Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 390/07
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 101/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Voraussetzung der "hinreichenden Erfolgsaussicht" gemäß § 114 Satz 1 ZPO.
2. Die Klärung schwieriger Rechtsfragen hat im Prozesskostenhilfeverfahren keinen Platz.
3. Eine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn muss auch dann bejaht werden, wenn sich das - isoliert betrachtet eindeutige - Ergebnis wie hier erst mittels intensiver und extensiver juristischer Erwägungen herausarbeiten lässt.
2. Die Klärung schwieriger Rechtsfragen hat im Prozesskostenhilfeverfahren keinen Platz.
3. Eine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn muss auch dann bejaht werden, wenn sich das - isoliert betrachtet eindeutige - Ergebnis wie hier erst mittels intensiver und extensiver juristischer Erwägungen herausarbeiten lässt.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben und der Beschwerdeführerin für den Rechtsstreit S 3 R 390/07 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt K., B-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten vor dem Sozialgericht Augsburg wegen der Anerkennung einer Phase der Erwerbstätigkeit in der Ukraine als rentenrechtliche Zeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Im hier vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH).
Die 67-jährige Bf ist Vertriebene aus der ehemaligen UdSSR. Im Oktober 1944 wurde sie von der Ukraine, wo sie geboren war, in das damalige Reichsgebiet umgesiedelt; gleichzeitig wurde sie als deutsche Staatsangehörige eingebürgert. Nach Kriegsende verbrachte man sie wieder in das Gebiet der ehemaligen UdSSR. Dort blieb die Bf und kam am 25.12.1998 aus der Ukraine in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt R. hatte es mit Bescheid vom 28.01.1999 abgelehnt, eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) zu erteilen. Am 05.07.2005 teilte es auf einen Antrag der Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG mit, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Vertriebene lägen weiterhin nicht vor; hierzu hätte zumindest vor der Ausreise ein entsprechender Antrag gestellt werden müssen. Mit Bescheinigung vom 17.07.2006 stellte die Regierung von Schwaben fest, die Bf sei Vertriebene im Sinn des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedlerin).
Mit Vormerkungsbescheid vom 15.03.2001 stellte die Bg für die Zeit bis 31.12.1994 die rentenrechtlichen Zeiten bzw. Sachverhalte fest. Der Zeitraum vom 01.07.1970 bis 22.12.1998, während dessen die Bf in der ehemaligen UdSSR berufstätig war, wurde dabei nicht als rentenrechtliche Zeit ausgewiesen. Damit war die Bf nicht einverstanden, so dass es zu einem sozialgerichtlichen Verfahren kam. In diesem Zusammenhang wurde am 28.06.2004 vor dem LSG Baden-Württemberg ein Vergleich dahin geschlossen, die Bg solle einen Antrag auf Feststellung des Vertriebenenstatus gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG stellen und dann neu entscheiden. Diese Überprüfungsentscheidung ist Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens: Mit Bescheid vom 26.08.2005 lehnte es die Bg ab, den Bescheid vom 15.03.2001 zu ändern und die Zeit der oben genannten Berufstätigkeit als Beitrags- oder Beschäftigungszeit anzuerkennen. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 21.05.2007 führte die Bg zur Begründung aus, Beitragszeiten im Herkunftsland könnten nur anerkannt werden, soweit sie vor der Vertreibung lägen. Der Vertreibungstatbestand sei im Fall der Bf jedoch die Umsiedlung gewesen, die bereits 1944/1945 abgeschlossen gewesen sei.
Am 25.07.2007 hat die Bf beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Am 24.08.2007 hat sie beantragt, ihr PKH zu bewilligen und Rechtsanwalt K., B-Stadt, beizuordnen. Mit Beschluss vom 22.10.2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt, wobei es sich unter anderem auf ein Urteil des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R gestützt hat. Dagegen richtet sich die am 28.10.2009 eingelegte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Das Sozialgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, PKH zu bewilligen und den Prozessbevollmächtigten der Bf beizuordnen.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge zu interpretieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).
Nach diesen Maßstäben kann im vorliegenden Fall eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Es mag sein, dass eine eingehende rechtliche Prüfung zu dem Ergebnis führt, das Rechtsschutzbegehren der Bf habe nur eine unerhebliche Aussicht auf Erfolg:
Der Senat teilt in der Sache die Ansicht der Bg und des Sozialgerichts, dass einen Anerkennung des streitigen Zeitraums als Beitragszeit gemäß § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht möglich ist. Anders als die Bf vermag er in dem Urteil des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R keinen Denkfehler zu erkennen; dieses Judikat ist entgegen deren Einlassung auch von großer Aussagekraft für den vorliegenden Fall. Die Bf übersieht, dass für das Rentenversicherungsrecht ausschließlich der Vertreibungstatbestand der Umsiedlerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG) relevant ist. Denn nur insoweit liegt eine Feststellung der zuständigen Behörden vor. Alle Versuche, die Bf auf mittelbarem Weg als Aussiedlerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG) einzuordnen, gehen angesichts dessen ins Leere. Insbesondere ist der Ansatz, über die Fortgeltungsklausel des § 100 Abs. 1 BVFG der Bf diesen Status zuteil werden zu lassen, verfehlt.
