L 3 U 436/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 46/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 436/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 139/09 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch auf Neufeststellung
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.11.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Folgen eines Arbeitsunfalles im März 1963.
Der 1925 geborene Kläger erlitt im März 1963 - vermutlich am 29.03., möglicherweise auch am 13.03. - einen Unfall, als er hinter der Straßenbahn herlief, ausrutschte und auf das linke Knie stürzte. Auf seinen Antrag vom 30.05.1986 ermittelte die Beklagte unter Beiziehung der Unfallakten der Tiefbau-Berufsgenossenschaft, Gebietsverwaltung Süddeutschland aus dem Jahre 1963 sowie der Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens des Dr. D. vom 04.02.1988. Dr. D. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger beim Unfall eine Weichteilverletzung des linken Knies im Sinne einer Kontusion mit Ergussbildung erlitten habe. Unfallfolgen lägen nicht mehr vor. Es bestehe keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.07.1988 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Kläger habe eine Prellung des linken Kniegelenks erlitten, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenberechtigendem Grade ab 01.01.1982 nicht hinterlassen habe. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurden nicht anerkannt: "O-Beine, verbildende Veränderungen in beiden Kniegelenken und beider Kniescheiben, Streck- und Beugebehinderung des linken Kniegelenks, Zustand nach Knöchelbruch rechts mit Schwellneigung und geringer Bewegungseinschränkung, Knick-Plattfuß beidseits, statische Beschwerden sowie Gehbehinderung". Die hiergegen eingelegte Klage wies das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 20.09.1989 zurück, das Bayer. Landessozialgericht die Berufung gegen dieses Urteil mit Urteil vom 03.07.1990 (L 3 U 303/89). Die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht wurde mit Beschluss vom 03.07.1990 verworfen.
Mit Schreiben vom 31.10.2005 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag des Klägers vom 17.01.2002, mit dem dieser unter anderem wegen des im März 1963 erlittenen Arbeitsunfalls die Gewährung einer Rente unter Bezugnahme auf ein im Arbeitsgerichtsverfahren von Frau Dr. B. erstelltes Gutachten begehrte. Der Kläger legte weitere medizinische Unterlagen, unter anderem des Orthopäden Dr. O. vom 22.02.1989 und des Orthopäden Dr. S. vom 20.02.1989 sowie ein Attest des Dr. K. und des Chirurgen Dr. N, vom 19.12.2002 sowie die Gutachten bezüglich weiterer Arbeitsunfälle vor.
Mit Bescheid vom 09.12.2005 lehnte die Beklagte eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29.07.1988 gemäß § 44 Abs.1 SGB X ab. Anhaltspunkte, dass die damalige Entscheidung auf einem falschen Sachverhalt beruhe, hätten sich nicht ergeben. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2006 zurück.
Hiergegen legte der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) ein und wies zur Begründung darauf hin, dass das Gutachten des Dr. D. vom 04.02.1988 fehlerhaft gewesen sei. Das SG holte nach § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 24.08.2007 ein. Dr. K. kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Unfalls im März 1963 keine Gesundheitsstörungen mehr vorlägen. Für die in der Akte dokumentierte und weitgehend symetrische Arthrose beider Kniegelenke sei mit Wahrscheinlichkeit die Fehlstellung der unteren Extremitäten verantwortlich. Beim Unfall habe der Kläger lediglich einen Weichteilschaden mit Erguss erlitten. Mit Urteil vom 28.11.2007 wies das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. K. die Klage ab. Die Berufung gegen dieses Urteil begründete der Kläger unter anderem mit der Vorlage eines Gutachtens des Dr. S. vom 20.02.2008, der im Begleitschreiben an den Kläger unter anderem ausführte, dass eine Vorlage sinnvoll sei, "sofern der Folgezustand des linken Knies als Folge des am 13.03.1963 erlittenen Betriebsunfalles anerkannt ist". Außerdem legte der Kläger ein Gutachten des Dr. N, vom 02.03.2008/17.10.2008 vor, nach dem der Kläger im März 1963 ein komplexes Distorsion-Rotationstrauma am linken Knie erlitten habe. Der Unfall habe die Beschwerden des Klägers nicht ausgelöst, sondern verschlimmert.
