L 7 AS 702/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 AS 1953/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 702/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ausschluss der Beschwerde
Eine Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, wenn der Beschwerdewert von 750,- Euro nicht überschritten wird und es sich nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr handelt. Eine anders lautende Rechtsmittelbelehrung ändert daran nichts.
I. De Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
15. September 2009, Az. S 32 AS 1953/09 ER, wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig sind im Beschwerdeverfahren die Folgekosten einer verzögerten Zahlung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die im Jahr 1962 geborene Beschwerdeführerin bezieht zusammen mit ihrem 1992 geborenen behinderten Sohn seit Juni 2008 Leistungen nach SGB II. Am 02.09.2008 erfolgte eine Zwangsräumung aus der bisherigen Wohnung. Seit 01.11.2008 bewohnt die Beschwerdeführerin und ihr Sohn eine Wohnung mit einer Gesamtmiete von 796,- Euro (Kaltmiete 595,- Euro) monatlich. In einem Vergleich beim Sozialgericht München (Verfahren S 52 AS 2450/08 ER) hatte sich der Beschwerdegegner verpflichtet, die Kosten des Umzugs sowie die unangemessenen die Kosten der Unterkunft für ein Jahr zu übernehmen.

Anfang Mai 2009 beantragte die Beschwerdeführerin die Weitergewährung der Leistungen für die Zeit ab 01.06.2009. Bei einer Vorsprache am 29.05.2009 lehnte die Beschwerdeführerin die Aushändigung der mitgebrachten Kontoauszüge unter Berufung auf Datenschutz ab und gestattete nur die Einsicht in einige wenige Kontoauszüge. Mit Schreiben vom 19.06.2009 wurde die Beschwerdeführerin auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen. Mit Bescheid vom 12.08.2009 wurde die Weitergewährung von Leistungen abgelehnt. Die Leistung werde gemäß § 66 SGB I versagt, weil die Kontoauszüge nicht vorgelegt worden seien.

Mit Schreiben vom 24.08.2009 kündigte der Vermieter die Wohnung fristlos wegen Zahlungsverzugs und einem Mietrückstand in Höhe von 1610.- Euro.

Am 28.08.2009 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Das Gericht wies auf die vom BSG bestätigte Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen hin. Daraufhin legte die Beschwerdeführerin am 02.09.2009 dem Beschwerdegegner die angeforderten Kontoauszüge vor. Mit Schreiben vom 02.09.2009 verpflichtete sich die Beschwerdegegnerin gegenüber dem Vermieter, die bestehenden Mietschulden einschließlich der Mahngebühren zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 03.09.2009 wurden Leistungen für die Zeit ab 01.06.2009 bis 30.11.2009 bewilligt.

Die Beschwerdeführerin teilte daraufhin dem Sozialgericht mit, dass der Antrag erst dann erledigt sei, wenn sämtliche Leistungen inklusive Zinsen nach § 44 SGB I, Mahnkosten, Kosten von Rücklastschriften, Telefon- und Telefaxkosten, Fahrtkosten, eventuelle Kosten für eine Räumungsklage und nicht absehbare künftige Kosten beglichen seien. Mit Beschluss vom 14.09.2009 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Soweit die Leistungen bereits bewilligt seien, sei das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Soweit Zinsen und Folgekosten gefordert würden, fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil diese Zahlungen bislang nicht bei der Behörde beantragt worden seien. Die Beschwerde sei zulässig. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 16.09.2009 zugestellt.

Am 16.10.2009 hat die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Aufgrund der verspäteten Zahlungen sei es zur fristlosen Wohnungskündigung gekommen, wodurch Zinsen, Rücklastschriften, Mahnkosten und Auslagen entstanden seien. Diese Kosten und Auslagen würden mit der Beschwerde geltend gemacht werden. Das LSG hat die Beschwerdeführerin erfolglos aufgefordert, die geltend gemachten Beträge zu beziffern.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.09.2009 aufzuheben und den Beschwerdegegner vorläufig zu verpflichten, die Folgekosten der verzögerten Leistungsgewährung (Zinsen, Rücklastschriften, Mahnkosten und Auslagen) zu bezahlen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner trägt vor, dass ein Verzinsungsanspruch nach § 44 SGB I nicht bestehe. Die Folgekosten wären nicht entstanden, wenn die Beschwerdeführerin die erforderlichen Unterlagen zur Antragsbearbeitung rechtzeitig vorgelegt hätte. Mahnkosten des Vermieters in Höhe von 21,- Euro seien übernommen worden.

II.

Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch als unzulässig zurückzuweisen, weil der Beschwerdewert von 750,- Euro nicht erreicht wird.

Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 SGG ist eine Berufung ohne ausdrückliche Zulassung unzulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro nicht übersteigt und keine wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr begehrt wird.

Im vorliegenden Fall begehrt die Beschwerdeführerin die Übernahme von Folgekosten für die verzögerte Leistungsgewährung. Die Kosten einer eventuellen Räumungsklage werden im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemacht - mit einer Räumungsklage ist nach der Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Übernahme der Mietschulden nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch nicht mehr zu rechnen. Trotz Aufforderung durch das LSG hat die Beschwerdeführerin die geltend gemachte Forderung nicht beziffert. Die Folgekosten betreffen die Leistungen für die Zeit ab 01.07.2009, die mit Bescheid vom 03.09.2009 bewilligt wurden. Insgesamt geht es also um eine Verzögerung von rund drei Monaten bei einer monatlichen Leistung von rund 950.- Euro. Es ist nicht erkennbar, dass die infolge der Verzögerung entstandenen Zinsen, Kosten für Rücklastschriften, Mahnkosten und Auslagen einen Betrag von 750,- Euro auch nur annähernd erreichen könnten. Es handelt sich um Einzelbeträge in der Größenordnung zwischen 3,- und 15,- Euro. Lediglich ein Inkassounternehmen verlangte rund 100,- Euro als Inkassovergütung und Auslagen (vgl. Akte des Sozialgerichts). Die Beschwerde ist deshalb als unzulässig abzuweisen.

In der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Beschlusses wurde die Beschwerde als zulässig bezeichnet. Bezogen auf den dortigen Streitgegenstand, der auch künftige Folgekosten umfasste, war das zutreffend. Maßgeblich ist für den Beschwerdewert jedoch die im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Beschwer (Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 143 Rn. 14). Eine Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (vgl. Leitherer a.a.O., Rn. 14b vor § 143).

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass für die geltend gemachten Leistungen keine Anspruchsgrundlagen ersichtlich sind. Nach § 44 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen unter bestimmten Voraussetzungen mit vier vom Hundert zu verzinsen, wobei die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beginnt. Diese Voraussetzungen liegen hier offensichtlich nicht vor. Nach § 65a SGB I kann (Ermessen der Behörde) in Härtefällen ein Aufwendungsersatz für die Aufwendungen des persönlichen Erscheinens nach § 61 SGB I übernommen werden. Die sonstigen Folgekosten könnten allenfalls im Wege der Amtshaftung bei den Zivilgerichten geltend gemacht werden und setzen eine schuldhafte Amtspflichtverletzung voraus. Bereits wegen der rechtsgrundlosen Verweigerung der Vorlage der Kontoauszüge dürfte ein derartiger Anspruch ausgeschlossen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved