L 5 KR 93/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 324/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 93/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. März 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 9.608,26 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für eine Krankenbehandlung seiner früheren Leistungsberechtigten B. L. in Höhe von 9.608,26 Euro.

Die 1966 geborene und am 5. März 2006 verstorbene B. L. (im Folgenden: Leistungsberechtigte) erhielt vom Sozialamt der Stadt A-Stadt in der Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Mai 2003 sowie vom 1. August 2003 bis zum 29. Dezember 2003 laufende Leistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt) nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Es bestand ein Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 37 BSHG. Eine Krankenversicherung bestand zunächst nicht. Die Leistungsberechtigte war mehrfach stationär in verschiedenen Kliniken untergebracht. Behandlungen in Krankenhäusern fanden statt vom 15. bis 31. August 2002 (Klinikum E., E.), vom 10. Oktober 2002 bis 7. November 2002 (Klinikum E., E.) sowie vom 19. Juni 2003 bis 17. Juli 2003, vom 10. bis 27. Oktober 2003 und vom 2. bis 29. Dezember 2003 (jeweils im Klinikum A-Stadt). Der Kläger trug die Kosten der Unterbringung als Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG bzw. als Krankenhilfe nach § 37 Abs. 1, § 38 BSHG. Insgesamt waren dem Kläger Kosten in Höhe von 28.779,76 Euro entstanden.

Die Leistungsberechtigte wurde später rückwirkend für die Zeit vom 7. September 2001 bis zum 31. Dezember 2004 freiwillig krankenversichert. Anlass dafür war ein Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 24. August 2005. Darin wurde die Leistungsberechtigte von der Anklage wegen Betrugs zum Nachteil der Beklagten freigesprochen. Das Amtsgericht A-Stadt hatte festgestellt, dass nach dem seit dem 7. September 2001 rechtskräftigen Scheidungsurteil vom 27. Juli 2001 die Leistungsberechtigte innerhalb der Dreimonatsfrist der freiwilligen Krankenversicherung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beigetreten war. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 teilte die Beklagte der Leistungsberechtigten die nachträglich durchgeführte Mitgliedschaft für die Zeit vom 7. September 2001 bis zum 31. Dezember 2004 mit und setzte Beiträge zur freiwilligen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 4.737,90 Euro fest. Dieses Schreiben wurde vom Sozialamt der Stadt A-Stadt mit Schreiben vom 21. Februar 2006 an den Kläger weitergeleitet. Mit Hinweis auf die zu tragenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung bat das Sozialamt um eine Aufstellung der für den betroffenen Zeitraum aufgewendeten Kosten des Klägers. Die Beitragszahlung erfolgte schließlich zum überwiegenden Teil durch die Stadt A-Stadt sowie den Kläger.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 8. März 2006 hat der Kläger die Erstattung seiner Kosten nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Höhe von insgesamt 28.779,76 Euro unter Vorlage der einzelnen Rechnungen angemeldet. Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 teilte die Beklagte (Direktion G.) dem Kläger mit, dass seine Forderung unter Hinweis auf § 111 SGB X nicht befriedigt werden könne. Nach § 111 Satz 2 SGB X setze ein hinausgeschobener Beginn der Anmeldefrist voraus, dass der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlange. Es müsse eine sachliche Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers gegenüber dem leistungsberechtigten Versicherten in der Sache bereits vorliegen oder zumindest in Betracht kommen. Dies sei jedoch ausgeschlossen. Der Bedarf der Versicherten sei bereits abgedeckt worden. Die Beklagte habe keine Befugnis mehr gegenüber der Versicherten nochmals eine materiell-rechtliche Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung der - bereits erbrachten - Leistungen zu treffen und diese Leistungen zu bewilligen. Der Anspruch der Versicherten sei aufgrund der Fiktion des § 107 SGB X bereits erfüllt. § 111 Satz 2 SGB X meine nur Fälle, in denen über Sozialleistungen gegenüber dem Versicherten durch Verwaltungsakt entscheiden werde und erst diese Entscheidung die Leistungspflicht festlege. Die einjährige Ausschlussfrist beginne, sobald der erstattungsberechtigte Leistungsträger hiervon Kenntnis erlange. Die Ablehnung eines Erstattungsanspruches oder die Feststellung über die Durchführung einer Versicherung falle nicht unter § 111 Satz 2 SGB X. Es bleibe daher bei der Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X. Die Kostenaufwendungen hätten innerhalb eines Jahres nach Leistungserbringung angemeldet werden müssen. Zwischenzeitlich hatte die Beklagte (Direktion A-Stadt) am 23. Juni 2006 einen Betrag über 19.171,50 Euro an den Kläger überwiesen.

Mit Schriftsatz vom 22. August 2006 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und die Erstattung der noch offenen 9.608,26 Euro beantragt. Der Kläger hat sich zur Begründung auf die Vorschriften der §§ 104, 105 SGB X gestützt und geltend gemacht, in der Teilzahlung der Beklagten liege bereits ein Anerkenntnis der Zahlungspflicht. Eine unterschiedliche Rechtsauslegung verschiedener Verwaltungsstellen innerhalb der Verwaltungsorganisation der Beklagten könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Auch stelle die Ausschlussfrist des § 111 Abs. 1 Satz 2 SGB X für den Beginn auf den Zeitpunkt ab, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe. Der Kläger stellte dabei maßgeblich auf seine erstmalige Kenntnis von der nachträglichen Durchführung der freiwilligen Krankenversicherung ab durch Weiterleitung des Schreibens der Beklagten an die Leistungsberechtigte vom 14. Dezember 2005 mit Schreiben des Sozialamts der Stadt A-Stadt vom 21. Februar 2006. Der Kläger habe zuvor überhaupt keine Möglichkeit gehabt, einen Erstattungsanspruch anzumelden. Daher könne der Lauf der Ausschlussfrist nach § 111 Satz 2 SGB X frühestens mit dem 14. Dezember 2005 beginnen. Die Beklagte hat dagegen vorgetragen, die Erstattung der bereits geleisteten 19.171,50 Euro sei zu Unrecht durch eine andere Unternehmenseinheit erfolgt und könne daher nicht als Anerkenntnis der geltend gemachten Forderung gewertet werden. Zudem hat die Beklagte erneut auf § 111 Satz 1 SGB X verwiesen. Die der Forderung zugrunde liegenden Leistungen seien durch den Kläger für die Zeit vom 15. August 2002 bis zum 29. Dezember 2003 erbracht worden. Die einjährige Ausschlussfrist sei bei Geltendmachung des Erstattungsanspruchs bereits abgelaufen gewesen. Nach Kenntniserlangung von der rückwirkend durchgeführten freiwilligen Versicherung sei von dem Kläger erst noch eine Gegenüberstellung der nachzuzahlenden Beiträge mit den verauslagten Kosten erstellt worden. Eine Gegenüberstellung der Beitrags- und Leistungsausgaben könne für die Beurteilung, ob Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge vom Sozialhilfeträger übernommen werden, nicht ausschlaggebend sein.

Mit Urteil vom 20. März 2007 hat das Sozialgericht Nürnberg die Beklagte verurteilt, an den Kläger Kosten in Höhe von 9.608,26 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 25. August 2006 zu erstatten. Das Sozialgericht hat in seiner Begründung ausgeführt, es bestehe eine Erstattungspflicht der Beklagten nach § 104 Abs. 1 SGB X. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des Klägers sei erst aufgrund der rückwirkenden Nachversicherung der Leistungsberechtigten entstanden. In diesem Fall sei es völlig unsinnig, einen Leistungsausschluss nach § 111 Satz 1 SGB X anzunehmen. Dieser setze voraus, dass der Erstattungsberechtigte bereits vor dem letzten Tag, für den die Leistung erbracht wird, einen materiellen Erstattungsanspruch habe. Für die Konstellation einer Nachversicherung sei die Vorschrift nicht konzipiert. Sie würde sonst dazu führen, dass die Nachversicherung zu einer Beitragspflicht ohne Leistungsanspruch führe, was ersichtlich nicht gewollt sei. Die Frist des § 111 Satz 1 SGB X könne begrifflich nicht vor Entstehung des Erstattungsanspruchs zu laufen beginnen. Da der Erstattungsanspruch bereits mit Schreiben vom 8. März 2006 angemeldet worden sei, sei die Frist offensichtlich eingehalten.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Beklagte ist unverändert der Auffassung, die Frist des § 111 Satz 1 SGB X sei abgelaufen. Die Kostenaufwendungen hätten innerhalb eines Jahres nach Leistungserbringung durch den Kläger angemeldet werden müssen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ein Mediationsverfahren hat zu keiner außergerichtlichen Einigung geführt. In der mündlichen Verhandlung am 11. November 2010 hat die Vertreterin der Beklagten den Verfahrensablauf der freiwilligen Versicherung geschildert. Die Leistungsberechtigte habe mit Datum vom 27. November 2001 (eingegangen bei der Beklagten am 28. November 2001) einen Antrag zur freiwilligen Krankenversicherung gestellt. Die damalige Sachbearbeiterin der Beklagten habe für die Berechnung der 3-Monats-Frist nicht das Datum der Rechtskraft (7. September 2001), sondern das Datum des Scheidungsurteils (27. Juli 2001) zugrunde gelegt und wegen der fehlerhaften Annahme einer Verfristung des Antrags die freiwillige Versicherung abgelehnt. Der Bescheid war damals nicht angefochten und deshalb bestandskräftig geworden. Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt aller Akten, einschließlich der Verwaltungsakten des Klägers sowie der Akten des Sozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Erstattungsanspruch in Höhe der geltend gemachten 9.608,26 Euro.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X oder § 105 SGB X erfüllt sind. Jedenfalls ist ein solcher Anspruch vom Kläger nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht worden.

