L 1 R 406/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 1108/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 406/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 156/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Auswirkungen von Beitragserstattungen, die vor dem 1. Januar 1992 durchgeführt wurden, richtet sich nicht nach § 210 SGB VI, sondern im Bereich der Rentenversicherung der Arbeiter nach § 1303 RVO.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts Augsburg vom 30. März 2010 wird
zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu
erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Regelaltersrente.

Der 1936 in Marokko geborene Kläger A., marokkanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Marokko, hat in der Bundesrepublik Deutschland - mit Unterbrechungen - vom 17. Juni 1965 bis 28. Februar 1976 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.

Ausweislich des Kontospiegels für den Kläger begehrte dieser mit Antrag vom 15. Januar 1985 von der damals zuständigen LVA Rheinprovinz Beitragserstattung. Mit Bescheid vom 1. Juli 1985 wurden die zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge erstattet. Der Erstattungsbetrag belief sich auf 10.909,67 DM. Die Beitragserstattungsakten wurden vernichtet.

Mit Antrag vom 26. März 2009 begehrte der Kläger unter Hinweis auf seine in der Bundesrepublik Deutschland verrichteten Tätigkeiten Regelaltersrente von der Beklagten.

Der Antrag wurde mit angefochtenem Bescheid vom 15. April 2009 abgelehnt, da dem Kläger die zur deutschen Rentenversicherung bis 28. Februar 1976 entrichteten Beiträge erstattet worden seien. Weitere Beiträge zur deutschen Rentenversicherung seien nicht entrichtet worden.

Im Rahmen des hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger erneut auf seine in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung zurückgewiesen.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er bat um eine Überprüfung der Entscheidung und um eine Rente. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. März 2010 unter Hinweis auf die durchgeführte Beitragserstattung und unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide abgewiesen.

Mit der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, ohne dies näher zu begründen.

Mit Beschluss vom 28. September 2010 wurde die Berufung dem Berichterstatter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2011 ist für den Kläger niemand erschienen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 30. März 2010 sowie des Bescheids der Beklagten vom 15. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Alters zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 15. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 Abgewiesen. Dem Kläger steht mangels Erfüllung der allgemeinen Wartezeit kein Anspruch auf eine Regelaltersrente gem. § 35 S 1 SGB VI oder eine sonstige Altersrente zu.

Der Senat konnte entscheiden, obwohl der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Der Kläger war zum Termin ordnungsgemäß geladen. Er wurde in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines Fernbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

Ein Anspruch auf Regelaltersrente gemäß § 35 S. 1 SGB VI setzt voraus, dass der Versicherte die Regelaltersgrenze (§§ 35 S. 2, 235 SGB VI) erreicht und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die allgemeine Wartezeit beträgt gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fünf Jahre. Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs. 1, 3 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und mit Ersatzzeiten angerechnet. Ob und inwieweit Beiträge wirksam entrichtet worden sind, richtet sich nach dem zum Zeitpunkt der Beitragszahlung geltenden Recht, da § 300 Abs. 1 SGB VI nicht auf versicherungsrechtliche Tatbestände anwendbar ist (KassKomm-Niesel, § 300 SGB VI, Rn. 7). Die Auswirkungen der vor dem 1. Januar 1992 durchgeführten Beitragserstattungen richten sich dementsprechend nicht nach § 210 SGB VI, sondern im Bereich der Rentenversicherung der Arbeiter nach § 1303 Reichsversicherungsordnung - RVO - (KassKomm-Gürtner, § 210 SGB VI, Rn. 28).

Aufgrund der bereits im Jahr 1985 gemäß § 1303 RVO durchgeführten Beitragserstattung ist das Versicherungsverhältnis mit dem Kläger aufgelöst, so dass aus dem bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten keine Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung mehr bestehen (§ 1303 Abs. 7 RVO).

Aufgrund seines Erstattungsantrags vom 15. Januar 1985 wurden dem Kläger nach Überzeugung des Senats die ihm zustehenden Beiträge auch durch Bescheid vom 26. Februar 1985 erstattet.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger den Erstattungsbetrag in Höhe von 10.909,67 DM tatsächlich erhalten hat. Zwar trägt die Beklagte die objektive Beweislast für die Durchführung einer Beitragserstattung und die Erfüllung der Beitragserstattungsforderung, d.h. die Auszahlung der Erstattungssumme, da die durchgeführte Beitragserstattung zum Erlöschen der Ansprüche des Klägers führt und somit eine für die Beklagte positive Tatsache darstellt (BayLSG, Urteil vom 12. Januar 2010, Az. L 20 R 19/09, in juris). In diesem Rahmen ist jedoch der Beweis des ersten Anscheins zulässig. Dieser kommt dann zur Anwendung, wenn ein feststehender Lebenssachverhalt typischerweise bestimmte Folgen auslöst, ohne dass eine atypische Situation nachzuweisen ist, die die Grundlagen für den Anscheinsbeweis zu erschüttern vermag (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1998, Az. 9 VG 5/96 R = BSGE 81, 288; BayLSG, a.a.O.).

Hier lässt sich aus dem Kontospiegel entnehmen, dass ein Beitragserstattungsverfahren durch Erlass eines Erstattungsbescheides abgeschlossen wurde. Typischerweise führt die positive Erledigung eines Beitragserstattungsverfahrens dazu, dass der durch Bescheid festgesetzte Betrag dann auch tatsächlich dem Antragsteller überwiesen wird und der angewiesene Betrag dem Zahlungsempfänger auch zugeht. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders sein sollte, gibt es nicht. Auch der Kläger macht nicht geltend, keinen Erstattungsbetrag erhalten zu haben.

Der Beweis des ersten Anscheins spricht also dafür, dass die Beitragserstattung tatsächlich im bescheidmäßig festgestellten Umfang durchgeführt worden ist. Ansprüche auf eine Versichertenrente aus diesen Beitragszeiten sind damit ausgeschlossen (§ 1303 Abs. 7 RVO).
Da später zurückgelegte Beitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung nicht vorliegen, besteht mangels Erfüllung der allgemeinen Wartezeit kein Anspruch auf Regelaltersrente oder eine sonstige Altersrente.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG) beruht auf dem Umstand, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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