Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1050/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 82/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage der Bewilligung von Unterkunftskosten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 19.01.2010 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und RA B., B-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob dem Antragsteller (ASt) im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung nach
§ 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch die Antragsgegnerin (Ag) zu zahlen sind.
Der 1984 geborene ASt steht seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug bei der Ag. Seit dem 01.01.2006 ist er Mieter einer Kellerwohnung im Anwesen seiner Großmutter M. F. (F), A-Straße, A-Stadt. Zuletzt bewilligte die Ag ihm für die Zeit vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 351.- EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) i.H.v. 288,37 EUR.
Aufgrund mehrerer Hausbesuche und weiterer Ermittlungen des Außendienstes der Ag im November und Dezember 2009 ergab sich für diese, dass der ASt bei seiner Freundin C. K. (K) lebe. Mit Bescheid vom 03.12.2009 bewilligte die Ag deshalb dem ASt für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 als Arbeitslosengeld II - Alg II - die Regelleistung i.H.v. 359.- EUR monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 15.12.2009 hob die Ag die Bewilligung von Alg II mit Wirkung vom 01.01.2010 ganz auf. Grund hierfür sei ein Umzug und ein dadurch eingetretener Wechsel der Zuständigkeit. Über die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Mit - an K adressierten und bestandskräftigen - Bescheid vom 14.12.2009 bewilligte die Ag für K und den ASt als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.01.2010 bis 28.02.2010 vorläufige Leistungen, wobei auf den ASt monatlich 323.- EUR Alg II und 153,89 EUR KdU entfielen.
Am 23.12.2009 hat der ASt im Wege einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Würzburg (SG) beantragt, die Ag zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie auch Leistungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen. Er wohne nach wie vor in der von ihm angemieteten Einzimmerwohnung und nicht mit K in einer Bedarfsgemeinschaft. Hierfür habe er auch Miete zu zahlen. Im Erörterungstermin am 15.01.2010 hat das SG K als Zeugin vernommen. Die Ag hat erklärt, dass nicht von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem ASt und K auszugehen sei, und sich bereit erklärt, dem ASt den ungekürzten Regelsatz i.H.v. 359.- EUR zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 19.01.2010 hat das SG die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem ASt vorläufig ab sofort für einen Zeitraum von 5 Monaten Leistungen nach dem SGB II und der Berücksichtigung der auch bisher anerkannten Kosten der Unterkunft zu bewilligen. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien offen. Aufgrund des Ergebnisses des Erörterungstermins und der Einvernahme der K als Zeugin stehe nicht die erforderliche Gewissheit fest, dass der ASt nicht mehr in der von ihm angemieteten Wohnung wohne und hierfür auch die Kosten der Unterkunft zu tragen habe. Hierfür seien noch weitere Ermittlungen notwendig. Es deute zwar einiges darauf hin, dass der ASt seinen Lebensmittelpunkt nicht in dieser Wohnung habe, es sei aber auch nicht ersichtlich, dass er tatsächlich anderswo wohne. Möglicherweise werde er auch von seiner im Haus lebenden Großmutter versorgt. Bei offenen Erfolgsaussichten ergebe eine Abwägung der unterschiedlichen Belange, dass ihm bis auf weiteres die Kosten der Unterkunft so wie auch in früheren Bewilligungsabschnitten zu gewähren seien.
Hiergegen hat die Ag Beschwerde zum Bayer.Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der ASt habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen für KdU für die von ihm angemietete Wohnung. Diese werde nicht zum Wohnen im herkömmlichen Sinne genutzt. Weder die Küche noch das Bad seien für ein aktives Benutzen vorgesehen, die Wohnung mache einen unbewohnten Eindruck. Auch wenn die Erfolgsausschichten eines Hauptsacheverfahrens offen seien, fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Großmutter des ASt habe den Außendienstmitarbeiter auf den Aufenthalt des ASt bei K hingewiesen. Dies sei auch von der Vermieterin der K und deren Ehemann bestätigt worden. Eine Obdachlosigkeit als existenzielle Bedrohung wegen fehlender Mietzahlungen sei nicht zu befürchten.
Dagegen hat der ASt vorgetragen, er nutze diese die Wohnung sehr wohl als seinen täglichen und regelmäßigen Lebensmittelpunkt. Er habe sich in seiner Wohnung auch eingerichtet, für ihn sei die Ausstattung seiner Wohnung ausreichend. F habe dem Außendienstmitarbeiter der Ag nicht mitgeteilt, der ASt lebe bei K. F habe dem ASt auch bereits angekündigt, ihm das Mietverhältnis zu kündigen, wenn er seine Wohnung nicht bezahle. Der ASt hat eine "eidesstattliche Versicherung" der F sowie Lichtbilder der angemieteten Wohnung vorgelegt. Darüber hinaus hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag, sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und in der Sache auch begründet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein noch der Anspruch des ASt auf Bewilligung der Unterkunftskosten für die in A-Stadt gemietete Unterkunft. Die Ag hat im Erörterungstermin vom 15.01.2010 den Anspruch des ASt in Bezug auf die Regelleistung anerkannt und im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch nicht mehr in Frage gestellt.
Entgegen der Auffassung des SG war Rechtsgrundlage für das erstinstanzliche Begehren des ASt auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II in einem ersten Schritt § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Lediglich soweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.12.2009 anzuordnen gewesen wäre, wäre für die vom ASt auch begehrte Übernahme von KdU in einem zweiten Schritt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG in Betracht gekommen.
Mit Bescheid vom 15.12.2009 hat die Ag nämlich die dem ASt vorher mit Bescheid vom 03.12.2009 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom 01.01.2010 ganz aufgehoben. Dieser Bescheid steht sowohl der Bewilligung von Alg II i.H.d. Regelleistung als auch der Übernahme der begehrten Leistungen für KdU für die Zukunft entgegen. Eine Aufhebung dieses Bescheides ist auch nicht durch die Erklärung der Ag im Erörterungstermin vom 15.01.2010 erfolgt. Bei dem Bescheid vom 04.02.2010 handelt es sich allein um einen den Beschluss des SG ausführenden Bescheid.
Damit war der Antrag vom 23.12.2009 in einem ersten Schritt als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.12.2009 nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG auszulegen.
Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in Fällen anordnen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet keine aufschiebende Wirkung.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffekts auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 9.Aufl, § 86b Rdnr 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mit berücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller aaO Rdnr 12c).
Vorliegend ist der Aufhebungsbescheid vom 15.12.2009 jedenfalls hinsichtlich der Ablehnung der Übernahme von KdU nicht offensichtlich rechtswidrig, damit hat es bei der gesetzlichen Grundintention des sofortigen Vollzuges zu verbleiben.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die tatsächliche Nutzung einer Wohnung ist hierbei Voraussetzung für die Leistungsgewährung (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 16 ff). Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden angemessene Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe nur für eine einzige Unterkunft anerkannt, selbst wenn der Hilfebedürftige über mehrere Unterkünfte verfügen kann. Abzustellen ist dann auf die vorrangig tatsächlich genutzte Unterkunft (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 15.04.2008 - Az. L 9 AS 1438/07 ER - mwN).
Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, ob der ASt die von ihm angemietete Wohnung im Anwesen der F tatsächlich nutzt. Zwar ergibt sich nach der Zeugeneinvernahme der K, dass der ASt u.U nicht mehr bei dieser wohnt. Dem stehen jedoch die Aussagen der Vermieterin der K und deren Ehemann sowie widersprechende Auskünfte der F entgegen. Lediglich im Ergebnis stimmt der Senat somit dem SG zu, dass unter Berücksichtigung der Ermittlungen des SG die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens als offen anzusehen sind. Festzustellen ist aber, dass, soweit sich das SG im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer Zeugeneinvernahme gedrängt sah, es dann aber auch verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt vollständig - hier durch Vernehmungen weiterer Zeugen - aufzuklären. So hat es in fehlerhafter Weise die Beweiserhebung abgebrochen und hinsichtlich der Glaubwürdigkeit weiterer Zeugen lediglich Mutmaßungen angestellt.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen war aber die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.12.2009 hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Leistungen für KdU nicht anzuordnen, denn insoweit ist der Bescheid jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. Damit steht er der Gewährung von Leistungen für KdU im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG entgegen. Auf die Voraussetzungen einer Regelungsanordnung kam es somit nicht mehr an.
