Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 653/08
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 756/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Klärung schwieriger Rechtsfragen darf nicht im Prozesskostenhilfeverfahren erfolgen.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 13. August 2010 wird aufgehoben.
II. Dem Beschwerdeführer wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg, Az.: S 12 R 653/08 Prozesskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. bewilligt. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in dem vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) anhängigen Rechtsstreit unter dem Az. S 12 R 653/08 in der Hauptsache um die Bewilligung von Altersrente.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde 1943 in der ehemaligen Sowjetunion (T., Gebiet S., Ukrainische Unionsrepublik) geboren. Er wurde nach seinen Angaben mit seinen Eltern 1943 von den deutschen Behörden im Jahr 1943 in den Warthegau (L.) umgesiedelt. Im Oktober 1944 erwarb der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung (Einbürgerungsurkunde vom 20. Oktober 1994). Im Zuge der weiteren Kriegsereignisse gelangte er zusammen mit seiner Familie nach W. in Deutschland. Im Jahr 1945 wurde die Familie des Klägers ausweislich einer Bestätigung des Innenministeriums der russischen Föderation vom 14. April 2007 aus Deutschland oder Polen in die UdSSR repratiiert. Die Familie kam in die Stadt I., Gebiet S ... Dort wurde die Mutter des Klägers unter behördlicher Aufsicht mit Meldepflicht gestellt. Der Kläger wurde als Familienmitglied einer unter behördlichen Aufsicht stehenden Familie geführt. Von der Aufsicht mit Meldepflicht wurde die Mutter des Klägers am 22. Juli 1955 befreit.
Der Kläger reiste am 7. Mai 2007 ohne vorherige Statusfeststellung nach dem Bundesvertriebenengesetz in das Bundesgebiet ein. Vom 9. Mai 2007 bis 31. März 2008 legte er Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II zurück. Nunmehr bezieht er Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung von der Stadt A-Stadt.
Der Kläger stellte am 23. Mai 2007 bei der Beschwerdegegnerin und Beklagten (Beklagte) formlos einen Antrag auf Rente. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 bat er die Beklagte, die Regierung von Schwaben um Feststellung seines Vertriebenenstatusses nach § 100 Abs. 2 S. 2 Bundesvertriebenengesetz - BVFG - zu ersuchen.
Im Rahmen der von der Beklagten daraufhin eingeleiteten Kontenklärung gab der Kläger nur an, von September 1969 bis Juni 1970 an einem Elektroinstallateur-Lehrgang teilgenommen zu haben. Aus den Ausführungen und Unterlagen des Klägers lässt sich ferner entnehmen, dass er vier Jahre eine Volksschule besucht sowie von 1964-1966 in der ehemaligen UdSSR Militärdienst geleistet hat und seit 18. Oktober 1994 eine Rente aus eigener Versicherung in Russland bezieht bzw. eine solche jedenfalls zu diesem Zeitpunkt beantragt hat. Die Vorlage weiterer Unterlagen (Arbeitsbuch, Rentenbescheid) lehnte der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte ab. Zur Begründung verwies er darauf, Tatbestände, die nach seiner Vertreibung lägen, könnten gemäß §§ 15,16 Fremdrentengesetz - FRG - nicht gleichgestellt werden. Eine Anerkennung seiner ausländischen Arbeitszeiten nach dem FRG sei daher nicht möglich.
Die Regierung von Schwaben bestätigte mit Bescheinigung vom 14. Januar 2008 gemäß § 100 BVFG, dass der Kläger Vertriebener im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedler) ist. Der Kläger wurde auch vom Bundesverwaltungsamt über die Möglichkeit informiert, einen Antrag auf Erteilung eines Ausnahmebescheides nach § 27 Abs. 2 BVFG zu stellen. Ausweislich des Schreibens vom 2. Juni 2008 des Bundesverwaltungsamtes ist bis zu diesem Zeitpunkt jedoch kein entsprechender Antrag des Klägers eingegangen.
Mit angefochtenem Bescheid vom 27. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Erforderlich hierfür seien 60 Kalendermonate mit Beitragszeiten, Zeiten der Kindererziehung, Ersatzzeiten oder Wartezeitmonaten aus übertragenen oder begründeten Rentenanwartschaften aufgrund eines Versorgungsausgleichs sowie aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung. Insoweit seien jedoch keine Kalendermonate nachgewiesen. Die geltend gemachten Ersatzzeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten anerkannt werden, da auch hierfür die Versicherteneigenschaft erforderlich sei. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden, da der Kläger als Umsiedler nicht zum Personenkreis des § 1 FRG zählt.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er sei im Jahr 1945 durch die ausländischen Besatzungsmächte ins ausländische Staatsgebiet gewaltsam verschleppt worden. Wegen der Verschleppung habe keine Versicherungspflicht nach dem vollendeten 14. Lebensjahr bestanden. Er sei im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI verschleppt worden. Die Verschleppung sei von einem Ort innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in ein ausländisches Staatsgebiet erfolgt. Er begehre daher die Zeiten vom 1. April 1957 bis 31. Dezember 1991 als Ersatzzeiten im Sinne von § 250 SGB VI anzuerkennen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2008 zurückgewiesen. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sei nicht erfüllt. Es seien keine Kalendermonate mit auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten vorhanden. Der Kläger habe keinen Beitrag zur Rentenversicherung entrichtet. Anspruch auf Rente hätten jedoch grundsätzlich nur Personen, die kraft Gesetzes oder aufgrund freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Fortsetzung der Versicherung versichert seien. Es sei jedoch kein Beitrag zur Rentenversicherung entrichtet worden. Die geltend gemachten Ersatzzeiten könnten nicht als rentenrechtlichen Zeiten anerkannt werden, da auch hierfür die Versicherteneigenschaft erforderlich wäre. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden, da der Kläger als Umsiedler nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehöre.
Hiergegen hat der Kläger unter dem Az. S 12 R 653/08 im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Als beizuordnende Rechtsanwältin wurde Rechtsanwältin L. benannt. Eine Anfrage des SG, ob mittlerweile über die Spätaussiedlereigenschaft des Klägers neu entschieden worden sei, blieb unbeantwortet.
Das SG lehnte daraufhin mit Beschluss vom 13. August 2010 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. ab. Das Klageverfahren habe keine hinreichende Erfolgsaussicht. Eine Berücksichtigung von in der russischen Föderation zurückgelegten Beitragszeiten komme nicht in Betracht. Der Kläger sei kein Spätaussiedler. Eine entsprechende Bescheinigung sei nicht vorgelegt worden. Die Anerkennung als Umsiedler führe ebenfalls nicht zu einer Berücksichtigung von Beitragszeiten, denn solche könnten längstens bis zum maßgeblichen Vertreibungstatbestand der Umsiedlung anerkannt werden. Auch lägen keine Ersatzzeiten im Sinne des § 250 SGB VI vor. Die Tatbestände des § 250 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 und 5a SGB VI schieden aus. Eine Internierung (Nr. 2) habe zwar vorgelegen, sei jedoch beendet gewesen, bevor der Kläger das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Ob der Tatbestand der Nr. 3 (Rückkehrverhinderung) erfüllt sei, könne dahinstehen. Denn nach § 250 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI seien Zeiten ab dem 1. Januar 1957 keine Ersatzzeiten, in denen Versicherte eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit auch aus Gründen neben der Rückkehrverhinderung nicht ausgeübt hätten. Dies bedeute, dass Zeiten, in denen eine Beschäftigung ausgeübt wurde, nicht als Ersatzzeit anerkennungsfähig sei. Der Kläger habe sein Arbeitsbuch bislang nicht vorgelegt. Angesichts der Ablegung einer Facharbeiterprüfung gehe das Gericht jedoch davon aus, dass er trotz seiner deutschen Herkunft ein normales Berufsleben mit entsprechenden Beschäftigungszeiten geführt habe. Auch § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB VI verhelfe dem Kläger nicht zur Anerkennung von Ersatzzeiten.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Das SG habe ihn als internierte Person betrachtet. Er zähle jedoch zu den verschleppten Zivilpersonen. Auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 1980, - 8c 8.78 -, werde hingewiesen, wonach Russlanddeutsche, die während des Zweiten Weltkrieges durch Umsiedlung ihren Wohnsitz oder Aufenthalt im Deutschen Reich nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 genommen hatten und nach Kriegsende aus diesem Gebiet als Zivilisten wieder in die frühere UdSSR verschleppt worden seien, der Tatbestand einer Verschleppung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI gegeben sei. Die Verschleppung ende auch erst mit dem Tag der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
ihm unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 13. August 2010 für das Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg, Az. S 12 R 653/08, Prozesskostenhilfe ab Antragstellung zu gewähren und Rechtsanwältin L. beizuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -) für das Verfahren, Az. S 12 R 653/08, vor dem SG.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe scheitert entgegen der Auffassung des SG nicht daran, dass keine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 73a Rn. 7a).
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der verfassungsrechtliche Rahmen des Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz zu beachten. Die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder -verteidigung selbst in das Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen daher nicht überzogen werden (vgl. z.B. BVerfGE 81, 347, 3456 ff.; BVerfG in NJW 2000, 1936). Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend entschieden, dass Prozesskostenhilfe bereits dann gewährt werden muss, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen ist, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist (BVerfG 81, 347). Auch darf das Gericht über schwierige Rechtsfragen nicht im PKH-Verfahren, in dem nur eine summarische Prüfung vorzunehmen ist, entscheiden. Dies bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (BVerfG vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07 in NJW 2008, 1060). Auch wenn eine Beweiserhebung von Amts wegen notwendig ist, kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG vom 29. April 2004, 1 BvR 1281/04 in NJW-RR 2005, 140).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist für das Klageverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben.
Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist gemäß §§ 35 Abs. 1, 50 Abs. 1 SGB VI neben dem Erreichen der Regelaltersgrenze die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren. Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten sowie mit Ersatzzeiten nach dem 5. Kapitel des SGB VI angerechnet.
In dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 29. Januar 2009 sind für den Kläger 11 Monate mit Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II verzeichnet. Die Frage, ob für den Kläger mindestens 49 Kalendermonate mit Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 SGB VI anzurechnen sind, ist mit schwierigen Rechtsfragen verbunden. Auch ist der Sachverhalt noch nicht umfassend aufgeklärt. Die Annahme von hinreichenden Erfolgsaussichten ist unter der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts damit gerechtfertigt.
Bei summarischer Prüfung kommen als Rechtsgrundlage die Tatbestände des § 250 Abs. 1 Nr. 5, 3 und 2 SGB VI in Betracht.
Gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in Gewahrsam genommen worden sind oder in Anschluss daran wegen Krankheit arbeitsunfähig und unverschuldet arbeitslos geworden sind, wenn sie zum Personenkreis des § 1 des Häftlingshilfegesetzes gehören oder nur deshalb nicht gehören, weil sie vor dem 3. Oktober 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen haben.
Nach allgemeiner Meinung folgt aus der Verwendung des Begriffs "Versicherte", dass mindestens ein wirksamer Pflichtbeitrag oder freiwilliger Beitrag zur Rentenversicherung gezahlt worden sein muss (KassKomm-Niesel, § 250 SGB VI Rn. 10). Dies ist beim Kläger der Fall, da aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II für ihn Pflichtbeiträge entrichtet wurden.
In dem strittigen Zeitraum von der Vollendung des 14. Lebensjahres des Klägers an bis zum 31. Dezember 1991 bestand für den Kläger auch keine Versicherungspflicht nach bundesdeutschem Recht. Beitragszeiten- oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15,16 FRG sind allerdings Pflichtbeitragszeiten gleichzustellen (KassKomm-Niesel, § 250 SGB VI Rn. 9). Ersatzzeiten sind jedoch dann zu berücksichtigen, wenn der Versicherte nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehört und die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten deshalb nicht anzurechnen sind (GK-SGB VI, § 250 Rn. 25 unter Hinweis auf BSG vom 19.3.1997 - 5/4 RA 113/94). Zwar ist der Kläger anerkannter Vertriebener nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedler) und gehört damit zum Personenkreis des § 1 FRG. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, können für Umsiedler Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15,16 FRG jedoch nur bis zum Zeitpunkt der Umsiedlung angerechnet werden (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006, B 5 RJ 21/05 R). Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger jedoch erst 2 Jahre alt, so dass bis dahin die Anrechnung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nicht in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mittlerweile eine von ihm gemäß § 27 Abs. 2 BVFG zu beantragende Anerkennung als Spätaussiedler im Wege eines Härtefalls erhalten hat, gibt es nach wie vor keine. Im Rahmen der angezeigten summarischen Prüfung erscheint die Auffassung damit jedenfalls vertretbar, das Ausschlusskriterium des Bestehens von Versicherungspflicht für den Kläger so lange zu verneinen, als er nicht als Spätaussiedler anerkannt ist. Denn damit ist für ihn wie für einen nicht zum Personenkreis des § 1 FRG zählenden Versicherten ausgeschlossen, dass Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden können.
Hinzu kommt, dass in keiner Weise fest steht, in welchem Umfang der Kläger nach seinem 14. Lebensjahr in der ehemaligen Sowjetunion beschäftigt war. Es besteht also insoweit noch erheblicher Aufklärungs- und ggf. Beweiserhebungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe soll zwar sicherlich nicht denjenigen besser stellen, der im Verwaltungsverfahren seinen Auskunftspflichten nicht nachkommt mit der Folge, dass im gerichtlichen Verfahren dann noch Aufklärungsbedarf besteht, der grundsätzlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen kann. Hier ist aber zu beachten, dass die Beklagte den Antrag des Klägers aus gänzlich anderen Gründen abgelehnt hat und auch nicht etwa gemäß § 66 SGB I die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung in Form der Vorlage des Arbeitsbuchs versagt hat. Darüber hinaus ist der Kläger offensichtlich im Irrtum darüber, welche Auswirkungen das Bestehen von nichtselbstständigen Beschäftigungsverhältnissen in der ehemaligen Sowjetunion auf das Vorliegen von Ersatzzeiten und damit seinen Rentenanspruch haben kann. Der Kläger hält die Vorlage des Arbeitsbuchs für entbehrlich, weil er ohnehin keine Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten als Beitragszeiten begehrt. Erst wenn der Kläger auch im Hauptsacheverfahren weiterhin Auskünfte zu seinen Beschäftigungszeiten in der ehemaligen Sowjetunion und die Vorlage des Arbeitsbuches ablehnen sollte, wäre dies im Wege der Beweiswürdigung entsprechend zu würdigen. Eine tragfähige Grundlage für die Verweigerung von Prozesskostenhilfe ist das Verhalten des Klägers hingegen nicht. Da damit noch nicht einmal sicher feststeht, dass beim Kläger nicht mindestens 49 Kalendermonate vorliegen, in denen er keine Beschäftigung in der ehemaligen Sowjetunion ausgeübt hat, lässt sich eine mangelnde Erfolgsaussicht seines Prozesskostenhilfeantrags insoweit also nicht begründen.
Der Kläger gehört auch zum Personenkreis des § 1 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz - HHG). Dieser erfasst nach § 1 Nr. 1 HHG deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, wenn sie nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 8. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des BVFG genannten Gebieten aus politischen und nach freiheitlich-demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden sowie Angehörige bzw. Hinterbliebene dieser Personen. Russlanddeutsche, die während des Zweiten Weltkrieges durch Umsiedlung aus der ehemaligen UdSSR im Deutschen Reich nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 ihren Wohnsitz gefunden haben und von der sowjetischen Besatzungsmacht in die ehemalige UdSSR verschleppt worden sind, fallen unter § 1 HHG, weil die Gewahrsamsgründe politischer Natur waren (vgl. Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, § 250 SGB VI, Rn. 580, 597). Bei Russlanddeutschen, die aus dem Deutschen Reich nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in die ehemalige UdSSR verschleppt worden sind, gilt nicht nur die Dauer des tatsächlich Festgehaltenwerdens auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung während der Umsiedlung und ggf. der anschließenden Kommandanturaufsicht als Gewahrsam, sondern auch die Zeit, während der sie an der Rückkehr aus dem Ausland gehindert wurden, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1989. Dies folgt aus § 1 Abs. 5 S. 2 HHG. Wurde eine Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG gegen ihren Willen in ein ausländisches Staatsgebiet verbracht, so gilt nach dieser Bestimmung die Zeit, während der sie an ihrer Rückkehr gehindert war, als Gewahrsam, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1989. Aufgrund des in der Sowjetunion herrschenden allgemeinen Ausreiseverbots war der Kläger nach der Umsiedlung jedenfalls in dem hier erforderlichen Umfang von 49 Kalendermonaten nach Vollendung seines 14. Lebensjahres an der Rückkehr nach Deutschland gehindert (vgl. GK-SGB VI, § 250 Rn. 435, wonach die Stellung eines Ausreiseantrages vor 1987 wegen der damals zu befürchtenden Repressalien im allgemeinen nicht zu fordern ist). Unerheblich ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt der in Gewahrsamnahme das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Denn er teilt häftlingshilferechtlich das Schicksal seiner erziehungsberechtigten Mutter (GK-SGB VI, § 250 Rn. 578 m.w.N.). Dementsprechend hat die Regierung von Schwaben auch bestätigt, dass sie eine Bescheinigung ausstellen würde, wonach der Kläger als ehemaliger politischer Häftling im Sinne des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 HHG anzusehen ist.
In Erwägung zu ziehen ist darüber hinaus auch der Ersatzzeitentatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Voraussetzung ist hierfür, dass Versicherte während oder nach dem Ende eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden sind. Als feindliche Maßnahmen sind dabei nur solche Maßnahmen anzusehen, die sich allgemein gegen Deutschland als früheren Kriegsgegner oder als frühere Okkupationsmacht gerichtet haben, indem sie entweder hauptsächlich gegen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit oder zur Verhinderung einer Ausreise speziell nach Deutschland ergriffen worden sind. Feindliche Maßnahmen sind dagegen nicht solche, die wie ein allgemeines Ausreiseverbot sich unterschiedslos gegen die gesamte der Verwaltung des ehemaligen Feindstaates unterstehende Bevölkerung richteten (GK-SGB VI § 250 Rn. 496 m.w.N.). Während die Kommandanturaufsicht sich gegen deutsche Staatsangehörige und deutsche Volksangehörige richtete und damit als feindliche Maßnahme zu qualifizieren ist, gilt dies für das allgemeine Ausreiseverbot, das nach Aufhebung der Kommandanturaufsicht eine Rückkehr des Klägers verhinderte, an sich nicht. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 9. September 1998, Az. B 13 RJ 63/97 R, jedoch angenommen, dass sich für den Personenkreis des Klägers, der durch Deportation und Entwurzelung doppelt betroffen sei, auch ein für alle Staatsbürger geltendes Ausreiseverbot als feindliche Maßnahme auswirke. Darüber hinaus ist jedoch auch Voraussetzung für die Anerkennung eines Ersatzzeit nach dieser Bestimmung, dass der ernsthafte Wille vorgelegen hat, während der Rückkehrverhinderung aufgrund feindlicher Maßnahmen in das Inland zuzuziehen, um hier den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse dauernd zu begründen; bei Minderjährigen ist insoweit auf den Willen der Erziehungsberechtigten abzustellen. Ob und inwieweit ein derartiger Wille jedenfalls für bestimmte Zeiträume glaubhaft gemacht werden kann, ist offen.
Theoretisch möglich, aber nach Aktenlage doch eher unwahrscheinlich ist die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, so wie dies vom Kläger postuliert wird. Zwar ist der Kläger auch als Verschleppter anzusehen, da er wohl von einem Ort innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt wurde. Die Anerkennung als Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI würde aber auch voraussetzen, dass der Kläger innerhalb von 2 Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wobei in die Frist von 2 Monaten Zeiten einer unverschuldeten Verzögerung der Rückkehr nicht eingerechnet werden. Angesichts der Tatsache, dass jedenfalls seit 1987/1988 eine liberale Ausreisepraxis vorherrschte und durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene "Gesetz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über das Verfahren zur Ausreise sowjetischer Staatsangehöriger aus der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und Einreise sowjetischer Staatsangehöriger in die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" auch noch die letzten rechtlichen Hindernisse (die tatsächlich schon nicht mehr bestanden) für eine Ausreise beseitigt wurden (vgl. GK-SGB VI, § 250 Rn. 437), erscheint eine Glaubhaftmachung des Klägers, ihm sei erst im Jahr 2007 die Anreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich gewesen, als nahezu ausgeschlossen.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage ist bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung auch nicht deshalb zu verneinen, weil gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI Ersatzzeiten nicht Zeiten sind, in denen nach dem 31. Dezember 1956 die Voraussetzungen nach § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 SGB VI vorliegen und Versicherte eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit auch aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt haben.
Insoweit gilt schon, dass überhaupt noch nicht festgestellt worden ist, wann, in welchem Umfang und aus welchen Gründen der Kläger nach Vollendung seines 14. Lebensjahres eine Beschäftigung ausgeübt hat oder nicht. Dies setzt zunächst eine Auswertung des Arbeitsbuchs des Klägers voraus. Soweit eine solche - wie vom SG unterstellt - ergeben sollte, der Kläger sei nach Vollendung seines 14. Lebensjahres durchgängig beschäftigt gewesen, ist die Frage, ob damit der Ausschlussgrund des § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI gegeben ist, durchaus nicht so ohne weiteres und einfach zu beantworten. Denn nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes greift diese Ausnahmeregelung gerade nur dann ein, wenn kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Die Rentenversicherungsträger nehmen zwar an, aus dieser Bestimmung folge, dass die Anerkennung von Ersatzzeiten auch für Zeiten ausgeschlossen ist, in denen eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit bestanden habe, wobei unbeachtlich sei, ob hierdurch anerkennungsfähige Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden (VdR-Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, Band 5, § 250 SGB VI Rn. 13). Auch nach Auffassung des Senats sprechen im Rahmen eines "erst -recht-Schlusses" durchaus gute Gründe für diese Auslegung. Es handelt sich aber hierbei angesichts des diese Fallgestaltung eigentlich nicht erfassenden Wortlauts der Bestimmung durchaus um eine schwierige Rechtsfrage, die erst nach Prüfung des Gesetzeszweckes und der Gesetzesbegründung beantwortet werden kann. Eine derartige Prüfung hat jedoch - wie dargelegt - nicht im Prozesskostenhilfe- sondern im Hauptsacheverfahren zu erfolgen.
