L 2 U 446/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 137/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 446/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 77/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beurteilung von Unfallfolgen an der Hand
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 6. Juni 2008 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 7. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2003 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 8. November 1999.

Die 1965 geborene Klägerin verletzte sich am 8. November 1999 am linken Mittelfinger. Am 9. November 1999 suchte sie den Allgemeinarzt Dr. T. auf, der eine beugeseitige Schnittverletzung des Grundgliedes diagnostizierte. Am 1. Dezember 1999 bestanden ein anhaltender Reizzustand und Schwellneigung. Am 24. Dezember 1999 diagnostizierte die Chirurgin P. eine Tendovaginitis stenosans, die keine Unfallfolge sei. Die Narbe sei nach Ringbandspaltung reizlos verheilt. Der Neurologe Dr. H. wies am 20. Januar 2000 auf ein sensibles Carpaltunnelsyndrom beiderseits hin. Die Sensibilitätsstörung sei auf eine Läsion der Hautäste durch die Schnittverletzung zurückzuführen. Aber bereits früher seien beide Hände "eingeschlafen". Am 2. März 2000 berichtete der Handchirurg Dr. S., die Hand zeige äußerlich reizlose Verhältnisse, die Beschwielung sei regelrecht, mit Ausnahme einer Minderbeschwielung am dritten Strahl. Im Bereich der Narbe fänden sich ein deutlich herabgesetztes Hautgefühlsempfinden, Bewegungseinschränkung und Schmerzen. Die Tendovaginitis mit nachfolgender Ringbandspaltung sei Folge des Arbeitsunfalles. Am 19. Mai 2000 wurden eine erneute Ringband- und Narbenspaltung sowie eine Neurolyse durchgeführt. Zweieinhalb Monate nach der Operation war die Wunde komplett reizlos verheilt. Die Klägerin gab noch brennende Beschwerden bei Fingerstreckung an, die Fingerkuppe sei taub. Dr. S. hielt die Klägerin ab 14. August 2000 für arbeitsfähig. Die Handchirurgin Dr. W. stellte am 2. Oktober 2000 eine deutlich herabgesetzte Hohlhandbeschwielung über dem Mittelfingerstrahl fest. Der Mittelfinger war etwas kühler, sonst beide Hände gleich kühl und feucht. Wegen der Schmerzen sollte eine nochmalige operative Intervention in Erwägung gezogen werden. Dr. S. führte am 9. Januar 2001 eine Neurolyse des Fingernervs D 3 und eine Ringbandspaltung durch. Es zeigten sich keinerlei Nervenverletzungen, keine neuromartigen Veränderungen und auch keine nennenswerten Vernarbungen.
Dr. W. stellte am 24. April 2001 als Unfallfolgen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Mittelfingers und angrenzenden Ringfingers und eine Missempfindung an der Seite des Mittelfingers ohne verminderte Gefühlsempfindung fest.

Im Gutachten vom 16. April 2002 führten die Chirurgen Dr. S./Dr. T. aus, die deutliche Funktionseinbuße der linken Hand sei bedingt durch ein posttraumatisches Schmerzsyndrom im Sinne einer Kausalgie. Die Handfläche sei etwas livide mit leichter Schweißabsonderung, die Haut sei kälter als die Gegenseite und dünner, ohne Hohlhandbeschwielung. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 v.H. einzuschätzen.

Der Neurologe Dr. W. erklärte im Gutachten vom 3. Juni 2002, es ergäben sich Hinweise für eine narbenbedingte Irritation von Endästen des Nervus medianus in Verbindung mit einer Narbenhyperpathie. Die in den linken Arm projezierten Schmerzen seien sicherlich unfallunabhängig, wobei an eine Somatisierungsstörung zu denken sei. Die MdE auf neurologischem Fachgebiet sei mit 10 v.H. zu bewerten.

In der Stellungnahme vom 24. Juni 2002 äußerte der Chirurg Dr. P., gegen eine Kausalgie spreche neben dem neurologischen Befund auch das Fehlen muskulärer Atrophien und Spontanaktivitäten. Die MdE sei mit 10 v.H. einzuschätzen.

Der Neurologe Dr. M. erklärte in der Stellungnahme vom 9. Oktober 2002, Dr. W. habe lediglich eine segmental und peripher nicht sicher zuordbare Hyperpathie mit diskreter Hypaesthesie geschildert. Eine relevante motorische unfallbedingte Läsion sei nicht dokumentiert. Auch ein relevantes Nervenkompressionssyndrom werde nicht festgestellt. Die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. November 2002 die Gewährung einer Rente ab.