Mit Schreiben des Gerichts vom 24.10.2008 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs.4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. In weiteren Schriftsätzen vom 22.12.2008 und 02.01.2009 legte der Kläger nochmals bereits in den Akten vorhandene medizinische Unterlagen sowie ein Attest der Dr. W. vom 16.12.2008 vor.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 28.11.2007 und des Bescheides vom 09.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2006 zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 29.07.1988 bzw. auf Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles im März 1963.
Nach § 44 SGB X ist ein bestandskräftiger Verwaltungsakt - der ablehnende Bescheid vom 29.07.1988 - zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass beim Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger konnte nicht dartun, dass der Bescheid vom 29.07.1988 auf fehlerhaften Sachverhaltsfeststellungen - d.h. auf einem fehlerhaften Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. D. vom 04.02.1988 - beruht. An den Feststellungen des Dr. D., die durch den Unfall im März 1963 verursachte Prellung des linken Knies sei folgenlos ausgeheilt, besteht kein Zweifel. Insbesondere wurden diese Feststellungen durch das nach § 109 SGG im Auftrag des Klägers erstellte Sachverständigengutachten des Dr. K. vom 24.08.2007 bestätigt. Auch Dr. K. kam zu der Überzeugung, dass aufgrund des Unfalls im März 1963 keine bleibenden Gesundheitsstörungen verursacht wurden, die eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingten. Dr. K. hat darauf hingewiesen, dass aufgrund der symetrischen Arthrose in beiden Kniegelenken und der Fehlstellung der Beine (O-Beine) feststeht, dass diese O-Beine Ursache der Arthrose in beiden Kniegelenken sind. Gegen eine Unfallverursachung spricht also vor allem der Umstand, dass das rechte Knie des Klägers in gleicher Weise wie das Linke von degenerativen Veränderungen getroffen ist.
Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen können zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 20.02.2008 trifft keinerlei Aussagen über einen Unfallzusammenhang. Aus dem Begleitschreiben ergibt sich jedoch, dass Voraussetzung für eine im Sinne des Klägers positive Bewertung die Anerkennung des Folgezustandes des linken Knies als Folge des am 13.03.1963 erlittenen Betriebsunfalls ist. Gerade diese Anerkennung ist jedoch durch den bestandskräftigen Bescheid vom 29.07.1988 ausgeschlossen.
Auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. N, vom 02.03.2008 und der Stellungnahme vom 17.10.2008 ergibt sich nichts anderes. Dr. N, hat sich in keiner Weise mit den Ausführungen des Dr. K. oder des Dr. D. auseinandergesetzt. Im Übrigen weist er in seiner Stellungnahme vom 17.10.2008 darauf hin, dass der Unfall die Beschwerden des Klägers im linken Knie nicht ausgelöst habe, sondern dass lediglich eine Verschlimmerung eingetreten sei. Dr. N, bleibt jedoch eine Beschreibung des Ausmaßes der von ihm angenommenen Verschlimmerung schuldig. Im Übrigen legt er weder in seinem Gutachten noch in der ergänzenden Stellungnahme dar, in welcher Hinsicht eine Verschlimmerung eingetreten sein könnte. Auch insoweit bleiben gewichtige Zweifel an den Ausführungen des Dr. N,, zumal Dr. K. und Dr. D. übereinstimmend zu einem anderen Ergebnis gekommen sind.
Die vom Kläger mit Schreiben vom 02.01.2009 vorgelegten medizinischen Unterlagen befinden sich bereits in den Akten und sind damit kein neuer Sachvortrag.
Im Ergebnis geht der Senat davon aus, dass nicht dargetan werden konnte, inwieweit der Bescheid vom 29.07.1988 auf einem falschen Sachverhalt beruht. Der Antrag nach § 44 SGB X ist deshalb unbegründet, die Berufung war dementsprechend zurückzuweisen.
Auch soweit man den Antrag des Klägers lediglich als Neufeststellungsantrag auslegt, ist ein anderes Ergebnis nicht möglich. Aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 29.07.1988 ergibt sich insoweit nämlich, dass der Kläger im März 1963 eine vollständig ausgeheilte Kontusion des linken Knies erlitt. Eine Verschlimmerung der Folgen einer vollständig ausgeheilten Erkrankung ist denklogisch ausgeschlossen. Auch insoweit ist die Berufung also unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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