L 10 AL 88/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 137/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 88/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus Art 71 Abs 1 lit. a) ii) VO (EWG) 1408/71 ergibt sich, dass ein vollarbeitsloser Grenzgänger keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung im Staat seiner letzten Beschäftigung hat, selbst wenn er dort Beiträge gezahlt hat, sondern dass er verpflichtet ist, sich dem System der sozialen Sicherheit in seinem Wohnstaat anzuschließen und in der Zeit, in der er dort wohnt, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen.
Eine besondere Anbindung des "atypischen Grenzgängers" an den Arbeitsmarkt des (letzten) Beschäftigungsstaates, die dessen Zuständigkeit begründen kann (EuGH, Urteil vom 12.06.1986 - Az. C 1/85 - Rechtssache Miethe), ist in aller Regel nur dann anzunehmen, wenn einerseits der Arbeitslose aufgrund seiner beruflichen Biographie im (letzten) Beschäftigungsstaat ohne größerer Hindernisse in den Arbeitsmarkt integriert werden kann und andererseits eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt des Wohnsitzstaates kaum oder nur unter Einsatz erheblicher Mittel der Arbeitsmarktintegration möglich erscheint.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Arbeitslosengeldanspruch für im grenznahen Ausland lebende Arbeitnehmer (BVerfG, Beschluss vom 30.12.1999 - 1 BvR 809/95) ist keine gegenüber der VO (EWG) 1408/71 günstigere Regelung, die deren Anwendung auschließen würde.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.12.2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach deutschem Recht.

Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in S./ Polen. In der Zeit vom 01.05.1992 bis 30.04.2004 war sie in Deutschland als Büroangestellte bei der Fa. I. GmbH/ R. (Beschäftigungsort: P.) beschäftigt.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses meldete sich die Klägerin am 01.06.2004 bei der Beklagten (Agentur für Arbeit P.) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.

Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2004 ab. Nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 01.05.2004 sei der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Heimatstaat geltend zu machen.

Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass sie durch die Verweigerung der Leistungen nach deutschem Recht schlechter gestellt werde, insbesondere weil sie Beiträge nach deutschem Recht gezahlt habe, jedoch nur die geringeren Leistungen nach polnischen Recht in Anspruch nehmen solle.

Den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 24.08.2004 begründete die Beklagte damit, dass sie für die Erbringung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht zuständig sei. Für in Polen lebende Grenzgänger gelte ab dem 01.05.2004 europäisches Recht. Hiernach sei der Wohnortstaat für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zuständig.

Die gegen diesen Bescheid am 02.09.2004 zum Sozialgericht Neubrandenburg erhobene Klage ist mit Beschluss vom 18.02.2005 an das - wegen des Auslandswohnsitzes - zuständige Sozialgericht Nürnberg (SG) verwiesen worden. In der Sache hat die Klägerin ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass ihr Wohnsitz in Polen von der Agentur für Arbeit P. ca. 55 km entfernt liege. Diesen Wohnsitz habe sie während der gesamten Zeit der Beschäftigung in Deutschland innegehabt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.12.2006 abgewiesen. Als Grenzgängerin erhalte sie - mit dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 01.05.2004 - nach Artikel 71 Abs 1 lit. a der Verordnung (EU) 1408/71 bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohne. Die Klägerin sei auch nicht als "atypische" Grenzgängerin - im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) - anzusehen, der ein Wahlrecht zustehen könnte, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen wolle. Die Klägerin habe keine so weitgehende Bindung an den deutschen Arbeitsmarkt, die es rechtfertigen würde, anzunehmen, die Integration könne nur dort mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen. Die Berufungsfrist betrage für die Klägerin - ausweislich der Rechtsmittelbelehrung - drei Monate.