Nach alledem ist bei Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine hinreichende Erfolgsaussicht des Klageverfahrens gegeben. Da die Rechtsverfolgung des Klägers nicht mutwillig und er nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch prozesshilfebedürftig ist, war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger wie beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. zu gewähren.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
II. Dem Beschwerdeführer wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg, Az.: S 12 R 653/08 Prozesskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. bewilligt. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in dem vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) anhängigen Rechtsstreit unter dem Az. S 12 R 653/08 in der Hauptsache um die Bewilligung von Altersrente.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde 1943 in der ehemaligen Sowjetunion (T., Gebiet S., Ukrainische Unionsrepublik) geboren. Er wurde nach seinen Angaben mit seinen Eltern 1943 von den deutschen Behörden im Jahr 1943 in den Warthegau (L.) umgesiedelt. Im Oktober 1944 erwarb der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung (Einbürgerungsurkunde vom 20. Oktober 1994). Im Zuge der weiteren Kriegsereignisse gelangte er zusammen mit seiner Familie nach W. in Deutschland. Im Jahr 1945 wurde die Familie des Klägers ausweislich einer Bestätigung des Innenministeriums der russischen Föderation vom 14. April 2007 aus Deutschland oder Polen in die UdSSR repratiiert. Die Familie kam in die Stadt I., Gebiet S ... Dort wurde die Mutter des Klägers unter behördlicher Aufsicht mit Meldepflicht gestellt. Der Kläger wurde als Familienmitglied einer unter behördlichen Aufsicht stehenden Familie geführt. Von der Aufsicht mit Meldepflicht wurde die Mutter des Klägers am 22. Juli 1955 befreit.
Der Kläger reiste am 7. Mai 2007 ohne vorherige Statusfeststellung nach dem Bundesvertriebenengesetz in das Bundesgebiet ein. Vom 9. Mai 2007 bis 31. März 2008 legte er Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II zurück. Nunmehr bezieht er Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung von der Stadt A-Stadt.
Der Kläger stellte am 23. Mai 2007 bei der Beschwerdegegnerin und Beklagten (Beklagte) formlos einen Antrag auf Rente. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 bat er die Beklagte, die Regierung von Schwaben um Feststellung seines Vertriebenenstatusses nach § 100 Abs. 2 S. 2 Bundesvertriebenengesetz - BVFG - zu ersuchen.
Im Rahmen der von der Beklagten daraufhin eingeleiteten Kontenklärung gab der Kläger nur an, von September 1969 bis Juni 1970 an einem Elektroinstallateur-Lehrgang teilgenommen zu haben. Aus den Ausführungen und Unterlagen des Klägers lässt sich ferner entnehmen, dass er vier Jahre eine Volksschule besucht sowie von 1964-1966 in der ehemaligen UdSSR Militärdienst geleistet hat und seit 18. Oktober 1994 eine Rente aus eigener Versicherung in Russland bezieht bzw. eine solche jedenfalls zu diesem Zeitpunkt beantragt hat. Die Vorlage weiterer Unterlagen (Arbeitsbuch, Rentenbescheid) lehnte der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte ab. Zur Begründung verwies er darauf, Tatbestände, die nach seiner Vertreibung lägen, könnten gemäß §§ 15,16 Fremdrentengesetz - FRG - nicht gleichgestellt werden. Eine Anerkennung seiner ausländischen Arbeitszeiten nach dem FRG sei daher nicht möglich.
Die Regierung von Schwaben bestätigte mit Bescheinigung vom 14. Januar 2008 gemäß § 100 BVFG, dass der Kläger Vertriebener im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedler) ist. Der Kläger wurde auch vom Bundesverwaltungsamt über die Möglichkeit informiert, einen Antrag auf Erteilung eines Ausnahmebescheides nach § 27 Abs. 2 BVFG zu stellen. Ausweislich des Schreibens vom 2. Juni 2008 des Bundesverwaltungsamtes ist bis zu diesem Zeitpunkt jedoch kein entsprechender Antrag des Klägers eingegangen.
Mit angefochtenem Bescheid vom 27. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Erforderlich hierfür seien 60 Kalendermonate mit Beitragszeiten, Zeiten der Kindererziehung, Ersatzzeiten oder Wartezeitmonaten aus übertragenen oder begründeten Rentenanwartschaften aufgrund eines Versorgungsausgleichs sowie aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung. Insoweit seien jedoch keine Kalendermonate nachgewiesen. Die geltend gemachten Ersatzzeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten anerkannt werden, da auch hierfür die Versicherteneigenschaft erforderlich sei. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden, da der Kläger als Umsiedler nicht zum Personenkreis des § 1 FRG zählt.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er sei im Jahr 1945 durch die ausländischen Besatzungsmächte ins ausländische Staatsgebiet gewaltsam verschleppt worden. Wegen der Verschleppung habe keine Versicherungspflicht nach dem vollendeten 14. Lebensjahr bestanden. Er sei im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI verschleppt worden. Die Verschleppung sei von einem Ort innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in ein ausländisches Staatsgebiet erfolgt. Er begehre daher die Zeiten vom 1. April 1957 bis 31. Dezember 1991 als Ersatzzeiten im Sinne von § 250 SGB VI anzuerkennen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2008 zurückgewiesen. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sei nicht erfüllt. Es seien keine Kalendermonate mit auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten vorhanden. Der Kläger habe keinen Beitrag zur Rentenversicherung entrichtet. Anspruch auf Rente hätten jedoch grundsätzlich nur Personen, die kraft Gesetzes oder aufgrund freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Fortsetzung der Versicherung versichert seien. Es sei jedoch kein Beitrag zur Rentenversicherung entrichtet worden. Die geltend gemachten Ersatzzeiten könnten nicht als rentenrechtlichen Zeiten anerkannt werden, da auch hierfür die Versicherteneigenschaft erforderlich wäre. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden, da der Kläger als Umsiedler nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehöre.
Hiergegen hat der Kläger unter dem Az. S 12 R 653/08 im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Als beizuordnende Rechtsanwältin wurde Rechtsanwältin L. benannt. Eine Anfrage des SG, ob mittlerweile über die Spätaussiedlereigenschaft des Klägers neu entschieden worden sei, blieb unbeantwortet.
Das SG lehnte daraufhin mit Beschluss vom 13. August 2010 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. ab. Das Klageverfahren habe keine hinreichende Erfolgsaussicht. Eine Berücksichtigung von in der russischen Föderation zurückgelegten Beitragszeiten komme nicht in Betracht. Der Kläger sei kein Spätaussiedler. Eine entsprechende Bescheinigung sei nicht vorgelegt worden. Die Anerkennung als Umsiedler führe ebenfalls nicht zu einer Berücksichtigung von Beitragszeiten, denn solche könnten längstens bis zum maßgeblichen Vertreibungstatbestand der Umsiedlung anerkannt werden. Auch lägen keine Ersatzzeiten im Sinne des § 250 SGB VI vor. Die Tatbestände des § 250 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 und 5a SGB VI schieden aus. Eine Internierung (Nr. 2) habe zwar vorgelegen, sei jedoch beendet gewesen, bevor der Kläger das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Ob der Tatbestand der Nr. 3 (Rückkehrverhinderung) erfüllt sei, könne dahinstehen. Denn nach § 250 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI seien Zeiten ab dem 1. Januar 1957 keine Ersatzzeiten, in denen Versicherte eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit auch aus Gründen neben der Rückkehrverhinderung nicht ausgeübt hätten. Dies bedeute, dass Zeiten, in denen eine Beschäftigung ausgeübt wurde, nicht als Ersatzzeit anerkennungsfähig sei. Der Kläger habe sein Arbeitsbuch bislang nicht vorgelegt. Angesichts der Ablegung einer Facharbeiterprüfung gehe das Gericht jedoch davon aus, dass er trotz seiner deutschen Herkunft ein normales Berufsleben mit entsprechenden Beschäftigungszeiten geführt habe. Auch § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB VI verhelfe dem Kläger nicht zur Anerkennung von Ersatzzeiten.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Das SG habe ihn als internierte Person betrachtet. Er zähle jedoch zu den verschleppten Zivilpersonen. Auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 1980, - 8c 8.78 -, werde hingewiesen, wonach Russlanddeutsche, die während des Zweiten Weltkrieges durch Umsiedlung ihren Wohnsitz oder Aufenthalt im Deutschen Reich nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 genommen hatten und nach Kriegsende aus diesem Gebiet als Zivilisten wieder in die frühere UdSSR verschleppt worden seien, der Tatbestand einer Verschleppung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI gegeben sei. Die Verschleppung ende auch erst mit dem Tag der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
ihm unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 13. August 2010 für das Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg, Az. S 12 R 653/08, Prozesskostenhilfe ab Antragstellung zu gewähren und Rechtsanwältin L. beizuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -) für das Verfahren, Az. S 12 R 653/08, vor dem SG.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe scheitert entgegen der Auffassung des SG nicht daran, dass keine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 73a Rn. 7a).
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der verfassungsrechtliche Rahmen des Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz zu beachten. Die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder -verteidigung selbst in das Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen daher nicht überzogen werden (vgl. z.B. BVerfGE 81, 347, 3456 ff.; BVerfG in NJW 2000, 1936). Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend entschieden, dass Prozesskostenhilfe bereits dann gewährt werden muss, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen ist, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist (BVerfG 81, 347). Auch darf das Gericht über schwierige Rechtsfragen nicht im PKH-Verfahren, in dem nur eine summarische Prüfung vorzunehmen ist, entscheiden. Dies bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (BVerfG vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07 in NJW 2008, 1060). Auch wenn eine Beweiserhebung von Amts wegen notwendig ist, kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG vom 29. April 2004, 1 BvR 1281/04 in NJW-RR 2005, 140).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist für das Klageverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben.
Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist gemäß §§ 35 Abs. 1, 50 Abs. 1 SGB VI neben dem Erreichen der Regelaltersgrenze die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren. Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten sowie mit Ersatzzeiten nach dem 5. Kapitel des SGB VI angerechnet.
In dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 29. Januar 2009 sind für den Kläger 11 Monate mit Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II verzeichnet. Die Frage, ob für den Kläger mindestens 49 Kalendermonate mit Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 SGB VI anzurechnen sind, ist mit schwierigen Rechtsfragen verbunden. Auch ist der Sachverhalt noch nicht umfassend aufgeklärt. Die Annahme von hinreichenden Erfolgsaussichten ist unter der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts damit gerechtfertigt.
Bei summarischer Prüfung kommen als Rechtsgrundlage die Tatbestände des § 250 Abs. 1 Nr. 5, 3 und 2 SGB VI in Betracht.
Gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in Gewahrsam genommen worden sind oder in Anschluss daran wegen Krankheit arbeitsunfähig und unverschuldet arbeitslos geworden sind, wenn sie zum Personenkreis des § 1 des Häftlingshilfegesetzes gehören oder nur deshalb nicht gehören, weil sie vor dem 3. Oktober 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen haben.
Nach allgemeiner Meinung folgt aus der Verwendung des Begriffs "Versicherte", dass mindestens ein wirksamer Pflichtbeitrag oder freiwilliger Beitrag zur Rentenversicherung gezahlt worden sein muss (KassKomm-Niesel, § 250 SGB VI Rn. 10). Dies ist beim Kläger der Fall, da aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II für ihn Pflichtbeiträge entrichtet wurden.
In dem strittigen Zeitraum von der Vollendung des 14. Lebensjahres des Klägers an bis zum 31. Dezember 1991 bestand für den Kläger auch keine Versicherungspflicht nach bundesdeutschem Recht. Beitragszeiten- oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15,16 FRG sind allerdings Pflichtbeitragszeiten gleichzustellen (KassKomm-Niesel, § 250 SGB VI Rn. 9). Ersatzzeiten sind jedoch dann zu berücksichtigen, wenn der Versicherte nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehört und die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten deshalb nicht anzurechnen sind (GK-SGB VI, § 250 Rn. 25 unter Hinweis auf BSG vom 19.3.1997 - 5/4 RA 113/94). Zwar ist der Kläger anerkannter Vertriebener nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedler) und gehört damit zum Personenkreis des § 1 FRG. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, können für Umsiedler Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15,16 FRG jedoch nur bis zum Zeitpunkt der Umsiedlung angerechnet werden (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006, B 5 RJ 21/05 R). Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger jedoch erst 2 Jahre alt, so dass bis dahin die Anrechnung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nicht in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mittlerweile eine von ihm gemäß § 27 Abs. 2 BVFG zu beantragende Anerkennung als Spätaussiedler im Wege eines Härtefalls erhalten hat, gibt es nach wie vor keine. Im Rahmen der angezeigten summarischen Prüfung erscheint die Auffassung damit jedenfalls vertretbar, das Ausschlusskriterium des Bestehens von Versicherungspflicht für den Kläger so lange zu verneinen, als er nicht als Spätaussiedler anerkannt ist. Denn damit ist für ihn wie für einen nicht zum Personenkreis des § 1 FRG zählenden Versicherten ausgeschlossen, dass Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden können.
Hinzu kommt, dass in keiner Weise fest steht, in welchem Umfang der Kläger nach seinem 14. Lebensjahr in der ehemaligen Sowjetunion beschäftigt war. Es besteht also insoweit noch erheblicher Aufklärungs- und ggf. Beweiserhebungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe soll zwar sicherlich nicht denjenigen besser stellen, der im Verwaltungsverfahren seinen Auskunftspflichten nicht nachkommt mit der Folge, dass im gerichtlichen Verfahren dann noch Aufklärungsbedarf besteht, der grundsätzlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen kann. Hier ist aber zu beachten, dass die Beklagte den Antrag des Klägers aus gänzlich anderen Gründen abgelehnt hat und auch nicht etwa gemäß § 66 SGB I die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung in Form der Vorlage des Arbeitsbuchs versagt hat. Darüber hinaus ist der Kläger offensichtlich im Irrtum darüber, welche Auswirkungen das Bestehen von nichtselbstständigen Beschäftigungsverhältnissen in der ehemaligen Sowjetunion auf das Vorliegen von Ersatzzeiten und damit seinen Rentenanspruch haben kann. Der Kläger hält die Vorlage des Arbeitsbuchs für entbehrlich, weil er ohnehin keine Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten als Beitragszeiten begehrt. Erst wenn der Kläger auch im Hauptsacheverfahren weiterhin Auskünfte zu seinen Beschäftigungszeiten in der ehemaligen Sowjetunion und die Vorlage des Arbeitsbuches ablehnen sollte, wäre dies im Wege der Beweiswürdigung entsprechend zu würdigen. Eine tragfähige Grundlage für die Verweigerung von Prozesskostenhilfe ist das Verhalten des Klägers hingegen nicht. Da damit noch nicht einmal sicher feststeht, dass beim Kläger nicht mindestens 49 Kalendermonate vorliegen, in denen er keine Beschäftigung in der ehemaligen Sowjetunion ausgeübt hat, lässt sich eine mangelnde Erfolgsaussicht seines Prozesskostenhilfeantrags insoweit also nicht begründen.
Der Kläger gehört auch zum Personenkreis des § 1 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz - HHG). Dieser erfasst nach § 1 Nr. 1 HHG deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, wenn sie nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 8. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des BVFG genannten Gebieten aus politischen und nach freiheitlich-demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden sowie Angehörige bzw. Hinterbliebene dieser Personen. Russlanddeutsche, die während des Zweiten Weltkrieges durch Umsiedlung aus der ehemaligen UdSSR im Deutschen Reich nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 ihren Wohnsitz gefunden haben und von der sowjetischen Besatzungsmacht in die ehemalige UdSSR verschleppt worden sind, fallen unter § 1 HHG, weil die Gewahrsamsgründe politischer Natur waren (vgl. Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, § 250 SGB VI, Rn. 580, 597). Bei Russlanddeutschen, die aus dem Deutschen Reich nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in die ehemalige UdSSR verschleppt worden sind, gilt nicht nur die Dauer des tatsächlich Festgehaltenwerdens auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung während der Umsiedlung und ggf. der anschließenden Kommandanturaufsicht als Gewahrsam, sondern auch die Zeit, während der sie an der Rückkehr aus dem Ausland gehindert wurden, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1989. Dies folgt aus § 1 Abs. 5 S. 2 HHG. Wurde eine Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG gegen ihren Willen in ein ausländisches Staatsgebiet verbracht, so gilt nach dieser Bestimmung die Zeit, während der sie an ihrer Rückkehr gehindert war, als Gewahrsam, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1989. Aufgrund des in der Sowjetunion herrschenden allgemeinen Ausreiseverbots war der Kläger nach der Umsiedlung jedenfalls in dem hier erforderlichen Umfang von 49 Kalendermonaten nach Vollendung seines 14. Lebensjahres an der Rückkehr nach Deutschland gehindert (vgl. GK-SGB VI, § 250 Rn. 435, wonach die Stellung eines Ausreiseantrages vor 1987 wegen der damals zu befürchtenden Repressalien im allgemeinen nicht zu fordern ist). Unerheblich ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt der in Gewahrsamnahme das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Denn er teilt häftlingshilferechtlich das Schicksal seiner erziehungsberechtigten Mutter (GK-SGB VI, § 250 Rn. 578 m.w.N.). Dementsprechend hat die Regierung von Schwaben auch bestätigt, dass sie eine Bescheinigung ausstellen würde, wonach der Kläger als ehemaliger politischer Häftling im Sinne des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 HHG anzusehen ist.
