Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 189/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 106/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die erneute Zuerkennung und Auskehrung eines bereits erfüllten Anspruchs auf Sozialleistungen ist rechtswidrig. Das frühere Schuldverhältnis war bereits erloschen.
2. Die Leistung eines nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträgers führt infolge einer Fiktion (§ 107 SGB X) zum Erlöschen des Anspruchs gegen den Erstattung verpflichteten Sozialleistungsträger.
3. Im Sozialhilferecht wird die Subsidiarität einer Leistung nachträglich durch den Erstattungsanspruch gegen den eigentlich zur Leistung verpflichteten Sozialleistungsträger wieder hergestellt.
4. Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X tritt ein, soweit ein Erstattungsanspruch besteht.
5. Der Erstattungsanspruch entsteht nur, wenn der erstattungspflichtige Leistungsträger in Kenntnis der Vorleistung des verpflichteten Trägers leistet. Erfolgt die Leistung vor dieser Kenntnis, entsteht kein Erstattungsanspruch. Der Leistungsträger befriedigt dann originär seine eigene Verpflichtung. Dem Erbringer der "Vorleistung" steht dann selbst ein Rücknahme- und Erstattungsanspruch zu.
6. Das Rechtsinstitut der Erfüllung mit seinen Rechtsfolgen ergibt sich aus dem allgemeinen Sozialleistungsverhältnis in Verbindung mit § 362 BGB. Insoweit sind die Regelungen im SGB I unvollständig aber ohne Verletzung von § 31 SGB I erweiterbar.
7. Die Erfüllung bewirkt eine Beendigung und einen Wegfall des Schuldverhältnisses. Sie begründet keine bloße Einrede, sondern wirkt rechtsvernichtend. Zur Wiederherstellung eines erneuten Schuldverhältnisses bedarf es eines völlig neuen Rechtsgrundes.
8. Es handelte sich schlichtweg um fehlerhaftes Verwaltungshandeln, wenn ein Leistungsträger die bereits vier Jahre zuvor erfolgte Anmeldung eines Erstattungsanspruches übersieht und dann doppelt leistet. Ein derartiger Fall liegt nicht anders, wie wenn ohne das Vorliegen einer Dreiecksbeziehung eine Leistung doppelt erbracht worden wäre.
2. Die Leistung eines nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträgers führt infolge einer Fiktion (§ 107 SGB X) zum Erlöschen des Anspruchs gegen den Erstattung verpflichteten Sozialleistungsträger.
3. Im Sozialhilferecht wird die Subsidiarität einer Leistung nachträglich durch den Erstattungsanspruch gegen den eigentlich zur Leistung verpflichteten Sozialleistungsträger wieder hergestellt.
4. Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X tritt ein, soweit ein Erstattungsanspruch besteht.
5. Der Erstattungsanspruch entsteht nur, wenn der erstattungspflichtige Leistungsträger in Kenntnis der Vorleistung des verpflichteten Trägers leistet. Erfolgt die Leistung vor dieser Kenntnis, entsteht kein Erstattungsanspruch. Der Leistungsträger befriedigt dann originär seine eigene Verpflichtung. Dem Erbringer der "Vorleistung" steht dann selbst ein Rücknahme- und Erstattungsanspruch zu.
6. Das Rechtsinstitut der Erfüllung mit seinen Rechtsfolgen ergibt sich aus dem allgemeinen Sozialleistungsverhältnis in Verbindung mit § 362 BGB. Insoweit sind die Regelungen im SGB I unvollständig aber ohne Verletzung von § 31 SGB I erweiterbar.
7. Die Erfüllung bewirkt eine Beendigung und einen Wegfall des Schuldverhältnisses. Sie begründet keine bloße Einrede, sondern wirkt rechtsvernichtend. Zur Wiederherstellung eines erneuten Schuldverhältnisses bedarf es eines völlig neuen Rechtsgrundes.
8. Es handelte sich schlichtweg um fehlerhaftes Verwaltungshandeln, wenn ein Leistungsträger die bereits vier Jahre zuvor erfolgte Anmeldung eines Erstattungsanspruches übersieht und dann doppelt leistet. Ein derartiger Fall liegt nicht anders, wie wenn ohne das Vorliegen einer Dreiecksbeziehung eine Leistung doppelt erbracht worden wäre.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. März 2008 aufgehoben.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 6.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.7.2006 wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme einer Arbeitslosenhilfebewilligung für die Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 und eine Rückforderung i.H.v. 2587,5 EUR streitig (Bescheid vom 20.03.2006).
Die 1977 geborene Klägerin steht seit 1999 im Leistungsbezug der Beklagten.
Mit Urteil des Sozialgerichts Landshut (SG) vom 13.01.2005 ist der Klägerin für die Zeit vom 13.10.2000 bis 28.02.2002 ein Anspruch auf Krankengeld zuerkannt worden. Dies bewirkte eine weitere Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). Daher ihr wurde am 05.07.2005 nachträglich vom 01.02.2002 bis 18.02.2002 und vom 01.09.2003 bis 13.02.2004 Arbeitslosengeld (Alg) zuerkannt.
Dem Antrag auf Anschlussarbeitslosenhilfe entsprach die Beklagte nach einschlägigen Ermittlungen mit Bescheid vom 20.03.2006 und bewilligte der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 in Höhe eines ungeminderten Leistungssatzes von 105,91 Euro wöchentlich. Den Nachzahlungsbetrag von 4.871,86 Euro kehrte die Beklagte an die Klägerin aus. Wegen des am 16.5.2006 bekannt gegeben Erstattungsanspruchs des Trägers der Sozialhilfe legte die Klägerin entsprechend der erteilten Rechtsmittelbelehrung Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Der Beklagten beachtete - entsprechend den bei der Klägerin eingeholten Einkünften, wonach für die Zeit ab 14.02.2004 keine anderen Leistungen außer EU-Rente beantragt oder bezogen worden seien - bei ihrer Entscheidung nicht, dass die Klägerin im involvierten Zeitraum vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 bereits Sozialhilfe in Höhe von 2.587,50 EUR bezogen hatte und insoweit bereits am 05.02.2004 die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs des Landratsamtes P. erfolgt war. Am 22.05.2006 befriedigte die Beklagte den Erstattungsanspruch.
Nach Bekanntwerden des Erstattungsanspruchs und einer entsprechenden Anhörung hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi mit Bescheid vom 16.05.2006 in Höhe von 2587,50 EUR auf. Den Eingriff stütze die Beklagte auf § 45 Abs. 2
S. 2 Nr. 3 SGB X. Es sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und angeführt, dass die Aufhebung der Bewilligung zu Recht erfolgt sei, weil Sozialhilfe keine auf die Alhi anzurechnende Leistung sei. Zudem genieße sie Vertrauensschutz, weil sie die Fragen auf einen Leistungsbezug mangels konkreter Auflistung von Sozialhilfeleistungen im Fragebogen korrekt beantwortet habe. Zudem liege ein Verschulden der Beklagten vor, die den Erstattungsanspruch vom 05.02.2004 nicht beachtet habe.
Das SG hat mit Urteil vom 05.03.2008 den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Bewilligungsbescheid vom 20.03.2006 nicht im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Ziffer 2 und 3 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Denn die Klägerin sei gemäß § 193 Abs. 1 SGB III bedürftig gewesen, da sie ihren Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als Alhi habe bestreiten können und Sozialhilfeleistungen kein bei der Alhi zu berücksichtigendes Einkommen sei.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgerichts (LSG) eingelegt. Mit Aufgreifen der Begründung ihres Widerspruchsbescheides führt die Beklagte an, dass es sich bei den Leistungen der Sozialhilfe zwar um kein auf die Alhi ausdrücklich anzurechnendes Einkommen (wie z.B. Arbeitseinkommen, Unterhaltsansprüche oder Renten) handele, aber bei der Klägerin im Zeitraum vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 im Umfang der Rückerstattungssumme keine Bedürftigkeit mehr vorgelegen habe, da dieser die Leistungen der Sozialhilfe bereits gezahlt worden seien. In der Nichtberücksichtigung der insoweit gezahlten wesensgleichen Sozialhilfe liege die materielle Rechtswidrigkeit der Alhi Bewilligung.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.03.2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 16.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2006 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die schon angesichts der Rückforderungssumme ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt
(§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG).
Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die angefochtene Verwaltungsentscheidung war rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist die von der Beklagten mit Bescheid vom 16.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2006 vorgenommene teilweise Rücknahme sowie eine Rückforderung i.H.v. 2587,50 EUR.
Zulässig verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch (§ 123 SGG) mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Durch die beantragte Aufhebung des Rücknahmebescheides würde ihre frühere Rechtsposition der Leistungszahlung von Alhi in voller Höhe wieder hergestellt.
Zu Recht hat die Beklagte in die der Klägerin mit Bewilligungsverfügung vom 20.03.2006 eingeräumte Rechtsposition eingegriffen, in welcher dieser Alhi für die Zeit vom 14.02. 2004 bis 31.12.2004 in Höhe eines ungeminderten Leistungssatzes von 105,91 Euro wöchentlich zuerkannt wurde. Die ursprüngliche Feststellung dieses Anspruchs erweist sich als rechtswidrig, da dieser Anspruch zum Zeitpunkt seiner Zuerkennung bereits erfüllt gewesen war.
Die Rücknahme des kurz zuvor (20.03.2006) erlassenen Bewilligungsbescheides am 16.05.2006 bemisst sich nach § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Danach ist (§ 330 Abs. 2 SGB III) ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X genannten Rücknahmevoraussetzungen vorliegen. Die Rücknahme stützt sich damit im Wesentlichen auf die beiden - hier erfüllten - Tatbestandsmerkmale der Rechtswidrigkeit der aufzuhebenden Verwaltungsentscheidung (1) und des fehlenden Vertrauensschutzes (2). Daneben sind der Zwang zur Rücknahme (3) und die formalen Voraussetzungen beachtet (4). Ebenso sind gemäß § 50 SGB X die Voraussetzung des Erstattungsanspruchs gegeben (5).
1. Am 20.03.2006 war der Anspruch der Klägerin auf Alhi in Höhe von 2587,50 EUR bereits erfüllt und das Schuldverhältnis insoweit bereits erloschen. Die erneute Zuerkennung und Auskehrung eines bereits erfüllten Anspruchs auf Sozialleistungen ist rechtswidrig. Sie hat der materiellen Rechtsordnung widersprochen.
a)
Ein Anspruch der Klägerin auf Sozialhilfe hat im Nachhinein - aus der Betrachtungsweise im Jahre 2006 heraus - nicht bestanden. Sozialhilfe ist in der sozialen Gesamtrechtsordnung eine subsidiäre Auffangleistung (damals § 2 Bundessozialhilfegesetz - BSHG). Nach dem in § 2 BSHG zum Ausdruck gebrachten Prinzip des Nachrangs der Sozialhilfe erhält derjenige keine Sozialhilfe, der sich selbst helfen kann oder der die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Zu Recht haben daher die inzwischen außer Kraft getretenen Vorschriften über das zu berücksichtigende Einkommen bei der Alhi unter anderem geregelt, dass Leistungen der Sozialhilfe nicht als Einkommen gelten. Selbstverständlich ist damit - wie das SG zu Recht ausführt - die Sozialhilfe kein auf Alhi anrechenbares Einkommen (vgl. § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III, Leistungen, die nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften unter Anrechnung der Alhi erbracht werden). Damit bringt der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck, dass vorrangig Alhi zu erbringen ist.
b)
Das Nachrangprinzip tritt aber dann zurück, wenn eine vorrangige Hilfe aktuell nicht zur Verfügung steht. Diese so genannte Faktizität bzw. der Gegenwärtigkeitsgrundsatz zeigt sich schon bei dem in den Indikativ gesetzten Wortlaut des § 2 BSHG ( ... der sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen erhält). Ein Verweisen des Hilfeempfängers auf fern liegende, schwere durchsetzbare Ansprüche widerspräche dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Garantie einer menschenwürdigen Existenz.
c)
In dem hier vorliegenden Fall des Ausbleibens gegenwärtiger, anderweitiger Hilfe, war die Sozialhilfeverwaltung zunächst verpflichtet, Leistungen zu erbringen. Denn der Anspruch der Klägerin auf Alhi für den involvierten Zeitraum vom 14.02. 2004 bis 31.12.2004 war damals rechtshängig gemacht und befand sich im Klage- beziehungsweise Berufungsverfahren. Die Klägerin hatte am 01.03.2002 nach eineinhalbjähriger Krankheit einen (weiteren) Antrag auf Alhi gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2002 bzw. Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 mangels Vorbezugszeiten ablehnte. Die dagegen zum SG gerichtete Klage unter dem Az.: S 6 AL 173/02 war erfolglos (Urteil vom 28.04.2004), ebenso das Berufungsverfahren, Az.: L 8 AL 233/04, bei dem Bayer. Landessozialgericht (LSG, Urteil vom 11.09.2008). Das BSG verwarf die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 18.11.2009 (Az.: B 11 AL 171/08 B). Desweiteren hatte die Klägerin am 01.09.2003 erneut Alhi beantragte, die ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 10.09.2003/Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003 versagt worden ist. Hieran schloss sich das Klageverfahren S 6 AL 596/03 (vom 16.11.2005) sowie das Berufungsverfahren L 8 AL 484/05 an.
Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Leistungserbringung erfolgte demnach durch einen nachrangig verpflichteten Leistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB X. Ein Leistungsträger ist insbesondere dann nur nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 2 SGB X).
d)
aa) Derartige Fallgestaltungen erfordern die nachträgliche Wiederherstellung der Subsidiarität. Dies geschieht, wie zu Recht auch im Urteil des SG angemerkt ist, dadurch, dass der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt (§ 107 Abs. 1 SGB X). Mit der Erfüllungsfiktion in § 107 Abs. 1 SGB X hat der Gesetzgeber sich aus Gründen der Rechtsklarheit und der Verwaltungsökonomie für eine unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen entschieden (vgl. auch BVerwG vom 18.10.1990
- 5 C 51/86 = BVerwGE 87, 31), die eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen vorleistendem Träger und Leistungsberechtigten sowie ein Nachholen der Leistung im Verhältnis zwischen leistungspflichtigem Träger und Leistungsberechtigten ausschließen soll (vgl. BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 10/91). Damit hat das Landratsamt P. in Höhe seiner damaligen Zahlung den gegen die Beklagte gegebenen Anspruch der Klägerin auf Alhi befriedigt.
bb) Die Erfüllungsfiktion tritt zwar nur ein, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Einem Erstattungsanspruch steht aber insbesondere nicht entgegen, dass die Beklagte in Kenntnis der Vorleistung des Trägers der Sozialhilfe geleistet hätte. Denn gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz SGB X ist der Leistungsträger nur erstattungspflichtig, soweit er nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Erstattungsanspruch entsteht nur, wenn der erstattungspflichtige Leistungsträger in Kenntnis der Leistung des Vorleistung verpflichteten Trägers leistet. Erfolgt die Leistung vor dieser Kenntnis, entsteht kein Erstattungsanspruch. Der Leistungsträger befriedigt dann originär seine eigene Verpflichtung. Dies hat das SG verkannt, wenn es ausführt, dass die Beklagte ihre Leistung auch nicht erbracht habe, ohne Kenntnis von der Sozialleistungen zu haben. In der vorliegenden Fallkonstellation hatte die Beklagte objektiv wie subjektiv Kenntnis von der Leistung des Sozialhilfeträgers. Denn mit dem bei der Beklagten am 05.02.2004 eingegangenen Schriftsatz des Landratsamtes P. vom 02.02.2004 ist der Erstattungsanspruch aktuell bekannt gegeben worden und die Beklagte aufgefordert worden, vor Beginn einer Zahlung ein Einvernehmen herzustellen. Der Senat stellt dabei ausdrücklich fest, dass die Beklagte nicht in Unkenntnis der Leistung des Landratsamtes P. geleistet hat. Sie hat vielmehr erst zu einem Zeitpunkt und mit einem Bewusstseinstand geleistet, nachdem sie von der Leistung des Sozialgeldes Kenntnis erlangt hatte. Dies ergibt sich auch unzweifelhaft daraus, dass die Beklagte sogar die Erstattungsforderung bestritten hat. Denn sie hat im Schreiben vom 05.02.2004 an das Landratsamt P. ausgeführt, dass sie den Erstattungsanspruch nicht anerkenne, weil die Klägerin weder arbeitslos gemeldet sei noch Leistungen beantragt habe. Diese Erkenntnis beruht auf den vom SG beigezogenen Aktenbestandteilen, wie sie der entsprechenden Gerichtsakte beigelegt sind. Damit ist das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht erst durch den Bescheid vom 20.03.2006 erloschen, was sonst zur Konsequenz gehabt hätte, dass deren Bescheid rechtmäßig gewesen wäre und der Sozialhilfeträger mangels Erstattungsanspruch auf einen Anspruch nach § 50 SGB X angewiesen gewesen wäre.
e) Die mit Bescheid vom 20.03.2006 erfolgte Zuerkennung eines Anspruchs auf ein vermeintlich noch offenes Schuldverhältnis auf Alhi erfolgte damit teilweise zu Unrecht. Rechtlich war dieser Anspruch i.H.v. 2587,50 EUR durch die Leistung des Landratsamts P. bereits erfüllt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus dem Institut der Erfüllung. Das Rechtsinstitut der Erfüllung mit seinen Rechtsfolgen ergibt sich aus dem allgemeinen Sozialleistungsverhältnis in Verbindung mit § 362 BGB. Insoweit sind die Regelungen im SGB I unvollständig. Das allgemeine Sozialleistungsverhältnis ist im SGB I (allgemeiner Teil) nur bruchstückhaft geregelt ist (vgl. etwa die Vorschriften der 38 ff. SGB I über die Entstehung und Fälligkeit von Ansprüchen). So kann aber ohne Verletzung von § 31 SGB I auf die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts zurückgegriffen werden. Nach § 362 Abs. 1 BGB ist das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird, erfüllt.
Durch Erfüllung erlischt ein Schuldverhältnis insgesamt. Ansprüche auf einmalige Leistungen erlöschen mit ihrer Erfüllung (Bley, Kreikebohm, Sozialrecht, 9. Auflage, Rn. 124). Die Erfüllung bewirkt eine Beendigung und einen Wegfall des Schuldverhältnisses. Sie begründet keine bloße Einrede, sondern wirkt rechtsvernichtend. Zur Wiederherstellung eines erneuten Schuldverhältnisses bedarf es eines völlig neuen Rechtsgrundes (vgl. Münchener Kommentar, 5. Auflage, Rn. 8 zu § 362 BGB).
Damit zeigt sich schon die originäre Rechtswidrigkeit des erneut bewilligenden Verwaltungsaktes vom 20.03.2006, mit dem i.H.v. 2587,50 EUR erneut eine Leistung festgestellt und zuerkannt worden ist, obwohl das Schuldverhältnis bereits erloschen war. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weswegen die Klägerin eine Doppelleistung erhalten sollte. Der Zweck der Existenzsicherung ist bereits durch die Erbringung der Leistungen sozial bewirkt. Eine zweckidentische Leistung eines anderen Trägers für denselben Zeitraum ist von der Rechtsordnung nicht vorgesehen.
f)
Es besteht im Übrigen auch kein Ausschlussverhältnis zu Gunsten der Klägerin zwischen Rückforderung und Erstattungsanspruch. Anders als die Klägerin meint, ist das Rückforderungsrecht der Beklagten nicht durch einen Erstattungsanspruch ausgeschlossen. Die Klägerin beruft sich auf die Kommentierung in Kasseler Kommentar (Anmerkungen 12 ff. zu § 104 SGB X). Darin ist ausgeführt, dass die §§ 102-107 den Vermögensausgleich nur zwischen den beiden Leistungsträgern bezwecken und gerade nicht zwischen dem Leistungsträger, der die Leistung bereits erbracht hat, und dem Leistungsberechtigten. "Dem erstattungsberechtigten Träger steht also kein Wahlrecht zu, Erstattung entweder vom Berechtigten nach § 50 SGB X oder vom erstattungspflichtigen Träger nach §§ 102 ff SGB X zu verlangen" (ähnlich von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, Rn. 6 zu § 107). Es handelte sich schlichtweg um fehlerhaftes Verwaltungshandeln, weil die Beklagte die bereits vier Jahre zuvor erfolgte Anmeldung des Erstattungsanspruches mit den oben genannten Konsequenz übersehen hatte. Dieser Fall liegt nicht anders, wie wenn ohne das Vorliegen einer Dreiecksbeziehung eine Leistung doppelt erbracht worden wäre.
