L 19 R 238/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 154/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 238/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit" iSd § 57 Abs 1 SGB III. Eine selbstständige Tätigkeit wird dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Dabei hängt der genaue Zeitpunkt der Aufnahme maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab (BSG Urteile vom 01.06.2006 - B 7a AL 34/05 R - und 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.01.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld gemäß § 57 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der 1960 geborene Kläger erlernte von 1976 bis 1979 den Beruf eines Kfz-Mechanikers. Zuletzt war er bis 30.06.2001 als Maschinenschlosser tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag. Am 06.08.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung und gab im Antrag an, eine selbstständige Tätigkeit als Betriebsräteberater auszuüben.

Mit Bescheid vom 31.10.2001 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, denn der Kläger könne noch wenigstens 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen tätig sein und könne auf die Tätigkeit eines Registrators verwiesen werden.

Am 29.05.2001 meldete sich der Kläger bei dem Arbeitsamt A-Stadt arbeitslos.
Nach Auskunft des Arbeitsamts A-Stadt vom 14.05.2003 erhielt der Kläger im Zeitraum vom 01.11.2001 bis 31.05.2003 Arbeitslosengeld. Unterbrochen war der Bezug des Arbeitslosengeldes - durch Abmeldung aus dem Leistungsbezug - wegen selbstständiger Tätigkeit für folgende Zeiten: 05.11.2001 bis 09.11.2001, 20.11.2001, 04.12.2001, 11.12.2001, 09.01.2002 bis 10.01.2002, 15.01.2002 bis 17.01.2002, 23.01.2002 bis 24.01.2002, 29.01.2002, 15.03.2002, 13.04.2002, 16.04.2002, 22.04.2002 bis 26.04.2002, 14.05.2002, 16.05.2002, 27.05.2002, 30.05.2002 bis 07.06.2002, 10.06.2002 bis 14.06.2002, 19.06.2002 bis 21.06.2002, 24.06.2002 bis 25.06.2002, 01.07.2002 bis 05.07.2002, 08.07.2002 bis 12.07.2002, 16.07.2002, 19.07.2002, 22.07.2002 bis 26.07.2002, 05.08.2002 bis 16.08.2002, 27.08.2002, 02.09.2002 bis 04.09.2002, 08.09.2002 bis 13.09.2002, 16.09.2002 bis 20.09.2002, 24.09.2002, 07.10.2002 bis 25.10.2002, 29.10.2002 bis 30.10.2002, 11.11.2002 bis 22.11.2002, 15.01.2003 bis 17.01.2003, 21.01.2003, 02.02.2003 bis 07.03.2003, 11.02.2003 bis 12.02.2003, 16.02.2003 bis 14.03.2003, 17.03.2003 bis 18.03.2003, 20.03.2003, 23.03.2003 bis 17.04.2003, 22.04.2003, 28.04.2003, 30.04.2003 bis 26.05.2003.

Am 18.09.2001 meldete der Kläger eine freiberufliche Tätigkeit als Betriebsräteberater (Lehrtätigkeit) mit Beginn 30.07.2001 bei der Gemeinde B. an. In einem Auskunftsblatt zur selbstständigen Tätigkeit gab der Kläger am 02.11.2001 gegenüber dem Arbeitsamt A-Stadt an, er übe eine freiberufliche Tätigkeit als Betriebsräteberater aus. Bisher habe er in 13 Wochen 10 Tage Seminar gehalten. Durch die selbstständige Tätigkeit erziele er durchschnittlich in der Woche brutto 452,12 DM (5.877,58 DM in 13 Wochen). Er rechne damit, dass ab September 2002 die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden ansteige. In einer weiteren Erklärung zur selbstständigen Tätigkeit vom 28.03.2002 erklärte der Kläger, ab 04.04.2002 betrage die wöchentliche Arbeitszeit 3 Stunden wöchentlich. Für das Restjahr 2002 werde ein Gewinn von 1.500,00 EUR erwartet.
Laut Einkommenssteuerbescheid vom 02.08.2004 für das Jahr 2002 betrugen die Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit 28.021,00 EUR. Laut Bescheid vom 09.02.2005 für das Jahr 2003 betrugen die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit 38.663,00 EUR.

