Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 481/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 473/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der Bestellung eines besonderen Vertreters
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Nürnberg vom 28.04.2010 (S 13 AS 481/10 ER) wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 11 AS 473/10 B ER wird abgelehnt.
IV. Die Bestellung eines besonderen Vertreters für das Beschwerdeverfahren
L 11 AS 473/10 B ER wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (ASt) begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Kostenübernahme für seinen Krankenrücktransport von den Philippinen.
Am 22.08.2009 beantragten die Eltern (E.; geb. 1962 und J. A.; geb. 1936) sowie der Bruder (P.; geb. 1992) des 1991 geborenen ASt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der ASt sei ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, halte sich aber seit April 2005 auf den Philippinen auf. Er sei nach einer Nierentransplantation dort auf eine regelmäßige Dialysebehandlung angewiesen. Zudem leide er an Asthma. Durch seine Behandlung auf den Philippinen seien Kosten in Höhe von über 50.000,00 EUR entstanden, die er vor seiner Ausreise begleichen müsse, da er ansonsten das Land nicht verlassen dürfe.
Der Mutter und dem Bruder des ASt bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2010 laufende Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 22.08.2009 bis 28.02.2010. Der ASt habe keinen Anspruch, weil dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland habe.
Am 11.02.2010 hat der ASt - vertreten durch seine Mutter - hiergegen Klage zum Sozialgericht B-Stadt (S 5 AS 450/10) erhoben und u.a. unter Ziffer 2 und 3 des Klageantrages beantragt, "der Klägerin ihren nieren- und asthmakranken Sohn A. (den ASt) zu ihrer Bedarfsgemeinschaft mit anrechnen zu müssen" (Ziffer 2) und "der Klägerin die 40.000,00 EUR für den Kranken- Rücktransport ihres Sohnes A." (den ASt) von den Philippinen nach Deutschland zu bezahlen (Ziffer 3). Zudem verstoße die Auffassung der Beklagten gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), denn es gebe keinen Unterschied zwischen Jugendlichen in Deutschland und dem ASt, der sich zwangsweise auf den Philippinen aufhalte (Antrag c aus dem Schriftsatz vom 03.03.2010)
Zugleich hat die Mutter des ASt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, die mit der Klageerhebung geltend gemachten Ansprüche wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu bewilligen (S 451/10 ER).
Das Sozialgericht Ulm hat die unter Ziffer 2 und 3 des Klageantrages sowie die im Antrag c aus dem Schriftsatz vom 03.03.2010 genannten Begehren als Anträge des ASt aufgefasst und nach Abtrennung diese wegen des ausländischen Wohnsitzes des ASt mit Beschluss vom 18.03.2010 an das Sozialgericht Nürnberg (SG ) verwiesen
(S 13 AS 481/10 ER).
Unter Vorlage einer Vollmacht vom 16.05.2009, die zur uneingeschränkten Vertretung des ASt vor deutschen Gerichten befuge, hat die Mutter des ASt gegenüber dem SG vorgebracht, ihr Sohn schwebe in Lebensgefahr und liege zeitweise im Delirium. Er kämpfe täglich um sein Überleben.
Das SG hat mit Ladung vom 26.03.2010 als Bevollmächtigen des ASt Herrn F. H. (H.), den Bevollmächtigten der Mutter des ASt, zur mündlichen Verhandlung am 18.04.2010 geladen. Nach dessen Hinweis, allein die Mutter des ASt sei bevollmächtigt, und nach einem Antrag, die RA M. aus B. als besondere Vertreterin gemäß § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu bestellen, hat das SG die benannte Rechtsanwältin als Betreuerin des ASt geladen und H. den Grund seiner "Abladung" mitgeteilt. RA M. hat mitgeteilt, sie kenne den ASt nicht.
In der öffentlichen Sitzung am 28.04.2010 hat das SG festgestellt, der ASt sei ordnungsgemäß geladen. Die Antragsgegnerin (Ag) hat, nachdem für den ASt niemand erschienen war, eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
Mit Beschluss vom 28.04.2010 hat das SG den Antrag des ASt auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abgelehnt. H. sei Prozessbevollmächtigter des ASt, nachdem auch eine Vollmacht des H. für die Mutter des ASt vorgelegt worden sei. Der ASt habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so dass Leistungen nach dem SGB II nicht zu erbringen seien. Hierunter falle auch der Krankenrücktransport, unabhängig davon, dass eine solche Leistung nach dem SGB II nicht vorgesehen sei.