Den Widerspruch der Klägerin wie sie mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2003 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren zog das Sozialgericht Berichte und Unterlagen der behandelnden Ärzte bei, darunter einen Bericht von Dr. W. vom 22.12.1997: die Klägerin leide unter Kopfschmerz und depressiver Anpassungsstörung. Außerdem bestehe der Verdacht auf eine Epicondylitis humeri radialis.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. führte im Gutachten vom 20. Juli 2004 aus, es bestünden keine trophischen Störungen und keine Paresen, auch keine Zeichen einer Schonung der linken Hand. Der Einsatz bei komplexen Bewegungsabläufen sei normal. Die Klägerin gebe an, sie arbeite durchschnittlich drei Stunden am Tag als Putzfrau. Schmerzen im Bereich des linken Armes bzw. im Bereich der Schulter-Nackenpartie würden jetzt nicht angegeben. Die angegebenen Taubheitsmissempfindungen kämen bei Verletzungen einzelner Fingernerven vor. Motorische Ausfälle bestünden nicht. Eine höhere MdE als 10 v.H. sei nicht zu begründen.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. erklärte im Gutachten vom 21. Juli 2004, die Narbe sei teils verhärtet, weise aber keine entzündlichen Veränderungen auf. Die Beschwerden in der linken Schulter ließen sich durch die Verletzung des dritten Fingers nicht erklären. Es bestünden ein narbenbedingtes Streckdefizit des Fingers sowie eine Beugekontraktur des Grundgelenks. Die linke Hand sei nicht demineralisiert, so dass radiologisch keine Zeichen einer Schonung vorhanden seien. Auch die Umfangsmaße seien nahezu physiologisch. Im Hinblick darauf sei auf orthopädischem Fachgebiet eine messbare MdE nicht begründbar. Die Gesamt-MdE auf neurologischen und orthopädischem Gebiet sei auf 10 v.H. einzuschätzen.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. L. führte im Gutachten vom 11. Februar 2005 aus, Dr. F. gebe eine ausgezeichnete Beschreibung der Funktionsstörung der linken Hand ab. Er habe aber die auffällige muskuläre Dysbalance im Bereich von HWS, Schulter und Oberarm nicht genügend berücksichtigt. Hier bestehe eine Kettenreaktion von Schmerz in der Hand, Schonung und Fehlbelastung. Die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen.

Der Chirurg Dr. P. erklärte in der Stellungnahme vom 28. Februar 2005, relevante Umfangsdifferenzen im Sinne einer ausgeprägten muskulären Dysbalance seien nicht dokumentiert.

In der Stellungnahme vom 1. April 2005 und in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2005 bekräftigte Dr. L. seine Ausführungen; degenerative Veränderungen könnten für die Beschwerden nicht verantwortlich gemacht werden. Die Schmerzen der Klägerin seien

objektiviert. Eine Demineralisierung sei nur bei erheblicher Gebrauchseinschränkung zu erwarten, wie sie bei der Klägerin nicht vorliege.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. T. führte im Gutachten vom 14. September 2005 aus, auch Dr. F. stelle Schmerzzustände im linken Arm bis zu Schulter und Rücken fest. Dr. L. weise auf ganz erhebliche Funktionseinschränkungen sowohl der Hand als auch des Arms inklusive Schulterbereich hin. Die deutlichen Greiffunktionsstörungen und die muskuläre Dysbalance seien die Manifestation eines chronischen Schmerzsyndroms. Die MdE sei weiterhin mit 20 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme des Handchirurgen Privatdozent Dr. P. vom 9. Januar 2006. Da die Befundbeschreibungen zum Teil erheblich differierten, sei eine dezidierte Aussage nach Aktenlage nicht sinnvoll möglich. Die objektivierbaren Folgen des Unfalls im Bereich der Hand (Bewegungseinschränkung, Sensibilitätstörungen, Zeichen des Mindergebrauchs) rechtfertigten keine höhere MdE als 10 v.H. Aus den neurologisch-psychatrischen Begutachtungen ließen sich keine einheitlichen Beurteilungen erkennen. Die Entwicklung des Schmerzsyndroms als Folge der Verletzung sei sicherlich als ungewöhnlich zu bezeichnen. Erforderlich sei eine erneute Begutachtung durch einen Handchirurgen mit ergänzender fachorthopädischer und neurologisch-psychatrischer Begutachtung.

Daraufhin wurde der Arzt für plastische Chirurgie Dr. K. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt.

