001 habe nicht anerkannten wissenschaftlichen-medizinischen Kriterien entsprochen.

Die Antragstellerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des SG vom 08.10.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner hat sie am 07.01.2009 beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil gem. § 199 Abs 2 Sozialgerichts-gesetz (SGG) auszusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die erstinstanzliche Ent-scheidung sei unrichtig und eine nachträgliche Rückforderungsmöglichkeit bei erfolgrei-chem Berufungsverfahren sei zweifelhaft.

Der Antragsgegner hat dem Antrag der Antragstellerin widersprochen. Die Berufung der Antragstellerin sei nicht Erfolg versprechend. Zu erwartende Schwierigkeiten bei der Rückzahlung möglicher Überzahlungen habe die Antragstellerin nicht konkret dargelegt.

II.

Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wir-kung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen.

Die Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung setzt voraus, dass das Urteil gegen das das Rechtsmittel eingelegt worden ist, überhaupt der Vollstreckung fähig ist. Dies ist vor-liegend nicht der Fall, da sich der Antragsgegner mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) gegen den Abänderungsbescheid vom 28.11.2006 wendet, mit dem die Antragstel-lerin ab 01.12.2006 die MdE auf 30 vH herabgesetzt und Rentenleistungen eingestellt hat. Urteile, die einer Anfechtungsklage stattgeben, sind negative Gestaltungsurteile. Es wird der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben und damit die materielle Rechtslage selbst geschaffen, verändert oder vernichtet. Die auf Rechtsänderung angelegte Gestaltungswir-kung der Gestaltungsurteile wird mit Rechtskraft der Entscheidung vollzogen. Insoweit ist ein rechtskräftiges Gestaltungsurteil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähig. Erst recht sind solche Gestaltungsurteile nicht vollstreckungsfähig, die noch nicht rechtskräftig sind (BSG Beschluss vom 23.06.1967 - 12 RJ 408/66 = BSGE 27, 31, 33 = SozR Nr 3 zu § 199 SGG).

Dem Antrag der Antragstellerin, die Vollstreckung aus dem Urteil auszusetzen, kann demnach nicht entsprochen werden. Mithin ist eine Folgenabwägung im Sinne des § 199 Abs 2 SGG, ob die Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils für die Antragstellerin einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (vgl. hierzu Beschlüsse des LSG Bayern vom 15.05.2009 - L 2 U 60/09 ER - und vom 02.03.2009 - L 17 U 463/08 ER) nicht zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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