Nach § 111 Satz 1 SGB X ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Kläger hat für insgesamt fünf Klinikaufenthalte - jeweils in gesonderten Bescheiden gegenüber der Leistungsberechtigten festgestellt - die Kosten des Aufenthalts getragen. Die Frist des § 111 Satz 1 SGB X begann für jeden einzelnen Leistungszeitraum gesondert zu laufen, nämlich jeweils am Tag nach dem letzten Aufenthaltstag im Krankenhaus. So begann die Ausschlussfrist beispielsweise für den letzten Leistungszeitraum (2. bis 29. Dezember 2003 - Aufenthalt der Leistungsberechtigten im Klinikum A-Stadt) am 30. Dezember 2003 zu laufen und endete am Mittwoch, den 29. Dezember 2004. Das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 8. März 2006, in dem erstmals ein Erstattungsanspruch für alle gezahlten Krankenhausaufenthalte geltend gemacht wurde, kam daher zu spät.

Etwas anderes gilt auch nicht nach der mit Wirkung zum 1. Januar 2001 durch Art 10 Nr. 8 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl I 1983) eingeführten Neufassung des § 111 SGB X. Vor der Rechtsänderung begann der Lauf der Frist nach § 111 Satz 2 SGB X ausdrücklich frühestens mit Entstehung des Erstattungsanspruchs und nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig davon, ob der erstattungsberechtigte Träger von seinem Erstattungsanspruch überhaupt Kenntnis hatte. Das Bundesssozialgericht hat die Ausschlussfrist auch in Fällen angewandt, in denen der erstattungsberechtigte Leistungsträger erst deutlich später - z.B. nach einer rückwirkenden Bewilligung einer Versichertenrente - von der Möglichkeit einer Erstattung erfahren hat (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2005, B 1 KR 20/04 R, Rz. 18 - zitiert nach juris).

Seit dem 1. Januar 2001 beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Eine Entscheidung der Beklagten als der erstattungspflichtigen Leistungsträgerin über ihre konkrete Leistungspflicht hinsichtlich der bereits vergangenen Krankenhausbehandlungen ist hier nicht erfolgt. Eine solche Entscheidung konnte gegenüber der Versicherten nicht mehr ergehen, da deren Ansprüche bereits durch die Leistung des Klägers nach § 107 Abs. 1 SGB X erfüllt worden waren (vgl. zum Verhältnis zwischen verschiedenen Krankenkassen bereits BSG, Urteil vom 10. Mai 2005, B 1 KR 20/04 R, Rz. 22 - zitiert nach juris).

Zu klären ist daher, ob die Entscheidung der Beklagten über das Bestehen eines - rückwirkend geschaffenen - freiwilligen Versicherungsverhältnisses mit Schreiben an die Leistungsberechtigte vom 14. Dezember 2005 (dem Kläger zur Kenntnis gelangt mit Schreiben des Sozialamts der Stadt A-Stadt vom 21. Februar 2006) ausreichend ist, um eine Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X und damit einen späteren Beginn der Fristenberechnung nach § 111 Satz 1 SGB X anzunehmen. Nur in diesem Fall wäre das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 8. März 2006, in dem erstmals ein Erstattungsanspruch für alle gezahlten Krankenhausaufenthalte geltend gemacht wurde, rechtzeitig erfolgt.

Anders als in den Erstattungsfällen zwischen verschiedenen Krankenkassen (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2005, B 1 KR 20/04 R, und BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 21/08 R) geht es in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht um den Ausgleich zwischen Trägern desselben Versicherungszweiges. In den zitierten Erstattungsfällen fehlte es an einer rückwirkend, erst nachträglich entstandenen Leistungspflicht der erstattungspflichtigen Krankenkasse. Die Leistungspflicht bestand in diesen Fällen vielmehr von Anfang an, so dass von der erstattungspflichtigen Krankenkasse tatsächlich keinerlei Entscheidung mehr hinsichtlich des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses und der daraus folgenden Leistungspflicht zu treffen war.

