L 13 R 553/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 750/07 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 553/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Volle/teilweise Erwerbsminderung - Beweiwürdigung
2. Zur gerichtlichen Amtserrmittlungspflicht, wenn ein Versicherter neue medizinische Befundberichte vorlegt.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Das Berufungsverfahren betrifft die Frage, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.

Der Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger und lebt auch dort. Ende 1970 kam er nach Deutschland und arbeitete hier bis 1982 als Straßenmarkierer, dann noch ein Jahr als Lkw-Fahrer. Danach kehrte er nach Kroatien zurück und war dort als Getränkeabfüller und zuletzt bis 2005 als Gärtner tätig. Seitdem steht er nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis. Seit März 2005 bezieht er eine kroatische Invalidenrente.

Der Kläger leidet gegenwärtig vor allem an Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates sowie der Psyche. Am 17.12.2005 beantragte er beim kroatischen Versicherungsträger eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Am 10.05.2006 wurde er von einem Arzt des kroatischen Versicherungsträgers persönlich untersucht. Laut dessen Gutachten vom 19.07.2006 (Chirurg Dr. B.) habe der Kläger geäußert, psychisch sei er zurückgezogen und depressiv. Laut psychischem Befund werde der Kläger beim Psychiater im Sinne einer Depression behandelt; zeitweise sei er nervös, besorgt und unzufrieden. In den Diagnosen taucht eine psychische Erkrankung nicht auf; auch in der epikritischen Zusammenfassung wird darauf nicht eingegangen. Dr. B. kam zum Ergebnis, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich tätig sein.

Mit Bescheid vom 27.10.2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise oder volle Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit gegeben sei. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15.01.2007 Widerspruch ein, den er mit internistischen und orthopädischen Gesundheitsstörungen begründete; zu seiner psychischen Verfassung sagte der Kläger nichts. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2007 als unbegründet zurück.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung hat das Sozialgericht drei medizinische Gutachten jeweils nach persönlicher Untersuchung eingeholt.

Der Neurologe und Psychiater P. J. R. hat in seinem Gutachten vom 03.12.2007 ein leichtes psychovegetatives Syndrom mit depressiven Zügen sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen diagnostiziert. Die nervliche Belastbarkeit und die Bewegungsfähigkeit des Klägers seien leicht eingeschränkt. Es bestehe ein vollschichtiges tägliches Leistungsvermögen, wobei leichte bis mittelschwere Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen möglich seien. Eine konsequente nervenärztliche und psychotherapeutische Behandlung sei geeignet, zu einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes zu führen.

Dr. E. S. hat ein orthopädisch-rheumatologisches Gutachten erstellt (Gutachten vom 03.12.2007). Er hat Morbus Forestier diagnostiziert, eine langsam versteifende Erkrankung der Wirbelsäule nicht entzündlichen Charakters. In der rechten Hand habe sich eine Verdickung einer Sehnenscheide ohne relevante Einbuße bei der Greiffähigkeit gefunden. Es könnten noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen vollschichtig durchgeführt werden. Das Heben und Tragen von Lasten und häufiges Bücken müssten vermieden werden.

Des Weiteren ist ein internistisches Gutachten des Medizinaldirektors Dr. M. P. eingeholt worden (Gutachten vom 04.12.2007). Auf internistischem Gebiet, so der Sachverständige, hätten sich keine Krankheiten gefunden, die über die Leistungsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet hinausgingen. In der Leistungseinschätzung hat sich Dr. P. Dr. S. angeschlossen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.12.2007 abgewiesen. Eine relevante Erwerbsminderung, so das Sozialgericht zur Begründung, liege nicht vor. Bei der Beurteilung des Gesundheitszustands des Klägers ist das Sozialgericht den eingeholten Gutachten gefolgt. An diesem Ergebnis, so das Sozialgericht, ändere nichts, dass der Kläger in seiner Heimat als Invalide anerkannt sei. Das deutsch-kroatische Sozialversicherungsabkommen bewirke keine Bindung des deutschen Versicherungsträgers an Feststellungen zum Versicherungsfall, die in Kroatien erfolgt seien. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit stehe dem Kläger nicht zu, weil dieser angesichts seines letzten Berufs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen sei.

Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.07.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat der vorgetragen, sein Gesundheitszustand hätte sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht erheblich verschlechtert. Er hat seine Konzentrationsschwierigkeiten betont. Er müsse sich jeden Morgen zwingen, aufzustehen und einen Tag voller Schmerzen zu durchleben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.12.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2006 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 20.03.2007 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger zwei aktuelle Befundberichte eingereicht. Der eine stammt von einer orthopädisch ausgerichteten Poliklinik in Z ... Er dokumentiert eine Untersuchung am 20.10.2008 durch den Arzt G. B ... Weiter hat sich der Kläger am 13.11.2008 im Allgemeinen Krankenhaus S. vom Psychiater Dr. M. S. untersuchen lassen und einen entsprechenden Befundbericht vorgelegt. Die Beklagte hat dazu Stellung genommen. Zum psychiatrischen Befundbericht hat sie vorgeschlagen, es solle beim behandelnden Psychiater angefragt werden, ob der Befundbericht die letzten vier bis fünf Jahre betreffe oder ob eine Verschlechterung tatsächlich aktuell eingetreten sei.

In der Folgezeit hat der Senat den Kläger zweimal gebeten, eine entsprechende Klarstellung des Dr. S. vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 08.09.2009 hat dieser medizinische Befunde mitgeschickt, wonach er Ende August 2009 offenbar eine Salmonellose hatte. Am 13.10.2009 hat er ein weiteres Attest des Dr. S. eingereicht, das mit dem Bericht vom 13.11.2008 weit gehend übereinstimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie fristgemäß erhoben worden. In analoger Anwendung von § 87 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beträgt die Berufungsfrist drei Monate.

Jedoch ist die Berufung unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Das rechtliche Gehör des Klägers ist gewahrt.

Die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung liegen im gesamten Zeitraum seit Stellung des Rentenantrags nicht vor. Folgende materiell-rechtliche Regelungen sind maßgebend:

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebens- jahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die im Gesetz genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie neben der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen voll erwerbsgemindert sind. Das ist nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dann der Fall, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger hat keinen Rentenanspruch nach § 43 SGB VI, weil eine (quantitative) Erwerbsminderung im Sinn von § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht vorliegt. Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger im gesamten streitbefangenen Zeitraum weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung gegeben ist oder war. Der Kläger ist vielmehr in der Lage, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - maßgebend sind insoweit die Verhältnisse am deutschen Arbeitsmarkt - noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Senat folgt den übereinstimmenden medizinischen Gutachten des Arztes R., von Dr. S. und Dr. P ... Betrachtet man alle drei Gutachten in einer Zusammenschau, so sind sorgfältig und umfassend Befunde erhoben und kompetent bewertet worden. Keines der drei Gutachten lässt fachliche oder methodische Schwächen erkennen, die sich negativ auf die Überzeugungskraft auswirken könnten. Deren Überzeugungskraft wird noch dadurch unterstrichen, dass der im Verwaltungsverfahren tätig gewordene kroatische Gutachter ebenfalls ein zeitlich nicht eingeschränktes Leistungsvermögen bezüglich des allgemeinen Arbeitsmarktes festgestellt hat.

Die wesentlichen gesundheitlichen Probleme des Klägers liegen auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet. Dagegen fallen dessen internistische Beschwerden, wie aus dem Gutachten von Dr. P. hervorgeht, nicht nennenswert ins Gewicht.

In orthopädischer Hinsicht ist der Kläger vor allem durch seine Wirbelsäulenerkrankung, Morbus Forestier, beeinträchtigt. Diese geht mit einer langsamen Versteifung der Wirbelsäule einher. Angesichts der Progredienz der Erkrankung mag es sein, dass sich die gesundheitlichen Perspektiven des Klägers als eher ungünstig darstellen. Gegenwärtig aber finden sich noch keine schwer wiegenden Einschränkungen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht zur Folge hätten. Dr. S. hat geschrieben, alle peripheren Gelenke seien auffallend gut beweglich; bei der Wirbelsäule bestehe eine hinreichende Beweglichkeit. An der Wirbelsäule und an den Extremitäten hätten sich auffallend viele schmerzhafte Druckpunkte gefunden, die jedoch in keinem Bezug zu der freien Beweglichkeit der Gelenke stünden. Einen entzündlichen Prozess im Sinn einer rheumatischen Erkrankung hat Dr. S. nicht feststellen können. Trotz der Verdickung in der rechten Hand ist die Greiffähigkeit ungestört. Angesichts dessen erscheint es plausibel, dass der Sachverständige das Leistungsvermögen des Klägers nur qualitativ gemindert gesehen hat.

