L 2 P 7/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 P 7/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 7/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vorrang der Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Pflegeleistungen und deren Qualität gegenüber möglichen Auswirkungen auf Wettbewerbspositionen
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom
20. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.



Gründe:

I.
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bf.) im Wege der einstweiligen Anordnung von den Beschwerdegegnerinnen (Bg.), den Landesverbänden der Pflegekassen, verlangen kann, die Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung, den sogenannten Transparenzbericht, zu unterlassen bzw. rückgängig zu machen.

Die Bf. unterhält eine Pflegeeinrichtung für vollstationäre Pflege. Zwischen ihr und den Pflegekassen in Bayern besteht seit 22.05.2001 ein Versorgungsvertrag. Sie ist Mitglied des Deutschen Caritasverbandes e.V.

Am 26.10.2009 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) in der Einrichtung der Bf. im Auftrag der Bg. eine Qualitätsprüfung durch. Am 23.11.2009 berichteten die Bg. über das Ergebnis der Prüfung unter Zugrundelegung der Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) vom 11.06.2009. Sie wiesen auf im Prüfbericht festgestellte Mängel hin. Teilweise handele es sich um gravierende Mängel. Es werde erwogen, einen Maßnahmebescheid zu erteilen, nämlich Anordnungen, welche Maßnahmen zu treffen seien, um die Mängel zu beheben. Der Inhalt des Prüfberichts wurde der Bf. auf elektronischem Weg im Einzelnen bekannt gegeben. Der Bf. wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 08.01.2010 eingeräumt.

Die Bf. wandte am 01.12.2009 ein, sie überprüfe die aufgezeigten Mängel und erwäge in diesem Zusammenhang auch personelle Konsequenzen. Allerdings halte sie den Bericht als vorläufigen Transparenzbericht für fehlerhaft. Statt der in der Pflege-Transparenz-Vereinbarung-Stationär (PTVS) vorgesehenen 82 Fragen seien im Prüfbericht nur 78 bzw. sogar nur 72 Fragen enthalten. Es werde gebeten, das vorgegebene Schema insgesamt zu verändern. Am 17.12.2009 teilte die Bf. den Bg. mit, sie habe verschiedene Sofortmaßnahmen eingeleitet. U.a. seien die für die Pflege verantwortliche Pflegedienstleitung und deren Stellvertretung durch neue verantwortliche Mitarbeiterinnen ersetzt worden. Die Beseitigung anderer Mängel bzw. die Umsetzung von Änderungen sei für Januar 2010 geplant. Hierüber werde bis Ende Januar 2010 detailliert berichtet.

Am 21.12.2009 forderten die Bg., die umfangreichen Maßnahmen konsequent umzusetzen; eine detaillierte Stellungnahme erwarteten sie für Ende Januar 2010.

Am 28.12.2009 bat die Bf. um Fristverlängerung bis 28.12.2009, um offene Punkte auf Richtigkeit bzw. Umsetzung in der Einrichtung zu klären. Im Übrigen verweise sie auf ihre anliegende Stellungnahme zu den einzelnen Beanstandungen. Insoweit habe sie sich darauf beschränkt, vorrangig die Punkte zu kommentieren, die das Ergebnis mangelhaft erhalten hätten.

Am 07.01.2010 erkundigte sich die Bf., ob es bei der beantragten Fristverlängerung bleibe. Die Bg. antworteten am 13.01.2010, nach Durchsicht und Prüfung des umfangreichen Maßnahmeplans sei der MDK zum Ergebnis gekommen, dass keine offensichtlichen Fehler im Transparenzbericht festzustellen seien. Nur solche könnten zu einer Änderung des Gutachtens führen. Im Nachgang zur Prüfung vorgenommene Qualitätsverbesserungen seien zwar zu begrüßen, könnten jedoch nicht nachträglich in das Ergebnis einfließen. Sie hätten am heutigen Tag den Transparenzbericht zur Veröffentlichung freigegeben.

