Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 AL 1039/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 327/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage einer selbständigen Tätigkeit (Gartenbauunternehmen) Soweit nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, ist im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens eine Umkehr der grundsätzlichen Beweislastverteilung gerechtfertigt.
L 10 AL 327/07 S 14 AL 1039/04 BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT In dem Rechtsstreit A., A-Straße, A-Stadt - Kläger und Berufungskläger - gegen Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch das vorsitzende Mitglied der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern, Regensburger Straße 100, 90478 Nürnberg - - - Beklagte und Berufungsbeklagte - erlässt der 10. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in Schweinfurt am 23. Juni 2010 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Pawlick sowie den Richter am Bayer. Landessozialgericht Utz und den Richter am Bayer. Landessozialgericht Zeitlmann folgenden Beschluss: I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2007 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 21.755,90 EUR sowie die damit in Zusammenhang stehende Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.308,45 EUR.
Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 01.12.2000 mit Wirkung zum 05.12.2000 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Angaben zu einer selbständigen Tätigkeit verneinte er. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 16.02.2001, 23.04.2001, 11.05.2001, 25.10.2001 und 19.12.2001 Alg für die Zeit ab dem 05.12.2000 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 29.11.2001 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt (BE) von 980,00 DM. Ab 30.11.2001 beantragte der Kläger die Bewilligung von Alhi, wobei er in den Anträgen vom 09.11.2001 und 11.11.2002 die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit wiederum verneinte. Die Beklagte bewilligte ihm Alhi für den Zeitraum 30.11.2001 bis 27.02.2003 (Bescheide vom 20.12.2001, 24.01.2002, 14.06.2002, 10.10.2002, 04.12.2002 und 07.01.2003).
Mit dem 28.02.2003 endete der Leistungsbezug des Klägers, weil er in Untersuchungshaft kam, nachdem er verdächtigt wurde, seine Ehefrau ermordet zu haben. Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gab der Kläger an, auch während der Zeit seines Leistungsbezuges (05.12.2000 bis 27.02.2003) als selbständiger Gärtnermeister gearbeitet zu haben.
Er habe neben den Einkünften aus dem Alg- und Alhi- Bezug erhebliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als selbständiger Gärtnermeister gehabt. Während der Wintermonate hätten diese ca. 600,00 EUR, während der Sommermonate ca. 1.400,00 EUR netto betragen. Er habe in den Jahren 2001 und 2002 eine erhebliche Zahl von Aufträgen abgearbeitet, und die Erledigung der noch vorliegenden Aufträge hätte das gesamte Jahr 2003 in Anspruch genommen. Zudem haben die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass der Kläger bereits im Jahr 1999 für seine selbständige Tätigkeit als Gärtnermeister plakatiert hatte.
Nach erfolgloser Anhörung des Klägers, hob die Beklagten mit Bescheid vom 18.03.2004 die Bewilligung von Alg und Alhi für die Zeiträume 05.12.2000 bis 27.02.2003 auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 21.755,90 EUR zurück. Darüber hinaus habe der Kläger die von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- (4.809,11 EUR) und Pflegeversicherung (499,34 EUR) zu erstatten. Der Kläger habe im Zeitraum des Leistungsbezuges eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt, ohne dies angezeigt zu haben.
Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, der Bescheid enthalte keine nachvollziehbare Begründung, aus der sich die selbstständige Tätigkeit von mehr als 15 Wochenstunden ergeben würde. Ebenso wenig ließe sich dies aus den Verwaltungsakten entnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe seinen Widerspruch nicht begründet, so dass die Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides nicht zu erkennen sei.
Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger erneut den fehlenden Nachweis einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit gerügt. Aufgrund vielfacher Krankheitszeiten und der Schlechtwetterperioden habe er nicht arbeiten können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er häufig seine Schwester im Bayerischen Wald über mehrere Tage und Wochen besucht habe und sich drei Monate in Vietnam aufgehalten habe. Eine gerichtliche Nachfrage, die Krankheitszeiten und auswärtigen Aufenthalte zu konkretisieren, hat der Kläger nicht beantwortet.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.09.2007 abgewiesen. Der Kläger sei aufgrund der selbstständigen Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt des Leistungsbezuges beschäftigungslos gewesen, so dass weder ein Anspruch auf Alg noch Alhi bestanden habe. Die Beweislast für das Vorliegen der Rücknahmevoraussetzungen habe zwar grundsätzlich die Beklagte zu tragen. Dies sei jedoch - wie vorliegend - anders zu beurteilen, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten ein Sachverhalt nicht geklärt werden könne und die maßgeblichen Vorgänge der Sphäre des Leistungsempfängers zuzuordnen seien. Der Kläger habe - im Rahmen dieser Beweislastumkehr - keine Angaben gemacht, die eine lediglich geringfügige selbständige Beschäftigung nachvollziehbar machen würde. Zudem sei er aufgrund seines Vietnamaufenthaltes von drei Monaten nicht verfügbar gewesen. Zuletzt ließen auch die vom Kläger im Strafverfahren gemachten Angaben zu den Einkommensverhältnissen den Schluss auf eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit zu.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und auf Nachfrage zu Arbeitszeiten und Einkommen mitgeteilt, dass er Arbeitsversuche nicht ausschließen könne. Er sei jedoch arbeitsunfähig gewesen und habe zahlreiche Arzt- und Klinikbesuche durchführen müssen. Auch sei er nachweislich zu Besuchszwecken bei seiner Schwester oder seiner Mutter unterwegs gewesen, so dass er keine Gartenarbeiten habe verrichten können. Zuletzt seien erhebliche Arbeitszeiten im Jahresablauf ohnehin nicht möglich gewesen, denn abgesehen von den Arzt- und Verwandtschaftsbesuchen und der Schlechtwetterzeit sei er auch drei Monate in Vietnam gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 11.09.2007 sowie den Bescheid vom 18.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2007 - S 14 AL 1039/04 - als unbegründet zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig. Das LSG kann außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs 4 Sätze 1 und 2 SGG)
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2004 die Bewilligungsbescheide in Bezug auf das Alg für den Zeitraum 05.12.2000 bis 29.11.2001 sowie in Bezug auf die Alhi für den Zeitraum 30.11.2001 bis 27.02.2003 zu Recht zurückgenommen und die Erstattung überzahlter Leistungen gefordert. Der Kläger war aufgrund seiner Tätigkeit als selbstständiger Gärtnermeister zu keinem Zeitpunkt des Leistungsbezuges arbeitslos. Er hat die selbstständige Tätigkeit gegenüber der Beklagten bewusst verschwiegen.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt ist zurückzunehmen, soweit, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Anspruch auf Alg und Alhi haben Arbeiternehmer, die arbeitslos sind (§ 190 Abs 1 Nr. 1, § 198 Satz 2 Nr.1 SGB III in der bis 31.12.2004 maßgeblichen Fassung des Gesetzes und § 117 Abs 1 Nr 1 SGB III. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), wobei eine selbstständige Tätigkeit einer Beschäftigung gleich steht (§ 118 Abs 1 Nr. 1, Abs 3 Satz 1 SGB III), und lediglich die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht ausschließt (§ 118 Abs 2 Halbsatz 1 SGB III).
Vorliegend hat der Kläger (zumindest) seit dem Jahr 1999 bis zu seiner Inhaftierung am 28.02.2003 zweifelsfrei gartenpflegerische Dienstleistungen für Dritte gegen Entgelt erbracht. Insoweit hat er Leistungen erbracht, die - geprägt durch den Einsatz körperlicher bzw. geistiger Kräfte im Erwerbsleben - die Herbeiführung einer Dienstleistung bzw. eines Arbeitserfolges zum Ziel hatten, der Befriedigung Bedürfnisse Dritter dienten und im Wirtschaftsleben als Arbeit zu qualifizieren waren, und somit - weil eine persönliche Abhängigkeit des Klägers gegenüber einem Arbeitgeber nicht bestanden hat - als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren ist.
Dies steht aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Mordes an seiner Ehefrau fest. Dort hat er, um die finanzielle Situation seiner Familie darzustellen, ausführlich dargelegt, dass neben den Einkünften aus dem Leistungsbezug "weitaus umfangreiche Beträge zum Bestreiten des Lebensunterhaltes vorhanden" gewesen seien. Diese Einnahmen resultierten aus kleineren Arbeiten wie dem Ausschneiden von Bäumen und allgemeiner Gartenpflege bis hin zur Anlage kompletter Gärten mit Teichanlagen, Terrassenarbeiten, dem Anlegen von Gartenwegen und dem Ausführen von Maurerarbeiten. In diesem Zusammenhang hat der Kläger eine Vielzahl von Zeugen benannt, die im strafgerichtlichen Verfahren zu hören seien und die den erheblichen Umfang seiner selbständigen Tätigkeit sowie das daraus resultierende Einkommen bezeugen könnten. Darüber hinaus hat der Kläger im Strafverfahren - um sich vom Mordmotiv der Habgier zu entlasten - vorgetragen, er habe für das Jahr 2003 bereits zahlreiche Aufträge gehabt, deren Abarbeitung zumindest ein Jahr Anspruch genommen hätte. Hieraus und aus dem Angaben zum Einkommen (ca. 600,00 EUR netto in den Wintermonaten; ca. 1.400,00 EUR netto in den Sommermonaten) lässt sich zwanglos auf einen gut gehenden Betrieb des Garten- und Landschaftsbaus schließen. Dies erscheint auch nachvollziehbar, insbesondere nachdem im Rahmen des Strafverfahrens die Ermittlungsbehörden auch festgestellt haben, dass der Kläger bereits im Februar 1999 unter der Bezeichnung "Gartengestaltung A." durch illegale Plakatierung Werbung für seinen Gartenbaubetrieb gemacht hat.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang Angaben im gerichtlichen Verfahren gemacht hat und vorbringt, er könne nicht ausschließen Arbeitsversuche unternommen zu haben, eine mehr als geringfügige Tätigkeit habe er aufgrund seiner Erkrankung jedoch nicht ausgeübt, genügt dies nicht, um den Beweis zu erbringen, er sei seit dem 05.12.2000 arbeitslos gewesen.
Die vorliegenden Angaben sprechen gegen eine die Arbeitslosigkeit nicht ausschließende, geringfügige Tätigkeit, der Kläger hat nahezu keine verwertbaren Angaben zum Umfang seiner selbständigen Tätigkeit gemacht und für den Senat sind keinerlei weiteren Erkenntnismöglichkeiten greifbar, unter deren Heranziehung die Aufklärung des Sachverhaltes möglich erscheint. Insbesondere hat der Kläger seine selbständige Tätigkeit in vollem Umfang illegal betrieben und weder die Sozialversicherungsträger noch die Finanz- und Ordnungsbehörden über die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit informiert. Soweit der Kläger geltend macht, er sei persönlich zu hören, um die Angelegenheit aufzuklären, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen dem Senat nicht zumindest vorab Informationen zur Verfügung gestellt werden, die eine geringfügige Tätigkeit des Klägers nachvollziehbar machen könnten und zu weiteren Ermittlungen Anlass gäben.
