Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 613/08
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 114/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Erfolgsaussicht bei Prozesskostenhilfe
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16.03.2010 aufgehoben und dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. M., B-Straße , A-Stadt bewilligt.
Gründe:
I.
Die Beklagte bewilligte dem 1967 geborenen Kläger Arbeitslosengeld ab 01.09.2006 für 360 Kalendertage. Wegen einer selbständigen Tätigkeit ab 07.05.2007 endete zu diesem Datum der Leistungsbezug. Die Beklagte förderte die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit einem Gründungszuschuss. Nach einem Aktenvermerk hatte der Kläger an diesem Tage auch das Merkblatt zum Gründungszuschuss ausgehändigt bekommen, in welchem sich auch Hinweise auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung finden.
Einen Antrag vom 20.08.2007 auf freiwillige Arbeitslosen-Weiterversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.03.2008/ Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 ab, weil der Kläger die materielle Ein-Monats-Frist ab Aufnahme der selbständigen Tätigkeit versäumt habe.
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und eine Nichtberatung durch die Beklagte geltend gemacht, die ihn von der fristgerechten Antragstellung abgehalten habe. Die Beklagte verweist dagegen auf die Hinweise zur freiwilligen Weiterversicherung im Merkblatt, das der Kläger gemäß Aktenvermerk am 07.05.2007 erhalten habe.
Mit Beschluss vom 22.03.2010 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Kläger habe die einmonatige Antragsfrist versäumt. Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt und sich darauf berufen, dass er keine Kenntnis von der Übergabe des Merkblattes hatte sowie darauf, dass die Beklagte ihn nicht konkret auf die einmonatige Antragsfrist hingewiesen habe.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 SGG, §§ 73 a SGG, 127 ZPO) und begründet.
1.
Prozesskostenhilfe erhält nach § 73a SGG iVm §§ 114 ff ZPO ein bedürftiger Beteiligter, soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In diesem Rahmen wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und der für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG -Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 sowie Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02; Bayer. Landessozialgericht Beschluss 04.12.2009 - L 5 R 576/09 B PKH; Beschluss vom 01.08.2006 - L 5 B 271/06 KR PKH; Beschluss vom 10. März 2010 - L 9 B 67/06 AL PKH).
2.
In Anwendung dieses Maßstabes ergibt sich nach den im Verfahren getätigten Vorbringen, gestellten Anträgen und aus den beigezogenen Akten, dass weitere gerichtliche Ermittlungen zum Beginn und zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger wegen des Amtsermittlungs-Grundsatzes (§§ 103, 106 SGG) nicht ausgeschlossen werden dürfen. Denn der Beginn der einmonatigen Frist zur freiwilligen Weiterversicherung Selbständiger gem. § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2, Satz 3 SGB III setzt die Aufnahme der Selbständigen Tätigkeit voraus. Für die Tätigkeitsaufnahme fehlt es aber nach der derzeitigen Aktenlage an objektiven Feststellungen. Nicht ausreichend geklärt ist insbesondere, ob ab 07.05.2007 bereits eine Gewerbeanmeldung oder -erlaubnis vorgelegen hatte, ob Geschäftsräume angemietet waren, ob Betriebsmittel vorhanden waren, ob der Kläger bereits werbend auf dem Markt aufgetreten ist etc. Insoweit könnten Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung ausreichen (LSG Stuttgart vom 18.12.2009 - L 8 AL 4794/07; vgl auch BSG Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R zum Gründungszuschuss).
In der Folge dieser noch durchzuführenden Ermittlungen, deren Ergebnis nicht hinreichend klar absehbar ist, darf die prozesskostenhilferechtliche Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04).
Zwar spricht die Bewilligung des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III ab 07.05.2007 für eine selbständige Tätigkeit des Klägers ab diesem Tag - mit der Folge des Fristbeginns ab diesem Datum. Diese Bewilligung allein kann jedoch den Beweis der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht vollständig führen, zumal nach dem Beratungsvermerk der Beklagten von diesem Tage der Kläger erklärt hatte, er "möchte" sich selbständig machen. Dies spräche eher für eine in die Zukunft deutende Ankündigung.
3.
An dieser Stelle ist nicht näher darauf einzugehen, dass der Kläger den erhaltenen Gründungszuschuss zurückzuzahlen haben wird, falls sich eine spätere Aufnahme der selbständigen Tätigkeit herausstellen sollte. Denn die Fragen, ob die Klage auf freiwillige Weiterversicherung vernünftig, insbesondere wirtschaftlich vernünftig ist sowie welche negativen Folgen ein Obsiegen im vorliegenden Verfahren für anderweitige Ansprüche und Rechte haben muss, sind hier nicht entscheidungserheblich.
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass vom Kläger behauptete Ansprüche auf Schadensersatz - soweit sie nicht bereits verjährt wären - gem Art 34 Grundgesetz vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen wären, vorliegend also nicht Streitgegenstand sind.
4.
Die Beiordnung des vertretungsbereiten Rechtsanwalts A. M. erscheint in Anbetracht der Komplexität der streitigen Leistungsvoraussetzungen (und der unter Ziff II. 3. dargestellten Rechtsfolgen) erforderlich und im Rahmen der Prozesskostenhilfe geboten.
Nach den vorgelegten Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers, insbesondere nach der SGB II - Leistungsbewilligung und den näheren Darlegungen zum Überschuldungsstand des Immobilieneigentums des Klägers ist auch dessen Bedürftigkeit nachgewiesen, die zudem die Leistung von Raten ausschließt.
Auf die Beschwerde des Klägers wird diesem somit ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. M. bewilligt.
5.
Die Kosten der Beschwerde werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 73 a SGG.
6.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG, § 73a SGG iVm § 127 Abs 2, 3 ZPO.
Gründe:
I.
Die Beklagte bewilligte dem 1967 geborenen Kläger Arbeitslosengeld ab 01.09.2006 für 360 Kalendertage. Wegen einer selbständigen Tätigkeit ab 07.05.2007 endete zu diesem Datum der Leistungsbezug. Die Beklagte förderte die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit einem Gründungszuschuss. Nach einem Aktenvermerk hatte der Kläger an diesem Tage auch das Merkblatt zum Gründungszuschuss ausgehändigt bekommen, in welchem sich auch Hinweise auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung finden.
Einen Antrag vom 20.08.2007 auf freiwillige Arbeitslosen-Weiterversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.03.2008/ Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 ab, weil der Kläger die materielle Ein-Monats-Frist ab Aufnahme der selbständigen Tätigkeit versäumt habe.
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und eine Nichtberatung durch die Beklagte geltend gemacht, die ihn von der fristgerechten Antragstellung abgehalten habe. Die Beklagte verweist dagegen auf die Hinweise zur freiwilligen Weiterversicherung im Merkblatt, das der Kläger gemäß Aktenvermerk am 07.05.2007 erhalten habe.
Mit Beschluss vom 22.03.2010 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Kläger habe die einmonatige Antragsfrist versäumt. Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt und sich darauf berufen, dass er keine Kenntnis von der Übergabe des Merkblattes hatte sowie darauf, dass die Beklagte ihn nicht konkret auf die einmonatige Antragsfrist hingewiesen habe.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 SGG, §§ 73 a SGG, 127 ZPO) und begründet.
1.
Prozesskostenhilfe erhält nach § 73a SGG iVm §§ 114 ff ZPO ein bedürftiger Beteiligter, soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In diesem Rahmen wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und der für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG -Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 sowie Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02; Bayer. Landessozialgericht Beschluss 04.12.2009 - L 5 R 576/09 B PKH; Beschluss vom 01.08.2006 - L 5 B 271/06 KR PKH; Beschluss vom 10. März 2010 - L 9 B 67/06 AL PKH).
2.
In Anwendung dieses Maßstabes ergibt sich nach den im Verfahren getätigten Vorbringen, gestellten Anträgen und aus den beigezogenen Akten, dass weitere gerichtliche Ermittlungen zum Beginn und zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger wegen des Amtsermittlungs-Grundsatzes (§§ 103, 106 SGG) nicht ausgeschlossen werden dürfen. Denn der Beginn der einmonatigen Frist zur freiwilligen Weiterversicherung Selbständiger gem. § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2, Satz 3 SGB III setzt die Aufnahme der Selbständigen Tätigkeit voraus. Für die Tätigkeitsaufnahme fehlt es aber nach der derzeitigen Aktenlage an objektiven Feststellungen. Nicht ausreichend geklärt ist insbesondere, ob ab 07.05.2007 bereits eine Gewerbeanmeldung oder -erlaubnis vorgelegen hatte, ob Geschäftsräume angemietet waren, ob Betriebsmittel vorhanden waren, ob der Kläger bereits werbend auf dem Markt aufgetreten ist etc. Insoweit könnten Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung ausreichen (LSG Stuttgart vom 18.12.2009 - L 8 AL 4794/07; vgl auch BSG Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R zum Gründungszuschuss).
In der Folge dieser noch durchzuführenden Ermittlungen, deren Ergebnis nicht hinreichend klar absehbar ist, darf die prozesskostenhilferechtliche Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04).
Zwar spricht die Bewilligung des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III ab 07.05.2007 für eine selbständige Tätigkeit des Klägers ab diesem Tag - mit der Folge des Fristbeginns ab diesem Datum. Diese Bewilligung allein kann jedoch den Beweis der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht vollständig führen, zumal nach dem Beratungsvermerk der Beklagten von diesem Tage der Kläger erklärt hatte, er "möchte" sich selbständig machen. Dies spräche eher für eine in die Zukunft deutende Ankündigung.
3.
An dieser Stelle ist nicht näher darauf einzugehen, dass der Kläger den erhaltenen Gründungszuschuss zurückzuzahlen haben wird, falls sich eine spätere Aufnahme der selbständigen Tätigkeit herausstellen sollte. Denn die Fragen, ob die Klage auf freiwillige Weiterversicherung vernünftig, insbesondere wirtschaftlich vernünftig ist sowie welche negativen Folgen ein Obsiegen im vorliegenden Verfahren für anderweitige Ansprüche und Rechte haben muss, sind hier nicht entscheidungserheblich.
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass vom Kläger behauptete Ansprüche auf Schadensersatz - soweit sie nicht bereits verjährt wären - gem Art 34 Grundgesetz vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen wären, vorliegend also nicht Streitgegenstand sind.
4.
Die Beiordnung des vertretungsbereiten Rechtsanwalts A. M. erscheint in Anbetracht der Komplexität der streitigen Leistungsvoraussetzungen (und der unter Ziff II. 3. dargestellten Rechtsfolgen) erforderlich und im Rahmen der Prozesskostenhilfe geboten.
Nach den vorgelegten Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers, insbesondere nach der SGB II - Leistungsbewilligung und den näheren Darlegungen zum Überschuldungsstand des Immobilieneigentums des Klägers ist auch dessen Bedürftigkeit nachgewiesen, die zudem die Leistung von Raten ausschließt.
Auf die Beschwerde des Klägers wird diesem somit ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. M. bewilligt.
5.
Die Kosten der Beschwerde werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 73 a SGG.
6.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG, § 73a SGG iVm § 127 Abs 2, 3 ZPO.
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