Zweitens verkennt die Bf grundlegend Sinn und Zweck der Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem Fremderentengesetz: Im Vertriebenenrecht allgemein geht es im Wesentlichen darum, Statusdeutschen, die im Ausland oder ehemals deutschen Gebieten gelebt hatten und etabliert waren, die aber in mehr oder in weniger engem Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg ihre angestammte Heimat im Ausland verlassen mussten oder sich zu diesem Schritt unter Ausreisedruck entschlossen hatten, für den Verlust der außerdeutschen Heimat eine Kompensation zukommen zu lassen. Auch das Fremdrentenrecht setzt an dem Nachteil an, der durch das direkt oder indirekt erzwungene Verlassenmüssen der Herkunftsgebiete entstanden ist. Denn der Verlust der Heimat ist häufig, vielleicht sogar regelmäßig, mit dem Verlust von im Herkunftsgebiet erworbenen Anwartschaften auf eine Altersversorgung einhergegangen. Das Fremdrentenrecht will gerade dafür Ersatz schaffen. Nur derjenige Verlust soll aufgefangen werden, der durch die Vertreibung aus dem Herkunftsgebiet entstanden ist; denn gerade diese ist es, die bis dahin erworbene Anwartschaften entwertet hat. Dagegen sind eventuelle Erschwernisse beim Neuaufbau einer Altersversorgung nach der Vertreibung - so sehr sie auch lebensnah sein mögen - fremdrentenrechtlich irrelevant. Daraus erschließt sich, dass der Vertreibungstatbestand die maßgebende Zäsur setzt. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die streitbefangene Zeit nur dann anerkannt werden könnte, wenn gerade das Verlassen der Ukraine im Jahr 1998 einen solchen Vertreibungstatbestand im weiten Sinn verkörpert hätte; das ist aber ausweislich der Feststellungen der für das Vertreibungsrecht zuständigen Behörden nicht der Fall. Das Fehlen eines aktuellen Vertreibungstatbestands kann nicht dadurch überwunden werden, dass man den längst abgeschlossenen Umsiedlungsvorgang bis in das Jahr 1998 "perpetuiert".
Wenig erfolgversprechend erscheint auch die Argumentation der Bf, die Beschäftigungsphase von 1970 bis 1998 sei wegen einer Verschleppung in die Ukraine anzuerkennen. Einziger Ansatzpunkt hierfür wäre § 250 SGB VI, der jedoch nur zu einer Anerkennung als Ersatzzeit führen könnte. Ob aber im Jahr 1970 noch der in den einzelnen Tatbeständen von § 250 Abs. 1 SGB VI beschriebene Zwang fortbestanden hat, erscheint äußerst zweifelhaft. Immerhin hat es der sowjetische Staat zugelassen, dass die Bf eine beachtliche berufliche Karriere als Akademikerin machen konnte.
Trotz allem steht der Bf PKH zu. Denn zu diesen Ergebnissen vermag man erst nach komplexen juristischen Überlegungen zu gelangen. Auch wenn die Resultate relativ eindeutig erscheinen mögen, so darf doch der aufwändige Prozess dieser Ergebnisfindung nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn muss auch dann bejaht werden, wenn sich das - isoliert betrachtet eindeutige - Ergebnis wie hier erst mittels intensiver und extensiver juristische Erwägungen herausarbeiten lässt. Die Rüge der Bf, das Sozialgericht habe über die hinreichende Erfolgsaussicht unter Einbeziehung umfangreicher Ermittlungen und juristischer Überlegungen befunden, trifft wohl zu. So hat das Sozialgericht erst rund zwei Jahre nach Stellung des PKH-Antrags über diesen entschieden, in der Zwischenzeit den Fall aber intensiv betrieben und insbesondere wiederholt rechtliche Stellungnahmen der Parteien angefordert. Der Beschluss des Sozialgerichts erweckt den Eindruck, als ob er unter Verwertung all dessen gefasst worden sei. Verfassungsrechtlich geboten ist jedoch, eine von diesem fast optimalen Kenntnisstand abstrahierte Betrachtungsweise anzustellen.
