Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 867/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 702/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mietnebenkosten, unangemessen hohe Nebenkosten,
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom
18.08.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Übernahme der sich aus einer Nebenkostenabrechnung für die Wohnung des Antragstellers (ASt) ergebenden Nachzahlung durch die Antragsgegnerin (Ag).
Der seit langem im Leistungsbezug der Ag stehende ASt wohnt seit 01.08.2009 in einer 26 m² großen Wohnung, für die er monatlich 165,00 EUR Miete, 45,00 EUR kalte Nebenkosten- und 50,00 EUR monatliche Heizkostenvorauszahlung erbringt. Die Ag bewilligte an Unterkunfts- und Heizungskosten monatlich 253,21 EUR (260,00 EUR abzügl. des bereits im Regelsatz enthaltenen Betrages für die Wassererwärmung in Höhe von 6,79 EUR). Am 27.04.2010 beantragte der ASt bei der Ag die Übernahme der sich aus der Nebenkostenabrechnung für die Zeit vom 01.08.2009 bis 31.12.2009 ergebenden Nachzahlung in Höhe von 1.202,56 EUR. Hiernach sei für Heizung inklusive Wassererwärmung in der Abrechnungszeit 1.203,19 EUR und für 76,92 m3 Wasser 302,47 EUR an Kosten entstanden.
Mit Bescheid vom 02.07.2010 bewilligte die Ag eine - weitere - Zahlung für Heizkosten in Höhe von 111,95 EUR und für kalte Nebenkosten in Höhe von 75,00 EUR. Bei einem maximal angemessenen Verbrauch von 710 kWh monatlich seien Heizkosten in Höhe von 65,60 EUR monatlich noch als angemessen anzusehen. Für Miete und kalte Nebenkosten sei ein maximaler Betrag von 225,00 EUR anzusetzen. Abzüglich der bereits geleisteten monatlichen Zahlungen sei daher noch ein Betrag von insgesamt 186,95 EUR an den Kläger auszubezahlen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Ag habe zwei Monate Zeit benötigt, um über den Antrag zu entscheiden. Zwischenzeitlich sei die Nebenkostenabrechnung für den Vermieter unumstößlich einklagbar geworden. Er habe wegen der Untätigkeit jetzt nicht mehr die Möglichkeit, die Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Vermieter zu rügen. Den Widerspruch wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2010 zurück.
Am 12.07.2010 hat der ASt beim Sozialgericht Bayreuth (SG) beantragt, die Ag zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Nebenkostenforderung für 2009 in Höhe von 1.202,56 EUR direkt an den Vermieter auszuzahlen. Er bewohne eine angemessene Wohnung; dies sei ihm beim Umzug behördlich bestätigt worden. Durch die Verzögerung bei der Antragsbearbeitung provoziere die Ag einen Mietrechtstreit und habe ihm die Möglichkeit zur Rüge der Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Vermieter genommen. Ob die in der Nebenkostenabrechnung angegebenen Anfangswerte zuträfen, wisse er nicht. Den hohen Verbrauch könne er sich nicht erklären. Er wasche allerdings Wäsche und Geschirr mit der Hand. Zwischenzeitlich sei ihm die Kündigung für den Fall angedroht worden, dass er nicht bis zum 15.09.2010 die Nebenkostennachforderung bezahle.
Die Ag hat ausgeführt, lt. Statistischem Bundesamt liege der Wasserverbrauch pro Person bei 45 m3 pro Jahr, der Ag hingegen habe fast 77 m3 in fünf Monaten verbraucht. Bei einem angemessen Wasserverbrauch wären kalte Nebenkosten in 5 Monaten in Höhe von 245,63 EUR entstanden. Tatsächlich gezahlt worden seien bisher aber 300,00 EUR. Lt. dem bundesweiten Heizspiegel 2010 für das Abrechnungsjahr 2009 ergebe sich, dass ein Verbrauch ab 215 kWh je m² und Jahr unangemessen hoch sei, so dass sich unter Berücksichtigung der Wohnungsgröße von 26 m² und der fünfmonatigen Mietdauer ein Betrag von 223,17 EUR an höchstens zu erbringenden Heizkosten ergebe. Tatsächlich ausgezahlt worden seien jedoch zwischenzeitlich bereits 328,00 EUR.
Das SG hat mit Beschluss vom 18.08.2010 die Ag vorläufig zur Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 183,49 EUR verpflichtet. Im Übrigen hat es den Antrag des ASt abgelehnt. Wegen der angedrohten Kündigung sei ein Anordnungsgrund gegeben. Nach abschließender Prüfung der Sach- und Rechtslage - diese sei wegen der schweren und unzumutbaren Beeinträchtigungen, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten, durchzuführen - bestehe nur Anspruch auf weitere 183,49 EUR. Entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts sei für Unterkunft und kalte Nebenkosten vorliegend ein monatlicher Betrag von 241,50 EUR noch als angemessen anzusehen (für fünf Monate: 1.207,50 EUR). Tatsächlich gezahlt worden seien bisher durch die Ag samt der Nachzahlung 1.125,00 EUR, so dass an Unterkunftskosten vorläufig weitere 82,50 EUR von der Ag zu zahlen seien. Heizmaterialverbrauch (hier: Gas) sei für eine abstrakt zustehende, angemessenen Wohnfläche von 50 m² im Umfang von 4.479 kWh für fünf Monate noch als angemessen anzusehen, so dass ein Betrag von 428,99 EUR von der Ag zu übernehmen sei. 328,00 EUR habe sie bereits gezahlt. Der ASt habe daher vorläufig Anspruch auf weitere 100,99 EUR an Heizkosten. Insgesamt seien ihm daher vorläufig noch 183,49 EUR von der Ag auszubezahlen. Auf weitere Leistungen durch die Ag habe der ASt jedoch keinen Anspruch. Sein Wasser- und Gasverbrauch sei im darüber hinausgehenden Umfang unangemessen und es seien keine Gründe ersichtlich, die diesen Verbrauch rechtfertigen könnten. Nicht nachvollziehbar sei, ob der ASt bei Übernahme der Wohnung die Zählerstände überprüft habe. Im Übrigen sei seine letzte Wohnung ebenfalls wegen nicht beglichener Nebenkosten gekündigt worden.
Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Durch die Teilversagung drohe ihm Obdachlosigkeit, in einem Hauptsacheverfahren sei diese eintretende schwere Beeinträchtigung nicht mehr zu beseitigen. Das SG habe seinen Antrag nicht umfassend gewürdigt. Er begehre die vorläufige Zahlung weiterer 832,12 EUR. Das SG weiche von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005
- 1 BvR 569/05 - ab. Zum 15.10.2010 sei ihm mittlerweile vom Vermieter außerordentlich und fristlos gekündigt worden; zugleich sei eine ordentliche Kündigung wegen Rückstandes von zwei Mieten zum 15.12.2010 erfolgt.
Die Ag hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das SG habe im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens höhere als die angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten zugesprochen. Dies aber sei im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens zu klären.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Die Ag ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu verpflichten, weitere vorläufige Zahlungen an den ASt zu erbringen. Offen gelassen werden kann, ob das SG die angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten zu hoch angesetzt hat, denn die Ag hat keine Beschwerde eingelegt, sie will dies vielmehr im Rahmen des Hauptsacheverfahrens klären.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. RdNr 652).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -1 BvR 2971/06 -).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Dies zugrunde gelegt, hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Übrigen zu Recht abgelehnt. Anspruch auf weitere Zahlungen hat der ASt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht. Zur Begründung wird gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen des SG Bezug genommen. Der unangemessen hohe Gas- und Wasserverbrauch des ASt ist nicht erklärbar, der ASt trägt hierzu auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nichts vor.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach dem vorgelegten Mietvertrag die Wohnung von der Ag zwar als angemessen eingeschätzt worden sein mag; dies bedeutet aber nicht, dass die Ag dann auch alle Kosten tragen müsse, selbst wenn diese durch einen unangemessenen Verbrauch des ASt verursacht werden. Zudem ist die Ag nicht verpflichtet, die Nebenkostenabrechnung auf ihre Richtigkeit im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter hin zu überprüfen, dies ist allein Aufgabe des ASt als Mieter. Der ASt hätte sich somit hinsichtlich des hohen Verbrauchs und der erforderlich gewordenen hohen Nachzahlung für fünf Monate (1.202,00 EUR Nachzahlung bei 475,00 EUR Vorauszahlung) an den Vermieter wenden können, er brauchte dazu die Entscheidung der Ag nicht abzuwarten. Die Ag hat auch keine Verpflichtung, eine "Asymmetrie" im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter zu vermeiden. Nachdem lt. der Nebenkostenabrechnung tatsächliche warme Nebenkosten in Höhe von ca. 335,51 EUR monatlich (1677,56 EUR in 5 Monaten) entstanden, als Vorauszahlung jedoch lediglich 95,00 EUR monatlich vom Vermieter gefordert worden sind, ergibt sich bereits hieraus für den ASt genügend Anlass, die Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Vermieter selbst zu überprüfen.
Zu der vom ASt angesprochenen Beeinträchtigung seiner Grundrechte ist darauf hinzuweisen, dass das SG unter Annahme schwerer und unzumutbarer Beeinträchtigungen, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten (drohende Kündigung und Obdachlosigkeit), die Sach- und Rechtslage abschließend und nicht nur summarisch geprüft hat. Es weicht damit nicht von der vom ASt genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass bzgl der ausgesprochenen Kündigung Zweifel an deren Ernsthaftigkeit bestehen, denn zumindest die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nicht nachvollziehbar, da die Ag die Miete direkt auf das Konto der Vermieter einzahlt.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
18.08.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Übernahme der sich aus einer Nebenkostenabrechnung für die Wohnung des Antragstellers (ASt) ergebenden Nachzahlung durch die Antragsgegnerin (Ag).
Der seit langem im Leistungsbezug der Ag stehende ASt wohnt seit 01.08.2009 in einer 26 m² großen Wohnung, für die er monatlich 165,00 EUR Miete, 45,00 EUR kalte Nebenkosten- und 50,00 EUR monatliche Heizkostenvorauszahlung erbringt. Die Ag bewilligte an Unterkunfts- und Heizungskosten monatlich 253,21 EUR (260,00 EUR abzügl. des bereits im Regelsatz enthaltenen Betrages für die Wassererwärmung in Höhe von 6,79 EUR). Am 27.04.2010 beantragte der ASt bei der Ag die Übernahme der sich aus der Nebenkostenabrechnung für die Zeit vom 01.08.2009 bis 31.12.2009 ergebenden Nachzahlung in Höhe von 1.202,56 EUR. Hiernach sei für Heizung inklusive Wassererwärmung in der Abrechnungszeit 1.203,19 EUR und für 76,92 m3 Wasser 302,47 EUR an Kosten entstanden.
Mit Bescheid vom 02.07.2010 bewilligte die Ag eine - weitere - Zahlung für Heizkosten in Höhe von 111,95 EUR und für kalte Nebenkosten in Höhe von 75,00 EUR. Bei einem maximal angemessenen Verbrauch von 710 kWh monatlich seien Heizkosten in Höhe von 65,60 EUR monatlich noch als angemessen anzusehen. Für Miete und kalte Nebenkosten sei ein maximaler Betrag von 225,00 EUR anzusetzen. Abzüglich der bereits geleisteten monatlichen Zahlungen sei daher noch ein Betrag von insgesamt 186,95 EUR an den Kläger auszubezahlen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Ag habe zwei Monate Zeit benötigt, um über den Antrag zu entscheiden. Zwischenzeitlich sei die Nebenkostenabrechnung für den Vermieter unumstößlich einklagbar geworden. Er habe wegen der Untätigkeit jetzt nicht mehr die Möglichkeit, die Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Vermieter zu rügen. Den Widerspruch wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2010 zurück.
Am 12.07.2010 hat der ASt beim Sozialgericht Bayreuth (SG) beantragt, die Ag zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Nebenkostenforderung für 2009 in Höhe von 1.202,56 EUR direkt an den Vermieter auszuzahlen. Er bewohne eine angemessene Wohnung; dies sei ihm beim Umzug behördlich bestätigt worden. Durch die Verzögerung bei der Antragsbearbeitung provoziere die Ag einen Mietrechtstreit und habe ihm die Möglichkeit zur Rüge der Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Vermieter genommen. Ob die in der Nebenkostenabrechnung angegebenen Anfangswerte zuträfen, wisse er nicht. Den hohen Verbrauch könne er sich nicht erklären. Er wasche allerdings Wäsche und Geschirr mit der Hand. Zwischenzeitlich sei ihm die Kündigung für den Fall angedroht worden, dass er nicht bis zum 15.09.2010 die Nebenkostennachforderung bezahle.
Die Ag hat ausgeführt, lt. Statistischem Bundesamt liege der Wasserverbrauch pro Person bei 45 m3 pro Jahr, der Ag hingegen habe fast 77 m3 in fünf Monaten verbraucht. Bei einem angemessen Wasserverbrauch wären kalte Nebenkosten in 5 Monaten in Höhe von 245,63 EUR entstanden. Tatsächlich gezahlt worden seien bisher aber 300,00 EUR. Lt. dem bundesweiten Heizspiegel 2010 für das Abrechnungsjahr 2009 ergebe sich, dass ein Verbrauch ab 215 kWh je m² und Jahr unangemessen hoch sei, so dass sich unter Berücksichtigung der Wohnungsgröße von 26 m² und der fünfmonatigen Mietdauer ein Betrag von 223,17 EUR an höchstens zu erbringenden Heizkosten ergebe. Tatsächlich ausgezahlt worden seien jedoch zwischenzeitlich bereits 328,00 EUR.
Das SG hat mit Beschluss vom 18.08.2010 die Ag vorläufig zur Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 183,49 EUR verpflichtet. Im Übrigen hat es den Antrag des ASt abgelehnt. Wegen der angedrohten Kündigung sei ein Anordnungsgrund gegeben. Nach abschließender Prüfung der Sach- und Rechtslage - diese sei wegen der schweren und unzumutbaren Beeinträchtigungen, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten, durchzuführen - bestehe nur Anspruch auf weitere 183,49 EUR. Entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts sei für Unterkunft und kalte Nebenkosten vorliegend ein monatlicher Betrag von 241,50 EUR noch als angemessen anzusehen (für fünf Monate: 1.207,50 EUR). Tatsächlich gezahlt worden seien bisher durch die Ag samt der Nachzahlung 1.125,00 EUR, so dass an Unterkunftskosten vorläufig weitere 82,50 EUR von der Ag zu zahlen seien. Heizmaterialverbrauch (hier: Gas) sei für eine abstrakt zustehende, angemessenen Wohnfläche von 50 m² im Umfang von 4.479 kWh für fünf Monate noch als angemessen anzusehen, so dass ein Betrag von 428,99 EUR von der Ag zu übernehmen sei. 328,00 EUR habe sie bereits gezahlt. Der ASt habe daher vorläufig Anspruch auf weitere 100,99 EUR an Heizkosten. Insgesamt seien ihm daher vorläufig noch 183,49 EUR von der Ag auszubezahlen. Auf weitere Leistungen durch die Ag habe der ASt jedoch keinen Anspruch. Sein Wasser- und Gasverbrauch sei im darüber hinausgehenden Umfang unangemessen und es seien keine Gründe ersichtlich, die diesen Verbrauch rechtfertigen könnten. Nicht nachvollziehbar sei, ob der ASt bei Übernahme der Wohnung die Zählerstände überprüft habe. Im Übrigen sei seine letzte Wohnung ebenfalls wegen nicht beglichener Nebenkosten gekündigt worden.
Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Durch die Teilversagung drohe ihm Obdachlosigkeit, in einem Hauptsacheverfahren sei diese eintretende schwere Beeinträchtigung nicht mehr zu beseitigen. Das SG habe seinen Antrag nicht umfassend gewürdigt. Er begehre die vorläufige Zahlung weiterer 832,12 EUR. Das SG weiche von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005
- 1 BvR 569/05 - ab. Zum 15.10.2010 sei ihm mittlerweile vom Vermieter außerordentlich und fristlos gekündigt worden; zugleich sei eine ordentliche Kündigung wegen Rückstandes von zwei Mieten zum 15.12.2010 erfolgt.
Die Ag hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das SG habe im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens höhere als die angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten zugesprochen. Dies aber sei im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens zu klären.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Die Ag ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu verpflichten, weitere vorläufige Zahlungen an den ASt zu erbringen. Offen gelassen werden kann, ob das SG die angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten zu hoch angesetzt hat, denn die Ag hat keine Beschwerde eingelegt, sie will dies vielmehr im Rahmen des Hauptsacheverfahrens klären.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. RdNr 652).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -1 BvR 2971/06 -).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Dies zugrunde gelegt, hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Übrigen zu Recht abgelehnt. Anspruch auf weitere Zahlungen hat der ASt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht. Zur Begründung wird gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen des SG Bezug genommen. Der unangemessen hohe Gas- und Wasserverbrauch des ASt ist nicht erklärbar, der ASt trägt hierzu auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nichts vor.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach dem vorgelegten Mietvertrag die Wohnung von der Ag zwar als angemessen eingeschätzt worden sein mag; dies bedeutet aber nicht, dass die Ag dann auch alle Kosten tragen müsse, selbst wenn diese durch einen unangemessenen Verbrauch des ASt verursacht werden. Zudem ist die Ag nicht verpflichtet, die Nebenkostenabrechnung auf ihre Richtigkeit im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter hin zu überprüfen, dies ist allein Aufgabe des ASt als Mieter. Der ASt hätte sich somit hinsichtlich des hohen Verbrauchs und der erforderlich gewordenen hohen Nachzahlung für fünf Monate (1.202,00 EUR Nachzahlung bei 475,00 EUR Vorauszahlung) an den Vermieter wenden können, er brauchte dazu die Entscheidung der Ag nicht abzuwarten. Die Ag hat auch keine Verpflichtung, eine "Asymmetrie" im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter zu vermeiden. Nachdem lt. der Nebenkostenabrechnung tatsächliche warme Nebenkosten in Höhe von ca. 335,51 EUR monatlich (1677,56 EUR in 5 Monaten) entstanden, als Vorauszahlung jedoch lediglich 95,00 EUR monatlich vom Vermieter gefordert worden sind, ergibt sich bereits hieraus für den ASt genügend Anlass, die Nebenkostenabrechnung gegenüber dem Vermieter selbst zu überprüfen.
Zu der vom ASt angesprochenen Beeinträchtigung seiner Grundrechte ist darauf hinzuweisen, dass das SG unter Annahme schwerer und unzumutbarer Beeinträchtigungen, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten (drohende Kündigung und Obdachlosigkeit), die Sach- und Rechtslage abschließend und nicht nur summarisch geprüft hat. Es weicht damit nicht von der vom ASt genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass bzgl der ausgesprochenen Kündigung Zweifel an deren Ernsthaftigkeit bestehen, denn zumindest die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nicht nachvollziehbar, da die Ag die Miete direkt auf das Konto der Vermieter einzahlt.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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