Grundsätzlich hat zwar die Beklagte im Falle einer rückwirkenden Aufhebung die tatsächlichen Umstände zu beweisen, die eine Zurücknahme der ursprünglichen Leistungsbewilligung rechtfertigen. Ergibt sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, ist eine Umkehr dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 11 AL 7/05 R - SozR 4-?4220 § 6 Nr 4 ).
Eine derartige besondere, dem Kläger anzulastende Beweisnähe ist darin zu sehen, dass er bei Antragstellung in Bezug auf die zurückgeforderten Leistungen keinerlei Angaben zu einer selbständigen Tätigkeit gemacht hat, die eine zeitnahe Ermittlung des Sachverhaltes ermöglicht hätten. Zudem hat der Kläger im Rahmen des Rückforderungsverfahrens keinerlei Angaben zum Umfang der selbständigen Tätigkeit oder den daraus erzielten Einkünften gemacht. Soweit der Kläger geltend macht, er habe aufgrund seiner Erkrankungen keine selbständige Tätigkeit ausüben können, genügt diese Behauptung nicht die vorliegenden Beweise, die zweifelsfrei auf eine selbständige Tätigkeit schließen lassen, substantiiert zu widerlegen.
Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen der Mordermittlungen gegen den Kläger auch Stundenaufstellungen über gartenpflegerischen Tätigkeiten (z.B. Wiesensaat, Pflanzarbeiten) und Gartenbauarbeiten (z.B. Pflastern, Treppe vorbereiten und setzen) von nicht unerheblichem Umfang (z.B. 02.05.2001 bis 08.05.2001 ca. 41 Stunden; 04.11.2001 bis 08.11.2001 ca. 36 Stunden) aufgefunden. In der Zusammenschau mit den vom Kläger im Rahmen des Strafverfahrens eingeräumten Einkünften ist der vorgebrachte Einwand, es habe sich allenfalls um Arbeitsversuche gehandelt, offenkundig als völlig unglaubwürdige Schutzbehauptung zu qualifizieren, die nicht geeignet ist, das Vorliegen einer nur geringfügigen selbständigen Tätigkeit anzunehmen.
Außer Frage steht für den Senat in diesem Zusammenhang, dass der Kläger seine selbstständige Tätigkeit gegenüber der Beklagten bewusst verschwiegen hat, als er in allen Leistungsanträgen die Frage nach einer solchen Tätigkeit verneint und die damit in Zusammenhang stehenden Einkünften nicht angegeben hat.
Der Kläger hat nicht nur die klaren und verständlichen Fragen in den Alg- und Alhi-An-trägen verneint, was bereits als grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist (vgl. BSGE 44, 264, 273), sondern er hat darüber hinaus auch gegenüber anderen Behörden (insbesondere dem Gewerbeamt, der Handwerkskammer, den Sozialversicherungsbehörden und dem Finanzamt) diese Tätigkeit nicht angezeigt, wodurch zum Ausdruck kommt, dass er seinen Gartenbaubetrieb - für den er als solchen geworben hat - in vollem Umfang illegal betreiben wollte. Die unzutreffenden Angaben des Klägers zu seiner selbständigen Tätigkeit haben im Ergebnis zur rechtwidrigen Leistungsbewilligung durch die Beklagte geführt, so dass die maßgeblichen Bewilligungsbescheide ohne Ausübung eines Ermessens zurückzunehmen waren (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs 2 SGB III).
Mit dem Bescheid vom 18.03.2004 hat die Beklagte die für eine Zurücknahme einzuhaltende Jahresfrist gewahrt (§ 45 Abs 4 Satz 2 SGB X), denn sie hat erst im August 2003 von den für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kenntnis erlangt.
Mit der Rücknahme der Leistungsbewilligungen hat der Kläger die zu Unrecht gezahlten Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X).
Ausweislich der in der Beklagtenakte vorliegenden Zahlungsnachweise hat der Kläger im Zeitraum vom 05.12.2000 bis 29.11.2001 Alg lt. folgender Tabelle bezogen:
tgl. Leistungssatz (in DM) Rückforderung (in DM) 05.12.2000 31.12.2000 27 68,81 1.857,87 01.01.2001 31.10.2001 304 70,06 21.298,24 01.11.2001 29.11.2001 29 57,95 1.680,55 Gesamtbetrag 24.836,66
Hierbei war ein Betrag von 3.681,44 DM abzusetzen, den die Beklagte bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.12.2001 wegen eines Steuerklassenwechsels zurückgefordert hat. Hieraus ergibt sich ein Rückforderungsbetrag in Bezug auf das Alg in Höhe von 21.155,22 DM (= 10.816,50 EUR).
Alhi hat der Kläger im Zeitraum vom 30.11.2001 bis 27.02.2003 lt. folgender Tabelle bezogen:
tgl. Leistungssatz (in DM) Rückforderung (in DM) Rückforderung (in EUR) 30.11.2001 31.12.2001 32 49,30 1577,60 EUR 806,61
tgl. Leistungssatz (in EUR) 01.01.2002 31.05.2002 151 25,21 EUR 3.806,71 01.06.2002 28.08.2002 89 25,21 EUR 2.243,69 29.08.2002 29.11.2002 93 25,21 EUR 2.344,53 30.11.2002 31.12.2002 32 25,03 EUR 800,96
01.01.2003 27.02.2003 58 24,80 EUR 1.438,40
Gesamtrückforderung (Alhi) EUR 11.440,90
Hieraus ergibt sich eine Rückforderung von insgesamt 22.257,40 EUR (= 10.816,50 EUR + 11.490,90 EUR).
Der von der Beklagten geltend gemachte Betrag von 21.755,90 EUR ergibt sich aus dem Umstand, dass dem Kläger mit Bescheid vom 25.10.2001 Leistungen (Zeitraum 03.08.2001 bis 16.08.2001; 980,84 DM = 501,50 EUR) nachgezahlt worden sind, die Rahmen einer vorläufigen Zahlungseinstellung wegen des Eintrittes einer Säumniszeit einbehalten worden waren. Diesen Betrag hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.03.2004 irrtümlich nicht zurückgefordert. Dieser Sachverhalt ist jedoch nicht zu ungunsten des Klägers zu berücksichtigen.
Mit der Rücknahme der maßgeblichen Leistungsbewilligungen hat der Kläger der Beklagten auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum 05.12.2000 bis 27.02.2003 zu erstatten (§ 335 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach den Berechnungen des Senates hätte der Kläger Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 5.163,47 EUR sowie Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 544,96 EUR zu erstatten gehabt. Entsprechend der für die Jahre 2000 bis 2003 maßgeblichen Regelungen des § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie des § 57 Abs 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) war das der Beitragsberechnung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt (KV-Entgelt) in Bezug auf das Alg aus 80 vH des dem Leistungsbezug zugrundeliegenden Bemessungsentgeltes (BE) zu berechnen.
Für den Bezug der Alhi war für die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge (KV- Beitrag) in den Jahren 2001 und 2002 0,58 vH des dem Leistungsbezug zugrundeliegenden Bemessungsentgeltes zu berücksichtigen, für das Jahr 2003 sowie die Berechnung der Pflegeversicherungsbeiträge (PV-Beitrag) der Leistungsbetrag der Alhi. Ausgehend von einem Krankenversicherungsbeitragssatz (KV-Satz) von 13,2 % bis 31.12.2002 und 13,7 % ab 01.01.2002 sowie einem Pflegeversicherungsbeitragssatz (PV-Satz) von 1,7 % ergeben sich Erstattungsbeträge lt. folgender Tabellen:
Beträge (in EUR) KV- Beiträge (Alg) BE (in DM) KV- Entgelt KV- Satz KV- Beitrag 05.12.2000 31.12.2000 27 980 3.024 13,20% 399,17 204,09 01.01.2001 31.10.2001 304 980 34.048 13,20% 4.494,34 2.297,92 01.11.2001 29.11.2001 29 980 3.248 13,20% 428,74 219,21 Gesamtbetrag (in DM) 5.322,24 2.721,22
Beträge (in EUR) PV- Beiträge (Alg) BE (in DM) KV- Entgelt PV- Satz PV- Beitrag 05.12.2000 31.12.2000 27 980 3024 1,70% 51,41 26,28 01.01.2001 31.10.2001 304 980 34048 1,70% 578,82 295,94 01.11.2001 29.11.2001 29 980 3248 1,70% 55,22 28,23 Gesamtbetrag (in DM) 685,44 350,46
Beträge (in EUR) KV- Beiträge (Alhi) BE (in DM) KV- Entgelt KV- Satz KV- Beitrag 30.11.2001 31.12.2001 32 980 2.598 13,20% 342,99 175,37 BE (in EUR) 01.01.2002 31.05.2002 151 500 6.256 13,70% EUR 857,03 857,03 01.06.2002 28.08.2002 89 500 3.687 13,70% EUR 505,14 505,14 29.08.2002 29.11.2002 93 500 3.853 13,70% EUR 527,84 527,84 30.11.2002 31.12.2002 32 495 1.312 13,70% EUR 179,81 179,81 tgl. LS (in EUR) 01.01.2003 27.02.2003 58 24,80 1.438 13,70% EUR 197,06 197,06 Gesamtbetrag (in EUR) 2.442,25
Beträge (in EUR) PV- Beiträge (Alhi) tgl. LS (in DM) KV- Entgelt PV- Satz PV- Beitrag 30.11.2001 31.12.2001 32 49,30 1,578 1,70% EUR 26,82 13,71 tgl. LS (in EUR) 01.01.2002 31.05.2002 151 25,21 3.807 1,70% EUR 64,71 64,71 01.06.2002 28.08.2002 89 25,21 2.244 1,70% EUR 38,14 38,14 29.08.2002 29.11.2002 93 25,21 2.345 1,70% EUR 39,86 39,86 30.11.2002 31.12.2002 32 25,03 801 1,70% EUR 13,62 13,62
01.01.2003 27.02.2003 58 24,80 1.438 1,70% EUR 24,45 24,45 Gesamtbetrag (in EUR) 194,50
KV- Beiträge (Alg) EUR 2.721,22 KV- Beiträge (Alhi) EUR 2.442,25 KV- Beiträge (gesamt) EUR 5.163,47
PV- Beiträge (Alg) EUR 350,46 PV- Beiträge (Alhi) EUR 194,50 PV- Beiträge (gesamt) EUR 544,96
Die insoweit von der Beklagten ermittelten Erstattungsbeträge (4.809,11 EUR bzw. 499,34 EUR) sind für den Senat - mangels Darlegung der Berechnungsgrundlage in der Beklagtenakte - nicht nachvollziehbar, jedoch wird der Kläger hierdurch nicht in rechtswidriger Weise belastet, womit auch die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 21.755,90 EUR sowie die damit in Zusammenhang stehende Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.308,45 EUR.
Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 01.12.2000 mit Wirkung zum 05.12.2000 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Angaben zu einer selbständigen Tätigkeit verneinte er. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 16.02.2001, 23.04.2001, 11.05.2001, 25.10.2001 und 19.12.2001 Alg für die Zeit ab dem 05.12.2000 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 29.11.2001 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt (BE) von 980,00 DM. Ab 30.11.2001 beantragte der Kläger die Bewilligung von Alhi, wobei er in den Anträgen vom 09.11.2001 und 11.11.2002 die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit wiederum verneinte. Die Beklagte bewilligte ihm Alhi für den Zeitraum 30.11.2001 bis 27.02.2003 (Bescheide vom 20.12.2001, 24.01.2002, 14.06.2002, 10.10.2002, 04.12.2002 und 07.01.2003).
Mit dem 28.02.2003 endete der Leistungsbezug des Klägers, weil er in Untersuchungshaft kam, nachdem er verdächtigt wurde, seine Ehefrau ermordet zu haben. Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gab der Kläger an, auch während der Zeit seines Leistungsbezuges (05.12.2000 bis 27.02.2003) als selbständiger Gärtnermeister gearbeitet zu haben.
Er habe neben den Einkünften aus dem Alg- und Alhi- Bezug erhebliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als selbständiger Gärtnermeister gehabt. Während der Wintermonate hätten diese ca. 600,00 EUR, während der Sommermonate ca. 1.400,00 EUR netto betragen. Er habe in den Jahren 2001 und 2002 eine erhebliche Zahl von Aufträgen abgearbeitet, und die Erledigung der noch vorliegenden Aufträge hätte das gesamte Jahr 2003 in Anspruch genommen. Zudem haben die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass der Kläger bereits im Jahr 1999 für seine selbständige Tätigkeit als Gärtnermeister plakatiert hatte.
Nach erfolgloser Anhörung des Klägers, hob die Beklagten mit Bescheid vom 18.03.2004 die Bewilligung von Alg und Alhi für die Zeiträume 05.12.2000 bis 27.02.2003 auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 21.755,90 EUR zurück. Darüber hinaus habe der Kläger die von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- (4.809,11 EUR) und Pflegeversicherung (499,34 EUR) zu erstatten. Der Kläger habe im Zeitraum des Leistungsbezuges eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt, ohne dies angezeigt zu haben.
Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, der Bescheid enthalte keine nachvollziehbare Begründung, aus der sich die selbstständige Tätigkeit von mehr als 15 Wochenstunden ergeben würde. Ebenso wenig ließe sich dies aus den Verwaltungsakten entnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe seinen Widerspruch nicht begründet, so dass die Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides nicht zu erkennen sei.
Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger erneut den fehlenden Nachweis einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit gerügt. Aufgrund vielfacher Krankheitszeiten und der Schlechtwetterperioden habe er nicht arbeiten können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er häufig seine Schwester im Bayerischen Wald über mehrere Tage und Wochen besucht habe und sich drei Monate in Vietnam aufgehalten habe. Eine gerichtliche Nachfrage, die Krankheitszeiten und auswärtigen Aufenthalte zu konkretisieren, hat der Kläger nicht beantwortet.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.09.2007 abgewiesen. Der Kläger sei aufgrund der selbstständigen Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt des Leistungsbezuges beschäftigungslos gewesen, so dass weder ein Anspruch auf Alg noch Alhi bestanden habe. Die Beweislast für das Vorliegen der Rücknahmevoraussetzungen habe zwar grundsätzlich die Beklagte zu tragen. Dies sei jedoch - wie vorliegend - anders zu beurteilen, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten ein Sachverhalt nicht geklärt werden könne und die maßgeblichen Vorgänge der Sphäre des Leistungsempfängers zuzuordnen seien. Der Kläger habe - im Rahmen dieser Beweislastumkehr - keine Angaben gemacht, die eine lediglich geringfügige selbständige Beschäftigung nachvollziehbar machen würde. Zudem sei er aufgrund seines Vietnamaufenthaltes von drei Monaten nicht verfügbar gewesen. Zuletzt ließen auch die vom Kläger im Strafverfahren gemachten Angaben zu den Einkommensverhältnissen den Schluss auf eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit zu.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und auf Nachfrage zu Arbeitszeiten und Einkommen mitgeteilt, dass er Arbeitsversuche nicht ausschließen könne. Er sei jedoch arbeitsunfähig gewesen und habe zahlreiche Arzt- und Klinikbesuche durchführen müssen. Auch sei er nachweislich zu Besuchszwecken bei seiner Schwester oder seiner Mutter unterwegs gewesen, so dass er keine Gartenarbeiten habe verrichten können. Zuletzt seien erhebliche Arbeitszeiten im Jahresablauf ohnehin nicht möglich gewesen, denn abgesehen von den Arzt- und Verwandtschaftsbesuchen und der Schlechtwetterzeit sei er auch drei Monate in Vietnam gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 11.09.2007 sowie den Bescheid vom 18.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2007 - S 14 AL 1039/04 - als unbegründet zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig. Das LSG kann außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs 4 Sätze 1 und 2 SGG)
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2004 die Bewilligungsbescheide in Bezug auf das Alg für den Zeitraum 05.12.2000 bis 29.11.2001 sowie in Bezug auf die Alhi für den Zeitraum 30.11.2001 bis 27.02.2003 zu Recht zurückgenommen und die Erstattung überzahlter Leistungen gefordert. Der Kläger war aufgrund seiner Tätigkeit als selbstständiger Gärtnermeister zu keinem Zeitpunkt des Leistungsbezuges arbeitslos. Er hat die selbstständige Tätigkeit gegenüber der Beklagten bewusst verschwiegen.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt ist zurückzunehmen, soweit, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Anspruch auf Alg und Alhi haben Arbeiternehmer, die arbeitslos sind (§ 190 Abs 1 Nr. 1, § 198 Satz 2 Nr.1 SGB III in der bis 31.12.2004 maßgeblichen Fassung des Gesetzes und § 117 Abs 1 Nr 1 SGB III. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), wobei eine selbstständige Tätigkeit einer Beschäftigung gleich steht (§ 118 Abs 1 Nr. 1, Abs 3 Satz 1 SGB III), und lediglich die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht ausschließt (§ 118 Abs 2 Halbsatz 1 SGB III).
