Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 SB 260/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 96/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Vorliegen einer Migräne der mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) ermöglicht es nicht die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 69 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) festzustellen. Dies gilt auch dann, wenn weitere relativ geringfügige Funktionsstörungen auf internistischem und/oder orthopädischem Fachgebiet vorliegen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Würzburg vom 30. April 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1949 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Streitig ist die Neufeststellung ab Juli 2007.
Der Beklagte hat es mit dem Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. vom 18.06.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 05.08.1998 abgelehnt, einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 20 festzustellen. Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Würzburg den Medizinaldirektor Dr. S. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Entsprechend dem Ergebnis seines Gutachtens vom 05.06.2000 haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2000 wie folgt vergleichsweise geeinigt: Für die Zeit ab 09.02.1998 (Antragstellung) beträgt der GdB 20, für die Zeit ab 05.06.2000 beträgt der GdB 30. Hierbei hat der Beklagte mit Ausführungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. vom 04.10.2000 als Behinderungen berücksichtigt:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20).
2. Migräne (Einzel-GdB 20).
3. Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
Der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 16.07.2007 ist am 18.07.2007 bei dem Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken eingegangen. Die Klägerin hat hervorgehoben, dass sich ihre Migräne verschlimmert habe. Es bestünden nunmehr 10 bis 12 Schmerzattacken im Monat. Der Neurologe und Psychiater Dr. D. hat mit Befundbericht vom 23.07.2007 dargelegt, dass sich die Klägerin bislang am 04.07.2007 einmalig wegen migräneartigen Kopfschmerzen bei ihm vorgestellt habe, zumeist linksseitig verbunden mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit und gelegentlich mit Übelkeit sowie Veränderungen im Farbsehen einhergehend, ca. 12 bis 36 Stunden anhaltend, wobei 4 bis 6 Tage im Monat betroffen seien. Als Auslöser bekannt seien stressartige Belastungen, Wetterwechsel, ggf. auch Rhythmuswechsel. Medikamentös bestehe durchaus eine Indikation für eine Migräneprophylaxe, z.B. mit Metoprolol. Ansonsten könnte auf Triptane bedarfsweise zurückgegriffen werden. Belastet werde die Klägerin durch Sorgen um den kranken Ehemann, psychisch sei sie ansonsten unauffällig.
Gestützt auf die versorgungsärztlich-nervenärztliche Stellungnahme des Dr. B. hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Änderungs-Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken vom 12.10.2007 den GdB ab 18.07.2007 mit 40 festgestellt, weil sich die Gesundheitsstörung Migräne verschlimmert habe (Einzel-GdB nunmehr 30).
Dr. S. hat nach Auswertung der im Widerspruchsverfahren beigezogenen Unterlagen mit versorgungsärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 18.02.2008 ausgeführt, dass der Gesamt-GdB unverändert 40 betrage, auch wenn neu eine Belastungseinschränkung der Hüftgelenke bei degenerativen Veränderungen mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen sei. Die Migräne sei unverändert mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend bewertet. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen bedinge unverändert einen Einzel-GdB von 20. Der Bluthochdruck wirke sich mit einem Einzel-GdB von 10 ebenfalls nicht GdB erhöhend aus. Die angegebene Dysthymie bedinge darüber hinaus keinen höheren GdB.
In Folgenden ist der Widerspruch gegen den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken vom 12.10.2007 mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 17.03.2008 zurückgewiesen worden.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 09.10.2008 die Ärztin für Innere Medizin und für Öffentliches Gesundheitswesen Dr. B. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Diese hat mit Gutachten vom 20.11.2008 das Vorliegen eines Gesamt-GdB von 40 als korrekt bewertet. Die einzelnen Gesundheitsstörungen seien richtig formuliert und nach den "Anhaltspunkten 2008" angemessen berücksichtigt.
Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige Dr. B. ist mit neurologischem Gutachten vom 25.02.2009 zu dem nämlichen Ergebnis gekommen: Der Gesamt-GdB für die zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen erscheine ihm mit 40 als angemessen bewertet. Nach den aktuellen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" sei eine mittelgradige Migräneerkrankung mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten; die im Bescheid gewährte Einzelbewertung des GdB mit 30 sei als angemessen anzusehen.
Nach entsprechender Ankündigung hat das Sozialgericht Würzburg die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2009 abgewiesen und sich hierbei auf die übereinstimmenden ärztlichen Voten der Dr. B. vom 20.11.2008 und des Dr. B. vom 25.02.2009 gestützt.
Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 05.06.2009 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Behinderten-Akten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Streitakten S 2 SB 623/98 und S 14 SB 260/08 beigezogen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin hoben mit Berufungsbegründung vom 27.10.2009 hervor, dass die Migräneerkrankung der Klägerin nicht lediglich als mittelgradig ausgeprägt zu klassifizieren sei, sondern vielmehr als hochgradig. Es werde darauf hingewiesen, dass die Migräne der Klägerin zur Berufsaufgabe geführt habe. Dr. B. als Neurologe habe nach eigenen Angaben in seinem Gutachten vom 25.02.2009 die Einzel-GdB-Bewertung des Bluthochdrucks und der Wirbelsäulenerkrankung nicht beurteilen können.
Dr. D. teilte mit internistischem Befundbericht vom 04.12.2009 mit, dass die Klägerin auf Grund der bestehenden Migräne linksseitig anfallsweise an Kopfschmerzen mit Erbrechen leide, verbunden mit einer Licht- und Geruchsempfindlichkeit. Das Vorliegen der Hypertonie wurde mit einem aktuell gut eingestellten Blutdruck von RR 120/80 mm/Hg bestätigt. An weiteren Diagnosen nannte Dr. D. eine chronische Cervicocephalgie sowie eine Lumboischialgie. Die Beschwerden seien chronisch persistierend; neue Leiden seien nicht hinzugekommen, alte nicht weggefallen.
Der Senat bestellte mit Beweisanordnung vom 08.12.2009 Dr.S. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser führte mit orthopädischem Gutachten vom 27.01.2010 aus, dass im Bereich beider Kniegelenke kein wesentlicher krankhafter Befund feststellbar sei. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen würde nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen. Gleiches gelte für den Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von weiterhin 10. Die Migräne sei entsprechend dem mitgebrachten Therapiebuch als mittelgradig mit einem Einzel-GdB von 30 einzustufen. Insgesamt zeige sich absolut keinerlei Veränderung zu der Entscheidung vom 10.12.2007: Der GdB sei weiterhin höchstens mit 40, niemals mit 50 zu bewerten.
Der Senat übermittelte den Bevollmächtigten der Klägerin das Gutachten des Dr. S. vom 21.01.2010 zur Kenntnis- und Stellungnahme bis 31.03.2010. Im Hinblick auf das eindeutige Votum von Dr. S. sei keine weitere Begutachtung nach § 106 SGG mehr vorgesehen. Die Migräne sei mit einem Einzel-GdB von 30 mitberücksichtigt worden. Es werde angeregt, die Berufung zurückzunehmen, sofern kein weiterer Gutachter nach § 109 SGG auf eigenes Kostenrisiko benannt werde. Die erbetene Frist zur Stellungnahme wurde antragsgemäß bis 23.04.2010 verlängert.
Mit Schriftsatz vom 21.04.2010 hoben die Bevollmächtigten der Klägerin hervor, dass kein Einverständnis mit einem Gesamt-GdB von nur 40 bestehe. Insbesondere gelte dies hinsichtlich der Bewertung der Migräne mit einem Einzel-GdB von lediglich 30. Wie bereits dargelegt sei die Migräneerkrankung der Klägerin nicht lediglich als mittelgradig anzusehen, sondern vielmehr als hochgradig. Ergänzend werde mitgeteilt, dass sich die Migräne der Klägerin weiter verschlechtert habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2010 ist für die Klägerin niemand erschienen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat bereits mit Schriftsatz vom 27.10.2009 beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2008 aufzuheben und
2. den Beklagten zu verurteilen, bei der Klägerin einen GdB von mindestens 50 ab dem 18.07.2007 festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 12.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2008 mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2009 zutreffend abgewiesen.
Die Klägerin ist nicht schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 SGB IX, da der GdB mit 40 bereits zutreffend festgestellt worden ist.