Am 25.06.2010 hat der ASt unter Bezugnahme auf das gerichtliche Aktenzeichen S 13 AS 481/10 ER gegen den Beschluss vom 02.06.2010 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Vertreten durch seine Mutter hat er geltend gemacht, sowohl Prozesskostenhilfe als auch die Bestellung eines besondern Vertreters sei ihm zu Unrecht verweigert worden. Eine Entscheidung hierzu habe das SG erst gar nicht getroffen. Er habe Anspruch auf die Bestellung eines besonderen Vertreters und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Sowohl er als auch seine Mutter seien wissens- und kenntnislos sowie prozessunfähig. Soweit Zweifel bestünden sei ein Gutachten der Uni-Klinik in A-Stadt/Philippinen einzuholen.
Der Senat hat den ASt darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerde nur gegen den Beschluss des SG vom 28.04.2010 im Verfahren S 13 AS 481/10 ER richten könne, denn ein Beschluss vom 02.06.2010 sei nach Lage der Akten im dortigen Verfahren nicht ergangen. Gegebenenfalls sei ein Abdruck des angefochtenen Beschlusses zu übersenden. Zudem seien die Voraussetzung für die Bewilligung von PKH oder die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht zu erkennen.
Der ASt hat - vertreten durch seine Mutter - ergänzend vorgetragen, sowohl er als auch seine anämiekranke Mutter seien prozessunfähig und nicht in der Lage die gerichtlichen Anfragen zu beantworten. Die Fragen könne nur ein besonderer Vertreter, der zu bestellen sei, beantworten. Weitere Angaben werde er nicht mehr machen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des ASt vom 25.06.2010 im Rechtsstreit L 11 AS 473/10 B ER ist unzulässig. Es bestehen zwar keine Zweifel bezüglich der Prozessfähigkeit des ASt oder seiner Mutter, der bevollmächtigten Vertreterin. Der Rechtsstreit ist jedoch bereits unter dem Az. L 11 AS 455/10 B ER rechtshängig. Gegenstand der Beschwerde (L 11 AS 473/10 B ER) ist der Beschluss des SG vom 28.04.2010, denn allein dieser ist in dem Verfahren
S 13 AS 481/10 ER vor dem SG ergangen. Nach Lage der Akten gibt es den vom ASt genannten Beschluss vom 02.06.2010 nicht, und der ASt hat trotz ausdrücklichen Hinweises des Senates keine Nachweise erbracht, die anderes belegen.
Mit der Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes war es dem ASt jedoch verwehrt, diese Sache nochmals rechtshängig zu machen, § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), sodass die Beschwerde mangels Vorliegen der allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen als unzulässig zu verwerfen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des ASt.
Der Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters war ebenfalls abzulehnen.
Für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen (§ 72 Abs 1 SGG).
Anhaltspunkte dafür, dass der ASt prozessunfähig sein könnte, sind nicht zu erkennen.
Ein Beteiligter ist prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann (§ 71
Abs 1 SGG). Unbeschränkt prozessfähig ist daher eine volljährige Person (§ 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB), die in dem Rechtsstreit nicht durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten wird (§ 71 Abs 6 SGG iVm § 53 Zivilprozessordnung - ZPO).
Ein Betreuer ist für den volljährigen ASt nicht bestellt und von Geschäfts- und damit Prozessunfähigkeit wäre nur auszugehen, wenn sich der ASt in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden würde, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender wäre (§ 104 Nr. 2 BGB).
Ein solcher (Dauer-)Zustand des ASt lässt sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ansatzweise belegen und wird von diesem bzw. den für ihn handelnden Personen auch nicht behauptet. Es wurde in diesem Zusammenhang lediglich unsubstantiiert vorgebracht, der ASt liege für längere Phasen im Delirium, wobei es sich selbst nach diesen nicht belegten Angaben um keinen Dauerzustand handelt.
