L 2 U 473/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 53/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 473/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rentenbegutachtung ist im Kern Funktionsbegutachtung. Jeder Versicherungsfall ist gesondert zu prüfen und zu bewerten.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg
vom 29. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Klägerin begehrt höhere Rentenleistungen wegen Verschlimmerung von Unfallfolgen.

Die 1958 geborene Klägerin erlitt am 20.08.1996 einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 05.08.1997 erkannte die Beklagte folgende Unfallfolgen an: "Knöchern durchbauter, mit noch liegendem Fremdmaterial ausgeheilter kompletter Unterschenkelbruch rechts, Muskelminderung des rechten Ober- und Unterschenkels, geringe Einschränkung der Sprunggelenksbeweglichkeit und der Beugefähigkeit des Kniegelenkes rechts, unter keilförmiger Deformierung folgenlos knöchern fest verheilter Stauchungsbruch des 6. Brustwirbelkörpers, in achsengerechter Stellung, unter geringfügiger Verschiebung und Einstauchung folgenlos verheilter Schlüsselbeinbruch links, mit reizloser Narbenbildung ausgeheilte Platzwunde an der Unterlippe". Mit Wirkung ab 05.12.1996 gewährte sie Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H.

Mit Bescheid vom 04.05.1998 entzog sie die vorläufigen Rentenleistungen ab 01.06.1998 und lehnte die Gewährung einer Dauerrente ab. Eine hiergegen erhobene Klage (Az.: S 5 U 111/99) nahm die Klägerin am 03.04.2000 zurück.

Am 09.04.2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Wiedergewährung der Rente, da sie infolge des Arbeitsunfalls immer größere Beschwerden im Bereich des rechten Fußes und des Sprunggelenkes habe. Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten der Unfallklinik M. vom 20.06.2002 ein, das eine wesentliche Leidensverschlimmerung verneinte. Die Unfallfolgen seien nach wie vor mit einer MdE von 10 v.H. einzuschätzen. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.07.2002 eine Rentengewährung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.01.2003).

Hiergegen erhob die Klägerin am 28.02.2003 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG). Sie legte ein ärztliches Attest des Arztes für Sportmedizin Dr. M. vom 07.03.2003 vor. Das SG holte ein Gutachten des Prof. Dr. A. ein. Dieser kam am 19.09.2004 zum Ergebnis, die MdE betrage weiter 10 v.H. Es lägen infolge des Unfalls vom 20.08.1996 noch reizlos feste Narben an der Unterlippe, sanierte Zahnverletzungen und eine keilförmig verheilte BWK-6-Fraktur vor. Der Bruch des rechten Unterschenkels sei knöchern fest verheilt, der Schlüsselbeinbruch unter leichter Verkürzung des linken Schultergürtels knöchern fest durchbaut. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen sei nicht eingetreten.

Am 08.09.2003 hatte die Klägerin einen weiteren Arbeitsunfall erlitten, für den die Beklagte ab 02.05.2004 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. gewährte (Bescheid vom 02.11.2004). Dieser Unfall hatte einen stabil verheilten Oberarmkopfbruch mit Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter, Muskelminderung des linken Oberarmes und Minderung der groben Kraft im linken Arm und der linken Hand zur Folge.

Mit Bescheid vom 15.12.2004 gewährte die Beklagte hierauf wegen der Folgen des Unfalls vom 20.08.1996 Rente nach einer MdE um 10 v.H. (Stützrente).

Auf Antrag der Klägerin erstellte Prof. Dr. C. vom Universitätsklinikum A-Stadt am 02.03.2008 ein weiteres Gutachten. Er bejahte eine wesentliche Verschlimmerung seit dem Rentenentziehungsbescheid vom 04.05.1998. Schon aufgrund des posttraumatischen klinischen Verlaufes sei mit einer entsprechenden Verschlechterung nach mehreren Jahren zu rechnen. Es sei eine signifikante Progredienz der von der Klägerin genannten Beschwerden festzustellen. Die Schlüsselbeinfraktur links sei ausgeheilt. Trotzdem schätzte er die MdE auf 20 v.H. Er kam in Zusammenschau mit dem Unfall von 2003 (isoliert 20 v.H.) zu einer Gesamt-MdE von 35 v.H.