Gemäß § 69 Abs.1 SGB IX i.V.m. § 30 Abs.1 und 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sind zur Beurteilung der jeweiligen Funktionsstörungen und -beeinträchtigungen die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung) zu Grunde zu legen. Sie haben die vormals geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 ff., 2008" mit Wirkung zum 01.01.2009 abgelöst. Die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" sind in ihrer jeweils gültigen Fassung bis einschließlich 31.12.2008 als sogenannte "antizipierte Gutachten" hinsichtlich des Bewertungsrahmens zu Grunde gelegt worden (Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 in NJW 1995, S.3049, 3050; Bundessozialgericht mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SGb 2004 S.3078 ff.).
Sowohl der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten als auch sämtliche gerichtlich bestellte Sachverständige (Dr. B. mit Gutachten vom 20.11.2008, Dr. B. mit Gutachten vom 25.02.2009 und Dr. S. mit Gutachten vom 27.01.2010) haben ausdrücklich einen Einzel-GdB von 30 für die Migräne als zutreffend erachtet. Dies entspricht den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.26.3 bzw. nunmehr den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" im Teil B Rz.2.3: Danach ist eine echte Migräne der mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Eine echte Migräne der schweren Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) ist mit einem Einzel-GdB von 50 bis 60 zu berücksichtigen. - Hier liegt eine echte Migräne der mittelgradigen Verlaufsform mit einem Einzel-GdB von 30 vor, weil die Klägerin auch nach eigenen Angaben ein- bis zweimal in der Woche einen echten Migräneanfall bekommt, der etwa 2 bis 36 Stunden anhält. Dies korrespondiert mit den Befundberichten des Dr. D. vom 23.07.2007 und 28.08.2008 und dem weiteren Befundbericht des Hausarztes Dr. D. vom 04.12.2009.
Der Senat berücksichtigt dabei besonders, dass zuletzt Dr. S. mit orthopädischem Gutachten vom 27.01.2010 fachfremd diese Bewertung des Einzel-GdB von 30 für die Migräne, wie sie unter anderem von Dr. B. mit Gutachten vom 25.02.2009 eingeschätzt wurde, bestätigt hat. Nachdem Dr. S. als erfahrener Gutachter das mitgebrachte Therapiebuch eingesehen und ausgewertet hat, bestehen für den erkennenden Senat keine Zweifel daran, dass das übereinstimmende Votum aller am Verfahren beteiligter Ärzte zutreffend ist. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist daher nicht veranlasst gewesen. Dies gilt auch in Berücksichtigung der Behauptung mit Schriftsatz vom 21.04.2010, die Migräne der Klägerin habe sich weiter verschlechtert. Der diesbezügliche Vortrag ist ohne jegliche nähere Erläuterung oder gar Beifügung ärztlicher Unterlagen nicht ausreichend substantiiert.
Im Übrigen kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob die Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet einen Einzel-GdB von 20 oder nur 10 bedingen (vgl. Gutachten des Dr. S. vom 05.06.2000 und Gutachten der Dr. B. vom 20.11.2008 einerseits bzw. Gutachten des Dr. S. vom 27.01.2010 andererseits). Die divergierenden ärztlichen Voten bewegen sich in dem Bewertungsrahmen, den sowohl die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.26.18 als auch nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Teil B Rz.18.9 und 18.14 vorgeben. In dem vorliegenden Fall wirkt sich dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht aus. Unabhängig davon würde die Klägerin hinsichtlich der Feststellung des Gesamt-GdB auch durch das Verbot einer reformatio in peius geschützt.
Ausweislich des Befundberichtes des Dr.D. vom 04.12.2009 bedingt die bei der Klägerin bestehende Hypertonie aktuell einen Bluthochdruck von RR 120/80 mm/HG. Ältere Werte waren aktenkundig höher (Dr. D. am 19.01.1998: 190/100 mm/HG). Insoweit ist ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Denn es handelt sich um eine Hypertonie der leichten Form noch ohne Organbeteiligung und offenbar derzeit gut eingestellt (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.26.9 bzw. die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" im Teil B Rz.9.3).
Trotzdem bei der Klägerin mehrere Funktionsstörungen bzw. -beeinträchtigungen vorliegen, ist bei der Bildung des Gesamt-GdB eine Feststellung von 40 maximal möglich. Denn bei der Beurteilung des Gesamt-GdB-Grades ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB-Grad bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnten, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen ("Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.19; "Versorgungsmedizinische Grundsätze" im Teil A Rz.3 insbesondere 3dee).
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2009 zurückzuweisen. Die Anwesenheit der Klägerin oder eines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2010 ist hierbei nicht erforderlich gewesen (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1949 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Streitig ist die Neufeststellung ab Juli 2007.
Der Beklagte hat es mit dem Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. vom 18.06.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 05.08.1998 abgelehnt, einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 20 festzustellen. Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Würzburg den Medizinaldirektor Dr. S. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Entsprechend dem Ergebnis seines Gutachtens vom 05.06.2000 haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2000 wie folgt vergleichsweise geeinigt: Für die Zeit ab 09.02.1998 (Antragstellung) beträgt der GdB 20, für die Zeit ab 05.06.2000 beträgt der GdB 30. Hierbei hat der Beklagte mit Ausführungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. vom 04.10.2000 als Behinderungen berücksichtigt:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20).
2. Migräne (Einzel-GdB 20).
3. Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
Der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 16.07.2007 ist am 18.07.2007 bei dem Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken eingegangen. Die Klägerin hat hervorgehoben, dass sich ihre Migräne verschlimmert habe. Es bestünden nunmehr 10 bis 12 Schmerzattacken im Monat. Der Neurologe und Psychiater Dr. D. hat mit Befundbericht vom 23.07.2007 dargelegt, dass sich die Klägerin bislang am 04.07.2007 einmalig wegen migräneartigen Kopfschmerzen bei ihm vorgestellt habe, zumeist linksseitig verbunden mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit und gelegentlich mit Übelkeit sowie Veränderungen im Farbsehen einhergehend, ca. 12 bis 36 Stunden anhaltend, wobei 4 bis 6 Tage im Monat betroffen seien. Als Auslöser bekannt seien stressartige Belastungen, Wetterwechsel, ggf. auch Rhythmuswechsel. Medikamentös bestehe durchaus eine Indikation für eine Migräneprophylaxe, z.B. mit Metoprolol. Ansonsten könnte auf Triptane bedarfsweise zurückgegriffen werden. Belastet werde die Klägerin durch Sorgen um den kranken Ehemann, psychisch sei sie ansonsten unauffällig.
Gestützt auf die versorgungsärztlich-nervenärztliche Stellungnahme des Dr. B. hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Änderungs-Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken vom 12.10.2007 den GdB ab 18.07.2007 mit 40 festgestellt, weil sich die Gesundheitsstörung Migräne verschlimmert habe (Einzel-GdB nunmehr 30).
Dr. S. hat nach Auswertung der im Widerspruchsverfahren beigezogenen Unterlagen mit versorgungsärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 18.02.2008 ausgeführt, dass der Gesamt-GdB unverändert 40 betrage, auch wenn neu eine Belastungseinschränkung der Hüftgelenke bei degenerativen Veränderungen mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen sei. Die Migräne sei unverändert mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend bewertet. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen bedinge unverändert einen Einzel-GdB von 20. Der Bluthochdruck wirke sich mit einem Einzel-GdB von 10 ebenfalls nicht GdB erhöhend aus. Die angegebene Dysthymie bedinge darüber hinaus keinen höheren GdB.
In Folgenden ist der Widerspruch gegen den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Unterfranken vom 12.10.2007 mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 17.03.2008 zurückgewiesen worden.
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Würzburg nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 09.10.2008 die Ärztin für Innere Medizin und für Öffentliches Gesundheitswesen Dr. B. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Diese hat mit Gutachten vom 20.11.2008 das Vorliegen eines Gesamt-GdB von 40 als korrekt bewertet. Die einzelnen Gesundheitsstörungen seien richtig formuliert und nach den "Anhaltspunkten 2008" angemessen berücksichtigt.
Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige Dr. B. ist mit neurologischem Gutachten vom 25.02.2009 zu dem nämlichen Ergebnis gekommen: Der Gesamt-GdB für die zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen erscheine ihm mit 40 als angemessen bewertet. Nach den aktuellen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" sei eine mittelgradige Migräneerkrankung mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten; die im Bescheid gewährte Einzelbewertung des GdB mit 30 sei als angemessen anzusehen.
Nach entsprechender Ankündigung hat das Sozialgericht Würzburg die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2009 abgewiesen und sich hierbei auf die übereinstimmenden ärztlichen Voten der Dr. B. vom 20.11.2008 und des Dr. B. vom 25.02.2009 gestützt.
Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 05.06.2009 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des Senats wurden die Behinderten-Akten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Streitakten S 2 SB 623/98 und S 14 SB 260/08 beigezogen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin hoben mit Berufungsbegründung vom 27.10.2009 hervor, dass die Migräneerkrankung der Klägerin nicht lediglich als mittelgradig ausgeprägt zu klassifizieren sei, sondern vielmehr als hochgradig. Es werde darauf hingewiesen, dass die Migräne der Klägerin zur Berufsaufgabe geführt habe. Dr. B. als Neurologe habe nach eigenen Angaben in seinem Gutachten vom 25.02.2009 die Einzel-GdB-Bewertung des Bluthochdrucks und der Wirbelsäulenerkrankung nicht beurteilen können.
Dr. D. teilte mit internistischem Befundbericht vom 04.12.2009 mit, dass die Klägerin auf Grund der bestehenden Migräne linksseitig anfallsweise an Kopfschmerzen mit Erbrechen leide, verbunden mit einer Licht- und Geruchsempfindlichkeit. Das Vorliegen der Hypertonie wurde mit einem aktuell gut eingestellten Blutdruck von RR 120/80 mm/Hg bestätigt. An weiteren Diagnosen nannte Dr. D. eine chronische Cervicocephalgie sowie eine Lumboischialgie. Die Beschwerden seien chronisch persistierend; neue Leiden seien nicht hinzugekommen, alte nicht weggefallen.
Der Senat bestellte mit Beweisanordnung vom 08.12.2009 Dr.S. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser führte mit orthopädischem Gutachten vom 27.01.2010 aus, dass im Bereich beider Kniegelenke kein wesentlicher krankhafter Befund feststellbar sei. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen würde nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen. Gleiches gelte für den Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von weiterhin 10. Die Migräne sei entsprechend dem mitgebrachten Therapiebuch als mittelgradig mit einem Einzel-GdB von 30 einzustufen. Insgesamt zeige sich absolut keinerlei Veränderung zu der Entscheidung vom 10.12.2007: Der GdB sei weiterhin höchstens mit 40, niemals mit 50 zu bewerten.
Der Senat übermittelte den Bevollmächtigten der Klägerin das Gutachten des Dr. S. vom 21.01.2010 zur Kenntnis- und Stellungnahme bis 31.03.2010. Im Hinblick auf das eindeutige Votum von Dr. S. sei keine weitere Begutachtung nach § 106 SGG mehr vorgesehen. Die Migräne sei mit einem Einzel-GdB von 30 mitberücksichtigt worden. Es werde angeregt, die Berufung zurückzunehmen, sofern kein weiterer Gutachter nach § 109 SGG auf eigenes Kostenrisiko benannt werde. Die erbetene Frist zur Stellungnahme wurde antragsgemäß bis 23.04.2010 verlängert.
Mit Schriftsatz vom 21.04.2010 hoben die Bevollmächtigten der Klägerin hervor, dass kein Einverständnis mit einem Gesamt-GdB von nur 40 bestehe. Insbesondere gelte dies hinsichtlich der Bewertung der Migräne mit einem Einzel-GdB von lediglich 30. Wie bereits dargelegt sei die Migräneerkrankung der Klägerin nicht lediglich als mittelgradig anzusehen, sondern vielmehr als hochgradig. Ergänzend werde mitgeteilt, dass sich die Migräne der Klägerin weiter verschlechtert habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2010 ist für die Klägerin niemand erschienen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat bereits mit Schriftsatz vom 27.10.2009 beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2008 aufzuheben und
2. den Beklagten zu verurteilen, bei der Klägerin einen GdB von mindestens 50 ab dem 18.07.2007 festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 12.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2008 mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2009 zutreffend abgewiesen.
Die Klägerin ist nicht schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 SGB IX, da der GdB mit 40 bereits zutreffend festgestellt worden ist.
Gemäß § 69 Abs.1 SGB IX i.V.m. § 30 Abs.1 und 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sind zur Beurteilung der jeweiligen Funktionsstörungen und -beeinträchtigungen die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung) zu Grunde zu legen. Sie haben die vormals geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 ff., 2008" mit Wirkung zum 01.01.2009 abgelöst. Die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" sind in ihrer jeweils gültigen Fassung bis einschließlich 31.12.2008 als sogenannte "antizipierte Gutachten" hinsichtlich des Bewertungsrahmens zu Grunde gelegt worden (Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 in NJW 1995, S.3049, 3050; Bundessozialgericht mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SGb 2004 S.3078 ff.).
Sowohl der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten als auch sämtliche gerichtlich bestellte Sachverständige (Dr. B. mit Gutachten vom 20.11.2008, Dr. B. mit Gutachten vom 25.02.2009 und Dr. S. mit Gutachten vom 27.01.2010) haben ausdrücklich einen Einzel-GdB von 30 für die Migräne als zutreffend erachtet. Dies entspricht den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.26.3 bzw. nunmehr den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" im Teil B Rz.2.3: Danach ist eine echte Migräne der mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Eine echte Migräne der schweren Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) ist mit einem Einzel-GdB von 50 bis 60 zu berücksichtigen. - Hier liegt eine echte Migräne der mittelgradigen Verlaufsform mit einem Einzel-GdB von 30 vor, weil die Klägerin auch nach eigenen Angaben ein- bis zweimal in der Woche einen echten Migräneanfall bekommt, der etwa 2 bis 36 Stunden anhält. Dies korrespondiert mit den Befundberichten des Dr. D. vom 23.07.2007 und 28.08.2008 und dem weiteren Befundbericht des Hausarztes Dr. D. vom 04.12.2009.
Der Senat berücksichtigt dabei besonders, dass zuletzt Dr. S. mit orthopädischem Gutachten vom 27.01.2010 fachfremd diese Bewertung des Einzel-GdB von 30 für die Migräne, wie sie unter anderem von Dr. B. mit Gutachten vom 25.02.2009 eingeschätzt wurde, bestätigt hat. Nachdem Dr. S. als erfahrener Gutachter das mitgebrachte Therapiebuch eingesehen und ausgewertet hat, bestehen für den erkennenden Senat keine Zweifel daran, dass das übereinstimmende Votum aller am Verfahren beteiligter Ärzte zutreffend ist. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist daher nicht veranlasst gewesen. Dies gilt auch in Berücksichtigung der Behauptung mit Schriftsatz vom 21.04.2010, die Migräne der Klägerin habe sich weiter verschlechtert. Der diesbezügliche Vortrag ist ohne jegliche nähere Erläuterung oder gar Beifügung ärztlicher Unterlagen nicht ausreichend substantiiert.
Im Übrigen kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob die Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet einen Einzel-GdB von 20 oder nur 10 bedingen (vgl. Gutachten des Dr. S. vom 05.06.2000 und Gutachten der Dr. B. vom 20.11.2008 einerseits bzw. Gutachten des Dr. S. vom 27.01.2010 andererseits). Die divergierenden ärztlichen Voten bewegen sich in dem Bewertungsrahmen, den sowohl die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.26.18 als auch nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Teil B Rz.18.9 und 18.14 vorgeben. In dem vorliegenden Fall wirkt sich dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht aus. Unabhängig davon würde die Klägerin hinsichtlich der Feststellung des Gesamt-GdB auch durch das Verbot einer reformatio in peius geschützt.
Ausweislich des Befundberichtes des Dr.D. vom 04.12.2009 bedingt die bei der Klägerin bestehende Hypertonie aktuell einen Bluthochdruck von RR 120/80 mm/HG. Ältere Werte waren aktenkundig höher (Dr. D. am 19.01.1998: 190/100 mm/HG). Insoweit ist ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Denn es handelt sich um eine Hypertonie der leichten Form noch ohne Organbeteiligung und offenbar derzeit gut eingestellt (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.26.9 bzw. die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" im Teil B Rz.9.3).
Trotzdem bei der Klägerin mehrere Funktionsstörungen bzw. -beeinträchtigungen vorliegen, ist bei der Bildung des Gesamt-GdB eine Feststellung von 40 maximal möglich. Denn bei der Beurteilung des Gesamt-GdB-Grades ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB-Grad bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnten, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen ("Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" in Rz.19; "Versorgungsmedizinische Grundsätze" im Teil A Rz.3 insbesondere 3dee).
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2009 zurückzuweisen. Die Anwesenheit der Klägerin oder eines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2010 ist hierbei nicht erforderlich gewesen (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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