Unabhängig davon ist der derzeitige Gesundheitszustand des ASt für die Frage der Prozessfähigkeit auch nicht entscheidend, denn der ASt hat seiner Mutter bereits am 16.05.2009 eine Vollmacht erteilt, die auch zur uneingeschränkten Vertretung vor deutschen Gerichten befugt. Soweit der ASt nach Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig geworden sein sollte und der Zustand noch andauern würde, stünde eine fehlende Prozessfähigkeit des ASt der Wirksamkeit der prozessualen Handlungen seiner Bevollmächtigen nicht entgegen.
Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen (§ 51 Abs 3 ZPO).
In diesem Zusammenhang wurde nichts dazu vorgetragen, dass der ASt am Tag der Vollmachterteilung - einen Tag nach Vollendung seines 18. Lebensjahres - geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Anhaltspunkte hierfür sind nach Lage der Akten ebenfalls nicht ersichtlich. Insofern bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht, denn auch bei einem späteren Eintritt der Geschäftunfähigkeit des Vollmachtgebers erlischt die Vollmacht nicht (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 168 Rn. 4) und der Umfang der Bevollmächtigung ist geeignet, von der Bestellung eines Betreuers abzusehen. Die Bevollmächtigte des ASt wäre daher - auch im Falle seiner Prozessunfähigkeit - berechtigt, wie ein gesetzlicher Vertreter zu handeln.
Weitergehend wird zwar auch geltend gemacht, die Bevollmächtigte des ASt sei prozessunfähig. Jedoch gibt es auch hierfür keinerlei medizinisch nachvollziehbare Anhaltspunkte. Nach den aktuellsten in der Akte der Ag vorliegenden Unterlagen leidet die Bevollmächtigte des ASt an Depressionen, starker Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen und Anämie (Attest vom 24.09.2009 der Dres. K. und K.). Hieraus lässt sich jedoch kein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit ableiten, so dass auch eine Geschäftunfähigkeit der Bevollmächtigten des ASt nicht zu erkennen ist. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass die Bevollmächtigte des ASt - nach Lage der Akten - noch im Oktober 2009 für ihren Ehemann als Betreuerin gegen die Krankenversicherung in Erscheinung getreten ist. Soweit in diesem Zusammenhang geltend gemacht wird, die Bevollmächtigte sei kenntnis- und wissenslos, steht nach dem gesamten schriftlichen Vortrag zwar außer Frage, dass der ASt nicht sachgerecht vertreten wird. Es ist jedoch dessen Risikosphäre zuzuordnen, einem Dritten eine Vollmacht zu erteilen, Prozesshandlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, deren Zusammenhänge der Bevollmächtigte nicht erkennt. Allein hieraus ist vorliegend jedoch nicht der Schluss zu ziehen, die Bevollmächtigte des ASt sei geschäfts- und damit prozessunfähig.
Es bestand auch kein Anlass, für den ASt einen besonderen Vertreter nach § 72 Abs 2 SGG zu bestellen, auch wenn Aufenthaltsort des ASt vom Sitz des Gerichts weit entfernt ist. Die Entscheidung nach § 72 Abs 2 SGG steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. Littmann in Lüdtke, SGG, 3. Aufl. § 72 Rn.7; Zeihe, SGG, Stand 11/09, § 72 Anm. 19a), insbesondere wenn - wie vorliegend - die kostenfreie Bestellung eines besonderen Vertreters beantragt ist. Hierbei sind im Rahmen der Abwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsstreites zu berücksichtigen, denn dem Gericht obliegt die Wahl, einen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO) oder einen besonderen Vertreter zu bestellen und Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. Leitherer aaO § 72 Rn.8). Die Bestellung eines besonderen Vertreters ist daher am Maßstab des § 114 Satz 1 ZPO zu messen, denn die Bestellung führt zu einem Kostenerstattungsanspruch des Vertreters, der im Unterliegensfall allein gegen den Vertretenen durchzusetzen wäre und für diesen eine nicht unerhebliche Belastung bedeuten kann. Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Satz 1 ZPO). Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zwar nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG vom 17.02.98 - B 13 RJ 83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer aaO § 73a Rn.7, 7a) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Erfolgsaussichten in diesem Sinne sind jedoch wegen der fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde nicht gegeben, so dass nicht nur die Bestellung eines besonderen Vertreters nach Abwägung der Umstände abzulehnen war, sondern auch die Bewilligung von PKH versagt werden muss.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 11 AS 473/10 B ER wird abgelehnt.
