Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 322/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 333/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 33/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2006 und die Bescheide vom 29. März 2004 sowie der Bescheid vom 5. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheids vom 7. Februar 2005 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Zugrundelegung einer Antragstellung vom 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995, 11. April 1996, 20. Dezember 1996, 28. Februar 1997 und 22. August 1997 Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
II Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit ab 4. Mai 1994 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die 1948 geborene Klägerin war als Kostümbildnerin im Bereich Film und Fernsehen beschäftigt. Während der verschiedenen Zeiten ihrer Beschäftigungslosigkeit meldete sie sich im Zeitraum vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 bei der Beklagten achtmal arbeitslos. Persönliche Arbeitslosmeldungen erfolgten dabei am 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995 zum 1. Januar 1996, 11. April 1996, 20. Dezember 1996 mit Wirkung zum 21. Dezember 1996, 28. Februar 1997 mit Wirkung zum 1. März 1997 und am 22. August 1997.
Auf die folgenden Arbeitslosmeldungen ab dem 2. August 2000, 17. Oktober 2000, 12. August 2001, 18. Mai 2002 und ab 17. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in der Zeit vom 2. August 2000 bis zum 21. August 2000 sowie dann vom 17. Oktober 2000 bis zum 17. Dezember 2000 und vom 12. August 2001 bis zum 4. November 2001. Sie bezog schließlich Arbeitslosengeld vom 18. Mai 2002 bis zum 23. Juni 2002.
Die Originalanträge der Klägerin im Zeitraum vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 gingen ausweislich der angebrachten Eingangsstempel bei der Beklagten (Agentur für Arbeit) am 23. Februar 2004 ein. Auf den Antragsformularen war durch die Beklagte jeweils für die persönliche Arbeitslosmeldung am 4. Mai 1994 auch der Tag der Antragstellung am 4. Mai 1994 bescheinigt, für die persönliche Arbeitslosmeldung am 19. Juni 1995 der Tag der Antragstellung ebenfalls am 19. Juni 1995, für die persönliche Arbeitslosmeldung am 18. August 1995 der Tag der Antragstellung ebenfalls am 18. August 1995 und für die persönliche Arbeitslosmeldung am 27. Dezember 1995 zum 1.Januar 1996 der Tag der Antragstellung ebenfalls am 27. Dezember 1996.
Für die persönliche Arbeitslosmeldung am 11. April 1996 war unter dem Datum vom 11. April 1996 von der Beklagten vermerkt "ohne Anmerkungen", für die persönliche Arbeitslosmeldung am 20. Dezember 1996 zum 21. Dezember 1996 war ebenfalls unter dem Datum vom 20. Dezember 1996 von der Beklagten vermerkt "ohne Anmerkungen" und für die persönliche Arbeitslosmeldung vom 28. Februar 1997 mit Wirkung zum 1. März 1997 war unter dem Datum vom 28. Februar 1997 von der Beklagten vermerkt "n.e.". Lediglich für die persönliche Arbeitslosmeldung 22. August 1997 liegt kein Vermerk gleichen Datums durch die Beklagte vor.
Die den Akten der Beklagten beiliegenden BewA-Unterlagen weisen eine versicherungspflichtige Tätigkeit der Klägerin von 1984 bis 1989 aus. Die erste Arbeitslosigkeit der Klägerin mit Antragstellung auf Arbeitslosengeld wird am 6. Februar 1989 bestätigt, dann Wiederbewilligungsanträge vom 23. Oktober 1989, vom 11. Juni 1990, vom 17.Oktober 1990, vom 12. Dezember 1991, vom 4. November1992, vom 18. Februar 1993 und dann die den vorliegenden Rechtsstreit betreffenden Antragstellungen/Wiederbewilligungsan-träge vom 4. Mai 1994, 19. Juni 1996, 19. August 1998, 1. Januar 1996, 11.April 1996, 21. Dezember 1996, 1. März 1997, 22. August 1997. Für den 10. April 1998 wird Arbeitslosigkeit ab dem 10. August 1998 und ein Antrag auf Arbeitslosenhilfe vermerkt.
Mit acht Bescheiden vom 29. März 2004 lehnte die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab, weil seit der Entstehung der Ansprüche vier Jahre verstrichen seien. Auf keinem der Bescheide ist vermerkt, wann er zur Post gegeben wurde.
