L 13 R 251/10 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 174/10
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 251/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Außerhalb der gesetzlich festgelegten Tatbestände ist der Rentenversicherungsträger weder verpflichtet noch berechtigt, Beiträge zu erstatten.
2. § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI darf auf Sachverhalte, bei denen eine freiwillige Versicherung zwar rechtlich zulässig ist, faktisch aber ausgeschlossen ersc heint, nicht analog angewandt werden.
3. Beitragszahlungen für Versicherte sichern diesen einen an ihrer Höhe orientierten Teilanspruch an dem Rentendeckungskapital, der von der nachfolgenden Generation aufgebracht werden wird.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom
23. März 2010 wird zurückgewiesen.



Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten vor dem Sozialgericht Landshut wegen der Erstattung von Beiträgen, die zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden waren. Im hier vorliegenden Verfahren wendet sich der Kläger und Beschwerdeführer (Bf) gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH).

Der 46-jährige Bf wurde rechtskräftig zu einer lebenslangen Haft verurteilt und sitzt in der Justizvollzugsanstalt A-Stadt ein. Er beantragte bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg), ihm seinen "Rentenanspruch auszuzahlen". Die Bg fasste das als Antrag auf Beitragserstattung auf und lehnte diesen ab (Bescheid vom 25.01.2010); ein Widerspruch des Bf blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17.02.2010). Die Bg argumentierte, eine Beitragserstattung sei rechtlich nicht möglich, weil der Bf, auch wenn er momentan in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht pflichtversichert sei, so doch das Recht habe, sich freiwillig zu versichern.

Am 22.02.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut Klage erhoben, mit der er sein Bemühen um Beitragserstattung weiterverfolgt. Seinen Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung einer Rechtsanwältin hat dieses mit Beschluss vom 23.03.2010 abgelehnt. Es fehle, so das Sozialgericht zur Begründung, an einer hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens; insoweit hat es wie die Bg argumentiert.

Gegen den Beschluss des Sozialgerichts richtet sich die Beschwerde vom 07.04.2010. Der Bf trägt im Wesentlichen vor, aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse sei er gar nicht in der Lage, sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, PKH und Beiordnung einer Rechtsanwältin abzulehnen, ist richtig.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge zu interpretieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).

Auch nach diesem strengen Maßstab fehlt es im vorliegenden Fall an einer hinreichenden Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn. Der Senat vermag für das vom Bf vor dem Sozialgericht betriebene Verfahren keinerlei Erfolgsaussicht zu erkennen.

Die Bg hat im Widerspruchsbescheid vom 17.02.2010 die für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falls maßgebenden gesetzlichen Vorschriften, nämlich § 210 und § 7 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI), wiedergegeben. Eine Beitragserstattung ist nur dann zulässig, wenn ein gesetzlicher Tatbestand dies vorsieht. Außerhalb dieser gesetzlich fixierten Fallgestaltungen ist der Rentenversicherungsträger weder verpflichtet noch berechtigt, Beiträge zu erstatten. Als gesetzlicher Erstattungstatbestand kommt für den Bf von vornherein nur § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in Betracht. Danach dürfen Beiträge nur dann erstattet werden, wenn keine Versicherungspflicht vorliegt - das ist hier der Fall - und zugleich kein Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Das Recht zur freiwilligen Versicherung steht dem Bf jedoch zu. Das ergibt sich eindeutig aus § 7 Abs. 1 SGB VI; weitere Ausführungen von Seiten des Senats erübrigen sich angesichts der eingehenden und zutreffenden Begründung im Widerspruchsbescheid.

Die Ansicht des Bf beruht auf grundlegenden Missverständnissen. Im Rahmen von § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI kommt es ausschließlich darauf an, ob sich der Betreffende freiwillig versichern darf. Nicht maßgebend ist, ob er dazu faktisch, insbesondere aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse, in der Lage ist. Das Recht zur freiwilligen Versicherung erfordert kumulativ lediglich das Fehlen einer Versicherungspflicht, die Vollendung des 16. Lebensjahres und schließlich einen bestimmten (territorialen) Bezug des Betreffenden zur Bundesrepublik Deutschland. Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, begegnet keinerlei Zweifeln; auch der Bf selbst äußert solche nicht. § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI darf auf Sachverhalte, bei denen eine freiwillige Versicherung zwar rechtlich zulässig ist, faktisch aber ausgeschlossen erscheint, nicht analog angewandt werden.

Ein weiteres Missverständnis des Bf besteht in der Annahme, die an die gesetzliche Rentenversicherung entrichteten Beiträge seien "sein Geld", das ihm nach wie vor zugeordnet sei. Damit verkennt er das Wesen der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese beruht nicht auf einem Kapitaldeckungsprinzip, bei dem die für ihn entrichteten Beiträge speziell für seine Altersversorgung angespart würden. Vielmehr ist die gesetzliche Rentenversicherung durch ein Umlageverfahren charakterisiert. Das bedeutet, dass die gegenwärtige Generation der Beitragszahler nicht ihre eigenen, sondern die Renten der gegenwärtigen Rentnergeneration finanziert (so genannter Generationenvertrag). Die für den Bf bisher gezahlten Beiträge befinden sich somit nicht in einem für ihn angelegten "Kapitalstock", sondern sie sind zur Finanzierung der Renten für die ältere Generation verwendet worden. Seine Beitragszahlungen sichern dem Bf lediglich einen an ihrer Höhe orientierten Teilhabeanspruch an dem "Rententopf", der dann von der nachfolgenden Generation gespeist werden wird.

Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved