Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 135/09 WA
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 252/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 106/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Widerruf eines Vergleiches
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 19.08.2009 wird zurückgewesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1954 geborene Kläger meldete sich am 22.10.2002 nach einer Beschäftigung vom 01.04.2001 bis 10.10.2002 persönlich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit bei der D. habe aufgrund einer außerordentlichen Kündigung am 10.10.2002 geendet. In diesem Zusammenhang bewilligte die Beklagte dem Kläger am 25.11.2002 Alg für die Zeit ab dem 22.10.2002 (Anspruchsdauer 240 Tage). In der Folgezeit einigte sich der Kläger im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens mit seinem Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2003. Für die Zeit ab dem 01.04.2003 zeigte der Kläger der Beklagten die Aufnahme einer Tätigkeit als S.-Berater an.
Nachdem die Beklagten gegenüber der D. einen Erstattungsanspruch nicht angemeldet hatte, hob sie mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.09.2003 die Alg-Bewilligung für die Zeit ab dem 22.10.2002 vollständig auf, denn der Kläger habe in der Zeit bis zur erneuten Arbeitsaufnahme Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Alg sei in Höhe von 7.760,79 EUR zu Unrecht gezahlt worden.
Am 03.01.2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos, nachdem er am 08.10.2004 zu Unrecht inhaftiert und in der Folge außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.12.2004 gekündigt worden sei.
Die Beklagte stellte hierauf mit Bescheid vom 08.06.2005 den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer vom 08.10.2004 bis 30.12.2004 fest, weil der Kläger mit seiner Inhaftierung seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe. Mit Bescheid vom 09.06.2005 bewilligte sie dem Kläger Alg für die Dauer von 405 Tagen ab 03.01.2005. Hierbei errechne sich aus den Zeiten des vorangegangenen Beschäftigungsverhältnisses vom 01.04.2003 bis 31.12.2004 (21 Monate) eine Anspruchsdauer von 10 Monaten (300 Tage). Darüber hinaus sei der Anspruch aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der D. (01.04.2001 bis 10.10.2002 - 18 Monate) in vollem Umfang gutzuschreiben (Anspruchsdauer: 8 Monate bzw. 240 Tage). Von dem sich hieraus ergebenden Gesamtanspruch (540 Tage) sei eine Anspruchsminderung von 135 Tagen wegen des Eintrittes einer Sperrzeit abzuziehen.
Auf Widerspruch korrigierte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2005 den Anspruchsbeginn auf den 01.01.2005 (Anspruchsdauer 540 Tage). Im Übrigen wies sie den Widerspruch in Bezug auf den Eintritt einer Sperrzeit mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2005 und in Bezug auf die Anspruchsdauer mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 zurück.
Die am 09.01.2006 gegen den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage (S 7 AL 14/06) nahm der Kläger zurück.
Zugleich beantragte er die Überprüfung der Widerspruchsbescheide vom 09.11.2005 und 22.11.2005 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklage lehnte mit Bescheid vom 13.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2007 die Neuberechnung der Anspruchsdauer und die Aufhebung der Sperrzeit ab.
Mit der dagegen zum SG erhobenen Klage (S 10/15 AL 109/07) hat der Kläger geltend gemacht, die Dauer seines Alg-Anspruches sei aus der Gesamtzeit der Beschäftigungsverhältnisse zwischen dem 01.04.2001 bis 31.12.2004 (45 Monate) zu errechnen, womit sich eine Anspruchsdauer von 660 Tagen ergebe. Am 20.04.2009 haben sich der Kläger und die Beklagte im Rahmen eines Vergleiches vor dem SG dahingehend geeinigt, dass die Beklagte den Sperrzeitbescheid vom 08.06.2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 09.11.2005 aufhebe, der Kläger dieses Angebot annehme und den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erkläre.
Der Kläger hat am 06.05.2009 gegenüber dem SG erklärt, er betrachte den Rechtsstreit als nicht erledigt. Der Vergleich gehe einseitig zu seinen Lasten, insbesondere weil die Beschäftigungszeiten und damit die Dauer seines Leistungsanspruches unzutreffend berechnet seien. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 19.08.2009 festgestellt, der Rechtsstreit S 15 AL 109/07 sei durch den Vergleich vom 20.04.2009 beendet worden. Der Vergleich sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, denn er sei in Gegenwart der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung protokolliert, vorgelesen und genehmigt worden. Der Kläger habe hierbei mit dem Vergleich nicht nur ein (Teil-)Anerkenntnis der Beklagten in Bezug auf die Sperrzeitentscheidung angenommen, sondern den Rechtsstreit nach Darlegung der Erfolgsaussichten durch das Gericht im übrigen hinsichtlich der Anspruchsdauer für erledigt erklärt. Der Vergleich sei auch materiell- rechtlich wirksam, denn Anhaltspunkte für die Nichtigkeit des Vergleiches (§§ 116 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) oder seine Unwirksamkeit (§ 779 Abs 1 BGB) seien nicht zu erkennen. Zudem könne der Kläger den Vergleich nicht wirksam anfechten, denn Anfechtungsgründe seien nicht ersichtlich und eine Widerrufsmöglichkeit sei nicht vorgesehen gewesen.
Mit der beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, er habe das ihm für die Zeit bis 31.03.2003 bewilligte Arbeitslosengeld zuerst ratenweise zurückgezahlt; im Dezember 2004 habe er die restliche Forderung getilgt.
Der Kläger beantragt,
die Berechnung des Arbeitslosengeldes auf der Basis von 45 Monaten lückenloser Beschäftigungsdauer und daraufhin die Berechnung des Arbeitslosengeldes aufgrund der Beratung des Arbeitsamtes Würzburg von 660 Tagen Arbeitslosengeldzahlung.
Dieser Antrag möge mir erst schriftlich vorgelegt werden, bevor ich ihn endgültig stelle.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Vorliegend hat der Kläger weder schriftlich noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Protokoll einen wirksamen Antrag gestellt, denn die endgültige Antragstellung hat er davon abhängig gemacht, dass ihm sein zu Protokoll diktierter Antrag schriftlich vorgelegt werde. Dies ist nicht geschehen und der Kläger hat weitergehend keinen endgültigen Antrag gestellt, so dass in diesem Verhalten eine Weigerung zu sehen ist, überhaupt einen Antrag zu stellen. Insoweit war der Senat gehalten, den Streitgegenstand aus dem Vorbringen des Klägers zu ermitteln.
Nachdem es dem Kläger in der Sache darum geht, für die Zeit ab dem 01.01.2005 Alg für die Dauer von 660 Tagen zu beziehen, zielt das Klagebegehren des Klägers darauf ab, die entgegenstehenden Entscheidungen des SG (Gerichtsbescheid vom 19.08.2009) und der Beklagten (Bescheid vom 13.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2007) aufzuheben und den maßgeblichen Bewilligungsbescheid (Bescheid vom 09.06.2005 in der Fassung des Bescheides vom 05.07.2005 idG des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005) dahingehend abzuändern, dass für die Zeit ab dem 01.01.2005 nicht wie bisher für die Dauer von 540 Tagen sondern für 660 Tage Alg gezahlt werde.
Über das so verstandene Anliegen hat der Senat jedoch in Bezug auf das Leistungsbegehren keine Veranlassung in der Sache zu entscheiden, denn insoweit ist das Verfahren durch bindenden Vergleich zwischen den Beteiligten bereits vor dem SG beendet worden. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der Rechtsstreit S 15 AL 109/07 durch den Vergleich vom 20.04.2009 erledigt ist.
Der Vergleich verstößt nicht gegen § 101 Abs 1 SGG, denn die Beteiligten konnten über den Gegenstand der Klage verfügen. Es handelt sich um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens. Das gegenseitige Nachgeben ist darin zu sehen, dass die Beklagte mit der Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2005 die Wirkungen der festgestellten Sperrzeit, d.h. die Minderung der Anspruchsdauer von 135 Tagen, entfallen lässt und der Kläger in der Folge einen materiell- rechtlichen Alg-Anspruch für die Dauer von 540 Tagen hatte. Der Kläger hat demgegenüber durch die Erklärung, den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären, die ursprüngliche Anspruchsdauer von 540 Tagen, wie von der Beklagten auf der Grundlage der Beschäftigungszeiten ermittelt, akzeptiert. Die Behauptung des Klägers, er sei durch den Vergleich einseitig belastet, ist somit nicht nachzuvollziehen.
Der Prozessvergleich hat dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechtes richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 101 Rn 3 mwN zur Rechtsprechung).
Der Vergleich vom 20.04.2009 ist als Prozessvergleich in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist in der mündlichen Verhandlung in Anwesendheit der Beteiligten des Rechtsstreites vor dem SG zur Niederschrift abgeschlossen worden (§ 101 Abs 1 SGG).
Aus der Niederschrift ergibt sich, dass der Vergleichswortlaut den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden ist. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§§ 122 SGG, 159, 160 Zivilprozessordnung -
ZPO -). Die Unterschrift der Beteiligten ist nicht erforderlich. Der Kläger hat dem Vergleich nach Vorlesen auch ausdrücklich zugestimmt, wie sich aus dem Protokoll ergibt (§ 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO). Eine Widerrufsmöglichkeit ist darin nicht vorgesehen.
Der Prozessvergleich ist auch materiell-rechtlich wirksam. Wegen seiner Doppelnatur entfaltet der Prozessvergleich keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben oder er als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen der Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig oder wirksam angefochten ist; das Gleiche gilt, wenn nach dem Inhalt des Vergleichs der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Gewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 Abs 1 BGB; vgl. BSG, Urteil vom 24.01.1991 -
2 RU 51/90 - veröffentlicht in juris).
Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleiches - etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff BGB - oder für seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs 1 BGB liegen nicht vor. Dem Kläger ist die Rechtslage und die Einschätzung des SG in zutreffender Weise dargestellt worden, denn die für die Anspruchsdauer maßgeblichen Beschäftigungszeiten werden durch die tatsächliche Inanspruchnahme von Alg regelmäßig begrenzt, ohne dass die tatsächliche Erstattung des Alg hieran etwas ändern könnte (vgl. Hünecke in Gagel, SGB III, § 124 Rn 13; Lauer in LPK - SGB III, 2.Aufl., § 124 Rn 10 mwN zur Rechtsprechung). Der wirksam zustande gekommene Vergleich hat somit den gesamten Rechtsstreit beendet. Dies hat der Kläger im Rahmen des Vergleiches in Bezug auf den vom Vergleich erfassten Streitstoff auch deklaratorisch und im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Kostenfolge, konstitutiv erklärt.
Somit ist das Verfahren S 15 AL 109/07 durch den Vergleich vom 20.04.2009 vollständig erledigt und beendet worden. Ausführungen zu einer Wiederaufnahmeklage (§ 179 SGG iVm §§ 578 ff ZPO) erübrigen sich. Gegen Prozessvergleiche ist eine Wiederaufnahmeklage grundsätzlich nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - veröffentlicht in juris mwN).
Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1954 geborene Kläger meldete sich am 22.10.2002 nach einer Beschäftigung vom 01.04.2001 bis 10.10.2002 persönlich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit bei der D. habe aufgrund einer außerordentlichen Kündigung am 10.10.2002 geendet. In diesem Zusammenhang bewilligte die Beklagte dem Kläger am 25.11.2002 Alg für die Zeit ab dem 22.10.2002 (Anspruchsdauer 240 Tage). In der Folgezeit einigte sich der Kläger im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens mit seinem Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2003. Für die Zeit ab dem 01.04.2003 zeigte der Kläger der Beklagten die Aufnahme einer Tätigkeit als S.-Berater an.
Nachdem die Beklagten gegenüber der D. einen Erstattungsanspruch nicht angemeldet hatte, hob sie mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.09.2003 die Alg-Bewilligung für die Zeit ab dem 22.10.2002 vollständig auf, denn der Kläger habe in der Zeit bis zur erneuten Arbeitsaufnahme Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Alg sei in Höhe von 7.760,79 EUR zu Unrecht gezahlt worden.
Am 03.01.2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos, nachdem er am 08.10.2004 zu Unrecht inhaftiert und in der Folge außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.12.2004 gekündigt worden sei.
Die Beklagte stellte hierauf mit Bescheid vom 08.06.2005 den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer vom 08.10.2004 bis 30.12.2004 fest, weil der Kläger mit seiner Inhaftierung seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe. Mit Bescheid vom 09.06.2005 bewilligte sie dem Kläger Alg für die Dauer von 405 Tagen ab 03.01.2005. Hierbei errechne sich aus den Zeiten des vorangegangenen Beschäftigungsverhältnisses vom 01.04.2003 bis 31.12.2004 (21 Monate) eine Anspruchsdauer von 10 Monaten (300 Tage). Darüber hinaus sei der Anspruch aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der D. (01.04.2001 bis 10.10.2002 - 18 Monate) in vollem Umfang gutzuschreiben (Anspruchsdauer: 8 Monate bzw. 240 Tage). Von dem sich hieraus ergebenden Gesamtanspruch (540 Tage) sei eine Anspruchsminderung von 135 Tagen wegen des Eintrittes einer Sperrzeit abzuziehen.
Auf Widerspruch korrigierte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2005 den Anspruchsbeginn auf den 01.01.2005 (Anspruchsdauer 540 Tage). Im Übrigen wies sie den Widerspruch in Bezug auf den Eintritt einer Sperrzeit mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2005 und in Bezug auf die Anspruchsdauer mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 zurück.
Die am 09.01.2006 gegen den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage (S 7 AL 14/06) nahm der Kläger zurück.
Zugleich beantragte er die Überprüfung der Widerspruchsbescheide vom 09.11.2005 und 22.11.2005 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklage lehnte mit Bescheid vom 13.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2007 die Neuberechnung der Anspruchsdauer und die Aufhebung der Sperrzeit ab.
Mit der dagegen zum SG erhobenen Klage (S 10/15 AL 109/07) hat der Kläger geltend gemacht, die Dauer seines Alg-Anspruches sei aus der Gesamtzeit der Beschäftigungsverhältnisse zwischen dem 01.04.2001 bis 31.12.2004 (45 Monate) zu errechnen, womit sich eine Anspruchsdauer von 660 Tagen ergebe. Am 20.04.2009 haben sich der Kläger und die Beklagte im Rahmen eines Vergleiches vor dem SG dahingehend geeinigt, dass die Beklagte den Sperrzeitbescheid vom 08.06.2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 09.11.2005 aufhebe, der Kläger dieses Angebot annehme und den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erkläre.
Der Kläger hat am 06.05.2009 gegenüber dem SG erklärt, er betrachte den Rechtsstreit als nicht erledigt. Der Vergleich gehe einseitig zu seinen Lasten, insbesondere weil die Beschäftigungszeiten und damit die Dauer seines Leistungsanspruches unzutreffend berechnet seien. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 19.08.2009 festgestellt, der Rechtsstreit S 15 AL 109/07 sei durch den Vergleich vom 20.04.2009 beendet worden. Der Vergleich sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, denn er sei in Gegenwart der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung protokolliert, vorgelesen und genehmigt worden. Der Kläger habe hierbei mit dem Vergleich nicht nur ein (Teil-)Anerkenntnis der Beklagten in Bezug auf die Sperrzeitentscheidung angenommen, sondern den Rechtsstreit nach Darlegung der Erfolgsaussichten durch das Gericht im übrigen hinsichtlich der Anspruchsdauer für erledigt erklärt. Der Vergleich sei auch materiell- rechtlich wirksam, denn Anhaltspunkte für die Nichtigkeit des Vergleiches (§§ 116 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) oder seine Unwirksamkeit (§ 779 Abs 1 BGB) seien nicht zu erkennen. Zudem könne der Kläger den Vergleich nicht wirksam anfechten, denn Anfechtungsgründe seien nicht ersichtlich und eine Widerrufsmöglichkeit sei nicht vorgesehen gewesen.
Mit der beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, er habe das ihm für die Zeit bis 31.03.2003 bewilligte Arbeitslosengeld zuerst ratenweise zurückgezahlt; im Dezember 2004 habe er die restliche Forderung getilgt.
Der Kläger beantragt,
die Berechnung des Arbeitslosengeldes auf der Basis von 45 Monaten lückenloser Beschäftigungsdauer und daraufhin die Berechnung des Arbeitslosengeldes aufgrund der Beratung des Arbeitsamtes Würzburg von 660 Tagen Arbeitslosengeldzahlung.
Dieser Antrag möge mir erst schriftlich vorgelegt werden, bevor ich ihn endgültig stelle.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Vorliegend hat der Kläger weder schriftlich noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Protokoll einen wirksamen Antrag gestellt, denn die endgültige Antragstellung hat er davon abhängig gemacht, dass ihm sein zu Protokoll diktierter Antrag schriftlich vorgelegt werde. Dies ist nicht geschehen und der Kläger hat weitergehend keinen endgültigen Antrag gestellt, so dass in diesem Verhalten eine Weigerung zu sehen ist, überhaupt einen Antrag zu stellen. Insoweit war der Senat gehalten, den Streitgegenstand aus dem Vorbringen des Klägers zu ermitteln.