Gegen dieses - ihrem Bevollmächtigten erster Instanz am 15.12.2006 zugestellte - Urteil hat die Klägerin am 14.03.2007 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die im Urteil des SG angesprochene Entfernung zur Agentur für Arbeit nach P. könne die Ablehnung nicht rechtfertigen. Während ihrer Beschäftigungszeit habe sie des Öfteren nach P. fahren müssen, so dass die Entfernung kein Hindernis gewesen wäre. Außerdem habe sie Beiträge nach deutschem Recht bezahlt. Es sei daher unverständlich, dass sie nur Leistungen nach polnischem Recht erhalten solle, weil die Republik Polen der Europäischen Union beigetreten sei. Mittlerweile habe sie eine Beschäftigung in Polen aufgenommen. Sie beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 06.12.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für die Zeit ab dem 01.06.2004 Arbeitslosengeld nach deutschem Recht zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Auf Nachfrage des Senates hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie in dem für sie zuständigen polnischen Kreisarbeitsamt nicht als Arbeitslose eingetragen worden sei. Zu ihrer Ausbildung hat die Klägerin angegeben, in den Jahren von 1983 bis 1990 Germanistik an der Universität P. studiert zu haben (Abschluss - Lehrerin - DaF). Anschließend sei sie in den Jahren von 1990 bis 1992 einer Handelsgewerbetätigkeit in N. (Polen) nachgegangen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), insbesondere ist die Berufungsfrist gewahrt.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht einzulegen, § 151 Abs 1 SGG, wobei bei einer Zustellung im Ausland - auch ohne ausdrückliche Regelung - die Drei- Monats- Frist des § 87 Abs 1 Satz 2 SGG über § 153 Abs 1 SGG heranzuziehen ist (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 151 Rn. 6 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - die Zustellung an einen im Inland ansässigen Prozessbevollmächtigten erfolgt.

Mit der Zustellung des Urteils am 15.12.2006 an den in P./Deutschland ansässigen Prozessbevollmächtigten endete die Berufungsfrist mit Ablauf des 15.01.2007, so dass die am 14.03.2007 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung verfristet wäre. Das SG hatte jedoch nicht beachtet, dass die Zustellung im Inland zu erfolgen hatte, so dass der Rechtsmittelbelehrung zu entnehmen war, dass die Berufungsfrist für die Klägerin drei Monate betrage. Diese unzutreffende Rechtsmittelbelehrung führte im Ergebnis dazu, dass die Klägerin noch innerhalb eines Jahres ab Zustellung des Urteils - mithin bis längstens 15.12.2007 - in zulässiger Weise Berufung gegen das Urteil vom 06.12.2006 einlegen konnte (§ 66 Abs 2 SGG).

In der Sache ist die Berufung unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2004 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat als Grenzgängerin aufgrund ihres Wohnsitzes in Polen und der nicht hinreichenden Anbindung an den deutschen Arbeitsmarkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach deutschem Recht.

Nach § 3 Abs 2 Nr.4, § 19 Abs 1 Nr.6 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), § 118 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.V.m. § 30 Abs 1 SGB I haben Anspruch auf Arbeitslosengeld lediglich Personen, die ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches, d.h. in Deutschland haben. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin aufgrund ihres Wohnsitzes in A-Stadt/Polen ersichtlich nicht.

Zudem hat die Klägerin als sogenannte Grenzgängerin iSd Art 71 Abs 1 lit. a) ii) VO (EWG) 1408/71 lediglich Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften ihres Wohnsitzstaates, d.h. allein nach polnischem Recht.

Mit ihrem Beitritt am 01.05.2004 zur Europäischen Union hat die Republik Polen in der Akte über die Bedingungen ihres Beitrittes (Amtsblatt der Europäischen Union vom 23.09.2003 S. 33) in Artikel 2 dieser Akte akzeptiert, dass die vor ihrem Beitritt durch die Organe der EU erlassenen Rechtsakte für sie verbindlich sein und gelten sollen. Als ein Rechtsakt in diesem Sinne ist auch die VO (EWG) 1408/71 anzusehen, die in Art 71 Abs 1 lit. a) ii) regelt, dass für die Gewährung der Leistungen an einen arbeitslosen Arbeitnehmer, der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnte, ein vollarbeitsloser Grenzgänger Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats erhält, in dessen Gebiet er wohnt, so als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für ihn gegolten hätten.

Hierbei ist als "Zuständiger Staat" iSd Regelung der Mitgliedstaat anzusehen, in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz hat (Art 1 lit. q VO (EWG) 1408/71), mithin die Bundesrepublik Deutschland, denn die Bundesagentur für Arbeit ist der zuständige Träger, gegen den die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen hätte, wenn sie selbst im Gebiet des Mitgliedstaats wohnen würde, in dem dieser Träger seinen Sitz hat (Art 1 lit. o) ii) VO (EWG) 1408/71).

