L 20 R 260/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4457/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 260/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem (hier: Erfüllung der sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen am Stichtag 30.06.1990).
2. Vertrauensschutz aufgrund der verfassungskonformen Auslegung des § 1 AAÜG ist ausgeschlossen, wenn der Betroffene am 30.06.1990 das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.11.2007 - L 3 R 518/05).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.01.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Nr 1 der Anl 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, im Zeitraum vom 17.08.1950 bis 06.07.1988 Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz (AVItech) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte festzustellen.

Der 1925 geborene Kläger legte am 28.02.1950 die staatliche Abschlussprüfung an der Ingenieurschule in der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfolg ab. Vom 01.03.1950 bis 06.07.1988 war der Kläger als Elektroingenieur, Haupt-Energetiker bzw. Fachbereichsleiter Problemanalytiker in der ehemaligen DDR beschäftigt. Zuletzt arbeitete er in dem volkseigenen Betrieb (VEB) Hydrierwerk Z. Mineralölwerk L ... Mit Rentenbescheid vom 07.07.1988 gewährte der FDGB Kreisvorstand N. dem Kläger Bergmanns-Invalidenrente ab 01.08.1988 (bis 31.08.1989 lt. Nachweis des FDGB vom 27.02.1990 / bis 30.11.1989 lt. Mitteilung der Sozialversicherung der Kreisverwaltung N. vom 26.11.1990).

Der Kläger übersiedelte am 22.08.1989 von der ehemaligen DDR in das Bundesgebiet und beantragte am 13.09.1989 bei der Bundesknappschaft die Gewährung von Knappschaftsruhegeld bei Vollendung des 63. Lebensjahres. Er gab an, in der DDR zuletzt am 01.08.1988 gearbeitet zu haben. Aufgrund des Bezuges von Altersrente habe er seine Tätigkeit aufgegeben. Unter dem 08.02.1990 gab der Kläger gegenüber der Bundesknappschaft an, am 22.08.1988 seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen zu haben, die bisherige Wohnung in N. sei beschlagnahmt und anderweitig vermietet worden. Er habe keine Beziehungen mehr zur DDR. Nach der Bescheinigung des Volkspolizei-Kreisamtes vom 27.02.1990 ist der Kläger bis 01.09.1989 in N. gemeldet gewesen und nach der Bundesrepublik abgemeldet worden.

Auf den Antrag des Klägers vom 13.09.1989 und mit Rentenbeginn 22.08.1989 gewährte die Bundesknappschaft Knappschaftsruhegeld nach Vollendung des 63. Lebensjahres (Bescheid vom 27.03.1990) bzw. Knappschaftsruhegeld nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Bescheid vom 20.03.1995, neu festgestellt durch Bescheid vom 11.08.2005).

Mit Bescheid vom 31.05.2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 26.03.2001 auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anl 1 zum AAÜG ab, da eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs 1 AAÜG nicht entstanden sei. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30.06.1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre.

Am 18.04.2005 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 31.05.2002 und die Feststellung von Zeiten (17.08.1950 bis 06.07.1988) der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem. In den Antragsunterlagen wies er unter dem 06.09.2005 darauf hin, bis zum 06.07.1988 bei dem VEB Hydrierwerk Z. Mineralölwerk L. tätig gewesen zu sein. Die Frage in den Antragsunterlagen, ob während der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem eine Teilzeitbeschäftigung vorgelegen habe, wurde vom Kläger verneint.

Mit Bescheid vom 16.01.2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 habe der Kläger keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs 1 AAÜG innegehabt. Der Kläger sei nicht am 30.06.1990 in der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen, habe die Einbeziehung nicht nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art 19 des Einigungsvertrages (EV) beanspruchen können und hätte aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 die Erteilung einer Versorgungszusage nicht beanspruchen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) finde die zusätzliche AVItech in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben nur dann Anwendung, wenn am Stichtag 30.06.1990 weitere Voraussetzungen erfüllt seien. Es fehle zumindest an der sog. betrieblichen Voraussetzung, am Stichtag in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen zu sein.

Zur Begründung des Widerspruches führte der Kläger aus, dass das Arbeitsverhältnis erst im Jahr 1995 durch einen vor dem Arbeitsgericht N. geschlossenen Vergleich aufgelöst worden sei. Der Kläger legte einen von ihm nicht unterzeichneten Aufhebungsvertrag vom 29.09.1988 vor, nach dem der Arbeitsvertrag mit dem VEB Hydrierwerk Z. Mineralölwerk L. aufgrund Invalidität mit Wirkung vom 31.07.1988 gelöst werde. Nach einer Aktennotiz des VEB - ohne Datum - habe der Kläger die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages verweigert. Der Kläger bezog sich weiter auf die Abschrift seines Schreibens vom 21.09.1988 an den VEB, nach dem er das "Formular Kündigung" ohne Unterzeichnung zurückgesandt habe. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.09.2007).

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Es sei nicht auf die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung abzustellen. Maßgebend sei, dass das Arbeitsverhältnis erst aufgrund des am 30.06.1995 vor dem Arbeitsgericht N. geschlossenen Vergleiches geendet habe. Nach einer Bestätigung der Fa. A. Mineralöl GmbH i.L. vom 24.10.1996 seien mit der Vergleichssumme in Höhe von 1.800 DM die Klageforderung und sämtliche (anderen) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten worden. Er habe bis 1995 auch einen Wohnsitz im Beitrittsgebiet gehabt (Hinweis auf eine Meldeaufforderung der Stadt F. vom 31.03.1993 an seine Ehefrau bzgl. einer Nebenwohnung).

Mit Urteil vom 22.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hätte bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG innegehabt, wenn aufgrund der zu diesem Zeitpunkt anzuwendenden Regelungen der Versorgungssysteme nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nur noch der Versorgungsfall (z.B. Invalidität) hätte eintreten müssen, so dass ihm aus bundesrechtlicher Sicht Versorgung hätte geleistet werden müssen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er am 30.06.1990 eine Beschäftigung ausgeübt hätte, aufgrund welcher ihm nach Bundesrecht zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Ergänzend sei auszuführen, dass das zwischen dem Kläger und dem VEB Hydrierwerk Z. Mineralölwerk L. bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 31.07.1988 zwar wegen fehlender Unterschrift des Klägers rechtlich nicht geendet habe, sondern lediglich bis zu dem arbeitsgerichtlichen Vergleich 1995 zum Ruhen gekommen sei. Dieses ruhende Arbeitsverhältnis reiche jedoch nicht aus, um von einer tatsächlich ausgeübten Beschäftigung am 30.06.1990 ausgehen zu können.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er habe über den 01.09.1988 hinaus bis zum 13.07.1995 im Rahmen einer "Halbtagsbeschäftigung, d.h. einer sporadischen Arbeitsaufnahme nach Anforderung", weitergearbeitet. In dem Schreiben vom 24.10.1996 des A.-Werkes werde der Sachverhalt richtig wiedergegeben. Die Abgeltung der "sämtlichen (anderen) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" bedeute eine globale Nachzahlung seiner Tätigkeit in dem Zeitraum vom 01.09.1988 bis 13.07.1995 und somit den Nachweis einer tatsächlich ausgeübten Arbeit. Im November 1989 sei er nach seinem Wohnsitz in F. zurückgekehrt. In den Jahren 1988 bis 1990 habe er regelmäßig in Teilzeitarbeit gearbeitet (12 Std./Woche lt. Schreiben vom 24.05.2008, 30 Std./Monat lt. Angaben im Erörterungstermin am 29.05.2008) Erst als die Produktion 1991 stark rückläufig gewesen sei, sei die Teilzeitarbeit fast eingestellt, das Beschäftigungsverhältnis aber nicht aufgelöst worden, dies sei erst am 13.07.1995 erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 29.05.2008 hat der Kläger seinen Ausweis für Arbeit- und Sozialversicherung vom 03.12.1985 zugeleitet. In dem Ausweis sei für die Zeit nach dem 01.01.1988 nicht das Datum vermerkt, wann die Tätigkeit geendet habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.01.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 31.05.2002 zurückzunehmen und die Zeiten vom 17.08.1950 bis 06.07.1988 als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.01.2008 zurückzuweisen.

Sie hält an der erstinstanzlichen Entscheidung fest. Es spiele auch keine Rolle, aus welchen Gründen der Kläger die maßgebliche Tätigkeit nicht mehr am 30.06.1990 ausgeübt habe.

Zur Ergänzung wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, der Deutschen Rentenversicherung B. und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 31.05.2002 gemäß § 44 Abs 2 SGB X insoweit zurückzunehmen, als darin die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anl 1 zum AAÜG und der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte abgelehnt worden ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten als solche der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der Anl 1 zum AAÜG und der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, so dass der Bescheid vom 16.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2007 insgesamt nicht zu beanstanden ist.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Beklagte zu den von dem Kläger begehrten Feststellungen nicht verpflichtet ist, weil der Kläger nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG unterfällt. Dies ergibt sich nicht schon daraus, dass das AAÜG auf Personen schlechterdings nicht anwendbar ist, die in kein Versorgungssystem der DDR einbezogen waren und vor dem 18.05.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen hatten (vgl. BSG Beschluss vom 19.10.2006 - B 4 RA 238/05 B - mwN). Denn der Kläger hat angegeben, dass er einen Wohnsitz im Beitrittsgebiet bis 1995 beibehalten habe. Dem ist nicht weiter nachzugehen, da sich die Nichtanwendung des § 1 Abs 1 AAÜG aus dem Folgendem ergibt.

Gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG). Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift erfüllt der Kläger beide Tatbestände nicht. Er war nicht Inhaber einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 bestehenden Versorgungsberechtigung (§ 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG). Zwar war beim Kläger bereits zum 01.08.1988 der Leistungsfall der Invalidität eingetreten, jedoch war dadurch weder ein Versorgungsanspruch noch eine Versorgungsanwartschaft entstanden, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt in die AVItech einbezogen worden war. Weder hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art 19 Satz 1 EV bindend gebliebenen Verwaltungsakts, noch hatte er eine positive Statusfeststellung der Beklagten erlangt. Er war auch nicht auf Grund einer späteren Rehabilitierungsentscheidung in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen worden. Der Kläger hat auch vor dem 30.06.1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt, die er bei einem Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis hätte verlieren können (§ 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG).

Der Kläger fällt auch nicht auf Grund der vom BSG vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG unter den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Auf Grund dieser erweiternden verfassungskonformen Auslegung ist zu prüfen, ob Nichteinbezogene aus der Sicht des am 01.08.1991 gültigen Bundesrechts auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG Urteile vom 18.12.2003 - B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 1, vom 26.10.2004 - B 4 RA 23/04 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 6; vgl. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsprechung einschließlich des Stichtages 30.06.1990: Beschluss des BVerfG vom 26.10.2005 - 1 BvR 1921/04 ua = NZS 2006, 314).

Ein fingierter Anspruch im Bereich der AVItech liegt nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30.06.1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung tatsächlich verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung). Abzustellen ist darauf, ob der Betroffene am 30.06.1990 tatsächlich beschäftigt war (BSG Urteil vom 10.02.2005 - B 4 RA 48/04). Beim Kläger ist weder die sachliche noch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, da der Kläger am 30.06.1990 eine entsprechende Tätigkeit tatsächlich nicht verrichtet hat und zu diesem Zeitpunkt weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Denn der Kläger ist bereits im Juli 1988 aus dem Erwerbsleben wegen Invalidität ausgeschieden. Ab 01.08.1988 hat er Invalidenrente bezogen. Mit Rentenbeginn am 22.08.1989 gewährte die Bundesknappschaft Altersrente (Knappschaftsruhegeld nach Vollendung des 63. Lebensjahres - Bescheid vom 27.03.1990 - und Knappschaftsruhegeld nach Vollendung des 65. Lebensjahres (=11.05.1990) - Bescheid vom 20.03.1995). Dass das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt worden sei, ist angesichts der fehlenden tatsächlichen Ausübung nicht von Bedeutung.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung erstmalig vorträgt, er habe tatsächlich bis zum 13.07.1995 gearbeitet und eine "Teilbeschäftigung" ausgeübt, eröffnet dies nicht den Anwendungsbereich des § 1 AAÜG. Zwar führte nach den Regelungen der DDR "Invalidität" nicht zwangsläufig zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitsrechtlich hatten Invalidenrentner einen Rechtsanspruch auf Teilbeschäftigung in dem von ihnen gewünschten Umfang, dh sie konnten eine von der gesetzlichen Arbeitszeit abweichende kürzere Arbeitszeit vereinbaren (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2005 - B 4 RA 3/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 8). Die Angaben des Klägers zur tatsächlichen Arbeitsleistung sind jedoch nicht nachvollziehbar. Zum einen sind im Ausweis für Arbeit- und Sozialversicherung für den Kläger in der Rubrik "Arbeit- und Sozialversicherungsverhältnisse" keine derartigen Verhältnisse für die Zeit nach 1988 eingetragen, sondern als "Ende" vermerkt "Invalidenrentenbezug ab 1.8.1988". Zum anderen hat der Kläger im Rentenantrag vom 13.09.1989 und am 08.02.1990 gegenüber der Bundesknappschaft angegeben, dass er seine Tätigkeit aufgegeben und keine Beziehungen mehr zur DDR hat. In seinem formularmäßigen Antrag vom 06.09.2005 hat er angegeben, während der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem keine Teilzeittätigkeit ausgeübt zu haben.

Darüber hinaus kann ein fingierter Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der genannten Rechtsprechung des BSG nicht bejaht werden, weil der Kläger am Stichtag 30.06.1990 nicht darauf vertrauen konnte, eine Versorgungszusage noch zu erhalten. Mit der verfassungskonformen Auslegung des § 1 AAÜG hat das BSG abschließend die Position all jener wesentlich verbessert, die von der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30.06.1990 "überrascht" worden waren und den formell-rechtlich notwendigen Antrag auf Einbeziehung nicht rechtzeitig hatten stellen können. Diesem Personenkreis gehörte der Kläger nicht an, weil er nach Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (VO-AVItech) vom 17.08.1950 (GBl Nr 93 S 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (2. DB) vom 24.05.1951 (GBl Nr 62 S 487) nach Eintritt des für ihn spätestmöglichen Versicherungsfalls "Alter" (=Vollendung des 65. Lebensjahres) am 11.05.1990 nicht mehr am 30.06.1990 mit der Einbeziehung in das Versorgungssystem rechnen konnte. Aus diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass die Einbeziehung in die AVItech nur vor bzw. spätestens mit dem Eintritt des Versicherungsfalls "Alter" erfolgen konnte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.11.2007 - L 3 R 518/05 - zitiert nach juris).

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.01.2008 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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