Vorliegend hat der Kläger (zumindest) seit dem Jahr 1999 bis zu seiner Inhaftierung am 28.02.2003 zweifelsfrei gartenpflegerische Dienstleistungen für Dritte gegen Entgelt erbracht. Insoweit hat er Leistungen erbracht, die - geprägt durch den Einsatz körperlicher bzw. geistiger Kräfte im Erwerbsleben - die Herbeiführung einer Dienstleistung bzw. eines Arbeitserfolges zum Ziel hatten, der Befriedigung Bedürfnisse Dritter dienten und im Wirtschaftsleben als Arbeit zu qualifizieren waren, und somit - weil eine persönliche Abhängigkeit des Klägers gegenüber einem Arbeitgeber nicht bestanden hat - als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren ist.
Dies steht aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Mordes an seiner Ehefrau fest. Dort hat er, um die finanzielle Situation seiner Familie darzustellen, ausführlich dargelegt, dass neben den Einkünften aus dem Leistungsbezug "weitaus umfangreiche Beträge zum Bestreiten des Lebensunterhaltes vorhanden" gewesen seien. Diese Einnahmen resultierten aus kleineren Arbeiten wie dem Ausschneiden von Bäumen und allgemeiner Gartenpflege bis hin zur Anlage kompletter Gärten mit Teichanlagen, Terrassenarbeiten, dem Anlegen von Gartenwegen und dem Ausführen von Maurerarbeiten. In diesem Zusammenhang hat der Kläger eine Vielzahl von Zeugen benannt, die im strafgerichtlichen Verfahren zu hören seien und die den erheblichen Umfang seiner selbständigen Tätigkeit sowie das daraus resultierende Einkommen bezeugen könnten. Darüber hinaus hat der Kläger im Strafverfahren - um sich vom Mordmotiv der Habgier zu entlasten - vorgetragen, er habe für das Jahr 2003 bereits zahlreiche Aufträge gehabt, deren Abarbeitung zumindest ein Jahr Anspruch genommen hätte. Hieraus und aus dem Angaben zum Einkommen (ca. 600,00 EUR netto in den Wintermonaten; ca. 1.400,00 EUR netto in den Sommermonaten) lässt sich zwanglos auf einen gut gehenden Betrieb des Garten- und Landschaftsbaus schließen. Dies erscheint auch nachvollziehbar, insbesondere nachdem im Rahmen des Strafverfahrens die Ermittlungsbehörden auch festgestellt haben, dass der Kläger bereits im Februar 1999 unter der Bezeichnung "Gartengestaltung A." durch illegale Plakatierung Werbung für seinen Gartenbaubetrieb gemacht hat.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang Angaben im gerichtlichen Verfahren gemacht hat und vorbringt, er könne nicht ausschließen Arbeitsversuche unternommen zu haben, eine mehr als geringfügige Tätigkeit habe er aufgrund seiner Erkrankung jedoch nicht ausgeübt, genügt dies nicht, um den Beweis zu erbringen, er sei seit dem 05.12.2000 arbeitslos gewesen.
Die vorliegenden Angaben sprechen gegen eine die Arbeitslosigkeit nicht ausschließende, geringfügige Tätigkeit, der Kläger hat nahezu keine verwertbaren Angaben zum Umfang seiner selbständigen Tätigkeit gemacht und für den Senat sind keinerlei weiteren Erkenntnismöglichkeiten greifbar, unter deren Heranziehung die Aufklärung des Sachverhaltes möglich erscheint. Insbesondere hat der Kläger seine selbständige Tätigkeit in vollem Umfang illegal betrieben und weder die Sozialversicherungsträger noch die Finanz- und Ordnungsbehörden über die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit informiert. Soweit der Kläger geltend macht, er sei persönlich zu hören, um die Angelegenheit aufzuklären, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen dem Senat nicht zumindest vorab Informationen zur Verfügung gestellt werden, die eine geringfügige Tätigkeit des Klägers nachvollziehbar machen könnten und zu weiteren Ermittlungen Anlass gäben.