Lediglich ergänzend ist aber auszuführen, dass das SG auch zu Unrecht die Voraussetzunge einer Regelungsanordnung bejaht hat.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Regelung ist zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 41).
Mit der Gewährung von Leistungen für KdU begehrt der ASt existenzsichernde Leistungen, so dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -) jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs weniger streng zu beurteilen ist und der Anordnungsgrund besondere Bedeutung erlangt.
Im Rahmen der sich hieraus ergebenden Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange ist jedoch festzustellen, dass zu Gunsten des ASt ein Anordnungsgrund jedenfalls nicht glaubhaft gemacht ist. Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der ASt nachvollziehbar darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird (vgl. BayLSG vom 02.03.2009 - L 11 B 746/08 AS ER - veröffentlicht in juris).
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall völlig. Zwar hat der ASt behauptet, mit der Zahlung von Unterkunftskosten im Rückstand zu sein. Er hat jedoch zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar dargelegt, welche Nachteile er zu erwarten hat, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass dem ASt in naher Zeit konkret eine Kündigung bzw. eine Räumungsklage durch F drohe. Allein der erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgetragene Hinweis, seine Großmutter habe ihm gegenüber geäußert, bei fortdauernder Nichtzahlung werde sie sich einen neuen Mieter suchen müssen, genügt hierfür jedenfalls nicht.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Ag der Beschluss des SG aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Dem ASt war aber PKH für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Da die Ag die Beschwerde eingelegt hat, war nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m.119 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des ASt waren monatliche Raten nicht festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf die entsprechende Anwendung des§ 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und RA B., B-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob dem Antragsteller (ASt) im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorläufig Leistungen für Unterkunft und Heizung nach
§ 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch die Antragsgegnerin (Ag) zu zahlen sind.
Der 1984 geborene ASt steht seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug bei der Ag. Seit dem 01.01.2006 ist er Mieter einer Kellerwohnung im Anwesen seiner Großmutter M. F. (F), A-Straße, A-Stadt. Zuletzt bewilligte die Ag ihm für die Zeit vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 351.- EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) i.H.v. 288,37 EUR.
Aufgrund mehrerer Hausbesuche und weiterer Ermittlungen des Außendienstes der Ag im November und Dezember 2009 ergab sich für diese, dass der ASt bei seiner Freundin C. K. (K) lebe. Mit Bescheid vom 03.12.2009 bewilligte die Ag deshalb dem ASt für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 als Arbeitslosengeld II - Alg II - die Regelleistung i.H.v. 359.- EUR monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 15.12.2009 hob die Ag die Bewilligung von Alg II mit Wirkung vom 01.01.2010 ganz auf. Grund hierfür sei ein Umzug und ein dadurch eingetretener Wechsel der Zuständigkeit. Über die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Mit - an K adressierten und bestandskräftigen - Bescheid vom 14.12.2009 bewilligte die Ag für K und den ASt als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.01.2010 bis 28.02.2010 vorläufige Leistungen, wobei auf den ASt monatlich 323.- EUR Alg II und 153,89 EUR KdU entfielen.