Hier steht gerade dem Beklagten kein Erstattungsanspruch zu. Dies wäre nur, wie oben ausgeführt, der Fall, wenn die Beklagte in Unkenntnis der Leistung des Landratsamtes P. geleistet hätte. Dann wäre kein Erstattungsanspruch des Landratsamtes gegeben gewesen. Die Beklagte hätte dann selbst ihre zu Unrecht erbrachte Erstattung vom Landratsamt zurückfordern müssen; dieses hätte die dann nur vorläufig gezahlte Sozialhilfe von der Klägerin zurückfordern müssen. Nur diese Fallkonstellation ist in den oben angeführten Kommentarstellen behandelt.
g)
Nicht aber greift die Argumentation der Beklagten, wonach ein Anspruch auf Alhi deswegen nicht gegeben gewesen sei, weil kein Bedarf bestehe. § 193 Abs. 1 SGB III bringt zwar zum Ausdruck, dass bedürftig ein Arbeitsloser ist, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 193 SGB III). Ausgangspunkt der Betrachtung dieses Anspruchs ist aber der Zeitpunkt der Antragstellung. Denn Alhi ist anders als Sozialhilfe (BVerwGE 21, 274) auch für die Vergangenheit zu erbringen. Es handelt sich um eine Antragsleistung, die nicht wie die Sozialhilfe, durch das Bekanntwerden (sog. Einsatzprinzip bei Bekanntwerden der Notlage) seitens des Sozialhilfeträgers entsteht. Tatsächlich hat also ein Anspruch auf Alhi gerade wegen Bedürftigkeit bestanden, der allerdings mittels des Sozialhilfeträgers befriedigt worden ist.
2. Vertrauensschutzgründe lassen die Rücknahme nicht entfallen.
a)
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht - wie es die Klägerin anführt - oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dennoch ist der Vertrauensschutz entfallen und kann insbesondere die Zuerkennung auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn typisierte Fälle der Bösgläubigkeit (§ 45 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 S. 2 SGB X) vorliegen. Nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3).
b)
Der Verwaltungsakt beruht hier auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (s.o. Nr. 2).
aa) Die Klägerin hat den Bezug von Sozialhilfe für die Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 zweimal verschwiegen. In ihrem Antrag auf Alhi vom 23.02.2005, in dem Angaben für die Zeit ab dem 14.02.2004 verlangt worden sind, verneinte sie den Bezug oder die Beantragung anderer Leistungen mit Ausnahme des Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf die Anfrage der Beklagten vom 02.03.2006, wie sie in der Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 ihren Lebensunterhalt bestritten habe, teilte die Klägerin mit, dass sie keinerlei Einkommen habe und auf das Wohlwollen von Freunden und Bekannten angewiesen sei, bei denen sie Schulden habe. Den Krankenversicherungsbeitrag bezahle ihr Vater. Sie müsse diesen aber wieder zurückzahlen. Ausdrücklich merkte sie noch an, "dass sich der Zeitraum nicht nur bis 31.12.2004 bezieht. Der Zeitraum ist laufend." Im Übrigen hat die Klägerin zahlreiche Rechtsstreite wegen der Höhe der Sozialhilfe (Anrechnung der Eigenheimzulage) geführt.
bb) In subjektiver Hinsicht hat die Klägerin vorsätzlich gehandelt. Sie hat genau gewusst, dass sie im involvierten Zeitraum Sozialhilfe bezogen hat. Dies räumt sie auch in ihrer ersten Einlassung ein, wenn sie schon anlässlich der Anhörung mitgeteilt hat, dem Sozialhilfeträger Mitteilung gemacht zu haben. Auch in ihrer nächsten Äußerung (Widerspruch vom 23.06.2006) räumt sie das ein, wenn sie ihre Notlage vom Januar 2004 schildert und anführt, dass sie deswegen Sozialleistungen anfordern musste und diese auch erhalten habe. In ihrer späteren Einlassung hat sie angeführt, nicht explizit nach dem Bezug von Sozialhilfe gefragt worden zu sein. Im Übrigen hat die Klägerin zahlreiche Rechtsstreite wegen der Höhe der Sozialhilfe (Anrechnung der Eigenheimzulage) geführt.
Wegen der Pflicht zur Angabe eines Bezugs von Sozialhilfe ist der Fragebogen der Beklagten nicht missverständlich. Er musste von der Klägerin richtig verstanden werden. Denn er führt differenziert eine große Anzahl von Leistungen auf und schließt explizit nur Kinder- und Wohngeld von der Angabepflicht aus. Im Übrigen ist auf das ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose zu verweisen. Desweiteren hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, bei der Abgabe ihres Antrags mündlich abzuklären, ob die bezogene Sozialhilfe anzugeben sei.
Wenn sich auch allein aufgrund der bisher angeführten Umstände noch nicht auf einen unbedingten Vorsatz, ein willentliches Verschweigen der Sozialhilfe, hat schließen lassen, ist dies nach den weiteren Umständen zwingend. Denn die Klägerin ist mit Schreiben der Beklagten vom 02.03.2006 darüber aufgeklärt worden ist, dass der Anspruch auf Alhi unter anderem auch von der Bedürftigkeit abhängt und deshalb zu prüfen sei, ob in dieser Zeit Bedürftigkeit vorgelegen habe bzw. womit sie ihren Lebensunterhalt anderweitig bestritten habe. Das daraufhin erfolgte weitere Verschweigen der Sozialhilfeleistung kann zur Überzeugung des Senats nurmehr mit einem bewussten Verhalten erklärt werden.
Individuelle Umstände, die auf ein kognitives Defizit der Klägerin hinweisen würden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr führt die Klägerin mit vehementer Akribie zahlreiche Verwaltungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten, die, soweit es das hier zu Grunde liegende Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft, keine Hinweise darauf zulassen, dass die Klägerin die Tragweite und die Folgen ihres Verhaltens nicht erkennen könnte. So konnte sich der Senat allein aufgrund der Bearbeitung dreier Berufungssachen der Klägerin, die mit Urteilen vom September 2008 entschieden worden sind, ein Bild von dem Erfahrungsschatz der Klägerin mit Verwaltungsvorgängen mit der Beklagten machen. Schließlich ist auf das Verhalten der Klägerin in den oben angeführten Rechtsstreiten über Sozialhilfe hinzuweisen, in denen sie sich detailliert mit den Voraussetzungen einer Leistung der Grundsicherung vertraut gemacht hat. Ebenso wenig ist ersichtlich, wie die Klägerin Begriffe oder Fragestellungen hätte missdeuten oder verwechseln können. Auch hierfür ist wieder ihre Argumentation bezeichnend, dass sie der Rechtsmeinung ist, beide Leistungen behalten zu dürfen. So hat beispielsweise ihr Prozessbevollmächtigter noch im Berufungsverfahren (Schreiben vom 03.09.2008) ausgeführt, dass es sich der Klägerin nicht zwingend habe aufdrängen müssen, dass sie Angaben zu Sozialhilfeleistung hätte machen müssen, da Sozialleistungen ja für die Frage der Bedürftigkeit im Sinne der Alhi nicht zu berücksichtigen seien. Wer derart komplizierte Erwägungen anstrengt, zeigt einen subtilen, wenn auch rechtsirrigen Kenntnisstand im Sozialleistungsrecht und stellt damit einen intellektuellen Zuschnitt unter Beweis, der die Relevanz der Sozialhilfeleistung für das Verwaltungsverfahren der Beklagten klar erkennt.