Per Fax vom 13.01.2010 rügte die Bf., ihr sei zugesagt worden, über die Stellungnahme des MDK informiert zu werden. Dessen Stellungnahme zu ihrem Schreiben vom 28.12.2009 liege noch immer nicht vor. Sie fordere, ihr die Einschätzung des MDK innerhalb von 24 Stunden zuzuleiten. Sollte es zur Veröffentlichung kommen, so sei diese rechtswidrig und löse Schadensersatzansprüche aus.

Am 14.01.2010 beantragte die Bf. beim Sozialgericht Würzburg, die Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 26.10.2009 über die vollstationäre Einrichtung der Bf. im Internet oder in sonstiger Weise und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung zu unterlassen sowie festzustellen, dass die Bf. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet sei, die Zusammenfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 26.10.2009 in ihrer Einrichtung auszuhängen. Der Transparenzbericht weise folgende Pflegenoten aus:
5,0 mangelhaft (Pflege und medizinische Versorgung),
5,0 mangelhaft (Umgang mit demenzkranken Bewohnern),
4,1 ausreichend (soziale Betreuung und Alltagsgestaltung),
1,0 sehr gut (Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene).
Gesamtergebnis: 4,6 mangelhaft.

Der Transparenzbericht leide an erheblichen Mängeln. Durch die Veröffentlichung des Transparenzberichts werde ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit und Eigentum in seinem Kernbereich betroffen. Denn dadurch bestehe das Risiko, dass ein negatives Bild über die Einrichtung in der Öffentlichkeit entstehe. Damit könnten erhebliche finanzielle Einbußen verbunden sein. Sie habe Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des Transparenzberichts. Hierfür sei nicht notwendig, dass der Transparenzbericht an einem offensichtlichen Fehler leide. Vielmehr müsse vor der Veröffentlichung das Einvernehmen über die einzelnen Feststellungen zwischen der Pflegeeinrichtung und den Landesverbänden hergestellt werden, was nicht geschehen sei. Es existiere nur ein vorläufiger Transparenzbericht. Der Bericht weise auch inhaltliche Fehler auf infolge falscher Anwendung des zwingend zugrunde zu legenden Fragekatalogs und durch unrichtige Befragung der ausgewählten fünf Heimbewohner durch die Prüfer. Diesen habe auch das notwendige Verständnis gefehlt, die vorgelegten Pflegedokumentationen richtig zu lesen. Die Notenvergabe sei daher falsch.

Sie sei nicht zur Duldung des rechtswidrigen Eingriffs verpflichtet. Eine Duldungspflicht lasse sich insbesondere nicht aus den zur PTVS und zu den QPR geschlossenen Vereinbarungen ableiten. Im Übrigen seien die QPR, Stand 11.06.2009, nichtig, was derzeit gerichtlich überprüft werde. Insgesamt fehle eine Rechtsgrundlage für jedwede Veröffentlichung von Transparenzberichten. Mit der Veröffentlichung werde auch in unzulässiger Weise in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen, da die Geeignetheit der Einrichtung zur Erbringung vollstationärer Pflege völlig in Frage gestellt werde.

Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Das durch die Veröffentlichung entstehende negative Bild über die Einrichtung sei nur schwer wieder gut zu machen. Potentielle Interessenten würden abgeschreckt. Die Veröffentlichung des Transparenzberichtes diene nicht dem Wohlergehen der Pflegebedürftigen und dem Schutz deren Leib und Seele, sondern lediglich dazu, mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von Qualitätsprüfungen des MDK herzustellen. Mit dem Antrag sei keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden. Vielmehr lasse sich anders Rechtsschutz nicht verwirklichen. Mit dem Obsiegen im Hauptsacheverfahren sei zu rechnen, so dass sich ein Feststellungsinteresse für ihre weiteren Anträge, den Transparenzbericht nicht aushängen zu müssen, ergebe. Ein Zuwarten bis zur endgültigen Entscheidung sei nicht zumutbar.

