Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 R 454/05 KO
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 97/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Vorlage einer Ablichung eines in einem anderen Verfahren erstellten Gutachtens rechtfertigt nicht den Ansatz einer Erledigungsgebühr.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In Streit steht die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens und zwar hinsichtlich der Erstattung einer Erledigungsgebühr nach der Nr 1005 iVm Nr 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in der Anlage zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Mit Bescheid vom 01.02.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.09.2004. Dagegen ließ der Kläger Widerspruch - gerichtet auf Zuerkennung von Rente wegen voller Erwerbsminderung - durch seinen bevollmächtigten Rentenbeistand erheben. Zur Begründung übersandte der Bevollmächtigte die Ablichtung eines ärztlichen Gutachtens des Dr. H. vom 17.02.2005, das dieser in einem Rentenverfahren für die Landwirtschaftliche Alterskasse erstellt hatte und das von einem unter dreistündigem Leistungsvermögen des Klägers ausging. Die Beklagte half mit Bescheid vom 19.05.2005 dem Widerspruch ab, indem sie dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.03.2005 gewährte. Sie sagte die Erstattung der notwendigen Kosten des Vorverfahrens im vollen Umfange zu (Schreiben vom 15.06.2005).
Auf die Kostenrechnung des Bevollmächtigten vom 30.06.2005 in Höhe von 523,16 EUR erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2005 einen Betrag von 198,36 EUR (Geschäftsgebühr gemäß Nr 2501 VV RVG in der damaligen Fassung, Auslagen für Kopien gemäß Nr 7000 VV RVG und Pauschale gemäß Nr 7002 VV RVG zuzüglich 16 vH Umsatzsteuer). Die Erstattung der ebenfalls geltend gemachten Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG in Höhe von 280,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer lehnte die Beklagte ab. Diese Gebühr entstehe nur, wenn sich eine Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Dies setze eine besondere, auf die Beilegung der Rechtssache ohne streitige Entscheidung gerichtete anwaltliche Tätigkeit voraus. Üblicherweise zu erwartende Tätigkeiten eines Bevollmächtigten seien bereits durch die Geschäftsgebühr abgedeckt. Hierzu zählten das schriftsätzliche Begründen des Rechtsbehelfs, das Beibringen der anspruchsbegründenden Tatsachen sowie die Vorlage von Belegen und Beweisstücken. Ein über dieses Maß hinausgehendes Tätigwerden des Bevollmächtigten habe nicht vorgelegen, so dass die Erledigungsgebühr nicht angefallen sei. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005).
Auf die zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 13.12.2005 die Beklagte zur Abänderung des Bescheides vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 und zur Zahlung eines weiteren Betrages von 324,80 Euro (Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG iHv 280,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer iHv 44,80 EUR) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 vH über dem Basiszinssatz seit 01.07.2005 verurteilt. Die Mitwirkung des Bevollmächtigten des Klägers an der Erledigung sei in der Vorlage des von Dr. H. erstellten Gutachtens vom 17.02.2005 zu sehen. Der Bevollmächtigte habe gezielt auf das Verfahren bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse hingewiesen und damit die zur Änderung des Verwaltungsaktes vom 01.02.2005 entscheidenden Gesichtspunkte vorgetragen.
Hiergegen richtet sich die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits erforderlich. Darüber hinaus sei auch von einer vollen Abhilfe des Widerspruches auszugehen, so dass schon deshalb die Erledigungsgebühr nicht zu erstatten sei. Denn nach dem Urteil des BSG vom 09.08.1995 (9 RVs 7/94) falle eine Erledigungsgebühr nicht an, wenn sich ein Rechtsstreit im Wege des Anerkenntnisses ohne gegenseitiges Nachgeben erledigt hat.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 12.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 zurückzuweisen.
Er hat sich zum Vorbringen der Beklagten nicht geäußert.
Zur Ergänzung wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die aufgrund Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 324,80 Euro nebst Zinsen hieraus seit 01.07.2005 verurteilt.
Rechtsgrundlage des - hier allein streitigen - Anspruches auf Erstattung einer Erledigungsgebühr ist § 63 Abs 3 S 1 Halbsatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 2 Abs 2 S 1 RVG und den Nrn 1005, 1002 VV RVG. Dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach zu erstatten sind und auch die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, hat die Beklagte durch Bescheid vom 15.06.2005 bejaht (§ 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 3 SGB X). Die Bemessung der Gebühren für die Tätigkeit des vom Kläger nach dem 01.07.2004 beauftragten Bevollmächtigten bestimmt sich nach dem RVG, das zur Höhe der Vergütung auf das VV der Anlage 1 verweist (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG).
Die Voraussetzungen des Tatbestandes der Erledigungsgebühr nach den Nrn 1005, 1002 VV RVG sind nicht erfüllt. Gemäß Nr 1005 VV RVG entsteht eine solche Gebühr bei Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen. Gemäß Nr 1002 VV RVG, auf den Nr 1005 VV RVG für seinen Anwendungsbereich Bezug nimmt, entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Satz 1). Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Satz 2).
Die Rechtssache, das Widerspruchsverfahren, hat sich nicht durch die anwaltliche Mitwirkung des Bevollmächtigten des Klägers erledigt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist unter der anwaltlichen Mitwirkung im Sinne dieser Gebührenposition eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwaltes zu verstehen (Urteile vom 07.11.2006 - ua B 1 KR 23/06 R = SozR-4 1300 § 63 Nr 8; Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 53/06 R = SGb 2007, 291; Urteile vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R = RVGreport 2009, 63 und B 9/9a SB 5/07 R = SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1; Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 137/08 R = JurBüro 2009, 481; Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 14/09 R). Die anwaltliche Tätigkeit muss über das Maß desjenigen hinausgehen, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird. Unabhängig davon, ob unter Berücksichtigung des späteren Beginns der dem Kläger gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung erst zum 01.04.2005 anstatt zum 01.09.2004 von einer vollen Abhilfe gesprochen werden kann, setzt der Anfall der Erledigungsgebühr ein Nachgeben auch auf Seiten des Klägers nicht voraus (vgl. BSG Urteile vom 02.10.2008 und 05.05.2009, jeweils unter ausdrücklicher Abkehr von der zur Vorgängervorschrift des VV RVG ergangenen Entscheidung des BSG vom 09.08.1995 - 9 RVs 7/94).
Entgegen den Ausführungen des SG ist nicht von einer Tätigkeit des Bevollmächtigten auszugehen, die über die Begründung des Widerspruchs hinausgeht. Eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung eines Bevollmächtigten liegt ua vor, wenn der Bevollmächtigte im Vorverfahren Beweismittel neu beschafft (beschaffen lässt) und diese vorlegt bzw. beibringt (vgl. BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 5/07 R: selbstbeschaffte ärztliche Befundberichte; BSG Urteil vom 05.05.2009). Vorliegend hat der Bevollmächtigte nicht Beweismittel neu beschafft, sondern ein ihm präsentes Beweismittel vorgelegt, nämlich das anlässlich des bei der landwirtschaftlichen Alterskasse geführten Verfahrens erstellte Gutachten des Dr. H ... Mit der Vorlage dieses als Urkunde zu verwertende Gutachten hat sich der Bevollmächtigte noch im Rahmen der dem Kläger obliegenden Mitwirkung gehalten. Denn ein Bevollmächtigter hat in der Regel alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben (§ 21 Abs 2 S 2 SGB X; § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -). Zwar sind nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB I (ua präsente) Beweismittel nur auf Verlangen vorzulegen. Von einem gewissenhaft, sorgfältig und gründlich das Vorverfahren betreibenden Rechtsanwalt bzw. Rentenberater kann jedoch erwartet werden, dass er präsente Beweismittel nicht nur bezeichnet, sondern auch (unaufgefordert) vorlegt, wenn diese ohne größeren Aufwand - wie vorliegend - nur vervielfältigt werden müssen. Gebührenrechtlich wird diese anwaltliche Tätigkeit bereits mit der Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten abgegolten (so BSG Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R zur Vorlage eines im Auftrag einer privaten Versicherungsgesellschaft erstellten Gutachtens; BSG vom 05.05.2010 zur Vorlage einer Verhandlungsniederschrift aus einem anderen Gerichtsverfahren).
Dies zu Grunde gelegt rechtfertigt die Vorlage einer Ablichtung des von Dr. H. erstellten Gutachtens nicht den Ansatz einer Erledigungsgebühr, so dass auf die Berufung der Beklagten die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision gem. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In Streit steht die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens und zwar hinsichtlich der Erstattung einer Erledigungsgebühr nach der Nr 1005 iVm Nr 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in der Anlage zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Mit Bescheid vom 01.02.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.09.2004. Dagegen ließ der Kläger Widerspruch - gerichtet auf Zuerkennung von Rente wegen voller Erwerbsminderung - durch seinen bevollmächtigten Rentenbeistand erheben. Zur Begründung übersandte der Bevollmächtigte die Ablichtung eines ärztlichen Gutachtens des Dr. H. vom 17.02.2005, das dieser in einem Rentenverfahren für die Landwirtschaftliche Alterskasse erstellt hatte und das von einem unter dreistündigem Leistungsvermögen des Klägers ausging. Die Beklagte half mit Bescheid vom 19.05.2005 dem Widerspruch ab, indem sie dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.03.2005 gewährte. Sie sagte die Erstattung der notwendigen Kosten des Vorverfahrens im vollen Umfange zu (Schreiben vom 15.06.2005).
Auf die Kostenrechnung des Bevollmächtigten vom 30.06.2005 in Höhe von 523,16 EUR erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2005 einen Betrag von 198,36 EUR (Geschäftsgebühr gemäß Nr 2501 VV RVG in der damaligen Fassung, Auslagen für Kopien gemäß Nr 7000 VV RVG und Pauschale gemäß Nr 7002 VV RVG zuzüglich 16 vH Umsatzsteuer). Die Erstattung der ebenfalls geltend gemachten Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG in Höhe von 280,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer lehnte die Beklagte ab. Diese Gebühr entstehe nur, wenn sich eine Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Dies setze eine besondere, auf die Beilegung der Rechtssache ohne streitige Entscheidung gerichtete anwaltliche Tätigkeit voraus. Üblicherweise zu erwartende Tätigkeiten eines Bevollmächtigten seien bereits durch die Geschäftsgebühr abgedeckt. Hierzu zählten das schriftsätzliche Begründen des Rechtsbehelfs, das Beibringen der anspruchsbegründenden Tatsachen sowie die Vorlage von Belegen und Beweisstücken. Ein über dieses Maß hinausgehendes Tätigwerden des Bevollmächtigten habe nicht vorgelegen, so dass die Erledigungsgebühr nicht angefallen sei. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.08.2005).
Auf die zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 13.12.2005 die Beklagte zur Abänderung des Bescheides vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 und zur Zahlung eines weiteren Betrages von 324,80 Euro (Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG iHv 280,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer iHv 44,80 EUR) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 vH über dem Basiszinssatz seit 01.07.2005 verurteilt. Die Mitwirkung des Bevollmächtigten des Klägers an der Erledigung sei in der Vorlage des von Dr. H. erstellten Gutachtens vom 17.02.2005 zu sehen. Der Bevollmächtigte habe gezielt auf das Verfahren bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse hingewiesen und damit die zur Änderung des Verwaltungsaktes vom 01.02.2005 entscheidenden Gesichtspunkte vorgetragen.
Hiergegen richtet sich die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits erforderlich. Darüber hinaus sei auch von einer vollen Abhilfe des Widerspruches auszugehen, so dass schon deshalb die Erledigungsgebühr nicht zu erstatten sei. Denn nach dem Urteil des BSG vom 09.08.1995 (9 RVs 7/94) falle eine Erledigungsgebühr nicht an, wenn sich ein Rechtsstreit im Wege des Anerkenntnisses ohne gegenseitiges Nachgeben erledigt hat.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 12.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2005 zurückzuweisen.
Er hat sich zum Vorbringen der Beklagten nicht geäußert.
Zur Ergänzung wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die aufgrund Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 324,80 Euro nebst Zinsen hieraus seit 01.07.2005 verurteilt.
Rechtsgrundlage des - hier allein streitigen - Anspruches auf Erstattung einer Erledigungsgebühr ist § 63 Abs 3 S 1 Halbsatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 2 Abs 2 S 1 RVG und den Nrn 1005, 1002 VV RVG. Dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach zu erstatten sind und auch die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, hat die Beklagte durch Bescheid vom 15.06.2005 bejaht (§ 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 3 SGB X). Die Bemessung der Gebühren für die Tätigkeit des vom Kläger nach dem 01.07.2004 beauftragten Bevollmächtigten bestimmt sich nach dem RVG, das zur Höhe der Vergütung auf das VV der Anlage 1 verweist (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG).
Die Voraussetzungen des Tatbestandes der Erledigungsgebühr nach den Nrn 1005, 1002 VV RVG sind nicht erfüllt. Gemäß Nr 1005 VV RVG entsteht eine solche Gebühr bei Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen. Gemäß Nr 1002 VV RVG, auf den Nr 1005 VV RVG für seinen Anwendungsbereich Bezug nimmt, entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Satz 1). Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Satz 2).
Die Rechtssache, das Widerspruchsverfahren, hat sich nicht durch die anwaltliche Mitwirkung des Bevollmächtigten des Klägers erledigt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist unter der anwaltlichen Mitwirkung im Sinne dieser Gebührenposition eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwaltes zu verstehen (Urteile vom 07.11.2006 - ua B 1 KR 23/06 R = SozR-4 1300 § 63 Nr 8; Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 53/06 R = SGb 2007, 291; Urteile vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R = RVGreport 2009, 63 und B 9/9a SB 5/07 R = SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1; Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 137/08 R = JurBüro 2009, 481; Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 14/09 R). Die anwaltliche Tätigkeit muss über das Maß desjenigen hinausgehen, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird. Unabhängig davon, ob unter Berücksichtigung des späteren Beginns der dem Kläger gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung erst zum 01.04.2005 anstatt zum 01.09.2004 von einer vollen Abhilfe gesprochen werden kann, setzt der Anfall der Erledigungsgebühr ein Nachgeben auch auf Seiten des Klägers nicht voraus (vgl. BSG Urteile vom 02.10.2008 und 05.05.2009, jeweils unter ausdrücklicher Abkehr von der zur Vorgängervorschrift des VV RVG ergangenen Entscheidung des BSG vom 09.08.1995 - 9 RVs 7/94).
Entgegen den Ausführungen des SG ist nicht von einer Tätigkeit des Bevollmächtigten auszugehen, die über die Begründung des Widerspruchs hinausgeht. Eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung eines Bevollmächtigten liegt ua vor, wenn der Bevollmächtigte im Vorverfahren Beweismittel neu beschafft (beschaffen lässt) und diese vorlegt bzw. beibringt (vgl. BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 5/07 R: selbstbeschaffte ärztliche Befundberichte; BSG Urteil vom 05.05.2009). Vorliegend hat der Bevollmächtigte nicht Beweismittel neu beschafft, sondern ein ihm präsentes Beweismittel vorgelegt, nämlich das anlässlich des bei der landwirtschaftlichen Alterskasse geführten Verfahrens erstellte Gutachten des Dr. H ... Mit der Vorlage dieses als Urkunde zu verwertende Gutachten hat sich der Bevollmächtigte noch im Rahmen der dem Kläger obliegenden Mitwirkung gehalten. Denn ein Bevollmächtigter hat in der Regel alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben (§ 21 Abs 2 S 2 SGB X; § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -). Zwar sind nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB I (ua präsente) Beweismittel nur auf Verlangen vorzulegen. Von einem gewissenhaft, sorgfältig und gründlich das Vorverfahren betreibenden Rechtsanwalt bzw. Rentenberater kann jedoch erwartet werden, dass er präsente Beweismittel nicht nur bezeichnet, sondern auch (unaufgefordert) vorlegt, wenn diese ohne größeren Aufwand - wie vorliegend - nur vervielfältigt werden müssen. Gebührenrechtlich wird diese anwaltliche Tätigkeit bereits mit der Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten abgegolten (so BSG Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R zur Vorlage eines im Auftrag einer privaten Versicherungsgesellschaft erstellten Gutachtens; BSG vom 05.05.2010 zur Vorlage einer Verhandlungsniederschrift aus einem anderen Gerichtsverfahren).
Dies zu Grunde gelegt rechtfertigt die Vorlage einer Ablichtung des von Dr. H. erstellten Gutachtens nicht den Ansatz einer Erledigungsgebühr, so dass auf die Berufung der Beklagten die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision gem. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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