Mit Schreiben vom 29. April 2004, eingegangen bei der Beklagten am 4. Mai 2004, stellte die Klägerin Antrag auf Überprüfung der Ablehnungsbescheide, die ihr am 3. April 2004 zugegangen seien. Sie habe damals ihre Anträge ordnungsgemäß abgegeben. Ihre Akte sei verschwunden gewesen. Es sei ihr nahe gelegt worden, verschwundene Arbeitsbescheinigungen wieder zu beschaffen und neue Arbeitsbescheinigungen zu behalten bis sie alle zusammen vorlegen könne. Man habe sie nicht darüber aufgeklärt, dass der Anspruch nach vier Jahren erlöschen würde.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Erlass eines Zugunstenbescheides in Bezug auf den Ablehnungsbescheid vom 29. März 2004 ab. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt worden, noch sei man von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Mit Widerspruch vom 4. August 2004 trug die Klägerin vor, ob der Anspruch erloschen sei, sei unerheblich. Jedenfalls stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist sei rechtsmissbräuchlich. Ihre Anträge seien nicht bearbeitet worden, weil die Akte verschwunden gewesen sei. Sie habe sich nach ihrem Bescheid erkundigt, sei aber vertröstet worden. Erst Anfang des Jahres 2004 habe sie sich mit den Kopien der von ihr eingereichten Anträge auf Arbeitslosengeld zum Arbeitsamt A-Stadt begeben. Daraufhin seien die Anträge bearbeitet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der Klage vom 17. März 2005 zum Sozialgericht München (SG) hat die Klägerin ihr Widerspruchsbegehren weiter verfolgt. Ihr Schreiben vom 29. April 2005 sei zu Unrecht als Antrag auf Überprüfung gewertet worden. Tatsächlich habe es sich um einen Widerspruch gegen die Ablehnungsbescheide gehandelt. Die Anträge seien nicht bearbeitet worden. Erst Anfang 2004 habe sie sich mit Kopien der von ihr eingereichten Anträge auf Arbeitslosengeld zum Arbeitsamt A-Stadt begeben. Die Beklagte habe mitgeteilt, die Klägerin habe am 23. Februar 2004 nicht Kopien, sondern Originalanträge abgegeben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin erklärt, es sei richtig, dass Herr F. vom Arbeitsamt die in der Arbeitslosengeldakte befindlichen Originalanträge beginnend mit dem Antrag vom 4. Mai 1994 bei ihrer Vorsprache im Februar 2004 aus ihren Unterlagen entnommen hat. Sie habe die Originale behalten, weil seinerzeit die Akte beim Arbeitsamt nicht vorgelegen hat und sie eine dortige Mitarbeiterin telefonisch beraten hat, lediglich Kopien zu übersenden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2006 abgewiesen. Die Bescheide vom 29. März 2004 seien bestandskräftig. Das Schreiben vom 29. April 2004 sei deswegen zu Recht als Überprüfungsantrag anzusehen. Entgegen ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren und der Klagebegründung habe die Klägerin die Originalanträge auf Arbeitslosengeld ab dem 4. Mai 1994 bei sich behalten und erst am 23. Februar 2004 bei der Beklagten abgegeben. Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld habe sie erst zum damaligen Zeitpunkt geltend gemacht. Sie könne ihn jedoch nicht mehr geltend machen, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Sie habe sich mit der Rückgabe der Originalanträge mehr als vier Jahre Zeit gelassen. Zudem würde eine Bewilligung von Arbeitslosengeld zwischen Mai 1994 und August 1997 daran scheitern, dass eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren in Betracht komme.
Mit der dagegen eingelegten Berufung vom 12. Oktober 2006 macht Klägerin geltend, es sei kein Hinweis darauf erfolgt, dass Ansprüche nach vier Jahren erlöschen würden. Sie habe nach den Vorkommnissen bei der Beklagten allen Grund gehabt, die Originale bei sich zu behalten. Sie habe sich immer wieder nach dem Verbleib der Leistungen erkundigt und sei vertröstet worden. Es sei von der Beklagten widersprüchlich, nun Leistungen zu verweigern.
Die Beklagte trägt vor, der Klägerin sei ab dem 2. August 2000 - also bevor die Originalanträge im Jahr 2004 abgegeben worden seien - Arbeitslosengeld für die Dauer von 720 Kalendertagen bewilligt worden. Dabei seien 1492 Kalendertage aus den gemeldeten Arbeitsverhältnissen zu Grunde gelegt worden. Im Widerspruch vom 29. April 2004 habe die Klägerin selbst angegeben, die Bescheide seien am 3. April 2004 bei ihr eingegangen. Zudem könne ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zwar zurückgenommen werden, Sozialleistungen würden jedoch längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Auch seien die Leistungsansprüche der Klägerin bereits verjährt. Es gebe weder Anhaltspunkte, dass die Akten der Klägerin verschwunden gewesen sind, noch dass vor dem 23. Februar 2004 schriftliche Anträge bzw. ausgefüllte Formulare eingegangen sind.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 29. März 2004 und den Bescheid vom 5. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2005 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund der in der Zeit vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 erfolgten Arbeitslosmeldungen und Antragstellungen für die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, den Inhalt der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist begründet.
Streitgegenstand sind acht Bescheide der Beklagten vom 29. März 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2005, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin aufgrund ihres als Überprüfungsantrag behandelten Schreibens vom 29. April 2004 entsprechend den Arbeitslosmeldungen vom 5. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 Arbeitslosengeld zu zahlen.
1. Nach § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht nur, wenn alle Voraussetzungen des § 100 AFG zur gleichen Zeit vorliegen (Niesel, AFG, 2. Auflage, § 100 Rn. 1).
Weder die Arbeitslosigkeit noch die Verfügbarkeit der Klägerin bezogen auf ihre Arbeitslosmeldungen zwischen dem 4. Mai 1994 und dem 22. August 1997 sind strittig.
Es steht auch fest, dass sich die Klägerin am 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995, 11. April 1996, 20. Dezember 1996, 28. Februar 1997 und 22. August 1997 arbeitslos gemeldet hat.
Aus den Vermerken der Beklagten auf den jeweiligen Formblättern aber auch durch die individuell auf die Klägerin bezogenen entsprechenden Vermerke der Beklagten in den sog. BewA-Ausdrucken, geht aber auch hervor, dass die Klägerin zudem entsprechende Anträge auf Arbeitslosengeld gestellt hat.