Im Zusatzgutachten vom 25. Juli 2007 führte der Radiologe Dr. S. aus, bei normaler Mineralisation des Handskeletts beider Hände ergebe sich kein Hinweis auf Traumafolgen. Es lägen keine Zeichen einer entzündlichen Gelenkveränderung vor. Im Zusatzgutachten vom 9. Oktober 2007 erklärte der Chirurg Dr. N., die Bewegungseinschränkung im Bereich der Schulter bis zur Halswirbelsäule beruhe auf degenerativen Veränderungen und funktionellen Fehlhaltungen. Die geringgradige Bewegungseinschränkung der Finger sei ohne Einfluss auf eine MdE. Die muskuläre Dysbalance sei nicht als Unfallfolge zu werten. Die Neurologen Dr. M. und Prof. R. führten im Zusatzgutachten vom 5. Juli 2007 aus, die Klägerin gebe an, sie arbeite jetzt bei einer Reinigungsfirma, bei der auch ihre Mutter beschäftigt sei, die ihr schwerere Arbeiten abnehme. Die geschilderten Schmerzen wiesen auf ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) hin. Die Störung der Oberflächensensibilität passe zu einer peripheren Nervenverletzung, außerdem die deutliche Temperaturdifferenz, unterschiedliche Schweißbildung und geändertes Nagelwachstum. Besonders charakteristisch sei die Fehlwahrnehmung eines angenehmen Berührens als unangenehm-schmerzhaft. Es sei nicht ungewöhnlich, dass ein CRPS nicht erkannt werde, wenn es, wie hier, in einer relativ milden Form bestehe. Die Vorgeschichte spreche dafür, dass bereits initial das Syndrom ausgelöst worden sei, zumal die Operationen bezüglich der Schmerzen keine Veränderung gebracht hätten. Die Bewegungseinschränkung der Hand werde überschattet durch die funktionell verminderte Einsetzbarkeit aufgrund der Schmerzen. Arbeiten, die den geschickten oder kraftvollen Einsatz der linken Hand verlangten, könne die Klägerin nicht mehr ausführen. Da der Verlust der ganzen Hand mit einer MdE zwischen 40 und 60 v.H. bewertet werde, der Verlust aller Finger mit 50 v.H., sei die MdE im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Hand nicht kraftvoll und nicht längerfristig einsetzen könne, mit 40 v.H. zu bewerten.

Im Gutachten vom 9. Januar 2008 erklärte Dr. K., der jetzige Befund mit Bewegungseinschränkung und Sensibilitätsstörung an der Innenseite des Mittelfingers rechtfertige auf handchirurgischen Gebiet allenfalls eine MdE von 10 v.H. Da Dr. M. seine Ausführungen schlüssig begründe, sei die Gesamt-MdE auf 40 v.H. einzuschätzen.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 5. Mai 2008. Ein CRPS werde üblicherweise in wenigen Wochen bis Monaten nach der Primärverletzung klinisch manifest. Die Klägerin sei aber durch verschiedene Handchirurgen untersucht und behandelt worden, ohne dass ein CRPS diagnostiziert worden wäre oder überhaupt entsprechende Befunde erhoben worden wären. Ihre Angabe, dass sie weiterhin Putzarbeiten verrichte, spreche gegen eine bedeutsame Funktionseinbuße des linken Arms. Schon vor dem Unfall seien Schmerzsyndrome behandlungsbedürftig gewesen und es zu einer Anpassungsstörung gekommen. Dies habe Dr. M. nicht berücksichtigt. Gegen das geschilderte Ausmaß des Schmerzsyndroms spreche auch, dass keine wesentliche Verschmächtigung der Muskelmasse und keine radiologisch fassbare Veränderung der Knochenstruktur vorliege. Dies werde sowohl von Dr. K. als auch von Prof. Dr. S. dokumentiert. Damit könne von einer massiven Minderbelastung des Armes und der Hand nicht ausgegangen werden und somit auch nicht von einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom, das unter anderem durch trophische Veränderungen von Gelenken und Knochen definiert sei.

Das Sozialgericht Landshut verurteilte mit Urteil vom 6. Juni 2008 die Beklagte, ein komplexes regionales Schmerzsyndrom als Folge des Unfalls anzuerkennen und der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Es sei unfallbedingt zu einer erheblichen Funktionseinschränkung der Hand und des Armes inklusive Schulterbereich gekommen, außerdem zu einem das übliche Maß weit übersteigenden Schmerzgeschehen. Die von Dr. N. geäußerten Feststellungen seien spekulativ. Lediglich in der Höhe der MdE weiche das Gericht von den Gutachten Dr. M. und Dr. K. ab und stützte sich auf die Feststellungen von Dr. L. und Dr. T ... Die übrigen Gutachten wiesen erhebliche Mängel und Defizite, sowohl in der Befundung als auch in der Beurteilung auf.

Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte auf die Ausführungen von Dr. N ... Sie übersandte ein Schreiben des Handchirurgen Dr. S. vom 28. Juli 2004: Die Schulter-Ellenbogen- und Handgelenksbeweglichkeit sei beidseits innerhalb der Norm frei. Der Kalksalzgehalt der Knochen sei an beiden Händen gleich. Weiter übersandte die Beklagte ein Schreiben des Handchirurgen Dr. von S. vom 6. September 2004: neben einer geringer ausgeprägten Narbenkontraktur bestünden narbenbedingte Affektionen nach mehrfacher operativer Revision.

Die Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 6. Juni 2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 7. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2003 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Unstreitig hat die Klägerin am 8. November 1999 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) erlitten. Zu einer bleibenden Gesundheitsstörung, die eine MdE um mindestens 20 v.H. bedingen würde, ist es aber nicht gekommen. Als Folge des Unfalls vom 8. November 1999 besteht eine Schnittverletzung der linken Hohlhand mit Teildurchtrennung eines Endastes des Mittelnervens des dritten Fingers.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den schlüssigen Gutachten und Stellungnahmen der ärztlichen Sachverständigen Dr. W., Dr. P., Dr. M., deren im Verwaltungsverfahren gemachte Äußerungen im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, und Dr. K., Dr. F., Dr. N. und Dr. K ...

Die von Dr. L. als Unfallfolge beurteilte muskuläre Dysbalance beruht, wie Dr. N. in Übereinstimmung mit Dr. F. überzeugend dargelegt hat , auf degenerativen Veränderungen von Halswirbelsäule und Schultergelenk, nicht auf der geringgradigen Bewegungseinschränkung der Finger der linken Hand. Gegen die von Dr. L. zur Begründung seiner Auffassung angeführte Kettenreaktion von Schmerz in der linken Hand, Schonung und Fehlbelastung spricht, dass eine schonungsbedingte Minderung der Muskelmasse oder Demineralisation der Knochen und Gelenke nicht festzustellen ist. Dr. L. Einwand, eine Demineralisierung sei nur bei erheblicher Gebrauchseinschränkung zu erwarten, wie sie bei der Klägerin nicht vorliege, kann insofern nicht überzeugen, als die Klägerin angegeben hat, sie führe ihre Tätigkeit als Putzfrau weiterhin halbtags aus, so dass eine bedeutsame Schonung nicht gegeben sein kann.

Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) liegt zur Überzeugung des Senats gleichfalls nicht vor. Eine derartige Erkrankung ist weder zeitnah zum Unfall noch in den ersten Jahren nach dem Unfall diagnostiziert worden, obwohl die Klägerin umfangreich ärztlich untersucht und behandelt wurde, darunter auch von den Handchirurgen Dr. S. und Dr. W ... Erstmals Dr. T. im Gutachten vom 16. April 2002 wies auf ein posttraumatisches Schmerzsyndrom im Sinne einer Kausalgie bei livider Verfärbung der Handfläche, leichter Schweißabsonderung und Temperaturunterschied hin. Ein CRPS entsteht aber, wie Dr. N. erläutert hat, in wenigen Wochen bis Monaten nach der Primärverletzung. Dass dies bei der Klägerin nicht der Fall war, ist durch die ärztlichen Befunde belegt. Ein CRPS wird durch trophische Veränderungen von Gelenken und Knochen definiert, die nicht vorliegen.

Auch gegen die Annahme eines erheblichen Schmerzsyndroms sprechen die fehlende Verschmächtigung der Muskelmasse und die fehlende radiologisch fassbare Veränderung der Knochenstruktur. Denn noch im Gutachten des Dr. K. vom 9. Januar 2008 zeigten sich physiologisch unauffällige muskuläre Verhältnisse an beiden Armen, und Prof. Dr. S. führte im radiologischen Gutachten vom 25. Juli 2007 aus, die Mineralisation des Handskeletts beider Hände sei normal. Diese Befunde belegen, dass eine massive Minderbelastung des linken Armes und der linken Hand nicht gegeben ist.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, wie sich aus dem Arztbrief des Dr. W. vom 22. Dezember 1997 ergibt, bereits vor dem Unfall an einem Kombinationskopfschmerz und depressiver Anpassungsstörung bei Partnerkonflikt sowie an einer vermuteten Epikondylitis humeri radialis links gelitten hat. Damit sind Anhaltspunkte für nicht unfallbedingte Ursachen der angegebenen Schmerzen gegeben.

Im Hinblick darauf, dass eine wesentliche Funktionseinbuße der linken Hand nicht durch medizinische Befunde belegt ist und ein Zusammenhang zwischen der Handverletzung und den Schultern-Nackenbeschwerden nicht überzeugend begründet werden kann, ist eine höhere MdE als 10 v.H., wie sie Dr. W., Dr. P., Dr. M., Dr. K., Dr. F., Dr. N. und Dr. K. vorgeschlagen haben, nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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