Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 R 319/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 667/09 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kostenübernahme gemäß § 109 , wenn dieses Gutachten zur Einholung weiterer Gutachten führt.
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 01.07.2009 aufgehoben.
II. Die Kosten des gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz von Dr.F. am 30.09.2005 erstatteten Gutachtens werden auf die Staatskasse übernommen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten des gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens von Dr.F. auf die Staatskasse.
Auf die gegen den Bescheid vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2002 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage hin hat das SG nach Beiziehung entsprechender Befundberichte ein Gutachten gemäß § 106 SGG von Dr.F. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie psychosomatische Medizin) eingeholt. Dieser kommt auch unter Berücksichtigung der nächtlichen Anfälle des Klägers zu dem Ergebnis, dass keine entsprechende quantitative Leistungsminderung vorliege. Auf Antrag des Klägers hat Dr.F. (prakt. Arzt) am 30.09.2005 ein Gutachten gemäß § 109 SGG erstattet. Dieser beschreibt u.a. eine länger dauernde reaktive Depression bei cerebralem Anfallsleiden und kommt insbesondere aufgrund der ihm als behandelnden Arzt bekannten nächtlichen Anfälle zu dem Ergebnis, eine Leistungsminderung auf weniger als 3 Stunden täglich bestehe. Auch sei eine Wesensänderung aufgrund der epileptischen Anfälle möglich. Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme hierzu ausgeführt, eine organische Wesensänderung korreliere nicht zwingend mit einem epileptischen Anfallsleiden. Beobachtungen über die Anfallsschwere und Anfallshäufigkeit würden nicht vorliegen. Es könne sich auch zum Teil um psychisch induzierte Anfälle ohne tiefer gehende Krankheitsbedeutung handeln.
Daraufhin hat das SG ein weiteres Gutachten gemäß § 106 bei Dr.K. (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin) eingeholt. Dieser möge sich mit den Ausführungen u.a. von Dr.F. und Dr.F. zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung auseinandersetzen. In seinem Gutachten vom 20.03.2006 hält Dr.K. den Kläger nicht für entsprechend leistungsgemindert, die vom Versicherten geschilderten regelhaften nächtlichen Anfallsereignisse könnten nicht als entsprechende Nachweise gewertet werden. Die depressiven Symptome seien als leichtgradig und sozialmedizinisch nicht relevant einzuschätzen. Die von Dr.F. gestellte Diagnose "cerebrales Anfallsleiden" sei zwar qualitativ nicht aber quantitativ leistungseinschränkend. Mit Urteil vom 09.05.2006 hat das SG die Klage insoweit abgewiesen. Dem Gutachten von Dr.F. könne nicht gefolgt werden, denn dieser setze die Angaben des Klägers unkritisch um und sehe quantitative Leistungseinschränkungen für Zeiträume, in denen der Kläger tatsächlich gearbeitet habe bzw. quantitative Einschränkungen rechtskräftig abgelehnt worden seien. Im Rahmen der dagegen vom Kläger eingelegten Berufung hat das Bayer. Landessozialgericht ein weiteres Gutachten eingeholt. Im Anschluss daran hat der Kläger seine Berufung zurückgenommen.
Den an das SG gerichteten Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr.F. auf die Staatskasse hat das SG mit Beschluss vom 01.07.2009 abgelehnt. Es habe sich in seinem Urteil nicht auf die sozialmedizinische Einschätzung von Dr.F. stützen können, denn dieser habe die nächtlichen Anfälle überbetont. Auch stimmte seine Einschätzung nicht mit dem tatsächlichen Geschehen in bestimmten Zeiträumen überein. Dr.F. habe keine neuen, entscheidungserheblichen Tatsachen festgestellt, eine objektive Förderung des Rechtsstreites sei durch das Gutachten nicht eingetreten.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dr.F. habe insbesondere durch seine langjährige Kenntnis des Klägers die Anfälle entsprechend beurteilen können. Sein Gutachten habe zur Einholung weiterer Gutachten geführt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.F. sind auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG veranlassten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" iS des § 109 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten im beträchtlichen Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreites in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültige Kostentragung entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (vgl. Beschluss des Senates vom 24.04.2007 - L 20 B 82/07 R - mwN).
Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen vor. Nach der Begutachtung durch Dr.F. hat das SG Dr.K. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt und diesen ausdrücklich gebeten, sich auch mit den Ausführungen von Dr.F. auseinanderzusetzen. Dies hat Dr.K. auch getan. Insbesondere hat er sich auch mit der von Dr.F. vermuteten Wesensänderung auseinandergesetzt. Damit steht aber zur Überzeugung des Senates fest, dass das Gutachten von Dr.F. zumindest neue Fragen aufgeworfen hat, deren Klärung dem SG nicht allein aufgrund der Gegenüberstellung des Gutachtens von Dr.F. und von Dr.F. möglich war. Auch wenn das SG in seinem Urteil letztendlich die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr.F. aufgrund seiner unkritischen Umsetzung der klägerischen Angaben und seiner Annahme von Leistungseinschränkungen für Zeiträume, in denen keine solchen bestanden haben sollen, nicht für gegeben hält, so war es dennoch zunächst der Auffassung, dass ein weiteres Gutachten zur Klärung der Sachlage erforderlich sei. Allein der fortgeschrittene Zeitablauf kann nicht als alleiniger Anlass für die Einholung eines weiteren Gutachtens angesehen werden, nachdem das Gutachten von Dr.F. vom 10.01.2005, das Gutachten von Dr.F. vom 30.09.2005 und die Stellungnahme der Beklagten bereits vom 15.11.2005 datiert.
Nachdem das Gutachten von Dr.K. nicht lediglich die Unrichtigkeit des Gutachtens von Dr.F. bestätigt, vielmehr sich aus der Auseinandersetzung von Dr.K. mit den von Dr.F. angegebenen nächtlichen Anfällen und der von ihm vermuteten Wesensänderung neue Erkenntnisse ergeben (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 109 Rdnr 16a),b sind die Kosten des Gutachtens von Dr.F. vorliegend auf die Staatskasse zu übernehmen, auch wenn dem Argument, Dr.F. kenne den Kläger aus langjähriger Beobachtung, keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden kann.
Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben. Die Kosten des Gutachtens von Dr.F. sind auf die Staatskasse zu übernehmen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Die Kosten des gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz von Dr.F. am 30.09.2005 erstatteten Gutachtens werden auf die Staatskasse übernommen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten des gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens von Dr.F. auf die Staatskasse.
Auf die gegen den Bescheid vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2002 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage hin hat das SG nach Beiziehung entsprechender Befundberichte ein Gutachten gemäß § 106 SGG von Dr.F. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie psychosomatische Medizin) eingeholt. Dieser kommt auch unter Berücksichtigung der nächtlichen Anfälle des Klägers zu dem Ergebnis, dass keine entsprechende quantitative Leistungsminderung vorliege. Auf Antrag des Klägers hat Dr.F. (prakt. Arzt) am 30.09.2005 ein Gutachten gemäß § 109 SGG erstattet. Dieser beschreibt u.a. eine länger dauernde reaktive Depression bei cerebralem Anfallsleiden und kommt insbesondere aufgrund der ihm als behandelnden Arzt bekannten nächtlichen Anfälle zu dem Ergebnis, eine Leistungsminderung auf weniger als 3 Stunden täglich bestehe. Auch sei eine Wesensänderung aufgrund der epileptischen Anfälle möglich. Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme hierzu ausgeführt, eine organische Wesensänderung korreliere nicht zwingend mit einem epileptischen Anfallsleiden. Beobachtungen über die Anfallsschwere und Anfallshäufigkeit würden nicht vorliegen. Es könne sich auch zum Teil um psychisch induzierte Anfälle ohne tiefer gehende Krankheitsbedeutung handeln.