Das Bundessozialgericht hat jedoch auch einen dem hier streitgegenständlichen Verfahren vergleichbaren Rechtsstreit bereits entschieden. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich ausgeführt, der Umstand, dass am Erstattungsverhältnis auf der Klägerseite ein Sozialhilfeträger anstelle einer Krankenkasse beteiligt sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Auch hier wird eine materiell-rechtliche Entscheidung über die konkrete, bereits erbrachte Leistung nicht mehr getroffen. Einem entsprechenden Antrag des Versicherten bei seiner Krankenkasse würde es sogar an der dafür erforderlichen rechtlichen Betroffenheit fehlen, weil sein Anspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger sowohl faktisch als auch rechtlich kraft der Fiktion des § 107 SGB X erfüllt ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 13/07 R, Rz. 16 - zitiert nach juris). Wegen der bereits vorgenommenen, abgeschlossenen Sachleistungsgewährung ist eine nachträgliche Feststellung der Krankenversicherungspflicht auch keine Entscheidung über die Leistung dem Grunde nach (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 13/07 R, Rz. 17 - zitiert nach juris).

Der Senat verkennt nicht, dass das Ergebnis für den Kläger nicht befriedigend erscheint. Nicht nur, dass wegen der erst Jahre später rückwirkend durchgeführten freiwilligen Krankenversicherung, die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X bereits verstrichen war noch bevor der Erstattungsanspruch entstehen konnte. Der Kläger hat sich zudem an der Bezahlung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung beteiligt. Der Kläger hat damit einen Versicherungsschutz finanziert, ohne dass er davon jemals hätte profitieren können. Maßgeblich für das Verständnis des § 111 Satz 1 SGB X ist aber die Position des Erstattungsverpflichteten. Dieser soll in absehbarer Zeit nach der Leistungserbringung wissen, welchen Ansprüchen er ausgesetzt wird, um entsprechende Rückstellungen bilden zu können. Mit der strengen Ausschlussfrist soll schnell Rechtssicherheit geschaffen werden. Die materielle Einzelfallgerechtigkeit hat dagegen zurückzustehen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 13/07 R, Rz. 19 - zitiert nach juris) ... Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Tatsache, dass die Beklagte - wie sich später herausstellte fehlerhaft - zunächst die Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung bei der Leistungsberechtigten abgelehnt hatte. Obwohl die Leistungsberechtigte mit Datum vom 27. November 2001 (eingegangen bei der Beklagten am 28. November 2001) fristgerecht einen Antrag zur freiwilligen Krankenversicherung gestellt hatte, war die Durchführung der Versicherung von der Beklagten rechtswidrig abgelehnt worden. Hätte die Sachbearbeiterin der Beklagten dagegen zur Berechnung der 3-Monats-Frist richtigerweise auf das Datum der Rechtskraft (7. September 2001) abgestellt und die freiwillige Krankenversicherung von Anfang an korrekt durchgeführt, wären dem Kläger seine Aufwendungen für die Zeit ab dem 1. Juli 2002 gar nicht entstanden.

Die in § 111 Satz 1 SGB X normierte Frist ist eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist. Deshalb kann der Erstattungsberechtigte dem Erstattungsverpflichteten, dem die Ausschlussfrist zugute kommt, grundsätzlich nicht unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten. Etwas anderes gilt, wenn die Versäumung der Ausschlussfrist auf ein grob rechtswidriges, insbesondere vorsätzliches Verhalten dessen zurückzuführen ist, der durch die Ausschlussfrist begünstigt wird (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007, B 10 KR 1/05, Rz. 20 - zitiert nach juris). In dem hier zu entscheidenden Verfahren wurde die Ausschlussfrist nicht durch einen Fehler der Beklagten, beispielsweise aufgrund verzögerter Information über das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, versäumt. Die Ursache lag vielmehr darin, dass der Erstattungsanspruch erst aufgrund der rückwirkend durchgeführten freiwilligen Krankenversicherung und damit erst nach Ablauf der Frist des § 111 Satz 1 SGB X entstehen konnte. Die von der Beklagten ursprünglich fehlerhafte Ablehnung des Antrags der Leistungsberechtigten auf Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung vom 28. November 2001 hat zwar den weiteren Sachverhalt erst begründet. Für die Versäumung der Ausschlussfrist war dies jedoch ohne Belang. Der Kläger trägt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung die Kosten des Verfahrens. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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