Am 15.01.2010 stellte die Bf. zwei Hilfsanträge mit dem Ziel, ihren bisherigen Anträgen lediglich bis zur Stellungnahme der Bg. zur beantragten einstweiligen Anordnung und der Entscheidung des Gerichts in diesem Verfahren zu entsprechen. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass die Bg. die Frist zur Stellungnahme auf den Prüfbericht bis Ende Januar 2010 verlängert hätten, jedoch abweichend davon die Veröffentlichung am 18.01.2010 vornehmen wollten.

Am 15.01.2010 teilten die Bg. dem Sozialgericht mit, der Transparenzbericht für die Einrichtung der Bf. werde vorerst nicht veröffentlicht.

Auf die Anfrage des Sozialgerichts, ob der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgenommen werde, erklärte die Bf., entgegen der Ankündigung der Bg. vom 15.01.2010 habe sie feststellen müssen, dass der Transparenzbericht bereits auf einer von den Bg. unterhaltenen Internetseite zu sehen sei. Ihre Anträge konkretisiere bzw. ergänze sie dahin, den Bg. aufzugeben, diese Veröffentlichung sofort rückgängig zu machen. Ihre übrigen Anträge blieben aufrecht erhalten.

Die Bg. beantragten, die Anträge zurückzuweisen. Eine Veröffentlichung des Transparenzberichts komme nur dann nicht in Betracht, wenn dieser an offensichtlichen Fehlern leide. Im Nachgang zur Prüfung vorgenommene Qualitätsverbesserungen könnten nicht in das Ergebnis der Prüfung einfließen, sondern allenfalls in die der Einrichtung gestattete Kommentierung. Der Transparenzbericht solle die Qualität exakt zum Zeitpunkt der Begutachtung abbilden. Zu Unrecht rüge die Bf. Fehler des Fragenkatalogs und bei der Befragung der Heimbewohner. Die gerügte Diskrepanz des Fragenkatalogs beruhe darauf, dass Aufbau und Inhalt des QPR und des Transparenzberichts nicht deckungsgleich seien. Zum zweiten Einwand sei auszuführen, dass sich manche Feststellungen des MDK auf verschiedene Pflegebereiche auswirkten und systematisch zwingend bei der Begutachtung als verschiedene Aspekte der Pflegequalität zu berücksichtigen seien. Es sei also nicht so, dass Feststellungen, insbesondere negative, mehrfach in die Benotung eingeflossen seien. Insgesamt lege die Tatsache, dass die Bf. nach eigenem Vortrag Maßnahmen, wie die Entlassung und Auswechselung der Pflegedienstleitung einschließlich deren Stellvertretung nach der Prüfung getroffen habe, nahe, dass die Pflege nicht ordnungsgemäß und qualitativ nicht überzeugend vorgenommen worden war.

Der Einwand, es fehle an der Berechtigung, einen Transparenzbericht überhaupt zu veröffentlichen, weil gegen die Qualitätsrichtlinien von Leistungserbringerverbänden Klage erhoben worden sei, greife nicht durch. Es handele sich um zwei unabhängige Regelungskreise.

Ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben. Selbst bei Annahme, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei offen, überwiege das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung. Im Übrigen könne den Interessen der Einrichtung durch eine gesetzlich vorgesehene Wiederholungsprüfung auf Antrag Rechnung getragen werden. Dabei könnten auch zwischenzeitliche Änderungen - wie von der Bf. behauptet - berücksichtigt werden. Wie es zu der Veröffentlichung auf der von der Bf. genannten Internetseite trotz der von ihr verfügten Sperrung gekommen sei, könne derzeit nicht nachvollzogen werden. Dies werde noch recherchiert.

Mit Beschluss vom 20.01.2010 lehnte das Sozialgericht den Antrag der Bf. ab und legte ihr die Kosten des Verfahrens auf. Die für eine stattgebende Eilentscheidung notwendige Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren Erfolg haben werde, also der Anordnungsanspruch, sei nicht zu bejahen. Ebenso wenig könne eine Interessensabwägung zugunsten der Bf. ausfallen.

