Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 6/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 10/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 08.01.2007 um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII handelt.
2. Die Beklagte hat die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII streitig.
Der 1955 geborene Kläger ist Nebenerwerbslandwirt und hält unter anderem Mutterkühe. Am 08.01.2007 hatte sich einer der Kühe mit ihrer Kette im Stall in dem vor dem Futtertrog im Boden eingelassenen Ring derart verhakt, dass sie zu ersticken drohte. Da der Kläger selbst zu dem Zeitpunkt nicht erreichbar war, rief die Ehefrau des Klägers den nur 2 km entfernt wohnenden 1950 geborenen Bruder des Klägers, den Beigeladenen, zu Hilfe. Der Beigeladene kam daraufhin auf den Hof und versuchte, die Kuh von der Kette zu befreien. Bei diesem Versuch trat die daneben stehende Kuh den Beigeladenen, so dass dieser eine Unterschenkelfraktur rechts erlitt.
In einem Fragebogen gab der Beigeladene sodann am 24.01.2007 gegenüber der Beklagten an, dass er Rentner sei und als weisungsgebundener mitarbeitender Familienangehöriger ohne Arbeitsvertrag und ohne Entgelt tätig geworden sei. Die Beklagte trug daraufhin die Behandlungskosten des Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 24.11.2008 beantragte sodann der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten die Anerkennung des Ereignisses vom 08.01.2007 als Arbeitsunfall und verwies darauf, dass der Beigeladene den Kläger vor dem Landgericht Hanau zivilrechtlich auf Schmerzensgeld in Anspruch nehmen. Der Kläger habe daraufhin sein Haftungsprivileg aus dem Arbeitsunfall geltend gemacht, woraufhin das Landgericht das Verfahren zur Klärung der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliege, ausgesetzt habe. Mit Schreiben vom 03.12.2008 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers daraufhin mit, dass der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt worden sei, jedoch vorbehaltlich eines formellen Beschlusses des Rentenausschusses.
Mit Schriftsatz vom 23.12.2008 meldete sich sodann der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen bei der Beklagten und fragte an, mit welchem Bescheid das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt worden sei. Mit Schreiben vom 14.01.2009 teilte die Beklagte dem Beigeladenen daraufhin mit, dass die Prüfung des Ereignisses vom 08.01.2007 ergeben habe, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die Entscheidung sei durch Eintrag in die Datenbank am 15.06.2007 getroffen worden.
Am 16.02.2009 legte der Beigeladene daraufhin Widerspruch gegen die Entscheidung der Beklagten vom 15.06.2007 bzw. 14.01.2009 ein, das Ereignis als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII anzuerkennen. Mit Schreiben vom 20.02.2009 teilte die Beklagte daraufhin dem Kläger sowie dem Beigeladenen mit, dass beabsichtigt sei, nunmehr förmlich festzustellen, ob es sich bei dem Ereignis vom 08.01.2007 um einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall gehandelt habe. Auf dem von der Beklagten übersandten Fragebogen teilte der Kläger am daraufhin am 20.05.2009 mit, dass der Beigeladene vor dem hier fraglichen Ereignis auf dem Hof noch nicht geholfen habe und die Hilfeleistung am Unfalltag nur ausnahmsweise geschehen sei. Auch bei erhöhtem Arbeitsanfall helfe der Beigeladene im Betrieb nicht. Der Versuch, die Kuh vor dem Erstickungstod zu retten, sei die einzige Tätigkeit des Beigeladenen gewesen, dieser sei bis zum Eintritt des Unfalls etwa 10 Min. beschäftigt gewesen. Es habe sich um eine Familienhilfe durch den Bruder gehandelt. Der Beigeladene gab in dem Fragebogen am 15.06.2009 ebenfalls an, dass er nur ausnahmsweise geholfen habe und vorher in dem Unternehmen seines Bruders nicht tätig gewesen sei. Es habe sich um einen notfallmäßige Familienhilfe für seinen Bruder gehandelt.
Mit Bescheid vom 18.08.2009 lehnte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Beigeladenen die Anerkennung des Ereignisses vom 08.01.2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie an, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine aus verwandtschaftlichen Beweggründen verrichtete Gefälligkeitsleistung und damit nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII gehandelt habe.
Gegen den Bescheid vom 18.08.2009 legte der Kläger am 21.09.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass sein Bruder wie ein Beschäftigter für ihn am 08.01.2007 tätig geworden sei. Der Unfall sei ohne Zweifel in seinem Betrieb erfolgt, habe dem Unternehmen auch gedient und sei von wirtschaftlichem Wert gewesen, da der Beigeladene eine Kuh vor dem Erstickungstod gerettet habe. Die Tätigkeit sei daher arbeitnehmerähnlich gewesen. In einer Stellungnahme vom 12.05.2010 führte der Beigeladene aus, dass seine Hilfeleistung nur ausnahmsweise erfolgt sei und somit klar eine Gefälligkeit dargestellt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann zurück. Bei der von dem Beigeladenen ausgeführten Tätigkeit habe es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung unter Familienmitgliedern gehandelt, die keinesfalls als arbeitnehmerähnlich einzustufen sei.
Hiergegen richtet sich die am 10.01.2011 Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage, mit der der Kläger sein Ziel weiter verfolgt. Zur Begründung ließ er vortragen, dass sein Bruder gegen ihn vor dem Landgericht Hanau Schadensersatzansprüche geltend mache und der Ausgang dieses Verfahrens davon abhänge, ob der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt werde. Sein Bruder sei für ihn wie ein Beschäftigter am 08.01.2007 tätig geworden sei. Es habe sich nicht um eine verwandtschaftlich geprägte Gefälligkeitsleistung gehandelt, welche nicht bereits immer dann anzunehmen sei, wenn ein Verwandtschaftsverhältnis vorliege. Die Tätigkeit habe dem Willen des Klägers entsprochen einen erheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Vorteil für den Kläger bedeutet und sei daher arbeitnehmerähnlich gewesen. Bei der Rettung der Kuh habe es sich nicht um eine geradezu selbstverständliche Hilfeleistung unter Verwandten gehandelt, da die Tätigkeit ein hohes Verletzungsrisiko beinhaltet habe. Auch die Einmaligkeit der konkreten Leistung sowie deren relativ kurze Dauer führten nicht schon per se zur Annahme einer Gefälligkeit. Der Bruder sei vorliegend aufgrund eines dringlichen Anrufs der Frau des Klägers tätig geworden und unter Berücksichtigung aller Umstände sei hier ein Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII zu bejahen.
Mit Beschluss vom 11.07.2011 hat das Gericht daraufhin den Bruder des Klägers zum vorliegenden Verfahren notwendig beigeladen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 08.01.2007 um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII handelt.
Die Beklagte sowie der Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides. Zudem führte sie an, dass man sich schwerlich eine engere familiäre Beziehung vorstellen könne, als zwischen 2 Brüdern, die im selben Ort wohnten. Offenbar sei auch der Frau des Klägers der Beigeladene zuerst in den Sinn gekommen, als es darum ging, die Kuh zu befreien. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der einschlägigen Rechtsprechung handele es sich vorliegend eindeutig nicht um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des Beigeladenen.
Der Beigeladene führte an, dass er von der Ehefrau des Klägers in diesem einmaligen Fall um Hilfe gebeten worden sei und es sich klar um eine Gefälligkeitsleistung gehandelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig und in der Sache begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Klage ist dabei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig. Der Kläger ist auch klagebefugt. Nach §§ 108, 109 Satz 1 SGB VII können Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist und gegen die Versicherte Schadensersatzforderungen erheben, statt der Berechtigten die Feststellung beantragen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, oder das entsprechende Verfahren nach dem SGG führen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der möglicherweise versicherte Beigeladene vor dem Landgericht Hanau gegen den Kläger, der ggf. in seiner Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, eine Schadensersatzklage führt.
Es handelt sich bei dem hier streitigen Ereignis nach Auffassung der Kammer um einen versicherten Arbeitsunfall nach dem SGB VII.
Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Der Beigeladene stand dabei unstreitig und unzweifelhaft nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da er nicht bei dem Kläger beschäftigt war. Zur Überzeugung des Gerichts lag bei Ausübung der Tätigkeit am 08.01.2007 auch keine sogenannte Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII vor.
Nach dieser Bestimmung sind Personen versichert, die wie Beschäftigte tätig werden. § 2 Abs. 2 SGB VII will aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln (SG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2012, S 1 U 1137/12).
Das Hessische LSG (Urteil vom 15.03.2011, L 3 U 90/09) führt hierzu aus:
"Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII erfordert eine ernstliche, dem anderen Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Sie muss außerdem unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (so die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. BSGE 5, 168, 174; 31, 275, 277; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119). Auch ein Verwandter kann wie ein Versicherter tätig werden und unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 2 SGB VII stehen. Denn der Versicherungsschutz sowohl nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als auch nach § 2 Abs. 2 SGB VII ist nicht ausgeschlossen, weil der Tätigwerdende ein Verwandter des Unternehmers ist. Dem Versicherungsschutz steht nicht entgegen, dass unter Verwandten die Bereitschaft zu Freundschaft- und Gefälligkeitsleistungen größer ist und deshalb die Tätigkeit, die sonst aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses oder jedenfalls gegen Entgelt verrichtet wird, als Freundschaft- oder Gefälligkeitsdienst unentgeltlich erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1988 – 2 RU 81/87 – in HV-Info 1988, 1629-1632). Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII besteht jedoch nicht, wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen ist, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten, Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten ist. Auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es allein nicht an. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Zeitdauer lediglich innerhalb des Gesamtbildes, vor allem bei Hilfeleistung unter Verwandten und bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen, gesellschaftlichen oder körperschaftlichen Verpflichtungen, die ihr zukommende, nicht aber eine selbstständige entscheidende Bedeutung zuzumessen. Maßgebend sind vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalles (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992 – 2 RU 6/91 – in SozR 3 – 2200 § 539 RVO Nr. 15). Je enger eine Gemeinschaft ist, umso größer ist der Rahmen, in dem bestimmte Verrichtungen hierdurch ihr Gepräge erhalten (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 49)."
Vorliegend war der Beigeladene weder vor dem streitigen Ereignis noch danach im Betrieb des Klägers tätig. Er war lediglich zur Rettung des Tieres auf den Hof gekommen, eine einmalige und nur eine kurze Zeitspanne umfassende Tätigkeit. Diese konkrete Tätigkeit hat der Beigeladene demnach nicht unter solchen Umständen geleistet, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Einmaligkeit, kurze Zeitdauer sowie auch das fehlende Entgelt sprechen gegen eine solche Annahme, ebenso wie das enge Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kläger und Bruder und die konkreten Umstände des Einzelfalls, nämlich die sofort benötigte Hilfe für die Kuh. Insgesamt ist das Gericht deshalb davon überzeugt, dass eine arbeitnehmerähnliche und damit nach § 2 Abs. 2 SGB VII versicherte Beschäftigung des Beigeladenen im konkreten Fall nicht vorgelegen hat.
Allerdings sind nach § 2 Abs 1 Nr. 13 a) SGB VII "Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten" ebenfalls kraft Gesetzes unfallversichert. Diese Vorschrift trifft zur Überzeugung der Kammer vorliegend auf den Beigeladenen zu, da dieser in einem Unglücksfall Hilfe geleistet hat.
Ein Unglücksfall ist ein plötzlich auftretendes Ereignis, das eine Gefahr für Menschen oder Sachen mit sich bringt (BSG, Urteil vom 15.06.2010, B 2 U 12/09 R mit Hinweis auf BSGE vom 25.1.1973 - 2 RU 55/71 - BSGE 35, 140, 141 = SozR Nr 39 zu § 539 RVO; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 8/02 R). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Allgemeinheit bedroht ist; vielmehr genügt es, dass sich ein einzelner in einer Lage befindet, die nur ihm Schaden zufügen könnte (Riebel, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Lfg. 2/12, § 2, Rn. 173, 164). Ebenso geschützt sind nach dieser Vorschrift insoweit auch Tiere (Ricke, in: Kasseler Kommentar, SGB VII, 70. EL, § 2, Rn. 65).
Vorliegend befand sich die Kuh des Klägers in einer lebensbedrohlichen Lage, die sofort beseitigt werden musste, um das Tier vor dem Erstickungstod zu beschützen. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB VII drohte damit zum Zeitpunkt des Unfalls des Beigeladenen eine erhebliche Gefahr für das Tier. Der Beigeladene leistete in diesem plötzlich aufgetretenen Unglücksfall Hilfe, indem er (erfolgreich) versuchte, die Kuh zu befreien. Bei dieser Hilfeleistung erlitt der Beigeladene sodann den hier streitigen Unfall, so dass die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.
Soweit in der Kommentarliteratur zu § 2 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB VII zum Teil bei Gefahren für Sachen (unter die zivilrechtlich gesehen Tiere zwar nicht fallen, auf die die für Sachen geltenden Vorschriften aber entsprechend anzuwenden sind, vgl. § 90a BGB) eine gemeine Gefahr, und damit eine Gefahr für eine Mehrzahl von Sachen, gefordert wird (Bieresborn, in: jurisPK-SGB VII, Stand 12.11.2012, § 2, Rn. 180), schließt sich die Kammer hieran – jedenfalls für den hier streitigen Fall der Tierrettung - nicht an. Zwar wird insoweit zu Recht auf einen möglichen Wertungswiderspruch zu den anderen Alternativen der Norm hingewiesen (Bieresborn a.a.O.). Bei Schäden an Tieren führt Ricke (a.a.O.) jedoch schlüssig an, dass deren (Sach-)Wert insoweit keine Rolle spiele, da im Vordergrund stehe, dem Tier Leid zu ersparen. Wenn jedoch der Wert des Tieres bei der Frage des Eingreifens bei Gefahr für das Tier zu Recht keine Rolle spielt, kann auch die Anzahl der betroffenen Tiere keinen Einfluss auf die Frage des Versicherungsschutzes haben.
Der Beigeladene stand somit bei der Rettungsaktion für die Kuh des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass es sich bei seinem hierbei erlittenen Unfall um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII handelt. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 ist damit rechtswidrig, so dass er aufzuheben und der Arbeitsunfall festzustellen war. Soweit für den nunmehr festgestellten Arbeitsunfall ggf. die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers in Betracht kommt (vgl. § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII), bleibt die Beklagte als erstangegangener Träger jedenfalls gemäß § 139 Abs. 2 SGB VII insgesamt weiter zuständig, solange eine Abgabe nicht erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Danach trägt derjenige Beteiligte die Kosten des Verfahrens, der unterliegt. Hinsichtlich der mangelnden Kostenprivilegierung des Klägers führt dabei das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 29.06.2011, L 3 U 11/08) zutreffend aus:
"Eine Kostenprivilegierung [ ] nach § 183 SGG kommt vorliegend nicht in Betracht, weil die von ihnen in der Sache geltend gemachte Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff SGB VII nicht als Sozialleistung (vgl. zu diesem Begriff Groß in: Lüdtke (Hrsg), SGG, 3. Aufl. 2009, § 183 Rn 5 mwN) an die Unternehmer als Leistungsempfänger angesehen werden kann. Nach § 104 Abs 3 SGG tritt der Unfallversicherungsschutz an die Stelle zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche, soweit die "nach Gesetz oder Satzung" Berechtigten Leistungen infolge eines Versicherungsfalls erhalten. Daher können Unternehmer, die sich - wie hier - auf eine solche Haftungsbeschränkung berufen, am sozialgerichtlichen Verfahren nicht selbst als Versicherte oder Leistungsempfänger i.S. von § 183 S 1 SGG beteiligt sein."
Vorliegend ist die Beklagte vollumfänglich unterlegen und dem Beigeladenen als hinsichtlich der Kosten privilegierte Person nach § 183 SGG können gemäß § 197a Abs. 2 S. 2 SGG keine Kosten auferlegt werden. Es war daher wie tenoriert zu entscheiden.
2. Die Beklagte hat die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII streitig.
Der 1955 geborene Kläger ist Nebenerwerbslandwirt und hält unter anderem Mutterkühe. Am 08.01.2007 hatte sich einer der Kühe mit ihrer Kette im Stall in dem vor dem Futtertrog im Boden eingelassenen Ring derart verhakt, dass sie zu ersticken drohte. Da der Kläger selbst zu dem Zeitpunkt nicht erreichbar war, rief die Ehefrau des Klägers den nur 2 km entfernt wohnenden 1950 geborenen Bruder des Klägers, den Beigeladenen, zu Hilfe. Der Beigeladene kam daraufhin auf den Hof und versuchte, die Kuh von der Kette zu befreien. Bei diesem Versuch trat die daneben stehende Kuh den Beigeladenen, so dass dieser eine Unterschenkelfraktur rechts erlitt.
In einem Fragebogen gab der Beigeladene sodann am 24.01.2007 gegenüber der Beklagten an, dass er Rentner sei und als weisungsgebundener mitarbeitender Familienangehöriger ohne Arbeitsvertrag und ohne Entgelt tätig geworden sei. Die Beklagte trug daraufhin die Behandlungskosten des Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 24.11.2008 beantragte sodann der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten die Anerkennung des Ereignisses vom 08.01.2007 als Arbeitsunfall und verwies darauf, dass der Beigeladene den Kläger vor dem Landgericht Hanau zivilrechtlich auf Schmerzensgeld in Anspruch nehmen. Der Kläger habe daraufhin sein Haftungsprivileg aus dem Arbeitsunfall geltend gemacht, woraufhin das Landgericht das Verfahren zur Klärung der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliege, ausgesetzt habe. Mit Schreiben vom 03.12.2008 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers daraufhin mit, dass der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt worden sei, jedoch vorbehaltlich eines formellen Beschlusses des Rentenausschusses.
Mit Schriftsatz vom 23.12.2008 meldete sich sodann der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen bei der Beklagten und fragte an, mit welchem Bescheid das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt worden sei. Mit Schreiben vom 14.01.2009 teilte die Beklagte dem Beigeladenen daraufhin mit, dass die Prüfung des Ereignisses vom 08.01.2007 ergeben habe, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die Entscheidung sei durch Eintrag in die Datenbank am 15.06.2007 getroffen worden.
Am 16.02.2009 legte der Beigeladene daraufhin Widerspruch gegen die Entscheidung der Beklagten vom 15.06.2007 bzw. 14.01.2009 ein, das Ereignis als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII anzuerkennen. Mit Schreiben vom 20.02.2009 teilte die Beklagte daraufhin dem Kläger sowie dem Beigeladenen mit, dass beabsichtigt sei, nunmehr förmlich festzustellen, ob es sich bei dem Ereignis vom 08.01.2007 um einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall gehandelt habe. Auf dem von der Beklagten übersandten Fragebogen teilte der Kläger am daraufhin am 20.05.2009 mit, dass der Beigeladene vor dem hier fraglichen Ereignis auf dem Hof noch nicht geholfen habe und die Hilfeleistung am Unfalltag nur ausnahmsweise geschehen sei. Auch bei erhöhtem Arbeitsanfall helfe der Beigeladene im Betrieb nicht. Der Versuch, die Kuh vor dem Erstickungstod zu retten, sei die einzige Tätigkeit des Beigeladenen gewesen, dieser sei bis zum Eintritt des Unfalls etwa 10 Min. beschäftigt gewesen. Es habe sich um eine Familienhilfe durch den Bruder gehandelt. Der Beigeladene gab in dem Fragebogen am 15.06.2009 ebenfalls an, dass er nur ausnahmsweise geholfen habe und vorher in dem Unternehmen seines Bruders nicht tätig gewesen sei. Es habe sich um einen notfallmäßige Familienhilfe für seinen Bruder gehandelt.
Mit Bescheid vom 18.08.2009 lehnte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Beigeladenen die Anerkennung des Ereignisses vom 08.01.2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie an, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine aus verwandtschaftlichen Beweggründen verrichtete Gefälligkeitsleistung und damit nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII gehandelt habe.
Gegen den Bescheid vom 18.08.2009 legte der Kläger am 21.09.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass sein Bruder wie ein Beschäftigter für ihn am 08.01.2007 tätig geworden sei. Der Unfall sei ohne Zweifel in seinem Betrieb erfolgt, habe dem Unternehmen auch gedient und sei von wirtschaftlichem Wert gewesen, da der Beigeladene eine Kuh vor dem Erstickungstod gerettet habe. Die Tätigkeit sei daher arbeitnehmerähnlich gewesen. In einer Stellungnahme vom 12.05.2010 führte der Beigeladene aus, dass seine Hilfeleistung nur ausnahmsweise erfolgt sei und somit klar eine Gefälligkeit dargestellt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann zurück. Bei der von dem Beigeladenen ausgeführten Tätigkeit habe es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung unter Familienmitgliedern gehandelt, die keinesfalls als arbeitnehmerähnlich einzustufen sei.
Hiergegen richtet sich die am 10.01.2011 Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage, mit der der Kläger sein Ziel weiter verfolgt. Zur Begründung ließ er vortragen, dass sein Bruder gegen ihn vor dem Landgericht Hanau Schadensersatzansprüche geltend mache und der Ausgang dieses Verfahrens davon abhänge, ob der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt werde. Sein Bruder sei für ihn wie ein Beschäftigter am 08.01.2007 tätig geworden sei. Es habe sich nicht um eine verwandtschaftlich geprägte Gefälligkeitsleistung gehandelt, welche nicht bereits immer dann anzunehmen sei, wenn ein Verwandtschaftsverhältnis vorliege. Die Tätigkeit habe dem Willen des Klägers entsprochen einen erheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Vorteil für den Kläger bedeutet und sei daher arbeitnehmerähnlich gewesen. Bei der Rettung der Kuh habe es sich nicht um eine geradezu selbstverständliche Hilfeleistung unter Verwandten gehandelt, da die Tätigkeit ein hohes Verletzungsrisiko beinhaltet habe. Auch die Einmaligkeit der konkreten Leistung sowie deren relativ kurze Dauer führten nicht schon per se zur Annahme einer Gefälligkeit. Der Bruder sei vorliegend aufgrund eines dringlichen Anrufs der Frau des Klägers tätig geworden und unter Berücksichtigung aller Umstände sei hier ein Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII zu bejahen.
Mit Beschluss vom 11.07.2011 hat das Gericht daraufhin den Bruder des Klägers zum vorliegenden Verfahren notwendig beigeladen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 08.01.2007 um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII handelt.
Die Beklagte sowie der Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides. Zudem führte sie an, dass man sich schwerlich eine engere familiäre Beziehung vorstellen könne, als zwischen 2 Brüdern, die im selben Ort wohnten. Offenbar sei auch der Frau des Klägers der Beigeladene zuerst in den Sinn gekommen, als es darum ging, die Kuh zu befreien. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der einschlägigen Rechtsprechung handele es sich vorliegend eindeutig nicht um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des Beigeladenen.
Der Beigeladene führte an, dass er von der Ehefrau des Klägers in diesem einmaligen Fall um Hilfe gebeten worden sei und es sich klar um eine Gefälligkeitsleistung gehandelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig und in der Sache begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Klage ist dabei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig. Der Kläger ist auch klagebefugt. Nach §§ 108, 109 Satz 1 SGB VII können Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist und gegen die Versicherte Schadensersatzforderungen erheben, statt der Berechtigten die Feststellung beantragen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, oder das entsprechende Verfahren nach dem SGG führen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der möglicherweise versicherte Beigeladene vor dem Landgericht Hanau gegen den Kläger, der ggf. in seiner Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, eine Schadensersatzklage führt.
Es handelt sich bei dem hier streitigen Ereignis nach Auffassung der Kammer um einen versicherten Arbeitsunfall nach dem SGB VII.
Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Der Beigeladene stand dabei unstreitig und unzweifelhaft nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da er nicht bei dem Kläger beschäftigt war. Zur Überzeugung des Gerichts lag bei Ausübung der Tätigkeit am 08.01.2007 auch keine sogenannte Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII vor.
Nach dieser Bestimmung sind Personen versichert, die wie Beschäftigte tätig werden. § 2 Abs. 2 SGB VII will aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln (SG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2012, S 1 U 1137/12).
Das Hessische LSG (Urteil vom 15.03.2011, L 3 U 90/09) führt hierzu aus:
"Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII erfordert eine ernstliche, dem anderen Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Sie muss außerdem unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (so die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. BSGE 5, 168, 174; 31, 275, 277; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119). Auch ein Verwandter kann wie ein Versicherter tätig werden und unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 2 SGB VII stehen. Denn der Versicherungsschutz sowohl nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als auch nach § 2 Abs. 2 SGB VII ist nicht ausgeschlossen, weil der Tätigwerdende ein Verwandter des Unternehmers ist. Dem Versicherungsschutz steht nicht entgegen, dass unter Verwandten die Bereitschaft zu Freundschaft- und Gefälligkeitsleistungen größer ist und deshalb die Tätigkeit, die sonst aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses oder jedenfalls gegen Entgelt verrichtet wird, als Freundschaft- oder Gefälligkeitsdienst unentgeltlich erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1988 – 2 RU 81/87 – in HV-Info 1988, 1629-1632). Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII besteht jedoch nicht, wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen ist, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten, Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten ist. Auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es allein nicht an. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Zeitdauer lediglich innerhalb des Gesamtbildes, vor allem bei Hilfeleistung unter Verwandten und bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen, gesellschaftlichen oder körperschaftlichen Verpflichtungen, die ihr zukommende, nicht aber eine selbstständige entscheidende Bedeutung zuzumessen. Maßgebend sind vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalles (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992 – 2 RU 6/91 – in SozR 3 – 2200 § 539 RVO Nr. 15). Je enger eine Gemeinschaft ist, umso größer ist der Rahmen, in dem bestimmte Verrichtungen hierdurch ihr Gepräge erhalten (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 49)."
Vorliegend war der Beigeladene weder vor dem streitigen Ereignis noch danach im Betrieb des Klägers tätig. Er war lediglich zur Rettung des Tieres auf den Hof gekommen, eine einmalige und nur eine kurze Zeitspanne umfassende Tätigkeit. Diese konkrete Tätigkeit hat der Beigeladene demnach nicht unter solchen Umständen geleistet, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Einmaligkeit, kurze Zeitdauer sowie auch das fehlende Entgelt sprechen gegen eine solche Annahme, ebenso wie das enge Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kläger und Bruder und die konkreten Umstände des Einzelfalls, nämlich die sofort benötigte Hilfe für die Kuh. Insgesamt ist das Gericht deshalb davon überzeugt, dass eine arbeitnehmerähnliche und damit nach § 2 Abs. 2 SGB VII versicherte Beschäftigung des Beigeladenen im konkreten Fall nicht vorgelegen hat.
Allerdings sind nach § 2 Abs 1 Nr. 13 a) SGB VII "Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten" ebenfalls kraft Gesetzes unfallversichert. Diese Vorschrift trifft zur Überzeugung der Kammer vorliegend auf den Beigeladenen zu, da dieser in einem Unglücksfall Hilfe geleistet hat.
Ein Unglücksfall ist ein plötzlich auftretendes Ereignis, das eine Gefahr für Menschen oder Sachen mit sich bringt (BSG, Urteil vom 15.06.2010, B 2 U 12/09 R mit Hinweis auf BSGE vom 25.1.1973 - 2 RU 55/71 - BSGE 35, 140, 141 = SozR Nr 39 zu § 539 RVO; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 8/02 R). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Allgemeinheit bedroht ist; vielmehr genügt es, dass sich ein einzelner in einer Lage befindet, die nur ihm Schaden zufügen könnte (Riebel, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Lfg. 2/12, § 2, Rn. 173, 164). Ebenso geschützt sind nach dieser Vorschrift insoweit auch Tiere (Ricke, in: Kasseler Kommentar, SGB VII, 70. EL, § 2, Rn. 65).