3. Die Beklagte war bei ihrer Entscheidung zur Rücknahme gebunden. Ihr stand kein Ermessen zu. Gemäß § 330 Abs. 2 SGB III (Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten) ist der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 S. 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Diese in den besonderen Umständen einer kurzfristigen, weniger nachhaltigen Lohnersatzleistung liegende erleichterte Rücknahmemöglichkeit erlaubt eine rasche Entscheidung. Individuelle Umstände, deren Berücksichtigung eine im Ermessen der Verwaltung stehende Entscheidung erlaubt, erlangen damit auf der Ebene der Rücknahme keine Relevanz. Damit kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte mit dafür verantwortlich ist, dass es zu einer fehlerhaften Vermögenszuordnung gekommen ist. Denn sie hat den bereits 2004 angemeldeten Erstattungsanspruch des Landratsamts P. bei ihrer Entscheidung im Jahre 2006 übersehen. Dieser Umstand kann allenfalls bei der Beitreibung der Forderung Bedeutung erlangen.
4. Auch die formalen Voraussetzungen der Rücknahme sind beachtet worden. So ist zunächst die Ausschlussfrist eingehalten, wonach gemäß § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X ein Verwaltungsakt nur bis zum Ablauf von zwei Jahren, nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden darf. Das war im Bescheid vom 16.05.2006 mit Aufhebung des erst wenige Monate zuvor am 20.03.2006 erlassenen Bescheides der Fall.
Ebenso hat die Beklagte die Handlungsfrist (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X) eingehalten. Sie hat die Rücknahme sofort innerhalb eines Jahres seit der wiedererlangten Kenntnis des Erstattungsanspruches des Trägers der Sozialhilfe bewirkt.
5. Die Voraussetzung des Erstattungsanspruchs gemäß § 50 SGB X sind im geregelten Umfang von i.H.v. 2587,5 EUR gegeben. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Durch die Aufhebung erfolgt somit automatisch die Pflicht, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Das Handeln der Beklagten erfolgte damit zu Recht. Die Klage ist abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.
Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin nicht zu erstatten. Sie ist insgesamt im Prozess unterlegen (§ 193 SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 6.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.7.2006 wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme einer Arbeitslosenhilfebewilligung für die Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 und eine Rückforderung i.H.v. 2587,5 EUR streitig (Bescheid vom 20.03.2006).
Die 1977 geborene Klägerin steht seit 1999 im Leistungsbezug der Beklagten.
Mit Urteil des Sozialgerichts Landshut (SG) vom 13.01.2005 ist der Klägerin für die Zeit vom 13.10.2000 bis 28.02.2002 ein Anspruch auf Krankengeld zuerkannt worden. Dies bewirkte eine weitere Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). Daher ihr wurde am 05.07.2005 nachträglich vom 01.02.2002 bis 18.02.2002 und vom 01.09.2003 bis 13.02.2004 Arbeitslosengeld (Alg) zuerkannt.
Dem Antrag auf Anschlussarbeitslosenhilfe entsprach die Beklagte nach einschlägigen Ermittlungen mit Bescheid vom 20.03.2006 und bewilligte der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 in Höhe eines ungeminderten Leistungssatzes von 105,91 Euro wöchentlich. Den Nachzahlungsbetrag von 4.871,86 Euro kehrte die Beklagte an die Klägerin aus. Wegen des am 16.5.2006 bekannt gegeben Erstattungsanspruchs des Trägers der Sozialhilfe legte die Klägerin entsprechend der erteilten Rechtsmittelbelehrung Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.
Der Beklagten beachtete - entsprechend den bei der Klägerin eingeholten Einkünften, wonach für die Zeit ab 14.02.2004 keine anderen Leistungen außer EU-Rente beantragt oder bezogen worden seien - bei ihrer Entscheidung nicht, dass die Klägerin im involvierten Zeitraum vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 bereits Sozialhilfe in Höhe von 2.587,50 EUR bezogen hatte und insoweit bereits am 05.02.2004 die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs des Landratsamtes P. erfolgt war. Am 22.05.2006 befriedigte die Beklagte den Erstattungsanspruch.
Nach Bekanntwerden des Erstattungsanspruchs und einer entsprechenden Anhörung hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi mit Bescheid vom 16.05.2006 in Höhe von 2587,50 EUR auf. Den Eingriff stütze die Beklagte auf § 45 Abs. 2
S. 2 Nr. 3 SGB X. Es sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und angeführt, dass die Aufhebung der Bewilligung zu Recht erfolgt sei, weil Sozialhilfe keine auf die Alhi anzurechnende Leistung sei. Zudem genieße sie Vertrauensschutz, weil sie die Fragen auf einen Leistungsbezug mangels konkreter Auflistung von Sozialhilfeleistungen im Fragebogen korrekt beantwortet habe. Zudem liege ein Verschulden der Beklagten vor, die den Erstattungsanspruch vom 05.02.2004 nicht beachtet habe.
Das SG hat mit Urteil vom 05.03.2008 den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Bewilligungsbescheid vom 20.03.2006 nicht im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Ziffer 2 und 3 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Denn die Klägerin sei gemäß § 193 Abs. 1 SGB III bedürftig gewesen, da sie ihren Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als Alhi habe bestreiten können und Sozialhilfeleistungen kein bei der Alhi zu berücksichtigendes Einkommen sei.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgerichts (LSG) eingelegt. Mit Aufgreifen der Begründung ihres Widerspruchsbescheides führt die Beklagte an, dass es sich bei den Leistungen der Sozialhilfe zwar um kein auf die Alhi ausdrücklich anzurechnendes Einkommen (wie z.B. Arbeitseinkommen, Unterhaltsansprüche oder Renten) handele, aber bei der Klägerin im Zeitraum vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 im Umfang der Rückerstattungssumme keine Bedürftigkeit mehr vorgelegen habe, da dieser die Leistungen der Sozialhilfe bereits gezahlt worden seien. In der Nichtberücksichtigung der insoweit gezahlten wesensgleichen Sozialhilfe liege die materielle Rechtswidrigkeit der Alhi Bewilligung.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.03.2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 16.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2006 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die schon angesichts der Rückforderungssumme ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt
(§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs. 1 S. 2 SGG).
Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die angefochtene Verwaltungsentscheidung war rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist die von der Beklagten mit Bescheid vom 16.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2006 vorgenommene teilweise Rücknahme sowie eine Rückforderung i.H.v. 2587,50 EUR.
Zulässig verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch (§ 123 SGG) mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Durch die beantragte Aufhebung des Rücknahmebescheides würde ihre frühere Rechtsposition der Leistungszahlung von Alhi in voller Höhe wieder hergestellt.
Zu Recht hat die Beklagte in die der Klägerin mit Bewilligungsverfügung vom 20.03.2006 eingeräumte Rechtsposition eingegriffen, in welcher dieser Alhi für die Zeit vom 14.02. 2004 bis 31.12.2004 in Höhe eines ungeminderten Leistungssatzes von 105,91 Euro wöchentlich zuerkannt wurde. Die ursprüngliche Feststellung dieses Anspruchs erweist sich als rechtswidrig, da dieser Anspruch zum Zeitpunkt seiner Zuerkennung bereits erfüllt gewesen war.
