L 6 R 220/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 4584/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 220/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
- für einen Beamten, der im Nebenberuf eine selbtsständige Lehrtätigkeit ausübt, besteht unbeschadet des infolge der Beamtenversorgung fehlenden individuellen Schutzbedürfnisses Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 1 SGB VI
- eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift wie auch eine Erweiterung von Versicherungsfreiheitstatbeständen würde eine ungerechtfertigte Priviligierung des genannten Personenkreises darstellen
- die Vorschrift des § 2 Nr. 1 SGB VI ist auch im Hinblick auf einen möglichen Wandel des Lehrerbegriffs in der heutigen Lebenswirklichkeit weiterhin verfassungsgemäß
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 11.11.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.07.2005.

Der 1971 geborene Kläger wurde im streitgegenständlichen Zeitraum als ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität A-Stadt nach Besoldungsgruppe C 4 alimentiert. Gleichzeitig war er im Rahmen einer beamtenrechtlich genehmigten Nebentätigkeit als selbstständiger Dozent der Fernuniversität H. mit der Unterrichtung ausschließlich erwachsener Studienteilnehmer befasst.

Mit Schreiben vom 18.01.2004 stellte der Kläger zur Beklagten den Antrag, ihn in seiner Tätigkeit als selbstständiger Dozent ab Januar 2004 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.05.2004 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht mit der Begründung ab, der Kläger gehöre aufgrund seiner Tätigkeit zur Berufsgruppe der Lehrer, deren Versicherungspflicht spezialgesetzlich geregelt sei, so dass eine Befreiung nach den allgemeinen Regelungen für Selbstständige mit einem Auftraggeber nicht in Betracht komme. Mit Begleitschreiben zu diesem Bescheid wies die Beklagte auf die Möglichkeit der Entrichtung des halben Regelbeitrages bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit hin und bat um weitere Angaben zur Feststellung der Versicherungspflicht.

Den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass er keine "übliche Lehrtätigkeit" ausübe. Außerdem sei seine Alterssicherung durch die Beamtenversorgung gewährleistet.

Mit weiterem Bescheid vom 16.07.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 01.01.2004 den halben Regelbeitrag in Höhe von 235,46 EUR im Monat zu entrichten habe. Dieser Feststellung kam der Kläger durch Überweisung des Betrages von 1.648,22 EUR am 22.07.2004 unter Vorbehalt nach. Am 23.07.2004 ging bei der Beklagten der Antrag des Klägers auf Beitragszahlung für eine Pflichtversicherung "kraft Gesetzes als selbstständig Tätiger" ein. Hierbei gab er an, dass das monatliche Einkommen regelmäßig den Betrag von 400,00 EUR nicht übersteige und er die Tätigkeit weniger als 15 Stunden in der Woche ausübe. Als Anlagen fügte er u. a. den Dozentenvertrag bei, der unter § 1 (Vertragsgegenstand) als Aufgaben die Durchführung der im Studienplan vorgesehenen Präsenzphasen sowie die Beratung der Studierenden per E-Mail, die Formulierung und Korrektur der Einsendeaufgaben und Klausuren vorsah.

Mit Abhilfebescheid vom 07.09.2004 stellte die Beklagte hierauf fest, dass ab dem 01.01.2004 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI bestehe, weil nur eine "geringfügige selbstständige Tätigkeit" ausgeübt werde.

Auch hiermit zeigte sich der Kläger nicht einverstanden und führte mit Schreiben vom 13.09.2004 aus, schon im Jahr 2004 sei seine Tätigkeit mehr als geringfügig gewesen. Denn er habe sich für den halben Regelbeitrag entschieden, so dass ein monatliches Arbeitseinkommen zugrunde zu legen sei, das mehr als das dreifache des geringfügigen Einkommens betrage.

Mit Bescheid gemäß § 86 Abs. 1 SGG vom 21.09.2004 stellte die Beklagte hierauf fest, der Kläger habe über den 31.07.2004 hinaus den monatlichen Beitrag von 235,46 EUR zu entrichten; bis 30.09.2004 schulde er daher noch 470,92 EUR.

Mit Schreiben vom 02.12.2004 kündigte der Kläger an, auch im Jahr 2005 - allerdings mit Unterbrechungen - tätig zu werden. Er beantrage daher, in den sieben Monaten Januar/März/Mai und von August bis November 2005 von der Versicherungspflicht befreit zu werden, hilfsweise mit einkommensbezogenen Beiträgen und in den restlichen fünf Monaten des Jahres 2005 mit dem halben Regelbeitrag veranlagt zu werden. Im Übrigen wende er sich weiterhin gegen die Feststellung seiner Versicherungspflicht dem Grunde nach, die er für verfassungswidrig halte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Versicherungspflicht des § 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 8 SGB VI beruhe auf einer "typisierenden Betrachtungsweise" von sozial schutzbedürftigen Berufsgruppen, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Versicherte im Einzelfall zu einer eigenverantwortlichen Daseinsvorsorge befähigt bzw. aufgrund seiner individuellen Lebensverhältnisse tatsächlich schutzbedürftig sei. Auch die Berücksichtigung der Anwartschaften aus der Beamtenversorgung führe zu keinem anderen Ergebnis, zumal zur Vermeidung einer Doppelversorgung und Entlastung des Dienstherrn von seiner Alimentationspflicht nicht der Rentenanspruch, sondern der Pensionsanspruch reduziert werde. Lediglich für Tätigkeiten im Rahmen eines sog. "akzessorischen Nebenamtes", das wie das Hauptamt Aufgaben desselben Dienstherrn betreffe, sei ggf. von Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auszugehen. Dies sei hier nicht der Fall.

Die hiergegen am 27.07.2005 zum Sozialgericht Regensburg erhobene Klage begründete der Kläger - vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - unter Bezugnahme auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dr. Wolfgang Gitter "zu Rechtsfragen der Versicherungspflicht selbstständiger Tennislehrer". Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass Versicherungspflicht grundsätzlich nicht bestehe, jedenfalls aber ein Befreiungstatbestand zu prüfen sei. Die konkrete Dienstleistungstätigkeit des Klägers unterscheide sich auch von einer Lehrertätigkeit im engeren Sinne. Denn die Teilnehmer am Fernstudium erarbeiteten sich den prüfungsrelevanten Stoff anhand schriftlicher Studienmaterialien und die abgehaltenen Veranstaltungen seien für sie nicht verpflichtend. Es handle sich bei der Dozententätigkeit um eine freie wirtschaftliche Betätigung, die nicht zur Zwangsmitgliedschaft im sozialen Rentenversicherungssystem führen dürfe, zumal der Kläger im Hinblick auf seine beamtenrechtliche Versorgung keinen Nutzen hieraus ziehen könne. Auch aufgrund der festgestellten Rentenversicherungspflicht habe der Kläger nunmehr seine Dozententätigkeit ab September 2005 aufgegeben.

Mit Bescheid gemäß § 96 SGG vom 08.11.2005 stellte die Beklagte für den Zeitraum von Januar bis Juli 2005 Unterbrechungen in der Rentenversicherungspflicht und bereits ab August 2005 die Beendigung der Versicherungspflicht aufgrund der Nichtausübung der selbstständigen Tätigkeit fest.

Auf die mündliche Verhandlung vom 11.11.2008 hat die 11. Kammer des Sozialgerichts Regensburg die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger unterliege als Lehrer der Rentenversicherungspflicht. Denn der Begriff des Lehrers i. S. des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen und erfasse zweifelsohne die konkrete Dozententätigkeit. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verstoße auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die entgegenstehende Rechtsansicht, wie sie u. a. im Gutachten von Prof. Gitter begründet werde, sei von der Rechtsprechung nicht bestätigt worden. Insoweit werde auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.10.2000 (B 12 RA 2/99 R) sowie vom 28.03.2003 (B 12 RA 11/02 B) und den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (B Verf. G vom 26.06.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03) hingewiesen. Hiernach sei auch nicht entscheidend, dass einzelne Lehrer - wie der Kläger - aufgrund seiner Pensionsansprüche ihren Lebensunterhalt im Alter bereits anderweitig gesichert hätten. Die Versicherungsfreiheit als Beamter gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erstrecke sich nicht auf Beschäftigungsverhältnisse, die neben dem Dienstverhältnis unterhalten würden. Die Anrechnungsbestimmung des § 55 Beamtenversorgungsgesetz sei zudem verfassungskonform und schließe die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung - unter dem Blickwinkel des Alimentationsprinzips - nicht aus. Das Urteil ist dem Kläger am 05.03.2009 zugestellt worden.