Daraufhin hat das SG ein weiteres Gutachten gemäß § 106 bei Dr.K. (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin) eingeholt. Dieser möge sich mit den Ausführungen u.a. von Dr.F. und Dr.F. zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung auseinandersetzen. In seinem Gutachten vom 20.03.2006 hält Dr.K. den Kläger nicht für entsprechend leistungsgemindert, die vom Versicherten geschilderten regelhaften nächtlichen Anfallsereignisse könnten nicht als entsprechende Nachweise gewertet werden. Die depressiven Symptome seien als leichtgradig und sozialmedizinisch nicht relevant einzuschätzen. Die von Dr.F. gestellte Diagnose "cerebrales Anfallsleiden" sei zwar qualitativ nicht aber quantitativ leistungseinschränkend. Mit Urteil vom 09.05.2006 hat das SG die Klage insoweit abgewiesen. Dem Gutachten von Dr.F. könne nicht gefolgt werden, denn dieser setze die Angaben des Klägers unkritisch um und sehe quantitative Leistungseinschränkungen für Zeiträume, in denen der Kläger tatsächlich gearbeitet habe bzw. quantitative Einschränkungen rechtskräftig abgelehnt worden seien. Im Rahmen der dagegen vom Kläger eingelegten Berufung hat das Bayer. Landessozialgericht ein weiteres Gutachten eingeholt. Im Anschluss daran hat der Kläger seine Berufung zurückgenommen.
Den an das SG gerichteten Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr.F. auf die Staatskasse hat das SG mit Beschluss vom 01.07.2009 abgelehnt. Es habe sich in seinem Urteil nicht auf die sozialmedizinische Einschätzung von Dr.F. stützen können, denn dieser habe die nächtlichen Anfälle überbetont. Auch stimmte seine Einschätzung nicht mit dem tatsächlichen Geschehen in bestimmten Zeiträumen überein. Dr.F. habe keine neuen, entscheidungserheblichen Tatsachen festgestellt, eine objektive Förderung des Rechtsstreites sei durch das Gutachten nicht eingetreten.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dr.F. habe insbesondere durch seine langjährige Kenntnis des Klägers die Anfälle entsprechend beurteilen können. Sein Gutachten habe zur Einholung weiterer Gutachten geführt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.F. sind auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG veranlassten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" iS des § 109 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten im beträchtlichen Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreites in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültige Kostentragung entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (vgl. Beschluss des Senates vom 24.04.2007 - L 20 B 82/07 R - mwN).
Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen vor. Nach der Begutachtung durch Dr.F. hat das SG Dr.K. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt und diesen ausdrücklich gebeten, sich auch mit den Ausführungen von Dr.F. auseinanderzusetzen. Dies hat Dr.K. auch getan. Insbesondere hat er sich auch mit der von Dr.F. vermuteten Wesensänderung auseinandergesetzt. Damit steht aber zur Überzeugung des Senates fest, dass das Gutachten von Dr.F. zumindest neue Fragen aufgeworfen hat, deren Klärung dem SG nicht allein aufgrund der Gegenüberstellung des Gutachtens von Dr.F. und von Dr.F. möglich war. Auch wenn das SG in seinem Urteil letztendlich die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr.F. aufgrund seiner unkritischen Umsetzung der klägerischen Angaben und seiner Annahme von Leistungseinschränkungen für Zeiträume, in denen keine solchen bestanden haben sollen, nicht für gegeben hält, so war es dennoch zunächst der Auffassung, dass ein weiteres Gutachten zur Klärung der Sachlage erforderlich sei. Allein der fortgeschrittene Zeitablauf kann nicht als alleiniger Anlass für die Einholung eines weiteren Gutachtens angesehen werden, nachdem das Gutachten von Dr.F. vom 10.01.2005, das Gutachten von Dr.F. vom 30.09.2005 und die Stellungnahme der Beklagten bereits vom 15.11.2005 datiert.
Nachdem das Gutachten von Dr.K. nicht lediglich die Unrichtigkeit des Gutachtens von Dr.F. bestätigt, vielmehr sich aus der Auseinandersetzung von Dr.K. mit den von Dr.F. angegebenen nächtlichen Anfällen und der von ihm vermuteten Wesensänderung neue Erkenntnisse ergeben (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 109 Rdnr 16a),b sind die Kosten des Gutachtens von Dr.F. vorliegend auf die Staatskasse zu übernehmen, auch wenn dem Argument, Dr.F. kenne den Kläger aus langjähriger Beobachtung, keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden kann.
Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben. Die Kosten des Gutachtens von Dr.F. sind auf die Staatskasse zu übernehmen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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