Am 23.12.2009 hat der ASt im Wege einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Würzburg (SG) beantragt, die Ag zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie auch Leistungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen. Er wohne nach wie vor in der von ihm angemieteten Einzimmerwohnung und nicht mit K in einer Bedarfsgemeinschaft. Hierfür habe er auch Miete zu zahlen. Im Erörterungstermin am 15.01.2010 hat das SG K als Zeugin vernommen. Die Ag hat erklärt, dass nicht von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem ASt und K auszugehen sei, und sich bereit erklärt, dem ASt den ungekürzten Regelsatz i.H.v. 359.- EUR zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 19.01.2010 hat das SG die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem ASt vorläufig ab sofort für einen Zeitraum von 5 Monaten Leistungen nach dem SGB II und der Berücksichtigung der auch bisher anerkannten Kosten der Unterkunft zu bewilligen. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien offen. Aufgrund des Ergebnisses des Erörterungstermins und der Einvernahme der K als Zeugin stehe nicht die erforderliche Gewissheit fest, dass der ASt nicht mehr in der von ihm angemieteten Wohnung wohne und hierfür auch die Kosten der Unterkunft zu tragen habe. Hierfür seien noch weitere Ermittlungen notwendig. Es deute zwar einiges darauf hin, dass der ASt seinen Lebensmittelpunkt nicht in dieser Wohnung habe, es sei aber auch nicht ersichtlich, dass er tatsächlich anderswo wohne. Möglicherweise werde er auch von seiner im Haus lebenden Großmutter versorgt. Bei offenen Erfolgsaussichten ergebe eine Abwägung der unterschiedlichen Belange, dass ihm bis auf weiteres die Kosten der Unterkunft so wie auch in früheren Bewilligungsabschnitten zu gewähren seien.
Hiergegen hat die Ag Beschwerde zum Bayer.Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der ASt habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen für KdU für die von ihm angemietete Wohnung. Diese werde nicht zum Wohnen im herkömmlichen Sinne genutzt. Weder die Küche noch das Bad seien für ein aktives Benutzen vorgesehen, die Wohnung mache einen unbewohnten Eindruck. Auch wenn die Erfolgsausschichten eines Hauptsacheverfahrens offen seien, fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Großmutter des ASt habe den Außendienstmitarbeiter auf den Aufenthalt des ASt bei K hingewiesen. Dies sei auch von der Vermieterin der K und deren Ehemann bestätigt worden. Eine Obdachlosigkeit als existenzielle Bedrohung wegen fehlender Mietzahlungen sei nicht zu befürchten.
Dagegen hat der ASt vorgetragen, er nutze diese die Wohnung sehr wohl als seinen täglichen und regelmäßigen Lebensmittelpunkt. Er habe sich in seiner Wohnung auch eingerichtet, für ihn sei die Ausstattung seiner Wohnung ausreichend. F habe dem Außendienstmitarbeiter der Ag nicht mitgeteilt, der ASt lebe bei K. F habe dem ASt auch bereits angekündigt, ihm das Mietverhältnis zu kündigen, wenn er seine Wohnung nicht bezahle. Der ASt hat eine "eidesstattliche Versicherung" der F sowie Lichtbilder der angemieteten Wohnung vorgelegt. Darüber hinaus hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag, sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und in der Sache auch begründet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein noch der Anspruch des ASt auf Bewilligung der Unterkunftskosten für die in A-Stadt gemietete Unterkunft. Die Ag hat im Erörterungstermin vom 15.01.2010 den Anspruch des ASt in Bezug auf die Regelleistung anerkannt und im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch nicht mehr in Frage gestellt.
Entgegen der Auffassung des SG war Rechtsgrundlage für das erstinstanzliche Begehren des ASt auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II in einem ersten Schritt § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Lediglich soweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.12.2009 anzuordnen gewesen wäre, wäre für die vom ASt auch begehrte Übernahme von KdU in einem zweiten Schritt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG in Betracht gekommen.
Mit Bescheid vom 15.12.2009 hat die Ag nämlich die dem ASt vorher mit Bescheid vom 03.12.2009 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom 01.01.2010 ganz aufgehoben. Dieser Bescheid steht sowohl der Bewilligung von Alg II i.H.d. Regelleistung als auch der Übernahme der begehrten Leistungen für KdU für die Zukunft entgegen. Eine Aufhebung dieses Bescheides ist auch nicht durch die Erklärung der Ag im Erörterungstermin vom 15.01.2010 erfolgt. Bei dem Bescheid vom 04.02.2010 handelt es sich allein um einen den Beschluss des SG ausführenden Bescheid.