Die Klägerin ist auch als Grenzgängerin iSd Art 71 Abs 1 lit. a) ii) VO (EWG) 1408/71 anzusehen, denn nach der Legaldefinition des Art 1 lit. b) Halbsatz 1 VO (EWG) 1408/71 ist "Grenzgänger" jeder Arbeitnehmer oder Selbständige, der seine Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt, in das er in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehrt.

Auch diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin, denn ihre berufliche Tätigkeit war dadurch geprägt, dass sie ihren Arbeitsplatz in Deutschland von ihrem Wohnsitz in Polen aus an jedem Arbeitstag aufgesucht hat.

Aus Art 71 Abs 1 lit. a) ii) VO (EWG) 1408/71 ergibt sich daher, dass ein vollarbeitsloser Grenzgänger keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung im Staat seiner letzten Beschäftigung hat, selbst wenn er dort Beiträge gezahlt hat, sondern dass er verpflichtet ist, sich dem System der sozialen Sicherheit in seinem Wohnstaat anzuschließen und in der Zeit, in der er dort wohnt, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen (vgl. Urteil des EuGH vom 13.03.1995 Rn. 23 - Az. C -131/95 (Rechtssache Huijbrechts). Die Klägerin hat daher im Ergebnis auf der Grundlage der VO (EWG) 1408/71 allenfalls einen Anspruch auf Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit nach polnischem Recht. Dies kann jedoch offen bleiben, denn hierüber hat der Senat nicht zu entscheiden.

Über diesen Grundsatz hinausgehend ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zwar anerkannt (Urteil vom 12.06.1986 - C 1/85 - Rechtssache Miethe), dass ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer, der zwar formal die Kriterien nach Artikel 1 lit. b VO (EWG) 1408/71 (Grenzgänger) erfüllt, aber im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält, dass er dort die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat, als ein unter Artikel 71 Abs 1 lit. b) VO (EWG) 1408/71 fallender "Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist" anzusehen ist.

Diese Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und weiterhin der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates zur Verfügung stehen, haben bei Vollarbeitslosigkeit einen Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie in diesem Staat wohnen würden, Artikel 71 Abs 1 lit. b) i) Halbsatz 1 VO (EWG) 1408/71.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin jedoch nicht, denn es gibt keinen Beleg dafür, dass die Klägerin eine solche besondere Bindung zum deutschen Arbeitsmarkt entwickelt hat.

Diese besondere Anbindung an den Arbeitsmarkt des Beschäftigungsstaates ist in aller Regel nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitslose aufgrund seiner beruflichen Biographie (z.B. Ausbildung und/ oder langjährige Tätigkeit im Beschäftigungsstaat; gute Sprachkenntnisse) im (bisherigen) Beschäftigungsstaat ohne größerer Hindernisse in den Arbeitsmarkt integriert werden kann, wohingegen die Wohnsitznahme (außerhalb des Beschäftigungsstaates) nahezu ausschließlich aus persönlichen Gründen erfolgt ist (z.B. Umzug in das Grenzgebiet des nahen Auslandes, um einen gemeinsamen Familienwohnsitz mit dem im Ausland lebenden Partner zu begründen oder um die Lebenshaltungskosten zu senken) und damit einhergehend eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt des Wohnsitzstaates (z.B. wegen unzureichender Sprachkenntnisse oder unterschiedlicher beruflicher Qualifikationsanforderungen) auch kaum oder nur unter Einsatz erheblicher Mittel der Arbeitsmarktintegration (z.B. Sprachkurse; berufliche Qualifizierungskurse) möglich erscheint.

Bereits das SG hat jedoch zutreffend festgestellt, dass die Klägerin keine Vermittlungshemmnisse in ihrem Wohnsitzstaat, der Republik Polen, zu erwarten hatte, nachdem sie als polnische Staatsangehörige der Sprache mächtig ist, ihre Ausbildung in Polen durchlaufen hat und andererseits auch nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Werdegangs nahezu ausschließlich in Deutschland vermittelbar gewesen wäre. Dies wird insbesondere auch durch den eigenen Vortrag der Klägerin bestätigt, denn sie hat im Berufungsverfahren selbst vorgetragen, sich nur noch um Tätigkeiten in Polen zu bewerben, um nicht wieder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu bezahlen, die im Falle der Arbeitslosigkeit keine Berücksichtigung finden würden.