IV. Die Bestellung eines besonderen Vertreters für das Beschwerdeverfahren
L 11 AS 473/10 B ER wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (ASt) begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Kostenübernahme für seinen Krankenrücktransport von den Philippinen.
Am 22.08.2009 beantragten die Eltern (E.; geb. 1962 und J. A.; geb. 1936) sowie der Bruder (P.; geb. 1992) des 1991 geborenen ASt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der ASt sei ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, halte sich aber seit April 2005 auf den Philippinen auf. Er sei nach einer Nierentransplantation dort auf eine regelmäßige Dialysebehandlung angewiesen. Zudem leide er an Asthma. Durch seine Behandlung auf den Philippinen seien Kosten in Höhe von über 50.000,00 EUR entstanden, die er vor seiner Ausreise begleichen müsse, da er ansonsten das Land nicht verlassen dürfe.
Der Mutter und dem Bruder des ASt bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2010 laufende Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 22.08.2009 bis 28.02.2010. Der ASt habe keinen Anspruch, weil dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland habe.
Am 11.02.2010 hat der ASt - vertreten durch seine Mutter - hiergegen Klage zum Sozialgericht B-Stadt (S 5 AS 450/10) erhoben und u.a. unter Ziffer 2 und 3 des Klageantrages beantragt, "der Klägerin ihren nieren- und asthmakranken Sohn A. (den ASt) zu ihrer Bedarfsgemeinschaft mit anrechnen zu müssen" (Ziffer 2) und "der Klägerin die 40.000,00 EUR für den Kranken- Rücktransport ihres Sohnes A." (den ASt) von den Philippinen nach Deutschland zu bezahlen (Ziffer 3). Zudem verstoße die Auffassung der Beklagten gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), denn es gebe keinen Unterschied zwischen Jugendlichen in Deutschland und dem ASt, der sich zwangsweise auf den Philippinen aufhalte (Antrag c aus dem Schriftsatz vom 03.03.2010)
Zugleich hat die Mutter des ASt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, die mit der Klageerhebung geltend gemachten Ansprüche wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu bewilligen (S 451/10 ER).
Das Sozialgericht Ulm hat die unter Ziffer 2 und 3 des Klageantrages sowie die im Antrag c aus dem Schriftsatz vom 03.03.2010 genannten Begehren als Anträge des ASt aufgefasst und nach Abtrennung diese wegen des ausländischen Wohnsitzes des ASt mit Beschluss vom 18.03.2010 an das Sozialgericht Nürnberg (SG ) verwiesen
(S 13 AS 481/10 ER).
Unter Vorlage einer Vollmacht vom 16.05.2009, die zur uneingeschränkten Vertretung des ASt vor deutschen Gerichten befuge, hat die Mutter des ASt gegenüber dem SG vorgebracht, ihr Sohn schwebe in Lebensgefahr und liege zeitweise im Delirium. Er kämpfe täglich um sein Überleben.
Das SG hat mit Ladung vom 26.03.2010 als Bevollmächtigen des ASt Herrn F. H. (H.), den Bevollmächtigten der Mutter des ASt, zur mündlichen Verhandlung am 18.04.2010 geladen. Nach dessen Hinweis, allein die Mutter des ASt sei bevollmächtigt, und nach einem Antrag, die RA M. aus B. als besondere Vertreterin gemäß § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu bestellen, hat das SG die benannte Rechtsanwältin als Betreuerin des ASt geladen und H. den Grund seiner "Abladung" mitgeteilt. RA M. hat mitgeteilt, sie kenne den ASt nicht.
In der öffentlichen Sitzung am 28.04.2010 hat das SG festgestellt, der ASt sei ordnungsgemäß geladen. Die Antragsgegnerin (Ag) hat, nachdem für den ASt niemand erschienen war, eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
Mit Beschluss vom 28.04.2010 hat das SG den Antrag des ASt auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abgelehnt. H. sei Prozessbevollmächtigter des ASt, nachdem auch eine Vollmacht des H. für die Mutter des ASt vorgelegt worden sei. Der ASt habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so dass Leistungen nach dem SGB II nicht zu erbringen seien. Hierunter falle auch der Krankenrücktransport, unabhängig davon, dass eine solche Leistung nach dem SGB II nicht vorgesehen sei.