Nachdem es dem Kläger in der Sache darum geht, für die Zeit ab dem 01.01.2005 Alg für die Dauer von 660 Tagen zu beziehen, zielt das Klagebegehren des Klägers darauf ab, die entgegenstehenden Entscheidungen des SG (Gerichtsbescheid vom 19.08.2009) und der Beklagten (Bescheid vom 13.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2007) aufzuheben und den maßgeblichen Bewilligungsbescheid (Bescheid vom 09.06.2005 in der Fassung des Bescheides vom 05.07.2005 idG des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005) dahingehend abzuändern, dass für die Zeit ab dem 01.01.2005 nicht wie bisher für die Dauer von 540 Tagen sondern für 660 Tage Alg gezahlt werde.
Über das so verstandene Anliegen hat der Senat jedoch in Bezug auf das Leistungsbegehren keine Veranlassung in der Sache zu entscheiden, denn insoweit ist das Verfahren durch bindenden Vergleich zwischen den Beteiligten bereits vor dem SG beendet worden. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der Rechtsstreit S 15 AL 109/07 durch den Vergleich vom 20.04.2009 erledigt ist.
Der Vergleich verstößt nicht gegen § 101 Abs 1 SGG, denn die Beteiligten konnten über den Gegenstand der Klage verfügen. Es handelt sich um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens. Das gegenseitige Nachgeben ist darin zu sehen, dass die Beklagte mit der Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2005 die Wirkungen der festgestellten Sperrzeit, d.h. die Minderung der Anspruchsdauer von 135 Tagen, entfallen lässt und der Kläger in der Folge einen materiell- rechtlichen Alg-Anspruch für die Dauer von 540 Tagen hatte. Der Kläger hat demgegenüber durch die Erklärung, den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären, die ursprüngliche Anspruchsdauer von 540 Tagen, wie von der Beklagten auf der Grundlage der Beschäftigungszeiten ermittelt, akzeptiert. Die Behauptung des Klägers, er sei durch den Vergleich einseitig belastet, ist somit nicht nachzuvollziehen.
Der Prozessvergleich hat dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechtes richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 101 Rn 3 mwN zur Rechtsprechung).
Der Vergleich vom 20.04.2009 ist als Prozessvergleich in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist in der mündlichen Verhandlung in Anwesendheit der Beteiligten des Rechtsstreites vor dem SG zur Niederschrift abgeschlossen worden (§ 101 Abs 1 SGG).
Aus der Niederschrift ergibt sich, dass der Vergleichswortlaut den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden ist. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§§ 122 SGG, 159, 160 Zivilprozessordnung -
ZPO -). Die Unterschrift der Beteiligten ist nicht erforderlich. Der Kläger hat dem Vergleich nach Vorlesen auch ausdrücklich zugestimmt, wie sich aus dem Protokoll ergibt (§ 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO). Eine Widerrufsmöglichkeit ist darin nicht vorgesehen.
Der Prozessvergleich ist auch materiell-rechtlich wirksam. Wegen seiner Doppelnatur entfaltet der Prozessvergleich keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben oder er als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen der Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig oder wirksam angefochten ist; das Gleiche gilt, wenn nach dem Inhalt des Vergleichs der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Gewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 Abs 1 BGB; vgl. BSG, Urteil vom 24.01.1991 -
2 RU 51/90 - veröffentlicht in juris).
Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleiches - etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff BGB - oder für seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs 1 BGB liegen nicht vor. Dem Kläger ist die Rechtslage und die Einschätzung des SG in zutreffender Weise dargestellt worden, denn die für die Anspruchsdauer maßgeblichen Beschäftigungszeiten werden durch die tatsächliche Inanspruchnahme von Alg regelmäßig begrenzt, ohne dass die tatsächliche Erstattung des Alg hieran etwas ändern könnte (vgl. Hünecke in Gagel, SGB III, § 124 Rn 13; Lauer in LPK - SGB III, 2.Aufl., § 124 Rn 10 mwN zur Rechtsprechung). Der wirksam zustande gekommene Vergleich hat somit den gesamten Rechtsstreit beendet. Dies hat der Kläger im Rahmen des Vergleiches in Bezug auf den vom Vergleich erfassten Streitstoff auch deklaratorisch und im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Kostenfolge, konstitutiv erklärt.
Somit ist das Verfahren S 15 AL 109/07 durch den Vergleich vom 20.04.2009 vollständig erledigt und beendet worden. Ausführungen zu einer Wiederaufnahmeklage (§ 179 SGG iVm §§ 578 ff ZPO) erübrigen sich. Gegen Prozessvergleiche ist eine Wiederaufnahmeklage grundsätzlich nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - veröffentlicht in juris mwN).
Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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