L 2 U 408/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 202/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 408/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Bejahung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung reicht es nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt am 28.02.2006 als Ingenieur bei der Firma B. beschäftigt. Er arbeitete in der Gruppe Entwicklung, Konstruktion und Mittelkonsole. Sein Vorgesetzter war der Zeuge J. S ... Am 28.02.2006 unternahmen von den elf Mitarbeitern der Gruppe sieben einen Rodelausflug. Die Schlittenfahrt fand außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit statt. Bei dieser Schlittenfahrt kam der Kläger mit seinem Schlitten von der Bahn ab und zog sich eine Fraktur der Brustwirbelsäule zu.

Der Arbeitgeber des Klägers gab mit Schreiben vom 28.06.2006 an, die Veranstaltung habe in der Freizeit stattgefunden. Um 15.00 Uhr habe man sich im Team getroffen und sei anschließend mit zwei Pkw nach O. gefahren. Im Anschluss an die Veranstaltung sei ein gemeinsames Essen geplant gewesen. Dieses Essen wäre durch die Führungskraft bezahlt worden. Die Kostenübernahme - mit Ausnahme der Fahrkosten - sei durch die Führungskraft erfolgt.

Mit Bescheid vom 12.10.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.02.2006 als Arbeitsunfall ab. Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt. Der Gruppenausflug habe der Pflege der Verbundenheit der Mitarbeiter der Fachgruppenunterabteilung El-512 untereinander sowie gegenüber der Unternehmensleitung und dem Austausch projektbezogener Erfahrungen gedient.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen legte der Kläger am 05.04.2007 Klage beim Sozialgericht München (SG) ein. Die Voraussetzungen einer Gemeinschaftsveranstaltung und somit eines versicherten Arbeitsunfalls seien erfüllt. Der Kläger verwies darauf, dass bei einer anderen Teambildungsveranstaltung, bei der ein Fußballspiel durchgeführt wurde, ein versicherter Arbeitsunfall von der Beklagten anerkannt worden sei. Im Erörterungstermin vom 17.03.2009 wurden J. S., F. L. und Dr. H. K. von der Firma B. als Zeugen vernommen. Der damalige unmittelbare Vorgesetzte des Klägers J. S. führte in seiner Zeugenaussage aus, dass Zielrichtung der Veranstaltung vom 28.02.2006 die Förderung der Kommunikation unter den Mitarbeitern gewesen sei. Es sei der Wunsch der Mitarbeiter gewesen, zum Rodeln zu gehen. Eine Finanzierung durch das Arbeitgeberunternehmen habe er nicht beantragt, weil die Kosten nicht so hoch gewesen seien und ein sehr aufwändiges Verwaltungsverfahren notwendig gewesen wäre. Es handle sich um eine Ergänzung der wöchentlich stattfindenden Gruppentreffen. Wegen der Einzelheiten sowie hinsichtlich der Aussagen der Zeugen L. und Dr. K. wird auf die Niederschrift des SG verwiesen.

Mit Urteil vom 07.07.2009 wies das SG die Klage ab. Zwar könne es durchaus auch im Interesse des Unternehmens liegen, dass sog. Teambildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dies führe jedoch nicht dazu, dass solche Maßnahmen zwangsläufig regelmäßig dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterlägen. Dies jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der Belegschaft des Unternehmens an der Maßnahme teilnimmt, die darüber hinaus während der Freizeit ohne Kostentragung des Unternehmens und ohne dessen Wissen durchgeführt wurde. Nicht jegliche Tätigkeit, die auch im Interesse des Unternehmens stattfindet, unterfalle dem Versicherungsschutz des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Hiergegen hat der Kläger am 02.10.2009 Berufung eingelegt. Das SG habe den Vertrauensschutz gegenüber einem Arbeitnehmer völlig außer Acht gelassen. Alle vom BSG aufgestellten Kriterien sprächen für und nicht gegen das Vorliegen der Gemeinschaftsveranstaltung. Ziel sei die Förderung der Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander gewesen. Alle Angehörigen der Abteilung seien eingeladen gewesen. Der Wunsch des Arbeitgebers sei deutlich geworden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme habe allen Beschäftigten des Unternehmens offengestanden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.07.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 28.02.2006 ein versicherter Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Bei dem Unfall des Klägers vom 28.02.2006 handelt es sich nicht um einen versicherten Arbeitsunfall. Das SG hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren konnte zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 22.09.2009 (Az.: B 2 U 4/08 R) seine Grundsätze hinsichtlich versicherter Gemeinschaftsveranstaltungen erneut bekräftigt. Die Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung nur zugerechnet werden, wenn wenigstens folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Der Arbeitgeber will die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zur Förderung der Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander und mit ihm durchführen. Er hat für alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abwechselnde Abteilungen des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung eingeladen oder einladen lassen. Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss ferner vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist. Nur in Ausnahmefällen, in denen Beschäftigte von vornherein nicht teilnehmen können, weil etwa aus Gründen der Daseinsvorsorge der Betrieb aufrechterhalten werden muss oder wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorisch-technischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung ausscheidet, muss die umfassende Teilnahmemöglichkeit nicht für alle Mitarbeiter bestehen; dann sind aber diejenigen Beschäftigten einzuladen, deren Teilnahme möglich ist.

Diese nochmals bestätigten Grundsätze (siehe zum Ganzen: KassKomm-Ricke, § 8 SGB VII, Rdnr. 77 ff) sind hier nicht erfüllt.

Zum einen erfüllt der Teamleiter aus einer Gruppe von elf Personen (Unterabteilung) keine Arbeitgeberfunktion für die Firma B. AG, da die angesprochene Gruppe hierfür zu klein ist (s.a. Bayer.LSG vom 10.12.2008, Az.: L 2 U 258/08). Für eine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung großer Unternehmen ist in der Regel auf die Abteilungsebene abzustellen. Auch ging die Initiative gerade nicht vom Unternehmen aus. Vielmehr kam der Wunsch aus der Runde der Arbeitnehmer, die sich im privaten Rahmen treffen wollten. Dass hier ein gewisser Gruppendruck entsteht, bei dem sich die anderen verpflichtet fühlen, sich bei Fehlen zu entschuldigen, ändert nichts daran, dass der Druck aus der Gruppe selbst kommt, und nicht vom Arbeitgeber.

Es liegt nicht in der Hand des Unternehmens, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung von sich aus auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten. Der Inhalt der versicherten Tätigkeiten eines Beschäftigten ergibt sich aus dem dem Beschäftigungsverhältnis typischerweise zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis, nachdem der Arbeitnehmer zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet ist. Diese Dienste sind die versicherte Tätigkeit. Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen liegt, wie bereits ausgeführt, in der personalen Grundbeziehung zwischen Dienstverpflichtetem und Dienstherrn sowie dem für den Unternehmenserfolg in der Regel erforderlichen arbeitsteiligen Zusammenwirken der Beschäftigten. Nicht jede Pflege gesellschaftlicher Beziehungen, auch wenn sie für die jeweilige Niederlassung oder das Unternehmen insgesamt wertvoll ist, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Gegen den Versicherungsschutz spricht auch die gewählte Sportart, das Schlittenfahren. Diese ist nicht vorrangig darauf angelegt, den Mannschaftsgeist zu stärken.

Auch der Zeitpunkt des Rodelausflugs in der Freizeit ist ein starkes Indiz dafür, dass es sich um eine reine Freizeitveranstaltung handeln sollte. Die Veranstaltung fand am Faschingsdienstag am späten Nachmittag statt. Die Teilnehmer hatten sämtlich ihre Arbeitszeit durch Ausstempeln beendet. Auch wenn hypothetisch die Möglichkeit bestanden hätte weiterzuarbeiten, und die Gleitzeit ausgenutzt wurde, ändert dies nichts am Freizeitcharakter. Zwar ist nicht zwingend, dass eine versicherte Veranstaltung während der Arbeitszeit stattfindet. Jedoch ist dies ein starkes Indiz hierfür.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass im Rahmen der Gesamtabwägung vor allem eine teilweise Kostenübernahme durch den Teamleiter sowie eine gewisse Firmenkultur für das Vorliegen einer versicherten Gemeinschaftsveranstaltung sprechen. Auch wenn sich somit ein Bezug zur versicherten Tätigkeit nicht verneinen lässt, überwiegen insgesamt die Argumente, die gegen den Versicherungsschutz sprechen.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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