Zwar hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG selbst eingeräumt, dass die sich in der Arbeitslosengeldakte befindlichen Originalanträge bei ihrer Vorsprache im Februar 2004 aus ihren Unterlagen entnommen wurden und in die Arbeitslosengeldakte kamen. Sie habe die Originale behalten. Eine wirksame Antragstellung setzt jedoch nicht die Übergabe von ausgefüllten Originalanträgen voraus. Ein Antrag ist jede Erklärung, durch die jemand Sozialleistungen ganz allgemein oder eine bestimmte Sozialleistungen begehrt. Für die angegangene Behörde muss bei verständiger Würdigung erkennbar sein, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehrt. Der Antrag braucht nicht förmlich gestellt zu werden. Es genügt, wenn der Antragsteller von einer zur Entgegennahme von Leistungsanträgen zuständigen Stelle seinen Willen zum Ausdruck bringt, Sozialleistungen zu begehren (von Wulffen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 18 Rdn. 5).
Eine Antragstellung erfolgte jeweils zu den von der Beklagten in den entsprechenden Dateivermerken und auf den - der Klägerin wieder mitgegebenen - Originalantragsformularen bestätigten Antragsdatumstagen. Bei der Vorsprache am 23. Februar 2004 hat die Klägerin lediglich die ihr von der Beklagten früher eingegangenen und wieder zurückgegebenen Anträge wieder vorgelegt. Dies ändert jedoch nichts an den von der Beklagten vermerkten Daten der seinerzeitigen Antragstellung.
2. Die Ablehnungsbescheide der Beklagten sind nicht bestandskräftig geworden.
Zwar gilt nach § 37 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch X ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
Zu berücksichtigen ist hier aber zum einen, dass die Beklagte auf den Bescheiden nicht vermerkt hat, wann sie zur Post gegeben worden sind. Die Fiktion der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt jedoch dann nicht, wenn der Verwaltungsakten nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 S. 2, 1. Halbsatz SGB X). Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 SGB X).
Die Klägerin hat zwar in ihrem Widerspruch vom 29. April 2004 unter Betreff angegeben: "Ablehnung der Anträge auf Arbeitslosengeld vom 04.05.1994; 19.06.1995; 19.08.1995; 01.01.1996; 11.04.1996; 21.12.1996; 01.03.1997; 22.08.1997; eingegangen am 3.04.04." Auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung erklärte sie aber glaubhaft, sie könne sich nicht mehr erinnern, wann genau sie die Ablehnungsbescheide erhalten habe. Es bestehen für den Senat somit erhebliche Zweifel, ob das von der Klägerin in dem Schreiben vom 29. April 2004 angegebene Datum den Tatsachen entsprochen hat.
Insoweit sind nach Überzeugung des Senats substantiierte Tatsachen gegeben (fehlender Absendevermerk der Beklagten, fehlende Kenntnis der Klägerin über den Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide), aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass der Zugang der Bescheide erst nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 vermuteten Zeitpunkt erfolgte (vgl. insoweit BSG vom 26. Juli 2007, SGb 2008, 559). Ob die angegriffenen Bescheide mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen waren, kann also offen bleiben.
Das Scheiben vom 29. April 2004, das der Beklagten am 5. Mai 2004 zuging, war daher nicht als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X anzusehen, sondern als Widerspruch gegen die Bescheide vom 20. März 2004.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ist nach der Bestimmung des § 125 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erloschen.
Nach dieser Bestimmung kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre gestrichen sind. Hat der Arbeitslose den Anspruch vor Ablauf der Frist geltend gemacht, stehen ihm Leistungen auch über das Fristende hinaus zu.
Ein "Geltendmachen" liegt stets in einer Antragstellung (Niesel, a.a.O., § 125 Rdn. 5 unter Hinweis auf BSG vom 9. Dezember 1982, SozR 4100 § 125 Nr. 2 = BSGE 54, 212 - 219).
Weder die Arbeitslosigkeit noch die Verfügbarkeit der Klägerin bezogen auf ihre Arbeitslosmeldungen zwischen dem 4. Mai 1994 und dem 22. August 1997 sind strittig. Es steht auch fest, dass sich die Klägerin am 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995, 11. April 1996, 20. Dezember 1996, 28. Februar 1997 und am 22. August 1997 arbeitslos gemeldet hat.
Aus den Vermerken der Beklagten auf den jeweiligen Formblättern, aber auch durch die individuell auf die Klägerin bezogenen entsprechenden Vermerke der Beklagten in den sog. BewA-Ausdrucken geht hervor, dass die Klägerin entsprechende Anträge auf Arbeitslosengeld gestellt hat. Sie hat damit ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 geltend gemacht.
Zum Zeitpunkt der letzten Geltendmachung mit Antrag vom 22. August 1997 war der Anspruch nicht erloschen.
4. Die Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage ihrer Anträge auf Arbeitslosengeld in der Zeit von Mai 1994 bis August 1997 sind nicht verjährt. Nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I in der Fassung vom 4. November 1982, aber auch in der Fassung vom 21. Juni 2002 verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind.
Nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB I in der Fassung vom 4. November 1982 beziehungsweise vom 21. Juni 2002 wird die Verjährung durch den schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch die Erhebung eines Widerspruchs unterbrochen bzw. gehemmt. Und nach § 45 Abs. 3 S. 2 SGB I in der Fassung vom 4. November 1982 dauerte die Unterbrechung bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch. Nach § 45 Abs. 3 S. 2 SGB I in der Fassung vom 21. Juni 2002 dagegen endet die Hemmung sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch.
Nach der Reform des Verjährungsrechts durch die Schuldrechtsreform von 2001, die unter anderem das Institut der Unterbrechung der Verjährung abgeschafft hatte, wurden die Abs. 2 und 3 des § 45 SGB I an die neu gefassten Vorschriften des bürgerlichen Rechts angepasst (vgl. Hänlein in: Kreikebohm, Spellbrink, Walterman, Kommentar zum Sozialrecht, § 45 SGB I Rdn. 1).