Grundsätzlich hat zwar die Beklagte im Falle einer rückwirkenden Aufhebung die tatsächlichen Umstände zu beweisen, die eine Zurücknahme der ursprünglichen Leistungsbewilligung rechtfertigen. Ergibt sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, ist eine Umkehr dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 11 AL 7/05 R - SozR 4-?4220 § 6 Nr 4 ).
Eine derartige besondere, dem Kläger anzulastende Beweisnähe ist darin zu sehen, dass er bei Antragstellung in Bezug auf die zurückgeforderten Leistungen keinerlei Angaben zu einer selbständigen Tätigkeit gemacht hat, die eine zeitnahe Ermittlung des Sachverhaltes ermöglicht hätten. Zudem hat der Kläger im Rahmen des Rückforderungsverfahrens keinerlei Angaben zum Umfang der selbständigen Tätigkeit oder den daraus erzielten Einkünften gemacht. Soweit der Kläger geltend macht, er habe aufgrund seiner Erkrankungen keine selbständige Tätigkeit ausüben können, genügt diese Behauptung nicht die vorliegenden Beweise, die zweifelsfrei auf eine selbständige Tätigkeit schließen lassen, substantiiert zu widerlegen.
Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen der Mordermittlungen gegen den Kläger auch Stundenaufstellungen über gartenpflegerischen Tätigkeiten (z.B. Wiesensaat, Pflanzarbeiten) und Gartenbauarbeiten (z.B. Pflastern, Treppe vorbereiten und setzen) von nicht unerheblichem Umfang (z.B. 02.05.2001 bis 08.05.2001 ca. 41 Stunden; 04.11.2001 bis 08.11.2001 ca. 36 Stunden) aufgefunden. In der Zusammenschau mit den vom Kläger im Rahmen des Strafverfahrens eingeräumten Einkünften ist der vorgebrachte Einwand, es habe sich allenfalls um Arbeitsversuche gehandelt, offenkundig als völlig unglaubwürdige Schutzbehauptung zu qualifizieren, die nicht geeignet ist, das Vorliegen einer nur geringfügigen selbständigen Tätigkeit anzunehmen.
Außer Frage steht für den Senat in diesem Zusammenhang, dass der Kläger seine selbstständige Tätigkeit gegenüber der Beklagten bewusst verschwiegen hat, als er in allen Leistungsanträgen die Frage nach einer solchen Tätigkeit verneint und die damit in Zusammenhang stehenden Einkünften nicht angegeben hat.
Der Kläger hat nicht nur die klaren und verständlichen Fragen in den Alg- und Alhi-An-trägen verneint, was bereits als grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist (vgl. BSGE 44, 264, 273), sondern er hat darüber hinaus auch gegenüber anderen Behörden (insbesondere dem Gewerbeamt, der Handwerkskammer, den Sozialversicherungsbehörden und dem Finanzamt) diese Tätigkeit nicht angezeigt, wodurch zum Ausdruck kommt, dass er seinen Gartenbaubetrieb - für den er als solchen geworben hat - in vollem Umfang illegal betreiben wollte. Die unzutreffenden Angaben des Klägers zu seiner selbständigen Tätigkeit haben im Ergebnis zur rechtwidrigen Leistungsbewilligung durch die Beklagte geführt, so dass die maßgeblichen Bewilligungsbescheide ohne Ausübung eines Ermessens zurückzunehmen waren (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs 2 SGB III).
Mit dem Bescheid vom 18.03.2004 hat die Beklagte die für eine Zurücknahme einzuhaltende Jahresfrist gewahrt (§ 45 Abs 4 Satz 2 SGB X), denn sie hat erst im August 2003 von den für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kenntnis erlangt.
Mit der Rücknahme der Leistungsbewilligungen hat der Kläger die zu Unrecht gezahlten Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X).
Ausweislich der in der Beklagtenakte vorliegenden Zahlungsnachweise hat der Kläger im Zeitraum vom 05.12.2000 bis 29.11.2001 Alg lt. folgender Tabelle bezogen:
tgl. Leistungssatz (in DM) Rückforderung (in DM) 05.12.2000 31.12.2000 27 68,81 1.857,87 01.01.2001 31.10.2001 304 70,06 21.298,24 01.11.2001 29.11.2001 29 57,95 1.680,55 Gesamtbetrag 24.836,66
Hierbei war ein Betrag von 3.681,44 DM abzusetzen, den die Beklagte bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.12.2001 wegen eines Steuerklassenwechsels zurückgefordert hat. Hieraus ergibt sich ein Rückforderungsbetrag in Bezug auf das Alg in Höhe von 21.155,22 DM (= 10.816,50 EUR).
Alhi hat der Kläger im Zeitraum vom 30.11.2001 bis 27.02.2003 lt. folgender Tabelle bezogen:
tgl. Leistungssatz (in DM) Rückforderung (in DM) Rückforderung (in EUR) 30.11.2001 31.12.2001 32 49,30 1577,60 EUR 806,61
tgl. Leistungssatz (in EUR) 01.01.2002 31.05.2002 151 25,21 EUR 3.806,71 01.06.2002 28.08.2002 89 25,21 EUR 2.243,69 29.08.2002 29.11.2002 93 25,21 EUR 2.344,53 30.11.2002 31.12.2002 32 25,03 EUR 800,96
01.01.2003 27.02.2003 58 24,80 EUR 1.438,40
Gesamtrückforderung (Alhi) EUR 11.440,90
Hieraus ergibt sich eine Rückforderung von insgesamt 22.257,40 EUR (= 10.816,50 EUR + 11.490,90 EUR).