Vorliegend befand sich die Kuh des Klägers in einer lebensbedrohlichen Lage, die sofort beseitigt werden musste, um das Tier vor dem Erstickungstod zu beschützen. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB VII drohte damit zum Zeitpunkt des Unfalls des Beigeladenen eine erhebliche Gefahr für das Tier. Der Beigeladene leistete in diesem plötzlich aufgetretenen Unglücksfall Hilfe, indem er (erfolgreich) versuchte, die Kuh zu befreien. Bei dieser Hilfeleistung erlitt der Beigeladene sodann den hier streitigen Unfall, so dass die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.
Soweit in der Kommentarliteratur zu § 2 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB VII zum Teil bei Gefahren für Sachen (unter die zivilrechtlich gesehen Tiere zwar nicht fallen, auf die die für Sachen geltenden Vorschriften aber entsprechend anzuwenden sind, vgl. § 90a BGB) eine gemeine Gefahr, und damit eine Gefahr für eine Mehrzahl von Sachen, gefordert wird (Bieresborn, in: jurisPK-SGB VII, Stand 12.11.2012, § 2, Rn. 180), schließt sich die Kammer hieran – jedenfalls für den hier streitigen Fall der Tierrettung - nicht an. Zwar wird insoweit zu Recht auf einen möglichen Wertungswiderspruch zu den anderen Alternativen der Norm hingewiesen (Bieresborn a.a.O.). Bei Schäden an Tieren führt Ricke (a.a.O.) jedoch schlüssig an, dass deren (Sach-)Wert insoweit keine Rolle spiele, da im Vordergrund stehe, dem Tier Leid zu ersparen. Wenn jedoch der Wert des Tieres bei der Frage des Eingreifens bei Gefahr für das Tier zu Recht keine Rolle spielt, kann auch die Anzahl der betroffenen Tiere keinen Einfluss auf die Frage des Versicherungsschutzes haben.
Der Beigeladene stand somit bei der Rettungsaktion für die Kuh des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass es sich bei seinem hierbei erlittenen Unfall um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII handelt. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2010 ist damit rechtswidrig, so dass er aufzuheben und der Arbeitsunfall festzustellen war. Soweit für den nunmehr festgestellten Arbeitsunfall ggf. die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers in Betracht kommt (vgl. § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII), bleibt die Beklagte als erstangegangener Träger jedenfalls gemäß § 139 Abs. 2 SGB VII insgesamt weiter zuständig, solange eine Abgabe nicht erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Danach trägt derjenige Beteiligte die Kosten des Verfahrens, der unterliegt. Hinsichtlich der mangelnden Kostenprivilegierung des Klägers führt dabei das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 29.06.2011, L 3 U 11/08) zutreffend aus:
"Eine Kostenprivilegierung [ ] nach § 183 SGG kommt vorliegend nicht in Betracht, weil die von ihnen in der Sache geltend gemachte Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff SGB VII nicht als Sozialleistung (vgl. zu diesem Begriff Groß in: Lüdtke (Hrsg), SGG, 3. Aufl. 2009, § 183 Rn 5 mwN) an die Unternehmer als Leistungsempfänger angesehen werden kann. Nach § 104 Abs 3 SGG tritt der Unfallversicherungsschutz an die Stelle zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche, soweit die "nach Gesetz oder Satzung" Berechtigten Leistungen infolge eines Versicherungsfalls erhalten. Daher können Unternehmer, die sich - wie hier - auf eine solche Haftungsbeschränkung berufen, am sozialgerichtlichen Verfahren nicht selbst als Versicherte oder Leistungsempfänger i.S. von § 183 S 1 SGG beteiligt sein."
Vorliegend ist die Beklagte vollumfänglich unterlegen und dem Beigeladenen als hinsichtlich der Kosten privilegierte Person nach § 183 SGG können gemäß § 197a Abs. 2 S. 2 SGG keine Kosten auferlegt werden. Es war daher wie tenoriert zu entscheiden.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved