Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 274/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 B 987/08 AL PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Erfolgsaussicht bei Prozesskostenhilfe
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 09.10.2008 aufgehoben und dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Straße, A-Stadt bewilligt.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 09.10.2008 hat das Sozialgericht Augsburg die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage vom 29.07.2008 gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Entfall der Verfügbarkeit mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Zu Recht habe die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2008/ Widerspruchsbescheid vom 21.07.2008 einen Leistungsanspruch des Klägers ab dem 01.06.2008, dem ersten Tag des unfallbedingten Krankenhausaufenthaltes seiner Ehefrau verneint, weil der Kläger nach seinen Äußerungen gegenüber der Beklagten seither seine vier Kinder selbst betreue.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt im Wesentlichen mit der Begründung, die Klage habe Aussicht auf Erfolg, weil es an der Verfügbarkeit nicht gefehlt habe. Das jüngste Kind besuche den Kindergarten, die anderen drei die Schule, so dass die Betreuung jedenfalls halbtags sichergestellt gewesen sei. Auch habe der Kläger sowohl von der Beklagten als auch von der gesetzlichen Krankenversicherung unzutreffende Auskünfte und Handlungsempfehlungen erhalten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 SGG, §§ 73 a SGG, 127 ZPO) und begründet, weil die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage des bedürftigen Klägers nicht verneint werden kann.
1.
Prozesskostenhilfe ein bedürftiger Beteiligter, soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In diesem Rahmen wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet aber Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und der für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 sowie Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02; Bayer. Landessozialgericht Beschluss 04.12.20009 - L 5 R 576/09 B PKH; Beschluss vom 01.08.2006 - L 5 B 271/06 KR PKH; Beschluss vom 10. März 2010 - L 9 B 67/06 AL PKH).
2.
Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung der Erfolgsaussichten ergibt sich nach dem im Verfahren getätigten Vorbringen, den gestellten Anträgen und dem geltend gemachten Begehren, dass sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht von einem unzutreffenden Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides vom 20.06.2008/ Widerspruchsbescheides vom 21.07.2008 ausgehen. Obwohl in der Ausgangsentscheidung die zutreffende Rechtsgrundlage § 48 Abs 1, Abs 4 SGB X iVm § 330 SGB III genannt ist, war Gegenstand der Verfahrensüberlegungen bisher nur ein Teil der zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzungen. Streitig ist nämlich nicht, ob der Kläger ab 01.06.2008 Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Gegenstand der Klage ist vielmehr die Berechtigung der Beklagten am 20.06.2008, die ab 01.04.2008 bestehende Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend zum 01.06.2008 in vollem Umfange aufzuheben. Eine entsprechende Berechtigung setzte zusätzlich zu einer relevanten Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auf Seiten des Betroffenen das Fehlen schützenswerten Vertrauens voraus und schließlich dürfte keine Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten der Beklagten oder einer anderen in das Sozialleistungssystem eingebundenen Behörde bestehen.
Ausgehend von der in der Akte der Beklagten dokumentierten schlechten Verständigung mit dem Kläger (Vermerk vom 21.07.2008: " ... ist sehr schlecht zu verstehen ..."), von der jedenfalls halbtägigen Kindergarten- und Schulbetreuung seiner Kinder, von der ebenfalls dokumentierten Wertung der AOK, dass der Arbeitslosengeldanspruch fortbestehe, von dem ungeklärten Datum, an welchem die Ehefrau aus der stationären Behandlung nach Hause entlassen worden war und von dem nicht dokumentierten Hinweis auf die Möglichkeiten der Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes bestehen erhebliche Bedenken, dass die Beklagte zur vollumfänglichen Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigt war. Zumindest besteht aber sachlich begründeter Bedarf, den Sachverhalt aufzuklären. Allein diese konkrete Veranlassung zu weiterer Amtsermittlung gem. §§ 103, 106 SGG führt dazu, dass die Erfolgsaussicht der Klage nicht verneint werden darf (BVerfG vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04).
3.
Da der jedenfalls im Zeitpunkt der Ablehnung von Prozesskostenhilfe vermögens- und arbeitslose Kläger vier minderjährigen Kindern sowie seiner Ehefrau unterhaltspflichtig war und Leistungen nach den SGB II beantragt hatte, war er mangels Einkommens und Vermögens bedürftig. Ihm ist daher ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Beiordnung des vertretungsbereiten Rechtsanwalts B. erscheint in Anbetracht des strittigen Anspruchsverlustes und der daraus resultierenden Folgen erforderlich und geboten.