Nach Abs. 2 der Vorschrift in der Fassung vom 21. Juni 2002 gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Auch nach Abs. 2 der Vorschrift in der Fassung vom 4. November 1982 galten für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Maßgeblich sind also die §§ 203 ff BGB.
Bei Ansprüchen, die vor dem Inkrafttreten des im Rahmen der Schuldrechtsreform novellierten Verjährungsrechts am 1. Januar 2002 entstanden sind, kann nach der diesbezüglichen Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) das zuvor (also vor dem 1. Januar 2002) maßgebliche Verjährungsrechts von Bedeutung sein.
Denn nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung bestimmen sich jedoch für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung.
Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB bestimmt: soweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen, so gilt eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 2002 eintritt und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet ist, als mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 beendigt, und die neue Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt.
Diese Übergangsregelung ist auch auf die Anwendung der Bestimmung des § 45 SGB I anwendbar, denn nach § 70 SGB I gilt Art. 229 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB bei der Anwendung des § 45 Abs. 2 und 3 in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zusatzvesicherungs-Neuregelungsgesetz vom 21. Juni 2002 - HZvNG, BGBl. I, 2167).
Das bedeutet vorliegend: Soweit die Vorschrift des § 45 Abs. 2 und 3 SGB I in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung eine Hemmung vorsieht, so gilt eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des § 45 Abs. 2 und 3 in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 2002 eintritt und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet ist, als mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 beendigt und die neue Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt. Ab dem 1.Januar 2002 war also die Verjährung der Ansprüche der Klägerin nicht mehr unterbrochen, sondern gehemmt.
Diese Hemmung endete nach § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB I in der Fassung vom 21. Juli 2002 sechs Monate nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Anträge der Klägerin, also sechs Monate nach Bekanntgabe der Bescheide vom 29.03.2004.
Die Verjährung der Ansprüche wurde weiter gehemmt durch die Erhebung des Widerspruchs mit Schreiben vom 29. April 2004 gegen die Bescheide vom 20. März 2004 (§ 45 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB I in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung).
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung auch noch weiter gehemmt durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Mit der am 17. März 2005 erhobenen der Klage der Klägerin beim Sozialgericht München ist daher weiter von einer Hemmung der Ansprüche der Klägerin auszugehen. Diese Hemmung endet nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach Ablauf der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitiger Beendigung des eingeleiteten Verfahrens, mithin des vorliegenden Rechtsstreits.
Nach § 209 BGB wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungszeit nicht eingerechnet. Die Hemmung hindert damit die Einrechnung eines bestimmten Zeitraumes in die Verjährungsfrist, so dass die Verjährung während dieser Zeit ruht. Die Verjährungsfrist ist in konkreter Berechnung um die Hemmungszeit zu verlängern. Höchstgrenzen oder eine allgemeine zeitliche Obergrenze für deren Berücksichtigung existiert nach deutschem Recht nicht (Grothe in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Allgemeiner Teil, 5. Auflage, 2006, § 209 Rdn. 1 und Kasseler Kommentar, Seewald, § 45 SGB I, Rdn. 24). Auch wenn sich mehrere Hemmungstatbestände überschneiden, also vorliegend die Hemmung durch Antragstellung, Widerspruch oder Klageerhebung, gelten keine Besonderheiten (Grothe, a.a.O.).
Auch kommt vorliegend die Sonderregelung für den Fall des Verfahrensstillstands nach § 204 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB, wonach dann, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien bzw. vorliegend die Beteiligten es nicht betreiben, an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung tritt, im sozialrechtlichen Verfahren, das von der Offizialmaxime beherrscht wird, nicht zur Anwendung (Hänlein in: Kreikebohm, Spellbrink, Walterman, Kommentar zum Sozialgericht, § 45 SGB I Rdn. 8 unter Hinweis auf BSG vom 12. Februar 2002 - B 13 RJ 558/03 R).
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 15. Juni 2000, SozR 3 - 1200 § 45 Nr. 9) bei abschnittsweise bewilligten Sozialleistungen die Unterbrechung der Verjährung eine weitere "mahnungsähnliche Handlung" voraussetzt, wenn der ursprüngliche Antrag materiell - rechtliche Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs war und nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts eine Neubewilligung zu erfolgen hat und erst durch eine solche "Mitwirkung" des Leistungsempfängers die Behörde überhaupt in die Lage versetzt wird, über die Voraussetzungen für einen weiteren Bewilligungsabschnitt zu entscheiden (BSG, a.a.O.), kann vorliegend von derartigen "mahnungsähnlichen Handlungen" der Klägerin ausgegangen werden.
Im vorliegenden Fall ist durch die EDV - Ausdrucke der Beklagten belegt, dass die Klägerin seit Mai 1994 mehrere Anträge gestellt hat, sich immer wieder arbeitslos gemeldet hat und bei der Beklagten vorgesprochen hat. Das Vorbringen ist glaubhaft, es sei bei der Beklagten keine Akte vorhanden gewesen, sie habe sich nach ihren Bescheiden erkundigt, sei aber vertröstet worden. Eine Akte bei der Beklagten existiert nicht. Eine solche hätte aber angelegt werden müssen, unabhängig davon, ob die Originalanträge mit den Unterlagen der Klägerin vorlagen oder nicht.
Da eine Verjährung nicht eingetreten ist, kann die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht geltend machen.