Damit war der Antrag vom 23.12.2009 in einem ersten Schritt als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.12.2009 nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG auszulegen.
Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in Fällen anordnen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet keine aufschiebende Wirkung.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffekts auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 9.Aufl, § 86b Rdnr 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mit berücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller aaO Rdnr 12c).
Vorliegend ist der Aufhebungsbescheid vom 15.12.2009 jedenfalls hinsichtlich der Ablehnung der Übernahme von KdU nicht offensichtlich rechtswidrig, damit hat es bei der gesetzlichen Grundintention des sofortigen Vollzuges zu verbleiben.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die tatsächliche Nutzung einer Wohnung ist hierbei Voraussetzung für die Leistungsgewährung (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 16 ff). Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden angemessene Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe nur für eine einzige Unterkunft anerkannt, selbst wenn der Hilfebedürftige über mehrere Unterkünfte verfügen kann. Abzustellen ist dann auf die vorrangig tatsächlich genutzte Unterkunft (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 15.04.2008 - Az. L 9 AS 1438/07 ER - mwN).
Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, ob der ASt die von ihm angemietete Wohnung im Anwesen der F tatsächlich nutzt. Zwar ergibt sich nach der Zeugeneinvernahme der K, dass der ASt u.U nicht mehr bei dieser wohnt. Dem stehen jedoch die Aussagen der Vermieterin der K und deren Ehemann sowie widersprechende Auskünfte der F entgegen. Lediglich im Ergebnis stimmt der Senat somit dem SG zu, dass unter Berücksichtigung der Ermittlungen des SG die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens als offen anzusehen sind. Festzustellen ist aber, dass, soweit sich das SG im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer Zeugeneinvernahme gedrängt sah, es dann aber auch verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt vollständig - hier durch Vernehmungen weiterer Zeugen - aufzuklären. So hat es in fehlerhafter Weise die Beweiserhebung abgebrochen und hinsichtlich der Glaubwürdigkeit weiterer Zeugen lediglich Mutmaßungen angestellt.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen war aber die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.12.2009 hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Leistungen für KdU nicht anzuordnen, denn insoweit ist der Bescheid jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. Damit steht er der Gewährung von Leistungen für KdU im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG entgegen. Auf die Voraussetzungen einer Regelungsanordnung kam es somit nicht mehr an.
Lediglich ergänzend ist aber auszuführen, dass das SG auch zu Unrecht die Voraussetzunge einer Regelungsanordnung bejaht hat.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Regelung ist zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 41).
Mit der Gewährung von Leistungen für KdU begehrt der ASt existenzsichernde Leistungen, so dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -) jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs weniger streng zu beurteilen ist und der Anordnungsgrund besondere Bedeutung erlangt.
Im Rahmen der sich hieraus ergebenden Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange ist jedoch festzustellen, dass zu Gunsten des ASt ein Anordnungsgrund jedenfalls nicht glaubhaft gemacht ist. Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der ASt nachvollziehbar darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird (vgl. BayLSG vom 02.03.2009 - L 11 B 746/08 AS ER - veröffentlicht in juris).
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall völlig. Zwar hat der ASt behauptet, mit der Zahlung von Unterkunftskosten im Rückstand zu sein. Er hat jedoch zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar dargelegt, welche Nachteile er zu erwarten hat, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass dem ASt in naher Zeit konkret eine Kündigung bzw. eine Räumungsklage durch F drohe. Allein der erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgetragene Hinweis, seine Großmutter habe ihm gegenüber geäußert, bei fortdauernder Nichtzahlung werde sie sich einen neuen Mieter suchen müssen, genügt hierfür jedenfalls nicht.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Ag der Beschluss des SG aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Dem ASt war aber PKH für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Da die Ag die Beschwerde eingelegt hat, war nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m.119 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des ASt waren monatliche Raten nicht festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf die entsprechende Anwendung des§ 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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