Die am 19.03.2009 eingelegte Berufung ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Gruppe selbstständiger Lehrer in der jetzigen Zeit auch bei generalisierter Betrachtungsweise nicht mehr als schutzbedürftig i. S. des Rentenversicherungssystems anzusehen sei, zumal die Lehrtätigkeit sehr häufig nebenberuflich ausgeübt werde. Im konkreten Falle sei die Besonderheit des Beamtenstatus des Klägers ein wesentlicher Differenzierungsgrund, da die Rente auf die Versorgungsbezüge angerechnet werde, andererseits aber die aktuellen Bezüge keine Berücksichtigung im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze fänden. Im Ergebnis müsse daher der Begriff des Lehrers in § 2 SGB VI "schutzzweckbezogen" interpretiert werden, wobei nur bei einem traditionellen Lehrer-Schülerverhältnis, ohne anderweitige Absicherung, Sozialversicherungspflicht anzunehmen sei. Andernfalls müsse - auch wegen der fehlenden Befreiungsmöglichkeit, obgleich Schutzbedürftigkeit nicht bestehe - der Weg des Art. 100 GG beschritten werden, also das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eingeholt werden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 11.11.2008 und die Bescheide der Beklagten vom 17.05.2004, 16.07.2004, 07.09. und 21.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2005 sowie den Bescheid vom 08.11.2005 aufzuheben und festzustellen, dass Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorliegt bzw. die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfüllt sind. Hilfsweise wird beantragt, das Verfahren
auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gemäß Art. 100 des Grundgesetzes einzuholen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Akte des Sozialgerichts Regensburg und die Berufungsakte Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage gegen die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten, mit welchen die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers im Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.07.2005 in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt wurde, abgewiesen.

Der erkennende Senat sieht weder eine gesetzliche Grundlage für das Begehren des Klägers noch sieht er sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten veranlasst, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Die gesetzlichen Grundlagen, auf die der erhobene Anspruch i. S. des § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützt wird, sowie die Subsumtion der Nebentätigkeit des Klägers unter § 2 Nr. 1 SGB VI sind in der angefochtenen Sozialgerichtsentscheidung zutreffend dargelegt, so dass insoweit von einer weiteren Darstellung gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen wird.

Soweit die Berufung den vom Bundesverfassungsgericht (u. a. im Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2007, 1 BvR 2204/00,SozR 4-2600 §2 Nr. 10) definierten Schutzzweck des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI infrage stellt, ist dieser Argumentation nicht zu folgen: Denn der Schutz der betroffenen selbstständigen Lehrer, die wie abhängig Beschäftigte zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die eigene Arbeitskraft angewiesen sind einerseits und "der Schutz der staatlichen Gemeinschaft vor übermäßiger Inanspruchnahme" andererseits ist nach wie vor ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel, dem der Gesetzgeber Rechnung tragen durfte und darf.

Angesichts der Allgemeingültigkeit von Gesetzen sieht der Senat keinen Spielraum, die einzelnen Tatbestandsmerkmale - konkret den Begriff des "Lehrers" - im Sinne des Klägers einzelfallbezogen zu definieren: Die in der Berufungsbegründung vom 30.04.2009 aufgezeigte "Korrekturmöglichkeit" ist weder mit den Regeln der Gesetzesauslegung vereinbar, noch verfassungsrechtlich geboten: Der eindeutige Wortlaut, der Zweck und Systematik des Gesetzes verbieten es, gesetzlich geregelte Tatbestände der Versicherungspflicht jeweils entsprechend der individuellen Schutzbedürftigkeit des Betroffenen, zu definieren (vgl. BSG SozR 2200 § 169 Nr 1; BSG Urteil vom 23.09.1980; Az.: 12 RK 41/79). Dies gilt auch im Rahmen der Versicherungspflicht des § 2 Nr. 1 SGB VI. Lehrer i. S. dieser Vorschrift sind nach gefestigter Rechtsprechung Personen, die durch Erteilung von theoretischem und praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln (Urteil des 12. Senats des BSG vom 12.10.2000 - B 12 RA 2/99 R, m. w. N.). Hierbei ist nicht entscheidend, auf welchen Gebieten Wissen und Kenntnisse vermittelt werden, auf welche Weise der Lehrer seine Kenntnisse und Lehrfähigkeit erworben hat oder wie er den Wissensstoff anderen vermittelt (BSG vom 12.10.2000, a. a. O.). Somit ist der Lehrerbegriff abschließend definiert, eine abweichende Auslegung i. S. der Berufung kommt nicht in Betracht. Im Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2007 hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt: "es ist deshalb für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, dass einzelne selbstständige Lehrer nicht schutzbedürftig sind, weil ihr Lebensunterhalt im Alter bereits anderweitig gesichert ist". Der vom Kläger vorgeschlagenen "schutzzweckbezogene Interpretation", nur diejenige Lehrer- und Erziehertätigkeit der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen, die ohne anderweitige Absicherung ausgeübt werde, kann unter Beachtung der normativen Bedeutung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, der Grundregeln der Gesetzesauslegung und der hierzu ergangenen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gefolgt werden.