Daher kann es auch offen bleiben, ob die Geltendmachung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte im Hinblick auf die fehlende Anlage von Akten trotz gegebener Antragstellung rechtsmissbräuchlich wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
II Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit ab 4. Mai 1994 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die 1948 geborene Klägerin war als Kostümbildnerin im Bereich Film und Fernsehen beschäftigt. Während der verschiedenen Zeiten ihrer Beschäftigungslosigkeit meldete sie sich im Zeitraum vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 bei der Beklagten achtmal arbeitslos. Persönliche Arbeitslosmeldungen erfolgten dabei am 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995 zum 1. Januar 1996, 11. April 1996, 20. Dezember 1996 mit Wirkung zum 21. Dezember 1996, 28. Februar 1997 mit Wirkung zum 1. März 1997 und am 22. August 1997.
Auf die folgenden Arbeitslosmeldungen ab dem 2. August 2000, 17. Oktober 2000, 12. August 2001, 18. Mai 2002 und ab 17. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in der Zeit vom 2. August 2000 bis zum 21. August 2000 sowie dann vom 17. Oktober 2000 bis zum 17. Dezember 2000 und vom 12. August 2001 bis zum 4. November 2001. Sie bezog schließlich Arbeitslosengeld vom 18. Mai 2002 bis zum 23. Juni 2002.
Die Originalanträge der Klägerin im Zeitraum vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 gingen ausweislich der angebrachten Eingangsstempel bei der Beklagten (Agentur für Arbeit) am 23. Februar 2004 ein. Auf den Antragsformularen war durch die Beklagte jeweils für die persönliche Arbeitslosmeldung am 4. Mai 1994 auch der Tag der Antragstellung am 4. Mai 1994 bescheinigt, für die persönliche Arbeitslosmeldung am 19. Juni 1995 der Tag der Antragstellung ebenfalls am 19. Juni 1995, für die persönliche Arbeitslosmeldung am 18. August 1995 der Tag der Antragstellung ebenfalls am 18. August 1995 und für die persönliche Arbeitslosmeldung am 27. Dezember 1995 zum 1.Januar 1996 der Tag der Antragstellung ebenfalls am 27. Dezember 1996.
Für die persönliche Arbeitslosmeldung am 11. April 1996 war unter dem Datum vom 11. April 1996 von der Beklagten vermerkt "ohne Anmerkungen", für die persönliche Arbeitslosmeldung am 20. Dezember 1996 zum 21. Dezember 1996 war ebenfalls unter dem Datum vom 20. Dezember 1996 von der Beklagten vermerkt "ohne Anmerkungen" und für die persönliche Arbeitslosmeldung vom 28. Februar 1997 mit Wirkung zum 1. März 1997 war unter dem Datum vom 28. Februar 1997 von der Beklagten vermerkt "n.e.". Lediglich für die persönliche Arbeitslosmeldung 22. August 1997 liegt kein Vermerk gleichen Datums durch die Beklagte vor.
Die den Akten der Beklagten beiliegenden BewA-Unterlagen weisen eine versicherungspflichtige Tätigkeit der Klägerin von 1984 bis 1989 aus. Die erste Arbeitslosigkeit der Klägerin mit Antragstellung auf Arbeitslosengeld wird am 6. Februar 1989 bestätigt, dann Wiederbewilligungsanträge vom 23. Oktober 1989, vom 11. Juni 1990, vom 17.Oktober 1990, vom 12. Dezember 1991, vom 4. November1992, vom 18. Februar 1993 und dann die den vorliegenden Rechtsstreit betreffenden Antragstellungen/Wiederbewilligungsan-träge vom 4. Mai 1994, 19. Juni 1996, 19. August 1998, 1. Januar 1996, 11.April 1996, 21. Dezember 1996, 1. März 1997, 22. August 1997. Für den 10. April 1998 wird Arbeitslosigkeit ab dem 10. August 1998 und ein Antrag auf Arbeitslosenhilfe vermerkt.
Mit acht Bescheiden vom 29. März 2004 lehnte die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab, weil seit der Entstehung der Ansprüche vier Jahre verstrichen seien. Auf keinem der Bescheide ist vermerkt, wann er zur Post gegeben wurde.