Die Rücknahme des kurz zuvor (20.03.2006) erlassenen Bewilligungsbescheides am 16.05.2006 bemisst sich nach § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Danach ist (§ 330 Abs. 2 SGB III) ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X genannten Rücknahmevoraussetzungen vorliegen. Die Rücknahme stützt sich damit im Wesentlichen auf die beiden - hier erfüllten - Tatbestandsmerkmale der Rechtswidrigkeit der aufzuhebenden Verwaltungsentscheidung (1) und des fehlenden Vertrauensschutzes (2). Daneben sind der Zwang zur Rücknahme (3) und die formalen Voraussetzungen beachtet (4). Ebenso sind gemäß § 50 SGB X die Voraussetzung des Erstattungsanspruchs gegeben (5).
1. Am 20.03.2006 war der Anspruch der Klägerin auf Alhi in Höhe von 2587,50 EUR bereits erfüllt und das Schuldverhältnis insoweit bereits erloschen. Die erneute Zuerkennung und Auskehrung eines bereits erfüllten Anspruchs auf Sozialleistungen ist rechtswidrig. Sie hat der materiellen Rechtsordnung widersprochen.
a)
Ein Anspruch der Klägerin auf Sozialhilfe hat im Nachhinein - aus der Betrachtungsweise im Jahre 2006 heraus - nicht bestanden. Sozialhilfe ist in der sozialen Gesamtrechtsordnung eine subsidiäre Auffangleistung (damals § 2 Bundessozialhilfegesetz - BSHG). Nach dem in § 2 BSHG zum Ausdruck gebrachten Prinzip des Nachrangs der Sozialhilfe erhält derjenige keine Sozialhilfe, der sich selbst helfen kann oder der die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Zu Recht haben daher die inzwischen außer Kraft getretenen Vorschriften über das zu berücksichtigende Einkommen bei der Alhi unter anderem geregelt, dass Leistungen der Sozialhilfe nicht als Einkommen gelten. Selbstverständlich ist damit - wie das SG zu Recht ausführt - die Sozialhilfe kein auf Alhi anrechenbares Einkommen (vgl. § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III, Leistungen, die nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften unter Anrechnung der Alhi erbracht werden). Damit bringt der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck, dass vorrangig Alhi zu erbringen ist.
b)
Das Nachrangprinzip tritt aber dann zurück, wenn eine vorrangige Hilfe aktuell nicht zur Verfügung steht. Diese so genannte Faktizität bzw. der Gegenwärtigkeitsgrundsatz zeigt sich schon bei dem in den Indikativ gesetzten Wortlaut des § 2 BSHG ( ... der sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen erhält). Ein Verweisen des Hilfeempfängers auf fern liegende, schwere durchsetzbare Ansprüche widerspräche dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Garantie einer menschenwürdigen Existenz.
c)
In dem hier vorliegenden Fall des Ausbleibens gegenwärtiger, anderweitiger Hilfe, war die Sozialhilfeverwaltung zunächst verpflichtet, Leistungen zu erbringen. Denn der Anspruch der Klägerin auf Alhi für den involvierten Zeitraum vom 14.02. 2004 bis 31.12.2004 war damals rechtshängig gemacht und befand sich im Klage- beziehungsweise Berufungsverfahren. Die Klägerin hatte am 01.03.2002 nach eineinhalbjähriger Krankheit einen (weiteren) Antrag auf Alhi gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2002 bzw. Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 mangels Vorbezugszeiten ablehnte. Die dagegen zum SG gerichtete Klage unter dem Az.: S 6 AL 173/02 war erfolglos (Urteil vom 28.04.2004), ebenso das Berufungsverfahren, Az.: L 8 AL 233/04, bei dem Bayer. Landessozialgericht (LSG, Urteil vom 11.09.2008). Das BSG verwarf die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 18.11.2009 (Az.: B 11 AL 171/08 B). Desweiteren hatte die Klägerin am 01.09.2003 erneut Alhi beantragte, die ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 10.09.2003/Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003 versagt worden ist. Hieran schloss sich das Klageverfahren S 6 AL 596/03 (vom 16.11.2005) sowie das Berufungsverfahren L 8 AL 484/05 an.
Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Leistungserbringung erfolgte demnach durch einen nachrangig verpflichteten Leistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB X. Ein Leistungsträger ist insbesondere dann nur nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 2 SGB X).
d)
aa) Derartige Fallgestaltungen erfordern die nachträgliche Wiederherstellung der Subsidiarität. Dies geschieht, wie zu Recht auch im Urteil des SG angemerkt ist, dadurch, dass der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt (§ 107 Abs. 1 SGB X). Mit der Erfüllungsfiktion in § 107 Abs. 1 SGB X hat der Gesetzgeber sich aus Gründen der Rechtsklarheit und der Verwaltungsökonomie für eine unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen entschieden (vgl. auch BVerwG vom 18.10.1990
- 5 C 51/86 = BVerwGE 87, 31), die eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen vorleistendem Träger und Leistungsberechtigten sowie ein Nachholen der Leistung im Verhältnis zwischen leistungspflichtigem Träger und Leistungsberechtigten ausschließen soll (vgl. BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 10/91). Damit hat das Landratsamt P. in Höhe seiner damaligen Zahlung den gegen die Beklagte gegebenen Anspruch der Klägerin auf Alhi befriedigt.
bb) Die Erfüllungsfiktion tritt zwar nur ein, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Einem Erstattungsanspruch steht aber insbesondere nicht entgegen, dass die Beklagte in Kenntnis der Vorleistung des Trägers der Sozialhilfe geleistet hätte. Denn gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz SGB X ist der Leistungsträger nur erstattungspflichtig, soweit er nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Erstattungsanspruch entsteht nur, wenn der erstattungspflichtige Leistungsträger in Kenntnis der Leistung des Vorleistung verpflichteten Trägers leistet. Erfolgt die Leistung vor dieser Kenntnis, entsteht kein Erstattungsanspruch. Der Leistungsträger befriedigt dann originär seine eigene Verpflichtung. Dies hat das SG verkannt, wenn es ausführt, dass die Beklagte ihre Leistung auch nicht erbracht habe, ohne Kenntnis von der Sozialleistungen zu haben. In der vorliegenden Fallkonstellation hatte die Beklagte objektiv wie subjektiv Kenntnis von der Leistung des Sozialhilfeträgers. Denn mit dem bei der Beklagten am 05.02.2004 eingegangenen Schriftsatz des Landratsamtes P. vom 02.02.2004 ist der Erstattungsanspruch aktuell bekannt gegeben worden und die Beklagte aufgefordert worden, vor Beginn einer Zahlung ein Einvernehmen herzustellen. Der Senat stellt dabei ausdrücklich fest, dass die Beklagte nicht in Unkenntnis der Leistung des Landratsamtes P. geleistet hat. Sie hat vielmehr erst zu einem Zeitpunkt und mit einem Bewusstseinstand geleistet, nachdem sie von der Leistung des Sozialgeldes Kenntnis erlangt hatte. Dies ergibt sich auch unzweifelhaft daraus, dass die Beklagte sogar die Erstattungsforderung bestritten hat. Denn sie hat im Schreiben vom 05.02.2004 an das Landratsamt P. ausgeführt, dass sie den Erstattungsanspruch nicht anerkenne, weil die Klägerin weder arbeitslos gemeldet sei noch Leistungen beantragt habe. Diese Erkenntnis beruht auf den vom SG beigezogenen Aktenbestandteilen, wie sie der entsprechenden Gerichtsakte beigelegt sind. Damit ist das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht erst durch den Bescheid vom 20.03.2006 erloschen, was sonst zur Konsequenz gehabt hätte, dass deren Bescheid rechtmäßig gewesen wäre und der Sozialhilfeträger mangels Erstattungsanspruch auf einen Anspruch nach § 50 SGB X angewiesen gewesen wäre.