Der Kläger beantragte am 13.02.2003 telefonisch und mit Formblatt am 01.05.2003, eingegangen bei der Beklagten am 02.05.2003 Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Er gab zunächst an, er werde am 01.05.2003 eine selbstständige Tätigkeit als freiberuflicher Betriebsräteberater aufnehmen. Die wöchentliche Arbeitszeit betrage wenigstens 40 Stunden. Laut einem ersten Planungskonzept zur Existenzgründung Stand 30.04.2003 gab der Kläger an, im Jahr 2001 seit Aufnahme der freiberuflichen Tätigkeit im Juli 2001 ca. 13.000,00 EUR Umsatz erzielt zu haben, im Jahr 2002 ca. 40.000,00 EUR. Nach Vorlage einer Stellungnahme der fachkundigen Stelle gab der Kläger als Ertragsprognose 2003 22.396,00 EUR und für 2004 24.035,00 EUR an. Auf Anfrage der Beklagten vom 05.06.2003 hinsichtlich widersprüchlicher Angaben zur Gewerbeanmeldung und zur selbstständigen Tätigkeit gab der Kläger an, ab 01.07.2001 sei er arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet gewesen. Um die Möglichkeit eines Zusatzverdienstes zum Arbeitslosengeld zu haben, habe er auf Anraten des Arbeitsamtes eine freiberufliche Betriebsräteberatertätigkeit zum 30.07.2001 angemeldet. Bis zum 29.05.2003 sei er arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet gewesen. In diesem Zeitraum habe er zum Zwecke des Zusatzverdienstes gelegentlich die Tätigkeit als freiberuflicher Betriebsräteberater ausgeübt. Nachdem ihm die Arbeitsagentur während des gesamten Zeitraums keine offene Stelle habe zuweisen können, habe er sich entschieden, sich eine eigene Existenzgrundlage zu schaffen und die freiberufliche Betriebsräteberatertätigkeit als Haupterwerb ab dem 01.06.2003 aufzunehmen um seinen Lebensunterhalt mit dieser freiberuflichen Tätigkeit zu verdienen, da seit dem 29.05.2003 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr bestehe.

Mit Bescheid vom 21.08.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Überbrückungsgeld ab. Überbrückungsgeld werde zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung gewährt. Der Kläger habe bereits im Jahre 2001 die freiberufliche Tätigkeit begonnen (Gewerbeanmeldung 30.07.2001). Bei Ausübung der selbstständigen Tätigkeit sei während des Bezugs von Arbeitslosengeld eine Abmeldung aus dem Leistungsbezug erfolgt. Bei Antragstellung am 13.02.2003 sei daher die Existenzgründung bereits erfolgt gewesen, so dass Sinn und Zweck des Überbrückungsgeldes nicht erfüllt werde. Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringe der Rentenversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Ausübung bzw. die Auswahl von Leistung erfordere eine vorherige Antragstellung. Die Gewerbeanmeldung sei am 30.07.2001 erfolgt, die Antragstellung auf Gewährung von Überbrückungsgeld erst am 13.02.2003. Der Antrag sei somit auch wegen verspäteter Antragstellung abzulehnen.

Mit Schreiben vom 17.09.2003 erhob der Kläger Widerspruch. Im Wesentlichen gab er an, es bestehe ein Unterschied darin, ob ein Gewerbe (zum Zweck des Hinzuverdienens) angemeldet worden sei, oder eine Existenzgründung (als alleinige Quelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltes) vollzogen werde. Die zwischen der Gewerbeanmeldung und Existenzgründung ausgeübten freiberuflichen Tätigkeiten stellten nur die Nebentätigkeit eines Arbeitslosen zur Aufbesserung seines Budgets dar, aber keine Existenzgründung. Er sei bis zum 01.06.2003 als Arbeitssuchender registriert gewesen. Bis zu seiner Entscheidung zum Beginn einer selbstständigen Tätigkeit sei er davon ausgegangen, seinen Lebensunterhalt aus abhängiger Erwerbsarbeit zu bestreiten. Erst als ihm klar geworden sei, auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen zu haben, habe er die Gründung einer Ich-AG beschlossen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Überbrückungsgeld werde zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung gewährt. Die freiberufliche Tätigkeit als Betriebsräteberater sei aber schon am 31.07.2001 aufgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13.02.2003 sei die Existenzgründung bereits erfolgt gewesen. Deshalb sei auch die Antragstellung verspätet erfolgt. Der Antrag sei so rechtzeitig beim Rentenversicherungsträger zu stellen, dass dieser vor "Bedarfsdeckung" eine Ermessensentscheidung ordnungsgemäß treffen könne.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben und im Wesentlichen die Argumente aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.

In der mündlichen Verhandlung am 15.01.2008 hat der Kläger erklärt, dass er gegenüber dem Arbeitsamt am 02.11.2001 angegeben habe, dass ab September 2002 eine Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden und eine Änderung des wöchentlichen Einkommens auf 8.000,00 DM erfolge, da ab diesem Zeitpunkt weitere Seminare übernommen worden seien. Er gab weiter an, er wisse nicht, in welchen Zeiträumen die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielt worden seien, die im Einkommenssteuerbescheid für 2002 festgestellt worden seien. Weiter hat der Kläger erklärt, dass er ursprünglich geplant habe, ein Beschäftigungsverhältnis eventuell nach Durchführung einer Umschulung aufzunehmen. Die Ausführung einer selbstständigen Tätigkeit sei an sich nur die letzte Möglichkeit gewesen, die sich dann aber gut entwickelt habe. Die eigentliche Entscheidung für eine selbstständige Tätigkeit habe er erst im Zusammenhang mit der Antragstellung bei der Beklagten getroffen.

Mit Urteil vom 15.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe die selbstständige Tätigkeit ab September 2002 tatsächlich auch ausgeübt. Der vorherigen Gewerbsanmeldung aus dem Jahr 2001 komme deklaratorische Bedeutung zu. Trotzdem sei der Antrag erst am 13.02.2003 gestellt worden und damit verspätet. Gemäß § 324 SGB III seien Antragsfristen zu beachten. Leistungen der Arbeitsförderung würden nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden seien. Da die selbstständige Tätigkeit schon im September 2002 aufgenommen worden sei, hätten zu diesem Zeitpunkt schon die leistungsbegründenden Voraussetzungen bestanden. Zur Vermeidung unbilliger Härten könne eine verspätete Antragstellung zugelassen werden. Diese Regelung sei mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vergleichbar, die durch § 27 Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgeschlossen werde. Voraussetzung sei demgemäß, dass die verspätete Antragstellung durch den Kläger nicht zu vertreten gewesen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, spätestens im September 2002 habe der Kläger angesichts des erheblichen Umfangs seiner Tätigkeit und der gegebenen Umsätze erkennen müssen, dass nunmehr eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit gegeben gewesen sei und habe den Leistungsantrag stellen müssen. Außerdem liege die Zulassung einer verspäteten Antragstellung im Ermessen der entscheidenden Behörde. Angesichts der günstigen Entwicklung der Tätigkeit und der Einkünfte habe eine weitere Förderung nicht mehr nahe gelegen. Sowohl ab September 2002 als auch zur Zeit der Antragstellung am 13.02.2003 habe die Tätigkeit ein ausreichendes Einkommen gemessen an der Zwecksetzung des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III gewährt, die nach dem Gesetzestext darin liege, die Sicherung des Lebensunterhaltes und die soziale Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung zu gewährleisten.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass im September 2002 noch keine umfangreiche selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei bzw. eine Entscheidung, die Existenz ausschließlich aus selbstständiger Tätigkeit zu bestreiten, noch nicht gefallen sei. Erst Anfang 2003 habe er sich entschieden, sich mit einer Tätigkeit als Betriebsräteberater selbstständig zu machen. Im Jahr 2002 habe er einen Gewinn in Höhe von 28.000,00 EUR erzielt. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass er im Jahr 2002 keine nennenswerten Betriebsausgaben gehabt habe. Er sei als Arbeitslosengeldbezieher kranken- und rentenversichert gewesen. Soweit ein Sachbearbeiter des Arbeitsamtes A-Stadt einen wöchentlichen Verdienst von 8.000,00 DM notiert habe, müsse es sich um ein Schreibversehen handeln. Richtig sei, dass der Kläger im Jahr 2002 seine Beratungstätigkeit und seine Seminarreferententätigkeit habe ausweiten können. Erst Anfang 2003 habe er dann auch eine fachliche Stellungnahme zur Tragfähigkeit der Existenzgründung angefordert und das Vorhaben erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Damit habe der Kläger seinen Antrag auf Überbrückungsgeld vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Bayreuth vom 15.01.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2004 zu verurteilen, dem Kläger Überbrückungsgeld auf seinen Antrag vom 13.02.2003 ab 01.06.2003 hin zu gewähren.

Die Beklagten beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 15.01.2008 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des Arbeitsamtes A-Stadt und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit hat.

Der Kläger erfüllt die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, auch wenn die Beklagte dies nicht ausdrücklich festgestellt hat. Der Kläger kann den zuletzt ausgeübten Beruf als Maschinenschlosser nicht mehr ausüben (vgl. Bescheid der Beklagten vom 31.10.2001 hinsichtlich der Ablehnung einer Rente wegen Erwerbsminderung). Mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann dem Grunde nach die geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden. Auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SSGB VI) waren erfüllt, so dass die Voraussetzungen für das "Ob" der Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe dem Grunde nach erfüllt waren.

Für die Frage des "Wie", welche Maßnahmen also erforderlich und geeignet sind, trifft die Beklagte jedoch gemäß § 13 SGB VI eine Ermessensentscheidung. Danach bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Wahl der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgt gemäß § 16 SGB VI nach den §§ 33 bis 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Maßgebend für die Leistungen zur Teilhabe sind gemäß § 301 Abs 1 Satz 1 SGB VI die Vorschriften, die zum Zeitpunkt der Antragstellung galten. Dabei ist gemäß § 33 Abs 3 Nr 5 SGB IX in der vom 01.07.2001 bis 31.12.2004 geltenden Fassung grundsätzlich auch die Bewilligung von Überbrückungsgeld entsprechend § 57 SGB III möglich. Gemäß § 57 SGB III in der vom 01.01.2003 bis 31.12.2003 geltenden Fassung können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Weitere Voraussetzungen des Abs 2 sind ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mit dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III sowie eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung.

Im vorliegenden Falle hat die Beklagte ermessensfehlerfrei die Bewilligung von Überbrückungsgeld abgelehnt, weil der von der Norm gedeckte Zweck - Zahlung des Überbrückungsgeldes zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung - nicht mehr erreicht werden konnte.

Der Kläger hat schon nicht die Tatbestandsvoraussetzung der Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit erfüllt, denn er hat die Tätigkeit schon im Jahre 2002 aufgenommen, die Arbeitslosigkeit und der Bezug von Arbeitslosengeld endete erst am 31.05.2003.

Soweit der Kläger angibt, es habe sich - bis 2003 - lediglich um ein Erproben und um Nebeneinkommen gehandelt und er habe erst später die selbstständige Tätigkeit aufgenommen, ist dies nicht relevant. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Ausweitung einer bereits zuvor ausgeübten Tätigkeit die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit iS des § 57 Abs 1 SGB III darstellen kann (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2004 - L 5 AL 645/04, veröffentlicht in juris). Zwar ist richtig, dass die Ausweitung einer bereits zuvor ausgeübten Nebentätigkeit, die generell die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit darstellen kann, weitgehende Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Allerdings spricht die von § 141 SGB III ausdrücklich eröffnete Möglichkeit, neben dem Bezug von Arbeitslosengeld Nebeneinkommen zu erzielen, gegen die Sichtweise des LSG (vgl. Urteil des BSG vom 01.06.2006 - B 7 AL 34/05 R, veröffentlich in juris).