Mit Urteil vom 29.07.2008 wies das SG die Klage ab. Eine höhere MdE als 10 v.H. sei nicht zu begründen.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.12.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie sich auf das Gutachten des Prof. Dr. C. gestützt. Auf Antrag der Klägerin hat dieser am 06.02.2010 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben, in der er darauf hingewiesen hat, dass das Gutachten des Prof. Dr. A. Jahre vor seinem Gutachten erstellt worden sei. Allein durch diesen zeitlichen Unterschied bedingt ergebe sich die Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Die Beschwerden der Klägerin seien objektivierbar.

Die Beklagte hat am 29.03.2010 ein Gutachten des Prof. Dr. B., Unfallklinik M., übersandt. Das Gutachten wurde im Verfahren wegen des Unfalls vom 08.09.2003 erstellt. Funktionell bestünden keine Einschränkungen der aktiven und passiven Beweglichkeit der linken Schulter. Die Schmerzen an der linken Schulter hätten zwei Ursachen: Ein geringer Abnutzungsschaden des Schultergelenkes, der auf den Unfall vom 08.09.2003 zurückzuführen sei, und ein Abnutzungsschaden der mittleren HWS mit Einengungen der Nervenaustrittslöcher durch Knochenneubildungen und Bandscheibenvorwölbungen. Diese Abnutzungsveränderungen hätten den wesentlichen Anteil an der Schmerzhaftigkeit der linken Schulterregion und des Nackens.

Die Klägerin beantragte sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.07.2008 sowie den Bescheid vom 19.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.08.1996 eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01.01.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Sozialgerichts, der Klage- und Berufungsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen (§ 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).



Entscheidungsgründe:
:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Senat konnte trotz Abwesenheit der Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigten entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit

der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht aufgrund ihres Arbeitsunfalls vom 20.08.1996 Verletztenrente nur nach einer MdE von 10 v.H. zu. Diese wird aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 15.12.2004 als Stützrente gewährt.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen, da der Senat die Entscheidung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Der Unfall vom 20.08.1996 hat keine Folgen hinterlassen, die eine höhere MdE als 10 v.H. bedingen. Prof. Dr. C. hat auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.02.2010 für den Senat nicht überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin eine MdE von 20 v.H. angemessen ist. Prof. Dr. C. stützt seine MdE-Bewertung erneut auf die subjektiven Beschwerden der Klägerin, die er auf die Progredienz der Unfallfolgen zurückführt, die allerdings nicht nachgewiesen ist. Vielmehr geht er selbst von einer ausgeheilten Fraktur des Schlüsselbeins aus, die nur eine geringfügige Funktionseinbuße hinterlassen hat. Eine Progredienz der Unfallfolgen lässt sich hieraus nicht entnehmen. Entscheidend sind die klinischen Befunde, die keine höhere MdE begründen.

Der Sachverständige vertritt die Ansicht, dass der Unfall vom 08.09.2003, bei dem sich die Klägerin eine Humeruskopffraktur links zuzog, hinsichtlich der Unfallfolgen mit 3/4 gegenüber dem ersten Unfall zu bewerten ist. Auch Prof. Dr. B. weist in seinem Gutachten vom 29.09.2009 darauf hin, dass funktionell keine Einschränkungen der aktiven und passiven Beweglichkeit der linken Schulter bestehen. Er weist jedoch auch darauf hin, dass der Unfall vom 08.09.2003 weitere Schäden an der Schulter hinterlassen haben könnte. Dieser Unfall ist hier jedoch nicht Streitgegenstand. Vielmehr ist jeder Unfall als eigenständiger Versicherungsfall zu bewerten (§§ 8, 7 Abs. 1 SGB VII).

Im Ergebnis wird das Gutachten des Prof. Dr. A. durch das Gutachten des Prof. Dr. B. vom 03.08.2009 bestätigt. Er kam zum Ergebnis, dass die Beschwerden an der linken Schulter zum Teil auf den Unfall von 2003 zurückzuführen sind, zum Teil auf unfallunabhängige degenerative Veränderungen an der HWS. Eine höhere MdE als 10 v.H. aufgrund des Unfalls vom 20.08.1996 lässt sich nicht begründen.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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