e) Die mit Bescheid vom 20.03.2006 erfolgte Zuerkennung eines Anspruchs auf ein vermeintlich noch offenes Schuldverhältnis auf Alhi erfolgte damit teilweise zu Unrecht. Rechtlich war dieser Anspruch i.H.v. 2587,50 EUR durch die Leistung des Landratsamts P. bereits erfüllt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus dem Institut der Erfüllung. Das Rechtsinstitut der Erfüllung mit seinen Rechtsfolgen ergibt sich aus dem allgemeinen Sozialleistungsverhältnis in Verbindung mit § 362 BGB. Insoweit sind die Regelungen im SGB I unvollständig. Das allgemeine Sozialleistungsverhältnis ist im SGB I (allgemeiner Teil) nur bruchstückhaft geregelt ist (vgl. etwa die Vorschriften der 38 ff. SGB I über die Entstehung und Fälligkeit von Ansprüchen). So kann aber ohne Verletzung von § 31 SGB I auf die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts zurückgegriffen werden. Nach § 362 Abs. 1 BGB ist das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird, erfüllt.
Durch Erfüllung erlischt ein Schuldverhältnis insgesamt. Ansprüche auf einmalige Leistungen erlöschen mit ihrer Erfüllung (Bley, Kreikebohm, Sozialrecht, 9. Auflage, Rn. 124). Die Erfüllung bewirkt eine Beendigung und einen Wegfall des Schuldverhältnisses. Sie begründet keine bloße Einrede, sondern wirkt rechtsvernichtend. Zur Wiederherstellung eines erneuten Schuldverhältnisses bedarf es eines völlig neuen Rechtsgrundes (vgl. Münchener Kommentar, 5. Auflage, Rn. 8 zu § 362 BGB).
Damit zeigt sich schon die originäre Rechtswidrigkeit des erneut bewilligenden Verwaltungsaktes vom 20.03.2006, mit dem i.H.v. 2587,50 EUR erneut eine Leistung festgestellt und zuerkannt worden ist, obwohl das Schuldverhältnis bereits erloschen war. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weswegen die Klägerin eine Doppelleistung erhalten sollte. Der Zweck der Existenzsicherung ist bereits durch die Erbringung der Leistungen sozial bewirkt. Eine zweckidentische Leistung eines anderen Trägers für denselben Zeitraum ist von der Rechtsordnung nicht vorgesehen.
f)
Es besteht im Übrigen auch kein Ausschlussverhältnis zu Gunsten der Klägerin zwischen Rückforderung und Erstattungsanspruch. Anders als die Klägerin meint, ist das Rückforderungsrecht der Beklagten nicht durch einen Erstattungsanspruch ausgeschlossen. Die Klägerin beruft sich auf die Kommentierung in Kasseler Kommentar (Anmerkungen 12 ff. zu § 104 SGB X). Darin ist ausgeführt, dass die §§ 102-107 den Vermögensausgleich nur zwischen den beiden Leistungsträgern bezwecken und gerade nicht zwischen dem Leistungsträger, der die Leistung bereits erbracht hat, und dem Leistungsberechtigten. "Dem erstattungsberechtigten Träger steht also kein Wahlrecht zu, Erstattung entweder vom Berechtigten nach § 50 SGB X oder vom erstattungspflichtigen Träger nach §§ 102 ff SGB X zu verlangen" (ähnlich von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, Rn. 6 zu § 107). Es handelte sich schlichtweg um fehlerhaftes Verwaltungshandeln, weil die Beklagte die bereits vier Jahre zuvor erfolgte Anmeldung des Erstattungsanspruches mit den oben genannten Konsequenz übersehen hatte. Dieser Fall liegt nicht anders, wie wenn ohne das Vorliegen einer Dreiecksbeziehung eine Leistung doppelt erbracht worden wäre.
Hier steht gerade dem Beklagten kein Erstattungsanspruch zu. Dies wäre nur, wie oben ausgeführt, der Fall, wenn die Beklagte in Unkenntnis der Leistung des Landratsamtes P. geleistet hätte. Dann wäre kein Erstattungsanspruch des Landratsamtes gegeben gewesen. Die Beklagte hätte dann selbst ihre zu Unrecht erbrachte Erstattung vom Landratsamt zurückfordern müssen; dieses hätte die dann nur vorläufig gezahlte Sozialhilfe von der Klägerin zurückfordern müssen. Nur diese Fallkonstellation ist in den oben angeführten Kommentarstellen behandelt.
g)
Nicht aber greift die Argumentation der Beklagten, wonach ein Anspruch auf Alhi deswegen nicht gegeben gewesen sei, weil kein Bedarf bestehe. § 193 Abs. 1 SGB III bringt zwar zum Ausdruck, dass bedürftig ein Arbeitsloser ist, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 193 SGB III). Ausgangspunkt der Betrachtung dieses Anspruchs ist aber der Zeitpunkt der Antragstellung. Denn Alhi ist anders als Sozialhilfe (BVerwGE 21, 274) auch für die Vergangenheit zu erbringen. Es handelt sich um eine Antragsleistung, die nicht wie die Sozialhilfe, durch das Bekanntwerden (sog. Einsatzprinzip bei Bekanntwerden der Notlage) seitens des Sozialhilfeträgers entsteht. Tatsächlich hat also ein Anspruch auf Alhi gerade wegen Bedürftigkeit bestanden, der allerdings mittels des Sozialhilfeträgers befriedigt worden ist.