Eine "planwidrige Lücke" im Gesetz, die für Lehrer mit beamtenrechtlicher Versorgungsanwartschaft eine teleologische Reduktion der Rentenversicherungspflicht aus verfassungsrechtlichen Gründen rechtfertigen könnte, liegt nicht vor: Im Hinblick auf die Regelungen der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI (in der seinerzeit geltenden und nunmehr inhaltlich entsprechenden Fassung) ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den beamtenrechtlichen Besonderheiten bei Ausgestaltung der Rentenversicherungspflicht umfassend und gerade auch für den Beruf des Lehrers abschließend Rechnung getragen hat. Nach § 6 Abs. 2 SGB VI werden auf Antrag des Arbeitgebers und nach entsprechender Bestätigung der obersten Verwaltungsbehörde des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI), Lehrer, die an nicht öffentlichen Schulen oder Anstalten beschäftigt sind, von der Versicherungspflicht befreit, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen Anwartschaften auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist. Die Befreiung wirkt vom Eingang des Antrags an, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab dem Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen bereits beantragt wird (§ 6 Abs. 4 SGB VI). Auch eine "teleologische Erweiterung" der Versicherungsfreiheit ist ausgeschlossen. Denn der Katalog des § 5 SGB VI regelt die Versicherungsfreiheit abschließend und sieht vor, dass Beamte nur im Rahmen ihrer (beamtentypischen) Beschäftigung und in weiteren Beschäftigungen, auf die sich die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstreckt, nicht der Versicherungspflicht unterliegen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 S. 1und 2 SGB VI). Aus der Systematik der §§ 5 und 6 SGB VI ist eindeutig zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber mit dem Sonderstatus von Beamten bzw. beamtenähnlichen Personen, unter Beachtung ihrer Versorgungsanwartschaften sowie der Art und des Umfanges ihrer Beschäftigungen, eingehend auseinandergesetzt und erschöpfende Regelungen getroffen hat. Eine Gesetzeslücke, die im Wege der Analogie oder teleologischen Begriffserweiterung bzw. Reduktion zu schließen wäre, liegt demzufolge nicht vor.

Es besteht für den Senat auch keine Besorgnis dahingehend, dass die Versicherungspflicht selbständiger Lehrer, die diesen Beruf außerhalb ihrer Beamtentätigkeit ausüben, gegen das Grundgesetz verstoßen könnte: Der vom Gesetzgeber herangezogene generalisierende Maßstab ist nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 26.06.2007, a.a.O.) auch unter dem Gesichtspunkt verhältnismäßig, dass einzelne selbständige Lehrer nicht schutzbedürftig sind, weil ihr Lebensunterhalt im Alter bereits anderweitig gesichert ist. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.1 GG ist nicht etwa darin zu sehen, dass andere Selbständige nicht rentenversicherungspflichtig sind. Denn der Gesetzgeber durfte das besondere Schutzbedürfnis selbständiger Lehrer als Differenzierungskriterium heranziehen (BVerfG, a.a.O.). Angesichts der Ausprägungen des Lehrerberufs in der heutigen Lebenswirklichkeit teilt der Senat die klägerseits vorgebrachten Zweifel an der Aktualität dieses Schutzzwecks nicht. Mag auch der Gesetzgeber bei Schaffung des streitigen Versicherungstatbestandes noch das überkommene Bild des klassischen "Hauslehrers" im Blickfeld gehabt haben, so fallen heute gerade durch die weite Auslegung des Lehrerbegriffs vielfältige Formen der selbständige Wissensvermittlung unter die Vorschrift des § 2 Nr. 1 SGB VI. Die verfassungsrechtliche Einschätzung beansprucht damit nach wie vor Gültigkeit.