Nachdem bereits die besondere Anbindung der Klägerin an den deutschen Arbeitsmarkt fehlt, ist sie nicht als "atypische" Grenzgängerin anzusehen, so dass bereits dem Grunde nach kein Leistungsanspruch nach dem Recht des Beschäftigungsstaates (Deutschland) besteht und insofern die Frage offen bleiben kann, ob die Klägerin aufgrund der Entfernung von 55 km bis zur zuständigen Agentur für Arbeit nicht bereits deshalb vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist, weil sie sich dem deutschen Arbeitsmarkt nicht in sachgerechter Weise zur Verfügung stellen kann.

Im Weiteren kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass die Vorschriften über die soziale Sicherheit unangewendet zu bleiben haben, weil vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union eine günstigere Regelung bestanden habe, die durch die VO (EWG) 1408/71 ersetzt worden sei (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.02.2002; Az. C - 277/99 - Rechtssache Kaske).

Ein solches bilaterales Abkommen hat nicht bestanden. Lediglich in der Folge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes war anerkannt, dass im grenznahen Ausland lebende Arbeitnehmer u.U. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach deutschem Recht haben können, wobei diese Reglung nicht auf Gegenseitigkeit zwischen den nunmehrigen Mitgliedstaaten beruhte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.12.1999 in info also 2000, 69- 70). Zudem wird durch die mit der VO (EWG) 1408/71 verbundene Koordinierung der sozialen Sicherheit in Europa die Einlösung des durch die Beitragszahlung erworbenen Versicherungsschutzes gewährleistet, so dass der wesentliche Aspekt, der zur Rechtsprechung des BVerfG geführt hat, im Falle der Klägerin nicht zum Tragen kommt.

Zuletzt kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass die von ihr gezahlten Beiträge nach deutschem Recht durch den Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union entwertet worden wären.

Zum Einen wurden durch den Beitritt der Republik Polen zum System der sozialen Sicherheit in Europa die Ansprüche der Klägerin auf Lohnersatzleistung im Falle der Vollarbeitslosigkeit auf eine gesetzlich abgesicherte Grundlage gestellt, die es ihr einerseits ermöglicht - vorbehaltlich arbeitserlaubnisrechtlicher Einschränkungen - europaweit als Arbeitnehmer tätig zu werden, andererseits im Falle der Vollarbeitslosigkeit - entsprechend dem Lebensstandard des Wohnsitzstaates - sozial abgesichert zu sein.

Zum Anderen ist - nach der Rechtsprechung des EuGH - Art 68 Abs 1 VO (EWG) 1408/71, dahin auszulegen, dass im Falle eines Grenzgängers iS von Art 1 Buchst b VO (EWG) 1408/71 der vollarbeitslos ist, der zuständige Träger des Wohnsitzmitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Berechnung der Leistungen die Höhe des früheren Entgelts zugrunde zu legen ist, diese Leistungen unter Berücksichtigung des Entgelts zu berechnen hat, das der Arbeitnehmer während der letzten Beschäftigung in dem Mitgliedstaat erhalten hat, in dem er unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit beschäftigt war (vgl. EuGH, Urteil vom 28.02.1980 - Az. C - 67/79 in SozR 3 - 6050 Art 68 Nr. 1). Hierdurch ist grundsätzlich gewährleistet, dass die Klägerin nicht nur dem Grunde nach den von ihr durch Beitragsleistung erworbenen Versicherungsschutz lebensstandardsichernd einlösen kann, sondern auch, dass die in Polen zu beanspruchenden Leistungen in Bezug zum vorhergehenden Einkommen stehen, denn auch in der Republik Polen knüpft die Arbeitslosenunterstützung an das bislang bezogene Arbeitsentgelt an (vgl. www.rheinahrcampus.de/ recht/docs/arbeitsrecht/europa/Arbeitsrecht%20Polen.pdf), womit im Ergebnis auch keine mangelnde Äquivalenz zwischen der Beitragslast der Klägerin und ihrem Leistungsanspruch zu erkennen ist.

Die Berufung war daher im Ergebnis zurückzuweisen, mit der Folge, dass die Klägerin als Unterliegende keinen Anspruch auf die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten hat. Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor
Rechtskraft
Aus
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