Mit Schreiben vom 29. April 2004, eingegangen bei der Beklagten am 4. Mai 2004, stellte die Klägerin Antrag auf Überprüfung der Ablehnungsbescheide, die ihr am 3. April 2004 zugegangen seien. Sie habe damals ihre Anträge ordnungsgemäß abgegeben. Ihre Akte sei verschwunden gewesen. Es sei ihr nahe gelegt worden, verschwundene Arbeitsbescheinigungen wieder zu beschaffen und neue Arbeitsbescheinigungen zu behalten bis sie alle zusammen vorlegen könne. Man habe sie nicht darüber aufgeklärt, dass der Anspruch nach vier Jahren erlöschen würde.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Erlass eines Zugunstenbescheides in Bezug auf den Ablehnungsbescheid vom 29. März 2004 ab. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt worden, noch sei man von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Mit Widerspruch vom 4. August 2004 trug die Klägerin vor, ob der Anspruch erloschen sei, sei unerheblich. Jedenfalls stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist sei rechtsmissbräuchlich. Ihre Anträge seien nicht bearbeitet worden, weil die Akte verschwunden gewesen sei. Sie habe sich nach ihrem Bescheid erkundigt, sei aber vertröstet worden. Erst Anfang des Jahres 2004 habe sie sich mit den Kopien der von ihr eingereichten Anträge auf Arbeitslosengeld zum Arbeitsamt A-Stadt begeben. Daraufhin seien die Anträge bearbeitet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der Klage vom 17. März 2005 zum Sozialgericht München (SG) hat die Klägerin ihr Widerspruchsbegehren weiter verfolgt. Ihr Schreiben vom 29. April 2005 sei zu Unrecht als Antrag auf Überprüfung gewertet worden. Tatsächlich habe es sich um einen Widerspruch gegen die Ablehnungsbescheide gehandelt. Die Anträge seien nicht bearbeitet worden. Erst Anfang 2004 habe sie sich mit Kopien der von ihr eingereichten Anträge auf Arbeitslosengeld zum Arbeitsamt A-Stadt begeben. Die Beklagte habe mitgeteilt, die Klägerin habe am 23. Februar 2004 nicht Kopien, sondern Originalanträge abgegeben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin erklärt, es sei richtig, dass Herr F. vom Arbeitsamt die in der Arbeitslosengeldakte befindlichen Originalanträge beginnend mit dem Antrag vom 4. Mai 1994 bei ihrer Vorsprache im Februar 2004 aus ihren Unterlagen entnommen hat. Sie habe die Originale behalten, weil seinerzeit die Akte beim Arbeitsamt nicht vorgelegen hat und sie eine dortige Mitarbeiterin telefonisch beraten hat, lediglich Kopien zu übersenden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2006 abgewiesen. Die Bescheide vom 29. März 2004 seien bestandskräftig. Das Schreiben vom 29. April 2004 sei deswegen zu Recht als Überprüfungsantrag anzusehen. Entgegen ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren und der Klagebegründung habe die Klägerin die Originalanträge auf Arbeitslosengeld ab dem 4. Mai 1994 bei sich behalten und erst am 23. Februar 2004 bei der Beklagten abgegeben. Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld habe sie erst zum damaligen Zeitpunkt geltend gemacht. Sie könne ihn jedoch nicht mehr geltend machen, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Sie habe sich mit der Rückgabe der Originalanträge mehr als vier Jahre Zeit gelassen. Zudem würde eine Bewilligung von Arbeitslosengeld zwischen Mai 1994 und August 1997 daran scheitern, dass eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren in Betracht komme.
Mit der dagegen eingelegten Berufung vom 12. Oktober 2006 macht Klägerin geltend, es sei kein Hinweis darauf erfolgt, dass Ansprüche nach vier Jahren erlöschen würden. Sie habe nach den Vorkommnissen bei der Beklagten allen Grund gehabt, die Originale bei sich zu behalten. Sie habe sich immer wieder nach dem Verbleib der Leistungen erkundigt und sei vertröstet worden. Es sei von der Beklagten widersprüchlich, nun Leistungen zu verweigern.
Die Beklagte trägt vor, der Klägerin sei ab dem 2. August 2000 - also bevor die Originalanträge im Jahr 2004 abgegeben worden seien - Arbeitslosengeld für die Dauer von 720 Kalendertagen bewilligt worden. Dabei seien 1492 Kalendertage aus den gemeldeten Arbeitsverhältnissen zu Grunde gelegt worden. Im Widerspruch vom 29. April 2004 habe die Klägerin selbst angegeben, die Bescheide seien am 3. April 2004 bei ihr eingegangen. Zudem könne ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zwar zurückgenommen werden, Sozialleistungen würden jedoch längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Auch seien die Leistungsansprüche der Klägerin bereits verjährt. Es gebe weder Anhaltspunkte, dass die Akten der Klägerin verschwunden gewesen sind, noch dass vor dem 23. Februar 2004 schriftliche Anträge bzw. ausgefüllte Formulare eingegangen sind.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 29. März 2004 und den Bescheid vom 5. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2005 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund der in der Zeit vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 erfolgten Arbeitslosmeldungen und Antragstellungen für die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, den Inhalt der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist begründet.
Streitgegenstand sind acht Bescheide der Beklagten vom 29. März 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2005, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin aufgrund ihres als Überprüfungsantrag behandelten Schreibens vom 29. April 2004 entsprechend den Arbeitslosmeldungen vom 5. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 Arbeitslosengeld zu zahlen.
1. Nach § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht nur, wenn alle Voraussetzungen des § 100 AFG zur gleichen Zeit vorliegen (Niesel, AFG, 2. Auflage, § 100 Rn. 1).
Weder die Arbeitslosigkeit noch die Verfügbarkeit der Klägerin bezogen auf ihre Arbeitslosmeldungen zwischen dem 4. Mai 1994 und dem 22. August 1997 sind strittig.
Es steht auch fest, dass sich die Klägerin am 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995, 11. April 1996, 20. Dezember 1996, 28. Februar 1997 und 22. August 1997 arbeitslos gemeldet hat.
Aus den Vermerken der Beklagten auf den jeweiligen Formblättern aber auch durch die individuell auf die Klägerin bezogenen entsprechenden Vermerke der Beklagten in den sog. BewA-Ausdrucken, geht aber auch hervor, dass die Klägerin zudem entsprechende Anträge auf Arbeitslosengeld gestellt hat.
Zwar hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG selbst eingeräumt, dass die sich in der Arbeitslosengeldakte befindlichen Originalanträge bei ihrer Vorsprache im Februar 2004 aus ihren Unterlagen entnommen wurden und in die Arbeitslosengeldakte kamen. Sie habe die Originale behalten. Eine wirksame Antragstellung setzt jedoch nicht die Übergabe von ausgefüllten Originalanträgen voraus. Ein Antrag ist jede Erklärung, durch die jemand Sozialleistungen ganz allgemein oder eine bestimmte Sozialleistungen begehrt. Für die angegangene Behörde muss bei verständiger Würdigung erkennbar sein, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehrt. Der Antrag braucht nicht förmlich gestellt zu werden. Es genügt, wenn der Antragsteller von einer zur Entgegennahme von Leistungsanträgen zuständigen Stelle seinen Willen zum Ausdruck bringt, Sozialleistungen zu begehren (von Wulffen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 18 Rdn. 5).