Der Transparenzbericht sei nicht offensichtlich unrichtig. Er entspreche den gesetzlichen Vorgaben des § 115 Abs.1 und 1a des Elften Sozialgesetzbuchs (SGB XI) und der von den zuständigen Verbänden auf Bundesebene geschlossenen Vereinbarung, insbesondere der PTVS vom 17.12.2008. Diese Vorschriften hätten den Verbraucherschutz zum Zweck. Dass die Prüfung zu einem für den Pflegebetrieb negativen Ergebnis führen könne, hätten der Gesetzgeber und die Vertragsparteien gewusst und in Kauf genommen. Die Tatsache, dass die Bf. nach Bekanntgabe des Transparenzberichts interne Veränderungen erheblichen Ausmaßes vorgenommen habe, sei Indiz für die grundsätzliche Richtigkeit der im Transparenzbericht aufgezeigten Mängel.

Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung fänden sich keine gravierenden Mängel im Transparenzbericht im Sinne der zivilrechtlichen Rechtsprechung zu Leistungs- und Warentests. Ein unzulässiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art.12 Grundgesetz (GG) sei ebenso wenig ersichtlich wie in andere Grundrechte, etwa des Art.14 GG. Auf die Frage, ob ein Anordnungsgrund gegeben sei, komme es bei dieser Sachlage nicht an. Auf die beantragten "Hängebeschlüsse" sei nicht weiter einzugehen.

Dagegen legte die Bf. am 28.01.2010 Beschwerde ein. Der Beschluss sei rechtswidrig und verletzte sie in ihren Rechten. Sie nahm auf ihre Ausführungen im Antragsverfahren Bezug und fügte hinzu, es bestünden bereits erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der rechtlichen Grundlagen für die QPR, auf dem der PTVS basiere. Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität, wie in § 113 SGB XI gefordert, seien bis heute nicht vereinbart worden. Die QPR seien auch wegen Nichtbeteiligung der Verbände der Pflegeeinrichtungen nichtig. Die dazu entwickelten Prüfanleitungen dürften nicht herangezogen werden, da sie die Anforderungen an die Transparenzkriterien in unzulässiger Weise erweitern würden. Für die QPR seien andere Vereinbarungspartner zuständig als für die PTVS. Daraus folge eine Kompetenzüberschreitung. Im Übrigen schließe sie sich den Argumenten anderer, mit derselben Streitfrage befassten, Sozialgerichte an, so dem Sozialgericht Münster (Beschluss vom 18.01.2010 - S 6 P 202/09 ER), dem Sozialgericht Dessau (Beschluss vom 04.01.2010 - S 3 P 9/09 ER) und dem Sozialgericht München (Beschluss vom 13.01.2010 - S 19 P 6/10 ER). Diese Gerichte hätten die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlagen, die zur Veröffentlichung der Prüfergebnisse herangezogen werden sollen, festgestellt. Aufgrund welcher Erkenntnisse das Sozialgericht Würzburg, wie auch andere Gerichte, die ablehnende Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu der Streitfrage erlassen hätten, zu der Annahme gelangen konnten, nur offensichtliche Fehler des Transparenzberichtes könnten dazu führen, die Veröffentlichung zu untersagen, werde nicht dargelegt und sei auch nicht zu erkennen. Jedenfalls müsse sie die Veröffentlichung eines zweifelhaften Transparenzberichts nicht dulden. Das Sozialgericht Würzburg habe sich nicht einmal im Ansatz die Mühe gemacht, sich mit ihren detaillierten Einwendungen zu befassen. Dass die Pflegedienstleitung nebst Stellvertretung ausgewechselt worden sei, stehe weder in direktem Zusammenhang mit den Ergebnissen der Qualitätsprüfung vom 26.10.2009, noch werde damit eine nicht ordnungsgemäße Pflege zugestanden. Im Übrigen seien zwischenzeitlich durchgeführte Maßnahmen nach wie vor nicht berücksichtigt.

Die Möglichkeit der Kommentierung des Transparenzberichts, der Nachbegutachtung und Wiederholungsbegutachtung nach einem Jahr, stellten keine adäquate Verteidigungsmöglichkeit der Einrichtung dar.

Die Bg. verwiesen auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24.02.2010 (L 1 P 1/10 ER), der sie sich anschließen wollten. Die Einwendungen der Bf. gingen ins Leere.

Die Bf. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20.01.2010 aufzuheben und
1. die Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig zu verpflichten, die bereits auf der von ihnen unterhaltenen Internetwebseite erfolgte Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 26.10.2009 über ihre vollstationäre Einrichtung sofort zu beseitigen;
2. die Bg. zu verpflichten, im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die Veröffentlichung - im Internet oder in sonstiger Weise - der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 26.10.2009 über ihre vollstationäre Einrichtung und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung auch zukünftig zu unterlassen und
3. festzustellen, dass die Bf. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet ist, die Zusammenfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 26.10.2009 in ihrer Pflegeeinrichtung auszuhängen.

Die Bg. beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Würzburg sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 172 Abs.1 und Abs.3 Ziffer 1, 173 SGG ist unbegründet. Der Senat tritt der Auffassung des Sozialgerichts, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt sind, bei. Die Bf. hat keinen Anspruch auf Unterlassung bzw. Rückgängigmachung der Veröffentlichung gegen die Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung (1). Rechtsgrundlage ist § 115 Abs.1a SGB XI in Verbindung mit den Regelungen des PTVS; weder § 115 Abs.1a SGB XI noch die PTVS sind rechtswidrig (2). Die vorgenannten Rechtsgrundlagen verstoßen nicht gegen Grundrechte der Bf. (3).

1. Ziel des Begehrens der Bf. ist, die Veröffentlichung des Transparenzberichts über die Prüfung ihrer Einrichtung am 26.10.2009 in jedweder öffentlich zugänglichen Erscheinungsform zu verhindern. Richtige Klageart gegen die als Realakt zu qualifizierende Veröffentlichung ist die Unterlassungsklage. Im einstweiligen Rechtsschutz kann das Ziel mit der Sicherungsanordnung gemäß § 86b Abs.2 SGG erreicht werden. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Sicherungsanordnung kommt bei Unterlassungsansprüchen in Betracht (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr.25a), also für den Antrag der Bf. zu Ziffern 1 und 2, die Regelungsanordnung (§ 86b Abs.2 Satz 2 SGG) für den Antrag zu 3. Die Unterscheidung der Anordnung nach § 86b Abs.2 Satz 1 oder Satz 2 SGG ist für die zu treffende Entscheidung von untergeordneter Bedeutung. In jedem Fall müssen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. überwiegend wahrscheinlich sein. Das Recht des Antragstellers, der Anordnungsanspruch, bezieht sich auf das materielle Recht, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig, a.a.O. § 86b Rdnr.27). In jedem Fall soll vermieden werden, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann. Ein Anordnungsanspruch ist dann zu bejahen, wenn die Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich zulässig und begründet ist. Bei offenem Ausgang ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch besteht und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch nicht besteht. In die Interessenabwägung sind die Intensität einer drohenden Verletzung von Grundrechten, wirtschaftliche Verhältnisse, unbillige Härte und Mitverantwortung des Antragstellers für eine entstandene nachteilige Situation mit einzubeziehen.

2. Der Anspruch auf einstweilige Anordnung ist nicht deshalb begründet, weil die Klage im Hauptsacheverfahren wegen fehlender Rechtsgrundlagen offensichtlich begründet wäre, wie die Bf. meint. Denn § 115 Abs.1a SGB XI ist Grundlage für die Veröffentlichung des Transparenzberichts. Die Vorschrift verstößt nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Insbesondere verstößt § 115 Abs.1a Satz 6 SGB XI nicht dadurch gegen Art.80 Abs.1 Satz 2 GG, dass dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen, den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände überlassen wird, Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik zu vereinbaren. Insoweit liegt keine verfassungswidrige Delegation vor (hierzu anders Sozialgericht München im Beschluss vom 13.01.2010 a.a.O.). Die Vorschrift wird dem Parlamentsvorbehalt, d.h. dass staatliches Handeln in grundlegenden Bereichen durch Parlamentsgesetz legitimiert sein und dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entsprechen muss, gerecht. In seiner Entscheidung vom 09.12.2004 (B 6 KA 44/03 R) führt das Bundessozialgericht (BSG) hierzu aus, wann es einer Regelung durch Parlamentsgesetz bedürfe und wieweit die parlamentsgesetzlichen Vorgaben ins Einzelne gehen müssten, lasse sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Bestimmungen, die grundlegend für die Berufsausübung seien, müssten erkennen lassen, mit welcher Tendenz und nach welchen Grundsätzen die nähere Ausgestaltung durch die zur weiteren Rechtssetzung ermächtigte Selbstverwaltung zu erfolgen habe. Das Bestimmtheitsgebot besage, dass Rechtsvorschriften so gefasst sein müssten, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage konkret erkennen könne. Er müsse sein Verhalten danach ausrichten können.

Unter Beachtung dieser Grundsätze enthält § 115 Abs.1a SGB XI eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Normsetzung durch vertragliche Vereinbarung, d.h. Vereinbarung mit Geltung für Dritte, hier mit Geltung für Pflegeeinrichtungen. Zielsetzung ist die Vergleichbarkeit der Pflegeleistungen und deren Qualität für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige in verständlicher, übersichtlicher Form und die Veröffentlichung der Prüfergebnisse im Internet bzw. in anderer geeigneter Form. Dass die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik nicht näher durch den parlamentarischen Gesetzgeber vorgegeben werden, sondern den Beteiligten der Vereinbarung überlassen werden, ist hinzunehmen. Derartige Einzelheiten können kaum abstrakt in einem Gesetz formuliert werden. Der Bezug auf die Prüfung der Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, gibt einen hinreichend bestimmten Rahmen vor. Die beabsichtigte bzw. teilweise schon vollzogene Veröffentlichung durch die Bg. ist durch bundesgesetzliche Rechtsgrundlagen gedeckt und rechtmäßig.

Dass dem Transparenzbericht gemäß § 115 Abs.1a Satz 2 SGB XI die Ergebnisse der Qualitätsprüfung des MDK zugrunde zu legen sind, führt ebenso wenig zur Rechtswidrigkeit. Wenngleich - wie die Bf. zutreffend ausführt - bislang keine Grundsätze und Maßstäbe nach § 113 SGB XI, auf die § 115 Abs.1a Satz 2 SGB XI Bezug nimmt, vereinbart wurden und insoweit ein Schiedsverfahren eingeleitet wurde, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Bestimmung. Denn im Vorwort zur PTVS wird ausdrücklich hervorgehoben, alle Beteiligten seien sich darüber bewusst, dass es derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität der pflegerischen Versorgung in Deutschland gebe. Die Vereinbarung sei deshalb als vorläufig zu betrachten und diene der vom Gesetzgeber gewollten schnellen Verbesserung der Transparenz für die Verbraucher, die Pflegeleistungen in Anspruch nehmen wollten. Damit wird hinreichend deutlich, dass die Beteiligten der Vereinbarung der Schaffung von Transparenz den Vorrang einräumen wollten. Eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes ist nicht zu erblicken.

3. Ein Verstoß gegen Art.12 Abs.1 GG, hier nur in Betracht kommend gegen das Recht auf freie Berufsausübung, ist nicht festzustellen. In seiner Entscheidung vom 26.06.2002 (1 BvR 558/91) führt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus, das Grundrecht der Berufsfreiheit schütze nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Information am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein könnte, selbst wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirkten. Das Grundrecht umfasse keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Insoweit sei zu beachten, dass Grundlage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ein möglichst hohes Maß an Information der Marktteilnehmer über marktrelevante Faktoren sei. Erst die Informiertheit der Marktteilnehmer ermögliche eine an den eigenen Interessen orientierte Entscheidung.