Jedoch hat das BSG zum Begriff der Aufnahme bereits zu § 55a Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz wie auch zu § 57 SGB III entschieden, dass eine selbstständige Tätigkeit dann aufgenommen wird, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Dabei hängt der genaue Zeitpunkt der Aufnahme maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab (u.U. auch von einem formalen Akt der Zulassung, vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2006 - B 7a AL 34/05 R; Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R, veröffentlicht in juris).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger schon in seinem Antrag auf Erwerbsminderung angegeben, eine selbstständige Tätigkeit als Betriebsräteberater auszuüben (06.08.2001). Die Gewerbeanmeldung als Betriebsräteberater ist am 18.09.2001 mit Beginn 30.07.2001 bei der Gemeinde B. erfolgt. Schon mit der formellen Anmeldung als Gewerbe und dem tatsächlichen Abhalten von Seminaren - im Jahr 2001 - könnte insoweit also eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen worden sein. Selbst wenn man dies verneint, hat der Kläger jedenfalls im Jahre 2002 eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen. In diesem Jahr lag die formale Voraussetzung einer Gewerbeanmeldung vor. Auch tatsächlich war die Tätigkeit des Klägers auf berufsmäßigen Erwerb gerichtet. Nach der Aufstellung der Arbeitsagentur hat sich der Kläger im Jahr 2002 für folgende Termine vom Bezug des Arbeitslosengeldes für die Abhaltung von Seminaren abgemeldet: 09.01.2002 bis 10.01.2002, 15.01.2002 bis 17.01.2002, 23.01.2002 bis 24.01.2002, 29.01.2002, 15.03.2002, 13.04.2002, 16.04.2002, 22.04. bis 26.04.2002, 14.05.2002, 16.05.2002, 27.05.2002, 03.06. bis 07.06.2002, 10.06. bis 14.06.2002, 19.06. bis 21.06.2002, 24.06. bis 25.06.2002, 01.07. bis 05.07.2002, 08.07. bis 12.07.2002, 16.07.2002, 19.07.2002, 22.07. bis 26.07.2002, 05.08. bis 16.08.2002, 27.08.2002, 02.09. bis 04.09.2002, 08.09. bis 13.09.2002, 16.09. bis 20.09.2002, 24.09.2002, 07.10. bis 25.10.2002, 29.10. bis 30.10.2002, 11.11.2002 bis 22.11.2002. Damit korrespondiert die auch von dem Kläger gegenüber der Beklagten abgegebenen Schätzung von einem Umsatz von 40.000 Euro im Jahr 2002, die dann durch die aus dem Einkommensteuerbescheid 2002 zu entnehmenden Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 28.021,00 EUR bestätigt worden ist. Aus der Übersicht ergibt sich auch, dass der Kläger von Beginn des Jahres an schon die selbstständige Tätigkeit aufgenommen hatte und - nicht wie das SG angenommen hat - erst im September 2002 eine Mehrung von Aufträgen erfolgt ist.

Selbst bei Annahme, dass es sich im Jahre 2002 lediglich um eine Nebentätigkeit gehandelt hat, hat die Beklagte zu Recht in ihre Ermessenserwägungen eingestellt, dass Sinn und Zweck des § 57 SGB III, die Sicherung des Lebensunterhaltes durch die Bewilligung von Überbrückungsgeld ab 01.06.2003 nicht mehr erreicht werden konnten. Der unmittelbare Zweck des Übergangsgeldes ergibt sich direkt aus § 57 Abs 1 SGB III. Danach soll die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach Existenzgründung dienen (BSG, Urteil vom 01.06.2006 aaO). Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten hat die Beklagte schon aus der Schätzung des Klägers zum Umsatz im Jahre 2002 mit 40.000 EUR ersehen, dass damit ein existenzsicherndes Einkommen erzielt werden konnte und worden ist, wie es auch im Einkommensteuerbescheid 2002 bestätigt worden ist (aus selbstständiger Tätigkeit 28.021,00 EUR). Dies hat sich in den Folgejahren fortgesetzt. Der Kläger selbst hat sein zu schätzendes Einkommen ebenfalls mit 22.400,00 und 24.000,00 EUR in den Jahren 2003 und 2004 angegeben, sodass auch insoweit der Lebensunterhalt gesichert war. Diese Prognose hat sich auch für das Jahr 2003 bestätigt, wonach der Kläger Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit iHv 38.663,00 EUR erzielt hat.

Auf die Frage, ob der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation insofern verspätet war, kommt es nicht mehr an, allerdings kann bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit vor Antragstellung regelmäßig unterstellt werden, dass eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage für die Anfangszeit der Existenzgründung vorliegt, mit der Folge, dass die Förderungsfähigkeit zu verneinen ist (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 58 Rdnr 14 mwN).

Sofern der Kläger angibt, er habe sich erst im Jahr 2003 entschlossen, die Tätigkeit zu seinem berufsmäßigen Erwerb zu machen, ist dem entgegenzuhalten, dass es insoweit auf die objektiven Anhaltspunkte ankommt, und nicht auf die inneren Motive des Klägers. Nach den äußeren Anhaltspunkten erfolgte die Aufnahme des Betriebes jedoch schon im Jahre 2002. Ebenso irrelevant ist, ob der im Jahre 2002 erzielte Gewinn sich dadurch relativiert, dass er keine Beiträge für Kranken- und Rentenversicherung aufwenden musste. Tatsache ist, dass der Gewinn in dieser Höhe erzielt wurde.

Nach alledem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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