Die Kosten der Beschwerde werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 73 a SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG, § 73a SGG iVm § 127 Abs 2, 3 ZPO.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 09.10.2008 hat das Sozialgericht Augsburg die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage vom 29.07.2008 gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Entfall der Verfügbarkeit mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Zu Recht habe die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2008/ Widerspruchsbescheid vom 21.07.2008 einen Leistungsanspruch des Klägers ab dem 01.06.2008, dem ersten Tag des unfallbedingten Krankenhausaufenthaltes seiner Ehefrau verneint, weil der Kläger nach seinen Äußerungen gegenüber der Beklagten seither seine vier Kinder selbst betreue.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt im Wesentlichen mit der Begründung, die Klage habe Aussicht auf Erfolg, weil es an der Verfügbarkeit nicht gefehlt habe. Das jüngste Kind besuche den Kindergarten, die anderen drei die Schule, so dass die Betreuung jedenfalls halbtags sichergestellt gewesen sei. Auch habe der Kläger sowohl von der Beklagten als auch von der gesetzlichen Krankenversicherung unzutreffende Auskünfte und Handlungsempfehlungen erhalten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 SGG, §§ 73 a SGG, 127 ZPO) und begründet, weil die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage des bedürftigen Klägers nicht verneint werden kann.
1.
Prozesskostenhilfe ein bedürftiger Beteiligter, soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In diesem Rahmen wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet aber Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und der für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 sowie Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02; Bayer. Landessozialgericht Beschluss 04.12.20009 - L 5 R 576/09 B PKH; Beschluss vom 01.08.2006 - L 5 B 271/06 KR PKH; Beschluss vom 10. März 2010 - L 9 B 67/06 AL PKH).
2.
Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung der Erfolgsaussichten ergibt sich nach dem im Verfahren getätigten Vorbringen, den gestellten Anträgen und dem geltend gemachten Begehren, dass sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht von einem unzutreffenden Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides vom 20.06.2008/ Widerspruchsbescheides vom 21.07.2008 ausgehen. Obwohl in der Ausgangsentscheidung die zutreffende Rechtsgrundlage § 48 Abs 1, Abs 4 SGB X iVm § 330 SGB III genannt ist, war Gegenstand der Verfahrensüberlegungen bisher nur ein Teil der zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzungen. Streitig ist nämlich nicht, ob der Kläger ab 01.06.2008 Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Gegenstand der Klage ist vielmehr die Berechtigung der Beklagten am 20.06.2008, die ab 01.04.2008 bestehende Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend zum 01.06.2008 in vollem Umfange aufzuheben. Eine entsprechende Berechtigung setzte zusätzlich zu einer relevanten Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auf Seiten des Betroffenen das Fehlen schützenswerten Vertrauens voraus und schließlich dürfte keine Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten der Beklagten oder einer anderen in das Sozialleistungssystem eingebundenen Behörde bestehen.
Ausgehend von der in der Akte der Beklagten dokumentierten schlechten Verständigung mit dem Kläger (Vermerk vom 21.07.2008: " ... ist sehr schlecht zu verstehen ..."), von der jedenfalls halbtägigen Kindergarten- und Schulbetreuung seiner Kinder, von der ebenfalls dokumentierten Wertung der AOK, dass der Arbeitslosengeldanspruch fortbestehe, von dem ungeklärten Datum, an welchem die Ehefrau aus der stationären Behandlung nach Hause entlassen worden war und von dem nicht dokumentierten Hinweis auf die Möglichkeiten der Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes bestehen erhebliche Bedenken, dass die Beklagte zur vollumfänglichen Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigt war. Zumindest besteht aber sachlich begründeter Bedarf, den Sachverhalt aufzuklären. Allein diese konkrete Veranlassung zu weiterer Amtsermittlung gem. §§ 103, 106 SGG führt dazu, dass die Erfolgsaussicht der Klage nicht verneint werden darf (BVerfG vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04).
3.
Da der jedenfalls im Zeitpunkt der Ablehnung von Prozesskostenhilfe vermögens- und arbeitslose Kläger vier minderjährigen Kindern sowie seiner Ehefrau unterhaltspflichtig war und Leistungen nach den SGB II beantragt hatte, war er mangels Einkommens und Vermögens bedürftig. Ihm ist daher ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Beiordnung des vertretungsbereiten Rechtsanwalts B. erscheint in Anbetracht des strittigen Anspruchsverlustes und der daraus resultierenden Folgen erforderlich und geboten.
Die Kosten der Beschwerde werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 73 a SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG, § 73a SGG iVm § 127 Abs 2, 3 ZPO.
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