Es war nicht erforderlich, im Berufungsverfahren ein weiteres orthopädisches/rheumato-
logisches Gutachten einzuholen. Denn der orthopädische Bericht vom 20.10.2008 nennt keine Befunde, die Zweifel an der Aktualität des Gutachtens des Dr. S. aufkommen lassen könnten. Der Arzt G. B. hat in diesem Zusammenhang mitgeteilt, der Kläger sei wegen Schmerzen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlungen zu ihm gekommen. Zudem hätte er Schmerzen in beiden Händen angegeben. Beim Ankommen sei der Kläger stabil gewesen. Das Gehen auf Zehen und Fersen sei erschwert gewesen. Miotatische Reflexe lägen vor und seien symmetrisch. Der Kläger habe über ordentliche Wahrnehmung berichtet. Die Beschwerdeangaben des Klägers im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. waren nicht weniger dramatisch: Dort hatte er geäußert, er habe Beschwerden in der Wirbelsäule, die in die Beine ausstrahlten. Alles tue ihm weh. Seine Hände würden schmerzen und anschwellen. Der Senat schließt sich dem medizinischen Dienst der Beklagten an, wonach der orthopädische Befund allenfalls auf eine akute Verschlechterung, nicht aber auf eine dauerhafte Beeinträchtigung des Leistungsbildes schließen lasse.

Auch das nervenärztliche Gutachten des Arztes R. überzeugt methodisch wie inhaltlich. Die Befunde, die der Sachverständige zum Zeitpunkt der Begutachtung (Dezember 2007) erhoben hat, stellen sich als sehr günstig dar: Der Kläger hat bei der Untersuchung alle Fragen verstanden und adäquate Antworten gegeben. Er war bewusstseinsklar und allseits orientiert, Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe waren unauffällig, der Gedankengang weder weitschweifig noch umständlich noch haftend. Gedächtnis und Intellekt haben keine Auffälligkeiten gezeigt. Für einen hirnorganischen Abbauprozess hat Herr R. keinen Anhalt gefunden. Der Antrieb war situationsgerecht. Der Kläger hat sehr ausführlich und umfangreich seine multiplen Beschwerden geschildert. Beim Ansprechen allgemeiner Sachverhalte hat er bestimmt und durchsetzungsfähig gewirkt. Eine wesentliche Reduktion von Antrieb, Energie, Konzentration oder kognitiven Fähigkeiten hat somit nicht vorgelegen. Bezeichnend erscheint, dass der Kläger vor Herrn R. geäußert hat, er sei nicht in psychiatrischer Behandlung und er nehme keine Schmerz- oder Nerventabletten. Vor diesem Hintergrund ist der Einschätzung des Sachverständigen, die nervliche Belastbarkeit des Klägers sei nur leicht eingeschränkt, zu folgen. Seine psychischen Probleme hindern den Kläger nicht daran, einer zustandsangepassten Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachgehen zu können.

Diese Einschätzung lässt durch den an den Senat gerichteten Schriftsatz des Klägers vom 08.09.2009 verifizieren, in dem dieser zwar verbittert und anklagend, nichtsdestotrotz aber voller Energie (Antrieb) und Emotion (Schwingungsfähigkeit) seine missliche Lage geschildert hat. Bei ihm vermag man auch als medizinischer Laie eher eine allgemeine Verdrossenheit und eine Vorwurfshaltung, nicht aber "pathologisches Schwarzsehen" festzustellen.

Eine neuerliche psychiatrische Begutachtung im Berufungsverfahren war ebenfalls nicht notwendig. Allerdings hätte der psychiatrische Befundbericht des Dr. S. vom 13.11.2008 durchaus den Schluss nahelegen können, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich signifikant verschlechtert. Denn dieser Befundbericht sagt aus, der Kläger sei jetzt verschlechtert und beunruhigt; vital und instinktmäßig sei er reduziert. Die Konzentration sei beschädigt, kognitives Funktionieren gestört, er sei verlangsamt. Der Kläger habe schwarze Gedanken und habe suizidale Bedenken geäußert. Wegen ähnlicher Beschwerden sei er vor vier bis fünf Jahren in psychiatrischer Behandlung gewesen; diese Therapie habe ihm aber nicht geholfen, weswegen er nicht mehr zum Arzt kommen wollte. Der Kläger sei tief niedergeschlagen und auch mit Ideen der Selbstschuld und eigener Unangemessenheit okkupiert. Er sei lustlos, ziehe sich zurück und lehne Kommunikation ab. Er erwache in den frühen Morgenstunden und sei aufgrund der Schlaflosigkeit erschöpft. Er leide an einer dauerhaften schweren depressiven Störung, die sich als therapieresistent erwiesen habe.