Eine Antragstellung erfolgte jeweils zu den von der Beklagten in den entsprechenden Dateivermerken und auf den - der Klägerin wieder mitgegebenen - Originalantragsformularen bestätigten Antragsdatumstagen. Bei der Vorsprache am 23. Februar 2004 hat die Klägerin lediglich die ihr von der Beklagten früher eingegangenen und wieder zurückgegebenen Anträge wieder vorgelegt. Dies ändert jedoch nichts an den von der Beklagten vermerkten Daten der seinerzeitigen Antragstellung.
2. Die Ablehnungsbescheide der Beklagten sind nicht bestandskräftig geworden.
Zwar gilt nach § 37 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch X ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
Zu berücksichtigen ist hier aber zum einen, dass die Beklagte auf den Bescheiden nicht vermerkt hat, wann sie zur Post gegeben worden sind. Die Fiktion der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt jedoch dann nicht, wenn der Verwaltungsakten nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 S. 2, 1. Halbsatz SGB X). Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 SGB X).
Die Klägerin hat zwar in ihrem Widerspruch vom 29. April 2004 unter Betreff angegeben: "Ablehnung der Anträge auf Arbeitslosengeld vom 04.05.1994; 19.06.1995; 19.08.1995; 01.01.1996; 11.04.1996; 21.12.1996; 01.03.1997; 22.08.1997; eingegangen am 3.04.04." Auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung erklärte sie aber glaubhaft, sie könne sich nicht mehr erinnern, wann genau sie die Ablehnungsbescheide erhalten habe. Es bestehen für den Senat somit erhebliche Zweifel, ob das von der Klägerin in dem Schreiben vom 29. April 2004 angegebene Datum den Tatsachen entsprochen hat.
Insoweit sind nach Überzeugung des Senats substantiierte Tatsachen gegeben (fehlender Absendevermerk der Beklagten, fehlende Kenntnis der Klägerin über den Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide), aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass der Zugang der Bescheide erst nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 vermuteten Zeitpunkt erfolgte (vgl. insoweit BSG vom 26. Juli 2007, SGb 2008, 559). Ob die angegriffenen Bescheide mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen waren, kann also offen bleiben.
Das Scheiben vom 29. April 2004, das der Beklagten am 5. Mai 2004 zuging, war daher nicht als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X anzusehen, sondern als Widerspruch gegen die Bescheide vom 20. März 2004.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ist nach der Bestimmung des § 125 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erloschen.
Nach dieser Bestimmung kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre gestrichen sind. Hat der Arbeitslose den Anspruch vor Ablauf der Frist geltend gemacht, stehen ihm Leistungen auch über das Fristende hinaus zu.
Ein "Geltendmachen" liegt stets in einer Antragstellung (Niesel, a.a.O., § 125 Rdn. 5 unter Hinweis auf BSG vom 9. Dezember 1982, SozR 4100 § 125 Nr. 2 = BSGE 54, 212 - 219).
Weder die Arbeitslosigkeit noch die Verfügbarkeit der Klägerin bezogen auf ihre Arbeitslosmeldungen zwischen dem 4. Mai 1994 und dem 22. August 1997 sind strittig. Es steht auch fest, dass sich die Klägerin am 4. Mai 1994, 19. Juni 1995, 18. August 1995, 27. Dezember 1995, 11. April 1996, 20. Dezember 1996, 28. Februar 1997 und am 22. August 1997 arbeitslos gemeldet hat.
Aus den Vermerken der Beklagten auf den jeweiligen Formblättern, aber auch durch die individuell auf die Klägerin bezogenen entsprechenden Vermerke der Beklagten in den sog. BewA-Ausdrucken geht hervor, dass die Klägerin entsprechende Anträge auf Arbeitslosengeld gestellt hat. Sie hat damit ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 4. Mai 1994 bis zum 22. August 1997 geltend gemacht.
Zum Zeitpunkt der letzten Geltendmachung mit Antrag vom 22. August 1997 war der Anspruch nicht erloschen.
4. Die Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage ihrer Anträge auf Arbeitslosengeld in der Zeit von Mai 1994 bis August 1997 sind nicht verjährt. Nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I in der Fassung vom 4. November 1982, aber auch in der Fassung vom 21. Juni 2002 verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind.
Nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB I in der Fassung vom 4. November 1982 beziehungsweise vom 21. Juni 2002 wird die Verjährung durch den schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch die Erhebung eines Widerspruchs unterbrochen bzw. gehemmt. Und nach § 45 Abs. 3 S. 2 SGB I in der Fassung vom 4. November 1982 dauerte die Unterbrechung bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch. Nach § 45 Abs. 3 S. 2 SGB I in der Fassung vom 21. Juni 2002 dagegen endet die Hemmung sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch.
Nach der Reform des Verjährungsrechts durch die Schuldrechtsreform von 2001, die unter anderem das Institut der Unterbrechung der Verjährung abgeschafft hatte, wurden die Abs. 2 und 3 des § 45 SGB I an die neu gefassten Vorschriften des bürgerlichen Rechts angepasst (vgl. Hänlein in: Kreikebohm, Spellbrink, Walterman, Kommentar zum Sozialrecht, § 45 SGB I Rdn. 1).