2. Vertrauensschutzgründe lassen die Rücknahme nicht entfallen.
a)
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht - wie es die Klägerin anführt - oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dennoch ist der Vertrauensschutz entfallen und kann insbesondere die Zuerkennung auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn typisierte Fälle der Bösgläubigkeit (§ 45 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 S. 2 SGB X) vorliegen. Nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3).
b)
Der Verwaltungsakt beruht hier auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (s.o. Nr. 2).
aa) Die Klägerin hat den Bezug von Sozialhilfe für die Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 zweimal verschwiegen. In ihrem Antrag auf Alhi vom 23.02.2005, in dem Angaben für die Zeit ab dem 14.02.2004 verlangt worden sind, verneinte sie den Bezug oder die Beantragung anderer Leistungen mit Ausnahme des Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf die Anfrage der Beklagten vom 02.03.2006, wie sie in der Zeit vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 ihren Lebensunterhalt bestritten habe, teilte die Klägerin mit, dass sie keinerlei Einkommen habe und auf das Wohlwollen von Freunden und Bekannten angewiesen sei, bei denen sie Schulden habe. Den Krankenversicherungsbeitrag bezahle ihr Vater. Sie müsse diesen aber wieder zurückzahlen. Ausdrücklich merkte sie noch an, "dass sich der Zeitraum nicht nur bis 31.12.2004 bezieht. Der Zeitraum ist laufend." Im Übrigen hat die Klägerin zahlreiche Rechtsstreite wegen der Höhe der Sozialhilfe (Anrechnung der Eigenheimzulage) geführt.
bb) In subjektiver Hinsicht hat die Klägerin vorsätzlich gehandelt. Sie hat genau gewusst, dass sie im involvierten Zeitraum Sozialhilfe bezogen hat. Dies räumt sie auch in ihrer ersten Einlassung ein, wenn sie schon anlässlich der Anhörung mitgeteilt hat, dem Sozialhilfeträger Mitteilung gemacht zu haben. Auch in ihrer nächsten Äußerung (Widerspruch vom 23.06.2006) räumt sie das ein, wenn sie ihre Notlage vom Januar 2004 schildert und anführt, dass sie deswegen Sozialleistungen anfordern musste und diese auch erhalten habe. In ihrer späteren Einlassung hat sie angeführt, nicht explizit nach dem Bezug von Sozialhilfe gefragt worden zu sein. Im Übrigen hat die Klägerin zahlreiche Rechtsstreite wegen der Höhe der Sozialhilfe (Anrechnung der Eigenheimzulage) geführt.
Wegen der Pflicht zur Angabe eines Bezugs von Sozialhilfe ist der Fragebogen der Beklagten nicht missverständlich. Er musste von der Klägerin richtig verstanden werden. Denn er führt differenziert eine große Anzahl von Leistungen auf und schließt explizit nur Kinder- und Wohngeld von der Angabepflicht aus. Im Übrigen ist auf das ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose zu verweisen. Desweiteren hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, bei der Abgabe ihres Antrags mündlich abzuklären, ob die bezogene Sozialhilfe anzugeben sei.
Wenn sich auch allein aufgrund der bisher angeführten Umstände noch nicht auf einen unbedingten Vorsatz, ein willentliches Verschweigen der Sozialhilfe, hat schließen lassen, ist dies nach den weiteren Umständen zwingend. Denn die Klägerin ist mit Schreiben der Beklagten vom 02.03.2006 darüber aufgeklärt worden ist, dass der Anspruch auf Alhi unter anderem auch von der Bedürftigkeit abhängt und deshalb zu prüfen sei, ob in dieser Zeit Bedürftigkeit vorgelegen habe bzw. womit sie ihren Lebensunterhalt anderweitig bestritten habe. Das daraufhin erfolgte weitere Verschweigen der Sozialhilfeleistung kann zur Überzeugung des Senats nurmehr mit einem bewussten Verhalten erklärt werden.
Individuelle Umstände, die auf ein kognitives Defizit der Klägerin hinweisen würden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr führt die Klägerin mit vehementer Akribie zahlreiche Verwaltungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten, die, soweit es das hier zu Grunde liegende Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft, keine Hinweise darauf zulassen, dass die Klägerin die Tragweite und die Folgen ihres Verhaltens nicht erkennen könnte. So konnte sich der Senat allein aufgrund der Bearbeitung dreier Berufungssachen der Klägerin, die mit Urteilen vom September 2008 entschieden worden sind, ein Bild von dem Erfahrungsschatz der Klägerin mit Verwaltungsvorgängen mit der Beklagten machen. Schließlich ist auf das Verhalten der Klägerin in den oben angeführten Rechtsstreiten über Sozialhilfe hinzuweisen, in denen sie sich detailliert mit den Voraussetzungen einer Leistung der Grundsicherung vertraut gemacht hat. Ebenso wenig ist ersichtlich, wie die Klägerin Begriffe oder Fragestellungen hätte missdeuten oder verwechseln können. Auch hierfür ist wieder ihre Argumentation bezeichnend, dass sie der Rechtsmeinung ist, beide Leistungen behalten zu dürfen. So hat beispielsweise ihr Prozessbevollmächtigter noch im Berufungsverfahren (Schreiben vom 03.09.2008) ausgeführt, dass es sich der Klägerin nicht zwingend habe aufdrängen müssen, dass sie Angaben zu Sozialhilfeleistung hätte machen müssen, da Sozialleistungen ja für die Frage der Bedürftigkeit im Sinne der Alhi nicht zu berücksichtigen seien. Wer derart komplizierte Erwägungen anstrengt, zeigt einen subtilen, wenn auch rechtsirrigen Kenntnisstand im Sozialleistungsrecht und stellt damit einen intellektuellen Zuschnitt unter Beweis, der die Relevanz der Sozialhilfeleistung für das Verwaltungsverfahren der Beklagten klar erkennt.
3. Die Beklagte war bei ihrer Entscheidung zur Rücknahme gebunden. Ihr stand kein Ermessen zu. Gemäß § 330 Abs. 2 SGB III (Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten) ist der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 S. 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen. Diese in den besonderen Umständen einer kurzfristigen, weniger nachhaltigen Lohnersatzleistung liegende erleichterte Rücknahmemöglichkeit erlaubt eine rasche Entscheidung. Individuelle Umstände, deren Berücksichtigung eine im Ermessen der Verwaltung stehende Entscheidung erlaubt, erlangen damit auf der Ebene der Rücknahme keine Relevanz. Damit kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte mit dafür verantwortlich ist, dass es zu einer fehlerhaften Vermögenszuordnung gekommen ist. Denn sie hat den bereits 2004 angemeldeten Erstattungsanspruch des Landratsamts P. bei ihrer Entscheidung im Jahre 2006 übersehen. Dieser Umstand kann allenfalls bei der Beitreibung der Forderung Bedeutung erlangen.
4. Auch die formalen Voraussetzungen der Rücknahme sind beachtet worden. So ist zunächst die Ausschlussfrist eingehalten, wonach gemäß § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X ein Verwaltungsakt nur bis zum Ablauf von zwei Jahren, nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden darf. Das war im Bescheid vom 16.05.2006 mit Aufhebung des erst wenige Monate zuvor am 20.03.2006 erlassenen Bescheides der Fall.
Ebenso hat die Beklagte die Handlungsfrist (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X) eingehalten. Sie hat die Rücknahme sofort innerhalb eines Jahres seit der wiedererlangten Kenntnis des Erstattungsanspruches des Trägers der Sozialhilfe bewirkt.
5. Die Voraussetzung des Erstattungsanspruchs gemäß § 50 SGB X sind im geregelten Umfang von i.H.v. 2587,5 EUR gegeben. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Durch die Aufhebung erfolgt somit automatisch die Pflicht, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Das Handeln der Beklagten erfolgte damit zu Recht. Die Klage ist abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.
Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin nicht zu erstatten. Sie ist insgesamt im Prozess unterlegen (§ 193 SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
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