Dies verkennt die Bf., wenn sie meint, eine negative Beurteilung der von ihr erbrachten Pflegeleistungen verletze sie in ihrem Grundrecht der freien Berufsausübung. Wie bereits dargelegt, hat § 115 Abs.1a SGB XI die Information von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen über die Pflegequalität zum Ziel. Die Bf. muss sich insoweit entgegenhalten lassen, dass Art.12 Abs.1 GG nicht vor der Verbreitung inhaltlich zutreffender und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit formulierter Information durch staatliche Behörden bzw. durch Selbstverwaltungsorgane schützt. Der Einwand der Bf., die Qualifizierung durch die Bg. sei unrichtig und deshalb nicht zulässig, greift im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Fehlerhaftigkeit offensichtlich ist. Denn eine etwaige Grundrechtsverletzung muss, wenn sie nicht offensichtlich ist, zumindest überwiegend wahrscheinlich sein. Ansonsten, d.h. bei nicht offensichtlich unrichtiger Information, muss die Bf. auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis angebracht, dass sich das Sozialgericht aus seiner - wie der Senat meint, zutreffenden - Rechtsansicht nicht mit den von der Bf. angeführten einzelnen Unrichtigkeiten im Transparenzbericht befassen musste. Offensichtliche Unrichtigkeit läge vor, wenn z.B. die Gesamtnote nicht richtig errechnet, das Datum der Prüfung falsch angegeben wäre u.ä. Derartige Fehler rügt die Bf. nicht. Mängel, die nach der Qualitätsprüfung oder sogar aufgrund des Prüfberichts behoben wurden, machen den Transparenzbericht, der auf den Tag der Prüfung abstellt, nicht fehlerhaft. Allenfalls kann dies Anlass für eine Wiederholungsprüfung sein. Die von den Bg. angewandte Notenskala überschreitet nicht den in § 115 Abs.1a SGB XI eingeräumten Ermessensspielraum und führt schon deshalb zu keiner Grundrechtsverletzung. Der Bf. ist zwar einzuräumen, dass die Beurteilung der Qualität von Pflegeleistungen maßgeblich auf subjektiven Einschätzungen beruht und deshalb angreifbar ist. Jedoch liegt das bei der Bewertung von Dienstleistungen in der Natur der Sache. Mit der Frage, ob die Skala mit fünf Noten und der Fragenkatalog die sinnvollste und zweckmäßigste Lösung für eine gerechte Beurteilung ist, braucht sich der Senat im Rahmen der Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu befassen.

Die Bf. kann ihre Abwehransprüche nicht auf Art.14 GG stützen. Es kann offen bleiben, ob aus dieser Grundrechtsnorm der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs abzuleiten ist (offen gelassen in BVerfG vom 26.02.2002 a.a.O.). Jedenfalls wird die von der Bf. gefürchtete Rufschädigung durch die Veröffentlichung nicht durch Art.14 GG geschützt. Das darin normierte Grundrecht schützt nur normativ zugeordnete Rechtspositionen, nicht aber das Ergebnis situativer Einschätzungen der Marktbeteiligten (BVerfG vom 26.02.2002 a.a.O.). Abweichendes ergibt sich auch i.d.R. bei der Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht aus einem Anspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 Bürgerliches Gesetzbuch. Weitere Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Bg., wie unzureichende Beteiligung der Pflegeeinrichtungen bzw. ihrer Verbände im Vorfeld der Veröffentlichung, behauptete Zusagen der Bg. über Fristverlängerungen zur Stellungnahme sind strittig. Eine Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren kann nicht als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden. Im Rahmen der hier anzustellenden Interessenabwägung gewinnen drohende Verletzungen von Grundrechten an Bedeutung, die jedoch, wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, nicht zu begründen sind.

Der Senat kommt insgesamt zum Ergebnis, dass sämtliche Anträge der Bf. nicht erfolgreich sind und ihnen nicht zu entsprechen war. Er hat die anders lautenden Entscheidungen der Sozialgerichte München, Münster und Dessau zur Kenntnis genommen, teilt jedoch die dort vertretene Ansicht nicht. Im Ergebnis stimmt er dem Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24.02.2010 (L 1 P 1/10 ER) zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung.

In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Sozialgerichts setzt der Senat den Streitwert gemäß § 197a SGG in Verbindung mit §§ 52, 47 Gerichtskostengesetz auf die Hälfte des Auffangstreitwertes, nämlich auf 2.500,00 EUR, fest.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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