Die Beklagte hat dieses Attest sehr ernst genommen, jedoch zutreffend angemerkt, obwohl offensichtlich von suizidalen Gedanken gesprochen werde, sei keine Klinikaufnahme erfolgt, was in diesem Fall angezeigt gewesen wäre. Widersprüchlich sei auch, dass einerseits von einer Verschlechterung, dann aber von einem eigentlich unveränderten Befinden gesprochen werde. Auf Anregung der Beklagten hat der Senat den Kläger zweimal (Schreiben vom 23.03. und 17.04.2009) gebeten, eine entsprechende klarstellende Äußerung des Dr. S. vorzulegen, und ihm dann nochmal mit Schreiben vom 30.07.2009 vorgehalten, dass er dieser Bitte nach wie vor nicht entsprochen habe. Erstaunlicher Weise ist der Kläger dem mit dem Schriftsatz vom 08.09.2009 nicht nur nicht nachgekommen, sondern darauf in keiner Weise überhaupt eingegangen. Vielmehr hat er sich auf allgemeines Klagen und die Vorlage von (unerheblichen) Befunden zu einer Salmonellose beschränkt. Noch mehr hat überrascht, dass der Kläger einen Tag vor der mündlichen Verhandlung zwar ein neuerliches Attest des Dr. S. vorgelegt hat, dieses aber dem ersten sehr ähnelt und bezüglich der so wichtigen Chronologie der psychischen Befunde ebenso konturlos ist.

Aus dem Umstand, dass schließlich ein zweites Attest des Dr. S. vorgelegt worden ist, schließt der Senat, dass es dem Kläger keineswegs unzumutbar war, diesen auf die oben beschriebene Bitte hin erneut zu konsultieren. Wenn aber gleichwohl ein zweites Attest vorgelegt worden ist, das in keiner Weise mehr Informationswert besitzt als das erste, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger kein wirkliches Interesse hat, seiner Mitwirkungspflicht im Sozialgerichtsprozess gerecht zu werden. Daher gereichen ihm die Unzulänglichkeiten der beiden ärztlichen Bescheinigungen in der Weise zum Nachteil, dass der Senat nach den Grundsätzen der Amtsermittlung keinen neuen Aufklärungsbedarf sehen musste. Denn diese Unterlagen drängen zu dem Schluss, dass Dr. S. ein über mehrere Jahre hinweg gleich bleibend ungünstiges Krankheitsbild ("wegen ähnlicher Beschwerden vor vier bis fünf Jahren in Behandlung", "jahrelang resistent auf die Therapie"), nicht aber eine objektivierbare aktuelle Exazerbation von relevanter Dauer attestiert hat. Dann aber stehen die Bescheinigungen in unauflösbarem Widerspruch zu dem überzeugenden psychiatrischen Gutachten des Herrn R. und vermögen nichts zur Sachaufklärung beizutragen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Aussage des Dr. S., den Kläger würde nichts mehr interessieren, schlichtweg falsch ist. Auch ohne medizinische Fachkenntnisse gelingt es, dies allein angesichts des engagierten und emotionalen Prozessverhaltens des Klägers zu widerlegen.

Dafür, dass dem Kläger der Arbeitsmarkt unter dem Aspekt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung verschlossen sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere bedarf es keiner betriebsunüblichen Arbeitspausen und die Greiffunktionen der Hände sind weit gehend intakt.

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet aus, weil der Kläger angesichts seiner bisherigen Tätigkeit, die dem Bereich der ungelernten Berufe zuzuordnen ist, keinen Berufsschutz genießt. Im Hinblick auf den "letzten Beruf" ist an die letzte Tätigkeit in Deutschland anzuknüpfen. In diesem Zusammenhang teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 24.01.2007 mit, nach gegenwärtigem Stand der Dinge müsse von einer ungelernten Tätigkeit ausgegangen werden. Wolle er Berufsschutz geltend machen, solle er entsprechende Qualifikationsnachweise, welche die Beklagte beispielhaft aufzählte, vorlegen. Darauf hin antwortete der Kläger lediglich, er sei in Deutschland zuletzt als Zustellungsfahrer mit einem 7,5 Tonnen-Lkw tätig gewesen. Dementsprechend liegt eine Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vor.

Bezüglich des Arguments des Klägers, seine Leistungsfähigkeit dürfe in Deutschland nicht anders als in Kroatien bewertet werden, wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffende Begründung im Urteil des Sozialgerichts verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch vor dem Bayerischen Landessozialgericht ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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