L 2 U 444/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 338/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 444/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 252/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Anerkennung einer BK 2108 setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule voraus.
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München
vom 8. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Versicherten als Berufskrankheit nach Ziffer 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen ist.

Der 1964 geborene Versicherte, verstorben am 21.08.2009, arbeitete seit 1993 als Maurer in Deutschland. Am 25.01.2002 erstattete die AOK Bayern eine Berufskrankheitenanzeige im Hinblick auf eine seit 1998 bestehende Lendenwirbelsäulenerkrankung. Mit ärztlicher Anzeige vom 10.06.2002 bestätigte der Orthopäde Dr. B. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit Diskusprolaps im Segment L 5/S 1.

Die Beklagte ermittelte die arbeitstechnischen Voraussetzungen durch Befragung des Versicherten und seines Arbeitsgebers. Der Versicherte gab an, in Jugoslawien von 1987 bis 1993 als Polier gearbeitet zu haben. Heben und Tragen schwerer Lasten und Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verneinte er. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) errechnete eine Gesamtbelastungsdosis der Lendenwirbelsäule nach dem "Mainz- Dortmunder Dosismodell" (MDD) in Höhe von 10 MNh für den Zeitraum 1993 bis 2002. Der vorgeschlagene Richtwert für eine Mindestexposition von 25 MNh werde deshalb nicht erreicht. Eine Gefährdung im Sinne der BK 2108 könne aus technischer Sicht nicht bestätigt werden.

Mit Bescheid vom 02.02.2005 lehnte die Beklagte dementsprechend die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Versicherten als BK Nr.2108 ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 28.04.2005 zurückgewiesen.

Am 30.05.2005 erhob der Versicherte Klage beim Sozialgericht München (SG). Zur Begründung führte sein Bevollmächtigter aus, dass der Versicherte auf Grund seiner beruflichen Tätigkeiten Bandscheibenschäden, Schwerhörigkeit mit Tinnitus, Funktionsbehinderung des Kniegelenks links, Blutung im Gehirnstamm, seelische Störung und chronisches Kopfschmerzsyndrom erlitten habe. Er wies darauf hin, dass die Beklagte eine gutachterliche Untersuchung vorgeschlagen hatte, die nicht erfolgte. Die Gesamtbelastung der Lendenwirbelsäule sei höher gewesen.

Das SG erhob daraufhin Beweis durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens. Der Orthopäde Dr. P. führte in seinem Gutachten vom 23.06.2008 aus, weder die Exposition reiche aus noch sei eine bandscheibenbedingte Erkrankung gesichert. Nach den Konsensempfehlungen sei deshalb eine BK 2108 nicht zu bejahen. Der Versicherte wies darauf hin, dass nicht sämtliche von ihm durchgeführte Arbeiten im Gutachten des TAD berücksichtigt worden seien.

Der Versicherte legte ein Gutachten der Nervenfachärztin Dr. B. vom 02.04.2008 in dem Rechtsstreit S 36 SB 957/06 beim Sozialgericht München vor. Diese setzte für ein LWS-Syndrom mit Wurzelirritation einen GdB von 20 an. Das Gleiche gelte für einen kleinen medialen Bandscheibenprolaps C 6/7 und ein Zervikobrachialsyndrom.

Mit Urteil vom 08.10.2008 wies das SG die Klage ab. Gleichzeitig erlegte es dem Kläger Verfahrenskosten in Höhe von 150,00 EUR auf. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Es seien nicht einmal 50 % des nach dem MDD ermittelten Wertes für die Gesamtbelastungsdosis erreicht oder überschritten worden. Diese Grenze liege bei 12,5 MNh und werde vorliegend deutlich verfehlt. Auch die medizinischen Voraussetzungen lägen nach dem Gutachten des Dr. P. nicht vor.

Hiergegen hat der Versicherte Berufung eingelegt und auf seine Tätigkeiten als Bausanierer verwiesen. Diese Tätigkeiten passten nicht in das Mainz-Dortmunder Dosismodell. Dieses sei nicht anwendbar.

Dr. P. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 30.01.2009 ausgeführt, es bestehe dann eine bandscheibenbedingte Erkrankung, wenn einer radiologisch oder kernspintomographisch lokalisierten Bandscheibenläsion die entsprechende segmentale neurologische Symptomatik zugeordnet werden könne. Beim Kläger sei die letzte Bandscheibe mäßiggradig isoliert verschmälert. Zu fordern wäre also eine diesem Segment zuzuordnende Sensibilitätsstörung und eine Achilles-Sehnen-Reflexabschwächung der zugehörigen Seite. Dies ergebe sich aus den in der Akte erhaltenen neurologischen Befunden nicht. Ein Bandscheibenschaden zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper liege nicht vor, wie sich aus den kernspintomographischen Befunden aus dem Jahre 2004 ergebe. Ein mehrsegmentaler von oben nach unten zunehmender Bandscheibenbefall der Lendenwirbelsäule sei nicht bestätigt.

Auf Antrag des Versicherten hat die Nervenfachärztin Dr. Q. am 23.01.2010 ein weiteres Gutachten erstellt. Dr. Q. hat ausgeführt, auf Grund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse und Aktenunterlagen sei nicht eindeutig zu beantworten, ob Befunde im Sinne einer BK nach Nr.2108 vorlägen. Zur Beantwortung dieser Frage seien neurologische und elektrophysiologische Untersuchungen erforderlich, die nicht mehr durchgeführt werden konnten. Der Bevollmächtigte des Klägers hat nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger auf Grund seiner Tätigkeit verschiedene Schädigungen erlitten habe. Diese seien in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen.

Nach dem Tod des Klägers haben seine Witwe und die vier minderjährigen Kinder den Rechtsstreit fortgeführt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.10.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2005 aufzuheben und festzustellen, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit nach Nr.2108 der BKV vorliegt, und die Verhängung von Verfahrenskosten in Höhe von 150,00 EUR auf die Staatskasse aufzuheben.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Streitgegenstand ist lediglich die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV, die die Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2005 abgelehnt hat. Soweit sich der Kläger auf eine Multimorbidität als Berufskrankheit beruft, ist dies von dem Streitgegenstand nicht umfasst. Jede Berufskrankheit stellt einen eigenen Versicherungsfall im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB VII dar, der einer gesonderten Prüfung und Entscheidung bedarf. Unabhängig davon, ob die schriftsätzlich behauptete Multimorbidität eine Berufskrankheit im Sinne des § 9 SGB VII darstellt, wurde bislang noch nicht einmal ein Antrag auf Anerkennung der Multimorbidität als Berufskrankheit gestellt.

Zu Recht hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Beim Versicherten ist eine BK 2108 nicht nachgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Kläger sind gemäß § 56 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Sonderrechtsnachfolger des verstorbenen Versicherten und deshalb berechtigt, die Berufung nach dem Tod des Klägers fortzuführen.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Zum einen wurden die arbeitstechnischen Voraussetzungen zutreffend verneint. Auch die erneute Aufzählung der vom Versicherten durchgeführten Tätigkeiten bei der Bausanierung kann hieran nichts ändern. Die BK 2108 versichert nur ganz bestimmte Tätigkeiten, nämlich das Heben und Tragen schwerer Lasten bzw. langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung. Die vom Bevollmächtigten dargestellten Tätigkeiten sind körperliche Schwerarbeit, fallen aber nicht sämtlich unter diese Voraussetzungen. Weitere Berufskrankheiten werden in bereits anhängigen Verfahren geprüft.

Es ist unstreitig, dass der Versicherte von 1993 bis zu seiner Erkrankung und dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben schwere körperliche Arbeit verrichtet hat. Im hiesigen Verfahren können jedoch nur Tätigkeiten berücksichtigt werden, die unter die Definition der BK 2108 fallen. Der Kläger hat hier auch nicht die geforderte halbe Belastung nach dem MDD erfüllt. Bis zum Auftreten der ersten Beschwerden sind im Übrigen nur fünf Jahre vergangen. Auch dies ist nur die Hälfte der in der Regel geforderten Belastungszeit.

Die vom Kläger benannte Sachverständige Dr. Q. führt in ihrem Gutachten aus, die medizinischen Voraussetzungen könnten letztendlich nicht mehr geklärt werden, da sie hierfür erforderliche Untersuchungen wegen des Todes des Klägers nicht mehr durchführen konnte. Im Übrigen ergeben die von Dr. P. nochmals in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat dargelegten Befunde nicht das Schadensbild, das die BK 2108 voraussetzt. Dr. P. hat bei seinen Ausführungen die Konsensempfehlungen berücksichtigt. Er hat alle zur Verfügung stehenden radiologischen Befunde ausgewertet. Eine Nervenwurzelirritation ist nicht nachgewiesen. Dies hat wohl auch die Sachverständige Dr. Q. so gesehen, da sie die medizinischen Fragen am Ende ihres Gutachtens offen gelassen hat.

Somit war die Berufung zurückzuweisen. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.10.2008 entspricht der Sach- und Rechtslage. Dies gilt auch für die Verfahrenskosten nach § 192 SGG.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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