Nach diesem Maßstab ist der vorliegende Fall trotz des klärenden Urteils des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R als schwierig und anspruchsvoll zu beurteilen. Das BSG-Urteil ist nur dann verständlich und gedanklich nachvollziehbar, wenn der juristische und historische Kontext erhellt worden ist. Für die Klärung derart schwieriger Rechtsfragen ist im PKH-Verfahren kein Platz (vgl. BVerfG NJW 2000, S. 1936; BVerfG NJW 2003, S. 1857).
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten vor dem Sozialgericht Augsburg wegen der Anerkennung einer Phase der Erwerbstätigkeit in der Ukraine als rentenrechtliche Zeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Im hier vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH).
Die 67-jährige Bf ist Vertriebene aus der ehemaligen UdSSR. Im Oktober 1944 wurde sie von der Ukraine, wo sie geboren war, in das damalige Reichsgebiet umgesiedelt; gleichzeitig wurde sie als deutsche Staatsangehörige eingebürgert. Nach Kriegsende verbrachte man sie wieder in das Gebiet der ehemaligen UdSSR. Dort blieb die Bf und kam am 25.12.1998 aus der Ukraine in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt R. hatte es mit Bescheid vom 28.01.1999 abgelehnt, eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) zu erteilen. Am 05.07.2005 teilte es auf einen Antrag der Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG mit, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Vertriebene lägen weiterhin nicht vor; hierzu hätte zumindest vor der Ausreise ein entsprechender Antrag gestellt werden müssen. Mit Bescheinigung vom 17.07.2006 stellte die Regierung von Schwaben fest, die Bf sei Vertriebene im Sinn des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedlerin).
Mit Vormerkungsbescheid vom 15.03.2001 stellte die Bg für die Zeit bis 31.12.1994 die rentenrechtlichen Zeiten bzw. Sachverhalte fest. Der Zeitraum vom 01.07.1970 bis 22.12.1998, während dessen die Bf in der ehemaligen UdSSR berufstätig war, wurde dabei nicht als rentenrechtliche Zeit ausgewiesen. Damit war die Bf nicht einverstanden, so dass es zu einem sozialgerichtlichen Verfahren kam. In diesem Zusammenhang wurde am 28.06.2004 vor dem LSG Baden-Württemberg ein Vergleich dahin geschlossen, die Bg solle einen Antrag auf Feststellung des Vertriebenenstatus gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG stellen und dann neu entscheiden. Diese Überprüfungsentscheidung ist Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens: Mit Bescheid vom 26.08.2005 lehnte es die Bg ab, den Bescheid vom 15.03.2001 zu ändern und die Zeit der oben genannten Berufstätigkeit als Beitrags- oder Beschäftigungszeit anzuerkennen. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 21.05.2007 führte die Bg zur Begründung aus, Beitragszeiten im Herkunftsland könnten nur anerkannt werden, soweit sie vor der Vertreibung lägen. Der Vertreibungstatbestand sei im Fall der Bf jedoch die Umsiedlung gewesen, die bereits 1944/1945 abgeschlossen gewesen sei.
Am 25.07.2007 hat die Bf beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Am 24.08.2007 hat sie beantragt, ihr PKH zu bewilligen und Rechtsanwalt K., B-Stadt, beizuordnen. Mit Beschluss vom 22.10.2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt, wobei es sich unter anderem auf ein Urteil des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R gestützt hat. Dagegen richtet sich die am 28.10.2009 eingelegte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Das Sozialgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, PKH zu bewilligen und den Prozessbevollmächtigten der Bf beizuordnen.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge zu interpretieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).
Nach diesen Maßstäben kann im vorliegenden Fall eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Es mag sein, dass eine eingehende rechtliche Prüfung zu dem Ergebnis führt, das Rechtsschutzbegehren der Bf habe nur eine unerhebliche Aussicht auf Erfolg:
Der Senat teilt in der Sache die Ansicht der Bg und des Sozialgerichts, dass einen Anerkennung des streitigen Zeitraums als Beitragszeit gemäß § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht möglich ist. Anders als die Bf vermag er in dem Urteil des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R keinen Denkfehler zu erkennen; dieses Judikat ist entgegen deren Einlassung auch von großer Aussagekraft für den vorliegenden Fall. Die Bf übersieht, dass für das Rentenversicherungsrecht ausschließlich der Vertreibungstatbestand der Umsiedlerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG) relevant ist. Denn nur insoweit liegt eine Feststellung der zuständigen Behörden vor. Alle Versuche, die Bf auf mittelbarem Weg als Aussiedlerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG) einzuordnen, gehen angesichts dessen ins Leere. Insbesondere ist der Ansatz, über die Fortgeltungsklausel des § 100 Abs. 1 BVFG der Bf diesen Status zuteil werden zu lassen, verfehlt.
Zweitens verkennt die Bf grundlegend Sinn und Zweck der Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem Fremderentengesetz: Im Vertriebenenrecht allgemein geht es im Wesentlichen darum, Statusdeutschen, die im Ausland oder ehemals deutschen Gebieten gelebt hatten und etabliert waren, die aber in mehr oder in weniger engem Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg ihre angestammte Heimat im Ausland verlassen mussten oder sich zu diesem Schritt unter Ausreisedruck entschlossen hatten, für den Verlust der außerdeutschen Heimat eine Kompensation zukommen zu lassen. Auch das Fremdrentenrecht setzt an dem Nachteil an, der durch das direkt oder indirekt erzwungene Verlassenmüssen der Herkunftsgebiete entstanden ist. Denn der Verlust der Heimat ist häufig, vielleicht sogar regelmäßig, mit dem Verlust von im Herkunftsgebiet erworbenen Anwartschaften auf eine Altersversorgung einhergegangen. Das Fremdrentenrecht will gerade dafür Ersatz schaffen. Nur derjenige Verlust soll aufgefangen werden, der durch die Vertreibung aus dem Herkunftsgebiet entstanden ist; denn gerade diese ist es, die bis dahin erworbene Anwartschaften entwertet hat. Dagegen sind eventuelle Erschwernisse beim Neuaufbau einer Altersversorgung nach der Vertreibung - so sehr sie auch lebensnah sein mögen - fremdrentenrechtlich irrelevant. Daraus erschließt sich, dass der Vertreibungstatbestand die maßgebende Zäsur setzt. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die streitbefangene Zeit nur dann anerkannt werden könnte, wenn gerade das Verlassen der Ukraine im Jahr 1998 einen solchen Vertreibungstatbestand im weiten Sinn verkörpert hätte; das ist aber ausweislich der Feststellungen der für das Vertreibungsrecht zuständigen Behörden nicht der Fall. Das Fehlen eines aktuellen Vertreibungstatbestands kann nicht dadurch überwunden werden, dass man den längst abgeschlossenen Umsiedlungsvorgang bis in das Jahr 1998 "perpetuiert".
Wenig erfolgversprechend erscheint auch die Argumentation der Bf, die Beschäftigungsphase von 1970 bis 1998 sei wegen einer Verschleppung in die Ukraine anzuerkennen. Einziger Ansatzpunkt hierfür wäre § 250 SGB VI, der jedoch nur zu einer Anerkennung als Ersatzzeit führen könnte. Ob aber im Jahr 1970 noch der in den einzelnen Tatbeständen von § 250 Abs. 1 SGB VI beschriebene Zwang fortbestanden hat, erscheint äußerst zweifelhaft. Immerhin hat es der sowjetische Staat zugelassen, dass die Bf eine beachtliche berufliche Karriere als Akademikerin machen konnte.
Trotz allem steht der Bf PKH zu. Denn zu diesen Ergebnissen vermag man erst nach komplexen juristischen Überlegungen zu gelangen. Auch wenn die Resultate relativ eindeutig erscheinen mögen, so darf doch der aufwändige Prozess dieser Ergebnisfindung nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn muss auch dann bejaht werden, wenn sich das - isoliert betrachtet eindeutige - Ergebnis wie hier erst mittels intensiver und extensiver juristische Erwägungen herausarbeiten lässt. Die Rüge der Bf, das Sozialgericht habe über die hinreichende Erfolgsaussicht unter Einbeziehung umfangreicher Ermittlungen und juristischer Überlegungen befunden, trifft wohl zu. So hat das Sozialgericht erst rund zwei Jahre nach Stellung des PKH-Antrags über diesen entschieden, in der Zwischenzeit den Fall aber intensiv betrieben und insbesondere wiederholt rechtliche Stellungnahmen der Parteien angefordert. Der Beschluss des Sozialgerichts erweckt den Eindruck, als ob er unter Verwertung all dessen gefasst worden sei. Verfassungsrechtlich geboten ist jedoch, eine von diesem fast optimalen Kenntnisstand abstrahierte Betrachtungsweise anzustellen.
Nach diesem Maßstab ist der vorliegende Fall trotz des klärenden Urteils des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R als schwierig und anspruchsvoll zu beurteilen. Das BSG-Urteil ist nur dann verständlich und gedanklich nachvollziehbar, wenn der juristische und historische Kontext erhellt worden ist. Für die Klärung derart schwieriger Rechtsfragen ist im PKH-Verfahren kein Platz (vgl. BVerfG NJW 2000, S. 1936; BVerfG NJW 2003, S. 1857).
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
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