L 11 AS 398/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 322/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 398/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen, Schulden zur Sicherung der Unterkunft zu übernehmen
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Bayreuth
vom 14.05.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig ist die Übernahme von Zahlungsrückständen durch die Antragsgegnerin (Ag), die der Energieversorger (Städtische Überlandwerke A-Stadt GmbH - S.) der Antragsteller (ASt) diesen gegenüber geltend macht.

Der ASt zu 1 und seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau, die ASt zu 2, sind Eigentümer eines Hauses mit einer Geschossfläche von 250 m². Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich ein Ladenlokal, das - nach Angaben der ASt - wegen eines nicht sanierten Wasserschadens seit mehr als einem Jahr nicht vermietet ist. Aus der im 1. Obergeschoss liegenden Wohnung werde ein Mietzins von 240.- EUR monatlich erzielt. Die Wohnung im 2. Obergeschoss bewohnen die ASt selbst. Der Verkehrswert des gesamten Gebäudes liege einer Schätzung in einem Zwangsversteigerungsverfahren zufolge bei 151.000.- EUR. Mit Ausnahme einer Zwangssicherungshypothek am Miteigentumsanteil des ASt zu 1 in Höhe von 9.510,60 EUR sind keine dinglichen Belastungen im Grundbuch eingetragen. Ein im Jahr 2005 eingetragenes Zwangsversteigerungsverfahren wurde am 21.06.2007 aus dem Grundbuch gelöscht. Bis November 2008 bezogen die ASt laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Klageverfahren wegen der Höhe der Leistungen sind beim Sozialgericht Bayreuth (SG) noch anhängig. Für die Zeit ab dem 01.12.2008 lehnte die Ag die Fortzahlung von Leistungen mangels Nachweises der Bedürftigkeit der ASt mit Bescheid vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 ab. Auch über die hiergegen erhobene Klage (S 13 AS 335/09) hat das SG bislang nicht entschieden. Die in diesem Zusammenhang eingeleiteten Eilverfahren blieben erfolglos (Beschlüsse des Senates vom 04.06.2009 und 19.01.2010 - L 11 AS 249/09 B ER und L 11 AS 830/09 B ER).

Im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren L 11 AS 830/10 B ER hatten die ASt auch die Übernahme von Zahlungsrückständen durch die Ag beantragt, die gegenüber der S. bestünden. Diesen Antrag lehnte das SG mit Beschluss vom 02.12.2009 ab, weil die ASt ohne vorhergehend einen Antrag bei der Ag gestellt zu haben, ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz eingeleitet hätten. Daraufhin beantragten die ASt am 04.12.2009 bei der Ag die Übernahme dieser Zahlungsrückstände. Ohne die Übernahme der Schulden in Höhe von 3.000.- EUR drohe die Einstellung der Gas-, Wasser- und Stromversorgung. Die Ag lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 08.01.2010 ab, weil die ASt keine laufenden Leistungen zur Deckung des Unterkunftsbedarfes beziehen würden, denn mit Bescheid vom gleichen Tag versagte die Ag auch die Bewilligung laufender Leistungen nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung der ASt für die Zeit ab dem 04.12.2009. Das Klageverfahren (S 13 AS 456/10) gegen den insoweit zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12.04.2010 ist noch nicht abgeschlossen. In der Folgezeit beantragten die ASt am 12.01.2010 die Bewilligung von Alg II für die Zeit ab dem 01.01.2010. Auch dies lehnte die Ag mit Bescheid vom 10.02.2010 wegen fehlender Mitwirkung der ASt ab. Gegen den in diesem Zusammenhang zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 10.05.2010 haben die ASt Klage zum SG erhoben, über die bislang ebenfalls noch nicht entschieden ist.

Gegen den Bescheid vom 08.01.2010 in Bezug auf die Ablehnung, die Zahlungsrückstände bei der S. zu übernehmen, legten die ASt Widerspruch ein, den die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2010 zurückwies. Ein Anspruch auf darlehensweise Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft bestehe nur soweit, wie auch laufende Leistungen zur Deckung des Unterkunftsbedarfes erbracht würden. Dies liege im Falle der ASt jedoch nicht vor, weil Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nicht erbracht würden. Zudem hätten Ermittlungen bei der S. ergeben, dass eine Sperrung von Strom und Wasser nicht erfolgt sei, insbesondere weil die Wohnung der ASt durch einen anderen Energieversorger mit Strom versorgt werde. Zuletzt sei die Bedürftigkeit der ASt nicht geklärt. Gegen diesen Entscheidung erhoben die ASt ebenfalls Klage zum SG (S 13 AS 455/10).