Am 25.06.2010 hat der ASt unter Bezugnahme auf das gerichtliche Aktenzeichen S 13 AS 481/10 ER gegen den Beschluss vom 02.06.2010 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Vertreten durch seine Mutter hat er geltend gemacht, sowohl Prozesskostenhilfe als auch die Bestellung eines besondern Vertreters sei ihm zu Unrecht verweigert worden. Eine Entscheidung hierzu habe das SG erst gar nicht getroffen. Er habe Anspruch auf die Bestellung eines besonderen Vertreters und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Sowohl er als auch seine Mutter seien wissens- und kenntnislos sowie prozessunfähig. Soweit Zweifel bestünden sei ein Gutachten der Uni-Klinik in A-Stadt/Philippinen einzuholen.
Der Senat hat den ASt darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerde nur gegen den Beschluss des SG vom 28.04.2010 im Verfahren S 13 AS 481/10 ER richten könne, denn ein Beschluss vom 02.06.2010 sei nach Lage der Akten im dortigen Verfahren nicht ergangen. Gegebenenfalls sei ein Abdruck des angefochtenen Beschlusses zu übersenden. Zudem seien die Voraussetzung für die Bewilligung von PKH oder die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht zu erkennen.
Der ASt hat - vertreten durch seine Mutter - ergänzend vorgetragen, sowohl er als auch seine anämiekranke Mutter seien prozessunfähig und nicht in der Lage die gerichtlichen Anfragen zu beantworten. Die Fragen könne nur ein besonderer Vertreter, der zu bestellen sei, beantworten. Weitere Angaben werde er nicht mehr machen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des ASt vom 25.06.2010 im Rechtsstreit L 11 AS 473/10 B ER ist unzulässig. Es bestehen zwar keine Zweifel bezüglich der Prozessfähigkeit des ASt oder seiner Mutter, der bevollmächtigten Vertreterin. Der Rechtsstreit ist jedoch bereits unter dem Az. L 11 AS 455/10 B ER rechtshängig. Gegenstand der Beschwerde (L 11 AS 473/10 B ER) ist der Beschluss des SG vom 28.04.2010, denn allein dieser ist in dem Verfahren
S 13 AS 481/10 ER vor dem SG ergangen. Nach Lage der Akten gibt es den vom ASt genannten Beschluss vom 02.06.2010 nicht, und der ASt hat trotz ausdrücklichen Hinweises des Senates keine Nachweise erbracht, die anderes belegen.
Mit der Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes war es dem ASt jedoch verwehrt, diese Sache nochmals rechtshängig zu machen, § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), sodass die Beschwerde mangels Vorliegen der allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen als unzulässig zu verwerfen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des ASt.
Der Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters war ebenfalls abzulehnen.
Für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen (§ 72 Abs 1 SGG).
Anhaltspunkte dafür, dass der ASt prozessunfähig sein könnte, sind nicht zu erkennen.
Ein Beteiligter ist prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann (§ 71
Abs 1 SGG). Unbeschränkt prozessfähig ist daher eine volljährige Person (§ 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB), die in dem Rechtsstreit nicht durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten wird (§ 71 Abs 6 SGG iVm § 53 Zivilprozessordnung - ZPO).
Ein Betreuer ist für den volljährigen ASt nicht bestellt und von Geschäfts- und damit Prozessunfähigkeit wäre nur auszugehen, wenn sich der ASt in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden würde, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender wäre (§ 104 Nr. 2 BGB).
Ein solcher (Dauer-)Zustand des ASt lässt sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ansatzweise belegen und wird von diesem bzw. den für ihn handelnden Personen auch nicht behauptet. Es wurde in diesem Zusammenhang lediglich unsubstantiiert vorgebracht, der ASt liege für längere Phasen im Delirium, wobei es sich selbst nach diesen nicht belegten Angaben um keinen Dauerzustand handelt.
Unabhängig davon ist der derzeitige Gesundheitszustand des ASt für die Frage der Prozessfähigkeit auch nicht entscheidend, denn der ASt hat seiner Mutter bereits am 16.05.2009 eine Vollmacht erteilt, die auch zur uneingeschränkten Vertretung vor deutschen Gerichten befugt. Soweit der ASt nach Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig geworden sein sollte und der Zustand noch andauern würde, stünde eine fehlende Prozessfähigkeit des ASt der Wirksamkeit der prozessualen Handlungen seiner Bevollmächtigen nicht entgegen.
Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen (§ 51 Abs 3 ZPO).
In diesem Zusammenhang wurde nichts dazu vorgetragen, dass der ASt am Tag der Vollmachterteilung - einen Tag nach Vollendung seines 18. Lebensjahres - geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Anhaltspunkte hierfür sind nach Lage der Akten ebenfalls nicht ersichtlich. Insofern bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht, denn auch bei einem späteren Eintritt der Geschäftunfähigkeit des Vollmachtgebers erlischt die Vollmacht nicht (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 168 Rn. 4) und der Umfang der Bevollmächtigung ist geeignet, von der Bestellung eines Betreuers abzusehen. Die Bevollmächtigte des ASt wäre daher - auch im Falle seiner Prozessunfähigkeit - berechtigt, wie ein gesetzlicher Vertreter zu handeln.
Weitergehend wird zwar auch geltend gemacht, die Bevollmächtigte des ASt sei prozessunfähig. Jedoch gibt es auch hierfür keinerlei medizinisch nachvollziehbare Anhaltspunkte. Nach den aktuellsten in der Akte der Ag vorliegenden Unterlagen leidet die Bevollmächtigte des ASt an Depressionen, starker Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen und Anämie (Attest vom 24.09.2009 der Dres. K. und K.). Hieraus lässt sich jedoch kein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit ableiten, so dass auch eine Geschäftunfähigkeit der Bevollmächtigten des ASt nicht zu erkennen ist. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass die Bevollmächtigte des ASt - nach Lage der Akten - noch im Oktober 2009 für ihren Ehemann als Betreuerin gegen die Krankenversicherung in Erscheinung getreten ist. Soweit in diesem Zusammenhang geltend gemacht wird, die Bevollmächtigte sei kenntnis- und wissenslos, steht nach dem gesamten schriftlichen Vortrag zwar außer Frage, dass der ASt nicht sachgerecht vertreten wird. Es ist jedoch dessen Risikosphäre zuzuordnen, einem Dritten eine Vollmacht zu erteilen, Prozesshandlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, deren Zusammenhänge der Bevollmächtigte nicht erkennt. Allein hieraus ist vorliegend jedoch nicht der Schluss zu ziehen, die Bevollmächtigte des ASt sei geschäfts- und damit prozessunfähig.
Es bestand auch kein Anlass, für den ASt einen besonderen Vertreter nach § 72 Abs 2 SGG zu bestellen, auch wenn Aufenthaltsort des ASt vom Sitz des Gerichts weit entfernt ist. Die Entscheidung nach § 72 Abs 2 SGG steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. Littmann in Lüdtke, SGG, 3. Aufl. § 72 Rn.7; Zeihe, SGG, Stand 11/09, § 72 Anm. 19a), insbesondere wenn - wie vorliegend - die kostenfreie Bestellung eines besonderen Vertreters beantragt ist. Hierbei sind im Rahmen der Abwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsstreites zu berücksichtigen, denn dem Gericht obliegt die Wahl, einen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO) oder einen besonderen Vertreter zu bestellen und Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. Leitherer aaO § 72 Rn.8). Die Bestellung eines besonderen Vertreters ist daher am Maßstab des § 114 Satz 1 ZPO zu messen, denn die Bestellung führt zu einem Kostenerstattungsanspruch des Vertreters, der im Unterliegensfall allein gegen den Vertretenen durchzusetzen wäre und für diesen eine nicht unerhebliche Belastung bedeuten kann. Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Satz 1 ZPO). Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zwar nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG vom 17.02.98 - B 13 RJ 83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer aaO § 73a Rn.7, 7a) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Erfolgsaussichten in diesem Sinne sind jedoch wegen der fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde nicht gegeben, so dass nicht nur die Bestellung eines besonderen Vertreters nach Abwägung der Umstände abzulehnen war, sondern auch die Bewilligung von PKH versagt werden muss.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
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