In Erwägung zu ziehen ist darüber hinaus auch der Ersatzzeitentatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Voraussetzung ist hierfür, dass Versicherte während oder nach dem Ende eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden sind. Als feindliche Maßnahmen sind dabei nur solche Maßnahmen anzusehen, die sich allgemein gegen Deutschland als früheren Kriegsgegner oder als frühere Okkupationsmacht gerichtet haben, indem sie entweder hauptsächlich gegen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit oder zur Verhinderung einer Ausreise speziell nach Deutschland ergriffen worden sind. Feindliche Maßnahmen sind dagegen nicht solche, die wie ein allgemeines Ausreiseverbot sich unterschiedslos gegen die gesamte der Verwaltung des ehemaligen Feindstaates unterstehende Bevölkerung richteten (GK-SGB VI § 250 Rn. 496 m.w.N.). Während die Kommandanturaufsicht sich gegen deutsche Staatsangehörige und deutsche Volksangehörige richtete und damit als feindliche Maßnahme zu qualifizieren ist, gilt dies für das allgemeine Ausreiseverbot, das nach Aufhebung der Kommandanturaufsicht eine Rückkehr des Klägers verhinderte, an sich nicht. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 9. September 1998, Az. B 13 RJ 63/97 R, jedoch angenommen, dass sich für den Personenkreis des Klägers, der durch Deportation und Entwurzelung doppelt betroffen sei, auch ein für alle Staatsbürger geltendes Ausreiseverbot als feindliche Maßnahme auswirke. Darüber hinaus ist jedoch auch Voraussetzung für die Anerkennung eines Ersatzzeit nach dieser Bestimmung, dass der ernsthafte Wille vorgelegen hat, während der Rückkehrverhinderung aufgrund feindlicher Maßnahmen in das Inland zuzuziehen, um hier den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse dauernd zu begründen; bei Minderjährigen ist insoweit auf den Willen der Erziehungsberechtigten abzustellen. Ob und inwieweit ein derartiger Wille jedenfalls für bestimmte Zeiträume glaubhaft gemacht werden kann, ist offen.
Theoretisch möglich, aber nach Aktenlage doch eher unwahrscheinlich ist die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, so wie dies vom Kläger postuliert wird. Zwar ist der Kläger auch als Verschleppter anzusehen, da er wohl von einem Ort innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt wurde. Die Anerkennung als Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI würde aber auch voraussetzen, dass der Kläger innerhalb von 2 Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wobei in die Frist von 2 Monaten Zeiten einer unverschuldeten Verzögerung der Rückkehr nicht eingerechnet werden. Angesichts der Tatsache, dass jedenfalls seit 1987/1988 eine liberale Ausreisepraxis vorherrschte und durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene "Gesetz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über das Verfahren zur Ausreise sowjetischer Staatsangehöriger aus der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und Einreise sowjetischer Staatsangehöriger in die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" auch noch die letzten rechtlichen Hindernisse (die tatsächlich schon nicht mehr bestanden) für eine Ausreise beseitigt wurden (vgl. GK-SGB VI, § 250 Rn. 437), erscheint eine Glaubhaftmachung des Klägers, ihm sei erst im Jahr 2007 die Anreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich gewesen, als nahezu ausgeschlossen.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage ist bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung auch nicht deshalb zu verneinen, weil gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI Ersatzzeiten nicht Zeiten sind, in denen nach dem 31. Dezember 1956 die Voraussetzungen nach § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 SGB VI vorliegen und Versicherte eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit auch aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt haben.
Insoweit gilt schon, dass überhaupt noch nicht festgestellt worden ist, wann, in welchem Umfang und aus welchen Gründen der Kläger nach Vollendung seines 14. Lebensjahres eine Beschäftigung ausgeübt hat oder nicht. Dies setzt zunächst eine Auswertung des Arbeitsbuchs des Klägers voraus. Soweit eine solche - wie vom SG unterstellt - ergeben sollte, der Kläger sei nach Vollendung seines 14. Lebensjahres durchgängig beschäftigt gewesen, ist die Frage, ob damit der Ausschlussgrund des § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI gegeben ist, durchaus nicht so ohne weiteres und einfach zu beantworten. Denn nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes greift diese Ausnahmeregelung gerade nur dann ein, wenn kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Die Rentenversicherungsträger nehmen zwar an, aus dieser Bestimmung folge, dass die Anerkennung von Ersatzzeiten auch für Zeiten ausgeschlossen ist, in denen eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit bestanden habe, wobei unbeachtlich sei, ob hierdurch anerkennungsfähige Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden (VdR-Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, Band 5, § 250 SGB VI Rn. 13). Auch nach Auffassung des Senats sprechen im Rahmen eines "erst -recht-Schlusses" durchaus gute Gründe für diese Auslegung. Es handelt sich aber hierbei angesichts des diese Fallgestaltung eigentlich nicht erfassenden Wortlauts der Bestimmung durchaus um eine schwierige Rechtsfrage, die erst nach Prüfung des Gesetzeszweckes und der Gesetzesbegründung beantwortet werden kann. Eine derartige Prüfung hat jedoch - wie dargelegt - nicht im Prozesskostenhilfe- sondern im Hauptsacheverfahren zu erfolgen.
Nach alledem ist bei Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine hinreichende Erfolgsaussicht des Klageverfahrens gegeben. Da die Rechtsverfolgung des Klägers nicht mutwillig und er nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch prozesshilfebedürftig ist, war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger wie beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. zu gewähren.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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