Bereits am 16.03.2010 haben die ASt beim SG beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ausstehende Energiekosten in Höhe von 2.000.- EUR zu übernehmen. Es liege zwischenzeitlich ein Vollstreckungsauftrag des Gerichtsvollziehers vor, und es drohe im Falle der Nichtzahlung die Sperrung der Energieversorgung.

Im Anschluss an einen Erörterungstermin am 25.03.2010 hat das SG hat mit Beschluss vom 14.05.2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ermittlungen beim Energieversorger (S.) hätten ergeben, dass die Wasserversorgung nicht eingestellt worden sei. Auch die Strom- und Gasversorgung sei nicht gesperrt. Diese erfolge durch Drittfirmen. Insoweit sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, denn eine Notlage iSd § 22 Abs 5 SGB II, die eine darlehensweise Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft rechtfertigen würde, liege im Falle der ASt nicht vor. Zudem seien die ASt - unabhängig von der Frage, ob laufende Leistungen nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung zu Recht versagt worden seien - nicht hilfebedürftig iSd § 9 SGB II. Das Hausgrundstück der ASt sei berücksichtigungsfähiges Vermögen, und der Wert dieses Vermögens überschreite die Freibeträge. Die Wohnfläche des Hauses liege mit 250 m² weit über dem Maß, das für einen Drei- Personen- Haushalt als angemessen anzusehen sei. Die Verwertung sei auch nicht rechtlich ausgeschlossen, denn das Zwangsversteigerungsverfahren sei beendet worden. Einen Anspruch auf darlehensweise Bewilligung hätten die ASt allenfalls, wenn die sofortige Verwertung eine unbillige Härte darstellen würde. Für diese Überbrückungsregelung bestehe jedoch kein Raum, wenn wie vorliegend, keinerlei Verwertungsbemühungen unternommen würden.

Gegen diesen Beschluss haben die ASt Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es sei nunmehr grundsätzlich zu klären, ob das Haus zu verwerten sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 SGG, in der Sache jedoch unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist die Übernahme von Zahlungsrückständen der ASt bei einem Energieversorger zur Sicherung der Unterkunft. Dieses Leistungsbegehren machen die ASt im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend, so dass insoweit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darstellt.

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützen - voraus. Die Angaben hierzu haben die Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. , § 86b Rn. 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist den ASt einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren, denn ein Anordnungsanspruch, d.h. die materiell- rechtlichen Voraussetzungen für eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs 5 SGB II, sind nicht glaubhaft gemacht.

Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (§ 22 Abs 5 Satz 1 SGB II).

Das SG hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Notlage, die eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs 5 SGB II rechtfertigen würde, nicht vorliegt. Nach den Feststellungen des SG sind weder die Wasser- noch die Gas- oder Stromversorgung in der Wohnung der ASt eingestellt worden, und die ASt haben im Beschwerdeverfahren - trotz Kenntnis der gerichtlichen Feststellungen - nichts dazu vorgetragen, dass die Einstellung der Gas-, Wasser- oder Stromversorgung und damit die Unbewohnbarkeit der Wohnung nunmehr drohen würde. Darüber hinaus wäre Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen nach § 22 Abs 5 SGB II, dass die ASt Leistungen für Unterkunft und Heizung beziehen. Dies ist jedoch nach dem Bescheid vom 10.02.2010, mit dem die Bewilligung laufender Leistungen nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung versagt worden sind, nicht der Fall. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass sich dieser Versagungsbescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom heutigen Tag - L 11 AS 397/10 B ER).

Im Ergebnis ist die Beschwerde daher erfolglos, und die ASt sind auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, dem allerdings Erfolgsaussichten allenfalls dann zu bescheinigen sind, wenn die ASt zumindest die geforderten Mitwirkungshandlungen nachholten.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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