Nach Abs. 2 der Vorschrift in der Fassung vom 21. Juni 2002 gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Auch nach Abs. 2 der Vorschrift in der Fassung vom 4. November 1982 galten für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Maßgeblich sind also die §§ 203 ff BGB.
Bei Ansprüchen, die vor dem Inkrafttreten des im Rahmen der Schuldrechtsreform novellierten Verjährungsrechts am 1. Januar 2002 entstanden sind, kann nach der diesbezüglichen Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) das zuvor (also vor dem 1. Januar 2002) maßgebliche Verjährungsrechts von Bedeutung sein.
Denn nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung bestimmen sich jedoch für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung.
Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB bestimmt: soweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen, so gilt eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 2002 eintritt und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet ist, als mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 beendigt, und die neue Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt.
Diese Übergangsregelung ist auch auf die Anwendung der Bestimmung des § 45 SGB I anwendbar, denn nach § 70 SGB I gilt Art. 229 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB bei der Anwendung des § 45 Abs. 2 und 3 in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zusatzvesicherungs-Neuregelungsgesetz vom 21. Juni 2002 - HZvNG, BGBl. I, 2167).
Das bedeutet vorliegend: Soweit die Vorschrift des § 45 Abs. 2 und 3 SGB I in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung eine Hemmung vorsieht, so gilt eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des § 45 Abs. 2 und 3 in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 2002 eintritt und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet ist, als mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 beendigt und die neue Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt. Ab dem 1.Januar 2002 war also die Verjährung der Ansprüche der Klägerin nicht mehr unterbrochen, sondern gehemmt.
Diese Hemmung endete nach § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB I in der Fassung vom 21. Juli 2002 sechs Monate nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Anträge der Klägerin, also sechs Monate nach Bekanntgabe der Bescheide vom 29.03.2004.
Die Verjährung der Ansprüche wurde weiter gehemmt durch die Erhebung des Widerspruchs mit Schreiben vom 29. April 2004 gegen die Bescheide vom 20. März 2004 (§ 45 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB I in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung).
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung auch noch weiter gehemmt durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs. Mit der am 17. März 2005 erhobenen der Klage der Klägerin beim Sozialgericht München ist daher weiter von einer Hemmung der Ansprüche der Klägerin auszugehen. Diese Hemmung endet nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach Ablauf der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitiger Beendigung des eingeleiteten Verfahrens, mithin des vorliegenden Rechtsstreits.
Nach § 209 BGB wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungszeit nicht eingerechnet. Die Hemmung hindert damit die Einrechnung eines bestimmten Zeitraumes in die Verjährungsfrist, so dass die Verjährung während dieser Zeit ruht. Die Verjährungsfrist ist in konkreter Berechnung um die Hemmungszeit zu verlängern. Höchstgrenzen oder eine allgemeine zeitliche Obergrenze für deren Berücksichtigung existiert nach deutschem Recht nicht (Grothe in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Allgemeiner Teil, 5. Auflage, 2006, § 209 Rdn. 1 und Kasseler Kommentar, Seewald, § 45 SGB I, Rdn. 24). Auch wenn sich mehrere Hemmungstatbestände überschneiden, also vorliegend die Hemmung durch Antragstellung, Widerspruch oder Klageerhebung, gelten keine Besonderheiten (Grothe, a.a.O.).
Auch kommt vorliegend die Sonderregelung für den Fall des Verfahrensstillstands nach § 204 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB, wonach dann, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien bzw. vorliegend die Beteiligten es nicht betreiben, an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung tritt, im sozialrechtlichen Verfahren, das von der Offizialmaxime beherrscht wird, nicht zur Anwendung (Hänlein in: Kreikebohm, Spellbrink, Walterman, Kommentar zum Sozialgericht, § 45 SGB I Rdn. 8 unter Hinweis auf BSG vom 12. Februar 2002 - B 13 RJ 558/03 R).
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 15. Juni 2000, SozR 3 - 1200 § 45 Nr. 9) bei abschnittsweise bewilligten Sozialleistungen die Unterbrechung der Verjährung eine weitere "mahnungsähnliche Handlung" voraussetzt, wenn der ursprüngliche Antrag materiell - rechtliche Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs war und nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts eine Neubewilligung zu erfolgen hat und erst durch eine solche "Mitwirkung" des Leistungsempfängers die Behörde überhaupt in die Lage versetzt wird, über die Voraussetzungen für einen weiteren Bewilligungsabschnitt zu entscheiden (BSG, a.a.O.), kann vorliegend von derartigen "mahnungsähnlichen Handlungen" der Klägerin ausgegangen werden.
Im vorliegenden Fall ist durch die EDV - Ausdrucke der Beklagten belegt, dass die Klägerin seit Mai 1994 mehrere Anträge gestellt hat, sich immer wieder arbeitslos gemeldet hat und bei der Beklagten vorgesprochen hat. Das Vorbringen ist glaubhaft, es sei bei der Beklagten keine Akte vorhanden gewesen, sie habe sich nach ihren Bescheiden erkundigt, sei aber vertröstet worden. Eine Akte bei der Beklagten existiert nicht. Eine solche hätte aber angelegt werden müssen, unabhängig davon, ob die Originalanträge mit den Unterlagen der Klägerin vorlagen oder nicht.
Da eine Verjährung nicht eingetreten ist, kann die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht geltend machen.
Daher kann es auch offen bleiben, ob die Geltendmachung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte im Hinblick auf die fehlende Anlage von Akten trotz gegebener Antragstellung rechtsmissbräuchlich wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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