Es ist für den Senat daneben nicht erkennbar, dass gerade der Beamtenstatus des Klägers an dieser verfassungsrechtlichen Wertung etwas ändert. Der vom Kläger im Hinblick auf seine späteren Versorgungsbezüge begehrten individuellen "schutzzweckbezogenen Interpretation" der Versicherungspflicht hat das BSG bereits mit Urteil vom 23.09.1980 (a.a.O.) eine Absage erteilt. Sie würde auch aus Sicht des Senats eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung von Beamten darstellen, die im Nebenberuf eine selbstständige Lehrtätigkeit ausüben. Diese würden nicht nur gegenüber Beamten privilegiert, die einer solche Nebentätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nachgehen, sondern vor allem auch gegenüber allen anderen, im Haupt- oder Nebenberuf selbstständig tätigen Lehrern, welche aufgrund der für sie bestehenden Versicherungs- und Beitragspflicht ihre Leistungen anders kalkulieren müssten. Eine generalisierte Versicherungs- und Beitragspflicht dient insoweit auch der Chancengleichheit zwischen den versicherungspflichtigen Selbstständigen, indem sie Wettbewerbsverzerrungen unterbindet.

Eine Benachteiligung von Beamten gegenüber anderen Berufsgruppen liegt auch nicht darin, dass Beamtenbezüge nicht als Beitragsbemessungsgrundlage bis zur Beitragsbemessungsgrenze mit einbezogen werden. Denn insoweit werden die Beamtenbezüge nur allen anderen nicht rentenversicherungspflichtigen Einkommen gleichgestellt. Im Gegenteil: Eine Berücksichtigung der Beamtenbezüge bei der Beitragsbemessungsgrenze wäre ein Systembruch und insoweit verfassungswidrig.

Soweit der Kläger eine Benachteiligung weiter darin zu erkennen glaubt, dass die im Rahmen der Tätigkeit gem. § 2 Nr. 1 SGB VI erworbenen Rentenansprüche sich im Rentenalter nur gemindert bzw. gar nicht auswirken könnten, liegt dieser Umstand nicht in der Versicherungspflicht für selbstständige Lehrer, sondern in § 55 Beamtenversorgungsgesetz begründet, wonach Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach den dort genannten Voraussetzungen auf Beamtenpensionen anzurechnen sind. Der 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 30.09.1987 (2 BvR 933/82) festgestellt, dass sich der Dienstherr von der ihm nach § 33 Abs. 5 GG obliegenden Alimentationspflicht durch Anrechnung von Rentenleistungen (i. S. des § 55 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz) entlasten kann. Wenn also selbst die Berücksichtigung von Rentenleistungen im Rahmen der Beamtenversorgung nicht verfassungswidrig ist, so muss dies umso mehr für die Erhebung von Beiträgen gelten, die diesen Rentenleistungen zugrunde liegen.

Im Übrigen verkennt die Berufungsbegründung den Solidaritätsgedanken, der den Sozialversicherungssystemen innewohnt. Versicherungspflicht dient auch der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme, also einem anerkannten überragenden Rechtsgut, so dass nicht nur der Versorgungsgedanke des Einzelnen bei Abwägung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte zu beachten ist. Dies gilt insbesondere für das reklamierte Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung gemäß Art.2 Abs.1 GG. Durch die Versicherungspflicht sollen insoweit Fürsorgeleistungen der öffentlichen Hand begrenzt werden (vgl. auch Rechtsgutachten Prof. Dr. Gitter "kollektive Komponente der Versicherungspflicht").

Zusammenfassend konnte die Berufungsbegründung damit keine nachvollziehbaren Gesichtspunkte für die Behauptung darlegen, die Rentenversicherungspflicht für Nebentätigkeiten von Beamten sei verfassungswidrig. Gegenüber den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2007 beinhalten die Einlassungen des Klägers keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte. Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach Art. 100 GG liegen dementsprechend nicht vor.

Nach alledem war der Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG der Erfolg zu versagen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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