Der von der Beklagten geltend gemachte Betrag von 21.755,90 EUR ergibt sich aus dem Umstand, dass dem Kläger mit Bescheid vom 25.10.2001 Leistungen (Zeitraum 03.08.2001 bis 16.08.2001; 980,84 DM = 501,50 EUR) nachgezahlt worden sind, die Rahmen einer vorläufigen Zahlungseinstellung wegen des Eintrittes einer Säumniszeit einbehalten worden waren. Diesen Betrag hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.03.2004 irrtümlich nicht zurückgefordert. Dieser Sachverhalt ist jedoch nicht zu ungunsten des Klägers zu berücksichtigen.
Mit der Rücknahme der maßgeblichen Leistungsbewilligungen hat der Kläger der Beklagten auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum 05.12.2000 bis 27.02.2003 zu erstatten (§ 335 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach den Berechnungen des Senates hätte der Kläger Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 5.163,47 EUR sowie Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 544,96 EUR zu erstatten gehabt. Entsprechend der für die Jahre 2000 bis 2003 maßgeblichen Regelungen des § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie des § 57 Abs 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) war das der Beitragsberechnung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt (KV-Entgelt) in Bezug auf das Alg aus 80 vH des dem Leistungsbezug zugrundeliegenden Bemessungsentgeltes (BE) zu berechnen.
Für den Bezug der Alhi war für die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge (KV- Beitrag) in den Jahren 2001 und 2002 0,58 vH des dem Leistungsbezug zugrundeliegenden Bemessungsentgeltes zu berücksichtigen, für das Jahr 2003 sowie die Berechnung der Pflegeversicherungsbeiträge (PV-Beitrag) der Leistungsbetrag der Alhi. Ausgehend von einem Krankenversicherungsbeitragssatz (KV-Satz) von 13,2 % bis 31.12.2002 und 13,7 % ab 01.01.2002 sowie einem Pflegeversicherungsbeitragssatz (PV-Satz) von 1,7 % ergeben sich Erstattungsbeträge lt. folgender Tabellen:
Beträge (in EUR) KV- Beiträge (Alg) BE (in DM) KV- Entgelt KV- Satz KV- Beitrag 05.12.2000 31.12.2000 27 980 3.024 13,20% 399,17 204,09 01.01.2001 31.10.2001 304 980 34.048 13,20% 4.494,34 2.297,92 01.11.2001 29.11.2001 29 980 3.248 13,20% 428,74 219,21 Gesamtbetrag (in DM) 5.322,24 2.721,22
Beträge (in EUR) PV- Beiträge (Alg) BE (in DM) KV- Entgelt PV- Satz PV- Beitrag 05.12.2000 31.12.2000 27 980 3024 1,70% 51,41 26,28 01.01.2001 31.10.2001 304 980 34048 1,70% 578,82 295,94 01.11.2001 29.11.2001 29 980 3248 1,70% 55,22 28,23 Gesamtbetrag (in DM) 685,44 350,46
Beträge (in EUR) KV- Beiträge (Alhi) BE (in DM) KV- Entgelt KV- Satz KV- Beitrag 30.11.2001 31.12.2001 32 980 2.598 13,20% 342,99 175,37 BE (in EUR) 01.01.2002 31.05.2002 151 500 6.256 13,70% EUR 857,03 857,03 01.06.2002 28.08.2002 89 500 3.687 13,70% EUR 505,14 505,14 29.08.2002 29.11.2002 93 500 3.853 13,70% EUR 527,84 527,84 30.11.2002 31.12.2002 32 495 1.312 13,70% EUR 179,81 179,81 tgl. LS (in EUR) 01.01.2003 27.02.2003 58 24,80 1.438 13,70% EUR 197,06 197,06 Gesamtbetrag (in EUR) 2.442,25
Beträge (in EUR) PV- Beiträge (Alhi) tgl. LS (in DM) KV- Entgelt PV- Satz PV- Beitrag 30.11.2001 31.12.2001 32 49,30 1,578 1,70% EUR 26,82 13,71 tgl. LS (in EUR) 01.01.2002 31.05.2002 151 25,21 3.807 1,70% EUR 64,71 64,71 01.06.2002 28.08.2002 89 25,21 2.244 1,70% EUR 38,14 38,14 29.08.2002 29.11.2002 93 25,21 2.345 1,70% EUR 39,86 39,86 30.11.2002 31.12.2002 32 25,03 801 1,70% EUR 13,62 13,62
01.01.2003 27.02.2003 58 24,80 1.438 1,70% EUR 24,45 24,45 Gesamtbetrag (in EUR) 194,50
KV- Beiträge (Alg) EUR 2.721,22 KV- Beiträge (Alhi) EUR 2.442,25 KV- Beiträge (gesamt) EUR 5.163,47
PV- Beiträge (Alg) EUR 350,46 PV- Beiträge (Alhi) EUR 194,50 PV- Beiträge (gesamt) EUR 544,96
Die insoweit von der Beklagten ermittelten Erstattungsbeträge (4.809,11 EUR bzw. 499,34 EUR) sind für den Senat - mangels Darlegung der Berechnungsgrundlage in der Beklagtenakte - nicht nachvollziehbar, jedoch wird der Kläger hierdurch nicht in rechtswidriger Weise belastet, womit auch die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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